Das rechtliche Gehör
und dessen Verletzung beschäftigt immer wieder die Instanzgerichte bis hin zum
BGH. Da es sich bei der Gewährung rechtlichen Gehörs um einen
verfassungsrechtlichen Anspruch der Partei vor Gericht handelt (Art. 103 GG),
weshalb an sich die Gerichte dem eine erhebliche Bedeutung beimessen sollten.
Während das Landgericht der Klage auch weiteren materiellen
und immateriellen Schadensersatz gegen eine Apothekerin nach fehlerhafter
Herstellung eines Medikaments un Hinblick auf weiteren Huashaltsführungsschaden
des Klägers statt gab und das Begehren auf weiteres Schmerzensgeld abwies, hat
das Berufungsgericht (OLG Stuttgart) auf die Berufung des Klägers diesem ein weiteres Schmerzensgeld
zugesprochen und auf die Anschlußberufung der Beklagten hin den Anspruch auf
den weiteren Haushaltsführungsschaden abgewiesen. Der vom Kläger erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde
half der BGH im Hinblick auf den Haushaltsführungsschaden durch Aufhebung des
Berufungsurteils und Zurückverweisung ab.
Die Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung durch
Abweisung des Begehrens auf den Haushaltsführungsschaden habe das OLG damit
begründet, dass der Kläger auf einen Hinweis des Senats des OLG (im
Verhandlungstermin, auf dem das Urteil ergibt) nicht vorgetragen habe, welche
Zeiten der Tätigkeit seiner Lebensgefährtin er für seine Pflege und Betreuung
und in Abgrenzung dazu, welche Zeiten er für die Haushaltsführung geltend
mache. Erst nach der mündlichen Verhandlung sei Vortrag dazu erfolgt, was
verspätet sei, wobei der Kläger es auch unterlassen habe, nach dem Hinweis im
Termin einen Schriftsatznachlass gem. § 239 Abs. 5 ZPO zum ergänzenden Vortrag
zu dem Hinweis zu stellen. Von daher sei auch nach dem verspäteten Vortrag die
mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen.
Diese Nichtberücksichtigung verstößt nach Auffassung des
BGH vorliegend gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs. Art. 103 Abs. 1 GG. Das
rechtliche Gehör würde verletzt, wenn Vortrag unberücksichtigt bleibe, ohne dass
dies im Prozessrecht eine Stütze finde. Dieser Fall sei vorliegend gegeben.
Eine in erster Instanz siegreiche Partei dürfe darauf
vertrauen, vom Berufungsgericht einen
Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der
Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will. Grundsätzlich habe der Hinweis so
rechtzeitig zu erfolgen, dass die betroffene Partei noch vor dem Termin zur
mündlichen Verhandlung darauf reagieren könne, § 139 Abs. 4 ZPO. Würde -
wie hier – der Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung erfolgen, so müsse
der Partei genügend Gelegenheit gegeben werden, darauf zu reagieren. Sei
offensichtlich, dass die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht reagieren
könne, so müsse das Gericht entweder in das schriftliche Verfahren überleiten
oder (auch ohne entsprechenden Antrag auf Schriftsatznachlass) vertagen, um
Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren.
Gegen diese Pflichten habe das OLG verstoßen. Der Hinweis
sei erst in der Berufungsverhandlung erteilt worden. Diese sei geschlossen worden,
obwohl dem Kläger wegen des mit dem Hinweis verbundenen Rechercheaufwandes eine
sofortige Erklärung nicht möglich gewesen sei. Wegen dieses Verfahrensfehlers
sei das OLG verpflichtet gewesen, sich mit dem Vortrag des Klägers in dem nicht
nachgelassenen Schriftsatz auseinanderzusetzen, was nicht stattfand.
Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem Umstand, dass
der Kläger es verabsäumte, Schriftsatznachlass zu beantragen (s.o.; BGH,
Beschlüsse vom 04.07.2013 - V ZR 151/12 - und vom 18.99.2006 - II ZR 10/05 -).
Ebenfalls sei der Umstand nicht durchgreifend, dass der
Hinweis durch das OLG bereits erstinstanzlich (als auch im Berufungsverfahren)
den Einwand erhoben habe, daß die Tätigkeit der Lebensgefährtin nicht
zeitgleich der Haushaltsführung und der Pflege des Klägers gedient habem könne.
Diese Hinweise des Gegners müssen den Kläger nicht notwendig zu der Annahme
veranlassen, dem würde das Berufungsgericht folgen und damit eine andere
Rechtsansicht als das Landgericht vertreten, weshalb vorsorglich der eigene Vortrag
zu ergänzen sei (BGH, Beschluss vom 21.01.2016 - V ZR 183/15 -).
Der Gehörsverstoß sei auch erheblich. Der Kläger habe nach
Schluss der mündlichen Verhandlung zu dem Hinweis weitergehend vorgetragen und
es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das OLG über den Anspruch betreffend
Ersatz des Haushaltsführungsschadens bei Berücksichtigung desselben anders als
geschehen entschieden hätte.
BGH,
Beschluss vom 21.01.2020 - VI ZR 346/18 -