Auch ein Radfahrer muss beim
Überholen eines anderen Radfahrers einen ausreichenden Seitenabstand einhalten.
§ 5 Abs. 4 S. 2 StVO ist anwendbar. Darauf hat das OLG Karlsruhe verwiesen.
Nach seinen Feststellungen fuhren die Parteien mit ihren Rädern in eine
Richtung auf einem 2m breiten Sand-Schotter-Weg. Der Kläger Der Kläger soll
dabei eine Fahrlinie etwas rechts von der Mitte des Weges eingehalten haben.
Der Beklagte, der sich von hinten näherte, wollte den Kläger links überholen. Während
des Überholvorgangs berührte der Beklagte den Kläger mit seiner rechten
Schulter an dessen linken Schulter, worauf der Kläger stürzte und sich
verletzte.
Das OLG führte aus, dass es keine
festen Regeln für den Sicherheitsabstand zwischen zwei Radfahrern nach § 5 Abs.
4 S. 2 StVO gäbe, vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen sei.
Zwar könne der überholender Radfahrer einen geringeren Seitenabstand als ein
PKW, da die Gefahren geringer wären als bei einem mit erheblicher
Geschwindigkeit fahrenden PKW; allerdings müsse er auch mit mehr oder minder
unvermittelten Schwankungen des überholten Radfahrers rechnen, wobei auch zu
berücksichtigen sei, dass der überholte Radfahrer nicht durch Motorengeräusche,
wie bei einem PKW, vorgewarnt würde. Vorliegend sei zudem zu berücksichtigen,
dass sich die Radfahrer auf einem unebenen Sand-Schotter-Weg befanden, nicht
auf einer asphaltierten Fläche.
Es käme für den notwendigen Seitenabstand
nicht auf den Abstand der Fahrlinien (hier: 89 cm für den Beklagten vom rechten
Fahrbahnrand, für den Kläger 164 cm vom rechten Fahrbahnrand) an, da auch die
Körperbreite zu berücksichtigen sei, die rechts und links über die Fahrlinie
rage. Bei Annahme einer Ellenbogenbreite beider Radfahrer jeweils zu einer
Seite über die Fahrbahnlinie ergäbe sich dann hier lediglich ein Anstand von ca.
10cm.
Nach Angaben des Beklagten sei
der Kläger kurz vor dem Überholen noch etwas nach rechts gefahren, weshalb er
sich nur noch 67cm vom Wegrand entfernt befunden habe. Bei einer anzunehmenden
Körperbreite von 65cm ergäbe sich hier ein Abstand von 32cm. Damit sei aber
hier ein gefahrloses Überholen nicht möglich gewesen. Dabei wären die möglichen
Schwankungen aus der geringen Geschwindigkeit des Klägers (nach Angaben des
Beklagten 10-13 km/h) und des Belags (Sand-Schotter) zu berücksichtigen. Auch
die Veränderung der Fahrlinie durch den Beklagten hätte den Kläger zur zusätzlichen
Vorsicht veranlassen müssen. Auch wenn der Beklagte nach seinen Angaben
geklingelt haben sollte, hätte sich nicht ergeben, dass dies von dem Kläger
wahrgenommen worden sei, wobei auch der Beklagte in Ansehung von lauten
Motorengeräuschen eines in der Nähe befindlichen Rasenmähers nicht annehmen
durfte, der Kläger hätte dies gehört. Der Kläger hätte eine Fahrlinie 30cm
weiter links fahren können, da ihm der gesamte linke Teil des Weges zum
Überholen zur Verfügung stand.
Es könne deshalb auf sich
beruhen, ob der Beklagte in Ansehung von leichten Schwankungen des Klägers ganz
auf ein Überholen hätte verzichten müssen oder sich vorher positiv mit dem
Kläger hätte verständigen müssen.
Auch ein Mitverschulden des
Klägers ließe sich nicht feststellen. Bei einem Seitenabstand von etwa 80cm zum
rechten Wegesrand läge in Ansehung der örtlichen Verhältnisse noch kein Verstoß
gegen das Rechtsfahrgebot vor, § 2 Abs. 2 StVO. Der Kläger hätte diesen
Seitenabstand einhalten dürfen, um übliche Schwankungen beim Fahren
auszugleichen. Der Beklagte habe zudem nicht bewiesen, dass der Kläger ihn
wahrgenommen habe.
Die Berufung wurde mit Beschluss vom 04.07.2016 zurückgewiesen.
OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 30.05.2016 – 9 U 115/15 -