Der BGH musste sich hier mit der Norm des § 1357 Abs. 1 BGB
auseinandersetzen, derzufolge die Eheleute ohne Zustimmung des jeweils anderen
Ehegatten für diesen rechtlich bindend und verpflichtend angemessene Geschäfte
zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie abschließen darf. Vorliegend ging es
um die Kündigung einer Vollkaskoversicherung durch den Ehemann, auf Grund der
die Versicherung bei einem späteren Schadensfall keine Leistung an die Ehefrau
als Versicherungsnehmerin leistete.
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten
eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für ein auf ihren Ehemann
zugelassenes Fahrzeug. Am 22.12.2014 unterschrieb der Ehemann ein
Kündigungsschreiben zu Kaskoversicherung zum 01.01.2015, worauf die Beklagte
einen neuen Versicherungsschein (der nicht mehr die Kaskoversicherung umfasste)
ausstellte und diesen mit einer Widerrufsbelehrung versah. Im Oktober 2015
wurde das Fahrzeug bei einem selbstverschuldeten Unfall beschädigt. Die
Klägerin widerrief mit Schreiben vom 14.01.2016 die Kündigung zur Vollkaskoversicherung
und machte die Reparaturkosten abzüglich Selbstbeteiligung geltend.
Klage und Berufung der Klägerin
blieben erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr
Zahlungsbegehren weiter. Der BGH wies die Revision zurück.
Das OLG, so der BGH, habe der
Klägerin die Kündigungserklärung des Ehemanns der Klägerin dieser nicht nach §
164 BGB zugerechnet. Zwar habe er offensichtlich im Namen der Klägerin
gehandelt, da im Briefkopf des Schreibens der Name der Klägerin gestanden habe.
Allerdings habe die dazu darlegungs- und beweisbelastete Beklagte dargelegt
noch das OLG festgestellt, dass der Ehemann der Klägerin von dieser auch
tatsächlich mit der Kündigung bevollmächtigt worden sei. Die Voraussetzungen
für eine Duldungs- und Anscheinsvollmacht seien auch nicht festgestellt worden.
Eine gesetzliche Vertretungsmacht des Ehegatten würde das BGB nicht kennen
(vgl. auch BT-Drucks. 15/2494 S. 16).
Allerdings habe der Ehemann der
Klägerin gem. § 1357 Abs. 1 BGB die Vollkaskoversicherung auch mit Wirkung für
die Klägerin wirksam gekündigt, wie vom OLG zutreffend angenommen.
Dieser Kündigung würde nicht
entgegenstehen, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild der Ehemann der Klägerin für diese die
Kündigung ausgesprochen habe. Bei einem ausdrücklichen Handeln im Namen des
Ehegatten käme es regelmäßig über § 1357 Abs. 1 BGB auch zu einer
Mitverpflichtung des handelnden Ehegatten wenn dieser nicht den Ausschluss seiner
eigenen Mitverpflichtung eindeutig offenlege (BGHZ 91, 1). Das sei vorliegend
jedenfalls nicht erfolgt, weshalb die Form nicht gegen § 1357 Abs. 1 BGB
spräche.
Voraussetzung sei mithin, dass
die Kündigung der Vollkaskoversicherung in den Anwendungsbereich des § 1357 BGB
falle. Dies sei der Fall, wenn das mit der Kündigung korrespondierende Geschäft
des Abschlusses dieser Versicherung selbst, ein Geschäft zur angemessenen
Deckung des Lebensbedarfs der Familie iSv. § 1357 Abs. 1 BGB wäre. In diesen
Fällen könne und würde der Ehegatte regelmäßig den anderen Ehegatten mit
berechtigen und verpflichten, wenn sich nicht aus den jeweiligen Umständen des
Einzelfalls anderweitiges ergäbe.
Unter Darlegung der Bedeutung des
§ 1356 BGB a.F. bis zur Reform des Ehe- und Familienrechts 1976 (der Ehefrau die Berechtigung zu verschaffen, Geschäfte im
häuslichen Wirkungskreis wirksam abzuschließen), führt der BGH aus, dass
nunmehr § 1357 BGB jedem Ehegatten di Befugnis zur Verpflichtung auch des
anderen Partners einräume und nicht mehr den Zweck habe, die dem Ehegatten
zugewiesenen Aufgaben zu ermöglichen. Die Ehegatten seien einander verpflichtet
mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 S. 1 BGB)m weshalb
sich das Gestz in § 1357 BGB an der „angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der
Familie“ orientiere. Es handele sich um einen unterhaltsrechtlichen Begriff,
bei dessen Auslegung §§ 1360, 1360a BGB herangezogen werden könnten.
Die Reichweite des
Familienbedarfs würde sich individuell bestimmen. Es käme auf den
Lebenszuschnitt der Familie an. Ferner verlange § 1357 Abs. 1 BGB die „angemessene“
Deckung. Dem läge zugrunde, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers Geschäfte
größeren Umfangs ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden könnten (BT-Drucks,
7/4361 S. 26). Dies schütze den am Rechtsgeschäft nicht beteiligten Ehegatten.
Versicherungen könnten nicht pauschal
aus dem Anwendungsbereich des § 1357 BGB herausgenommen werden. Entscheidend
sei der Bezug zum Lebensbedarf der Familie. Hier käme es auf den individuellen
Zuschnitt an. Der Tatrichter habe dann festzustellen, ob es sich um ein
Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie handele.
Anerkannt sei danach, dass je
nach Vermögens- und Einkommensverhältnissen auch Aufwendungen zur Anschaffung
und zum Betrieb eines PKW oder für die Kfz-Haftpflichtversicherung zum
angemessenen Familienunterhalt gehören können. Auch die Reparatur des
Fahrzeuges könne dazu gehören.
Bei dem Fahrzeug handele es sich
hier um das einzige Fahrzeug der fünfköpfigen Familie. Vor dem Hintergrund,
dass das Fahrzeug auf den Ehemann zugelassen sei und sich der monatliche Anteil
an der Vollkaskoversicherung mit € 144,90 noch in einem angemessenen Rahmen
bezogen auf die Bedarfsdeckung der Familie bewege, halte sich die Annahme des
OLG, einer vorherigen Abstimmung der Ehegatten über den Abschluss der
Vollkaskoversicherung habe es nicht bedurft, im Rahmen zulässiger
tatrichterlicher Würdigung. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Kaskoversicherung
weniger der Unterhaltung als der Vermögenssicherung diene, da es sich um das
einzige Fahrzeug gehandelt habe und die Versicherung mithin den Erhalt des
Fahrzeuges für die Familie sichern solle.
Die Kündigung könne hier auch
nach § 1357 Abs. 1 BGB von einem der Ehegatten vorgenommen werden. § 1357 BGB führe zu einer Mitberechtigung und
Mitverpflichtung des jeweils anderen Ehegatten; die Mitverpflichtung führe zu einer
gesamtschuldnerischen Haftung, die Mitberechtigung begründe eine Gesamtgläubigerschaft.
Gestaltungsrechte (hier die Kündigung) müssten zwar grundsätzlich von den
Gesamtgläubigern gemeinsam ausgeübt werden. Etwas anderes gelte aber im Bereich
des § 1357 Abs. 1 BGB, nachdem ein Partner für den anderen Rechte und Pflichten
begründen könne, weshalb es spiegelbildlich erlaubt sein müsse, sich mit
Wirkung auch für und gegen den anderen Partner sich von diesen wieder zu lösen,
unabhängig davon, welcher der Partner die eingegangene Verpflichtung ursprünglich
begründet habe.
Der Widerruf der Kündigung durch
die Klägerin sei unbeachtlich, da es sich bei der Kündigung um eine einseitige
empfangsbedürftige Willenserklärung handele. Zur Rücknahme hätte es hier der Zustimmung
der Beklagten bedurft.
BGH, Urteil vom 18.02.2018 - XII ZR 94/17 -