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Freitag, 18. Mai 2018

Zur berechtigten Kündigung einer Vollkaskoversicherung durch den Ehegatten, der nicht Versicherungsnehmer ist, gem. § 1357 Abs. 1 BGB


Der BGH musste sich hier mit der Norm des § 1357 Abs. 1 BGB auseinandersetzen, derzufolge die Eheleute ohne Zustimmung des jeweils anderen Ehegatten für diesen rechtlich bindend und verpflichtend angemessene Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie abschließen darf. Vorliegend ging es um die Kündigung einer Vollkaskoversicherung durch den Ehemann, auf Grund der die Versicherung bei einem späteren Schadensfall keine Leistung an die Ehefrau als Versicherungsnehmerin leistete.

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für ein auf ihren Ehemann zugelassenes Fahrzeug. Am 22.12.2014 unterschrieb der Ehemann ein Kündigungsschreiben zu Kaskoversicherung zum 01.01.2015, worauf die Beklagte einen neuen Versicherungsschein (der nicht mehr die Kaskoversicherung umfasste) ausstellte und diesen mit einer Widerrufsbelehrung versah. Im Oktober 2015 wurde das Fahrzeug bei einem selbstverschuldeten Unfall beschädigt. Die Klägerin widerrief mit Schreiben vom 14.01.2016 die Kündigung zur Vollkaskoversicherung und machte die Reparaturkosten abzüglich Selbstbeteiligung geltend.

Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Der BGH wies die Revision zurück.

Das OLG, so der BGH, habe der Klägerin die Kündigungserklärung des Ehemanns der Klägerin dieser nicht nach § 164 BGB zugerechnet. Zwar habe er offensichtlich im Namen der Klägerin gehandelt, da im Briefkopf des Schreibens der Name der Klägerin gestanden habe. Allerdings habe die dazu darlegungs- und beweisbelastete Beklagte dargelegt noch das OLG festgestellt, dass der Ehemann der Klägerin von dieser auch tatsächlich mit der Kündigung bevollmächtigt worden sei. Die Voraussetzungen für eine Duldungs- und Anscheinsvollmacht seien auch nicht festgestellt worden. Eine gesetzliche Vertretungsmacht des Ehegatten würde das BGB nicht kennen (vgl. auch BT-Drucks. 15/2494 S. 16).

Allerdings habe der Ehemann der Klägerin gem. § 1357 Abs. 1 BGB die Vollkaskoversicherung auch mit Wirkung für die Klägerin wirksam gekündigt, wie vom OLG zutreffend angenommen.

Dieser Kündigung würde nicht entgegenstehen, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild  der Ehemann der Klägerin für diese die Kündigung ausgesprochen habe. Bei einem ausdrücklichen Handeln im Namen des Ehegatten käme es regelmäßig über § 1357 Abs. 1 BGB auch zu einer Mitverpflichtung des handelnden Ehegatten wenn dieser nicht den Ausschluss seiner eigenen Mitverpflichtung eindeutig offenlege (BGHZ 91, 1). Das sei vorliegend jedenfalls nicht erfolgt, weshalb die Form nicht gegen § 1357 Abs. 1 BGB spräche.

Voraussetzung sei mithin, dass die Kündigung der Vollkaskoversicherung in den Anwendungsbereich des § 1357 BGB falle. Dies sei der Fall, wenn das mit der Kündigung korrespondierende Geschäft des Abschlusses dieser Versicherung selbst, ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie iSv. § 1357 Abs. 1 BGB wäre. In diesen Fällen könne und würde der Ehegatte regelmäßig den anderen Ehegatten mit berechtigen und verpflichten, wenn sich nicht aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalls anderweitiges ergäbe.

Unter Darlegung der Bedeutung des § 1356 BGB a.F. bis zur Reform des Ehe- und Familienrechts 1976 (der Ehefrau  die Berechtigung zu verschaffen, Geschäfte im häuslichen Wirkungskreis wirksam abzuschließen), führt der BGH aus, dass nunmehr § 1357 BGB jedem Ehegatten di Befugnis zur Verpflichtung auch des anderen Partners einräume und nicht mehr den Zweck habe, die dem Ehegatten zugewiesenen Aufgaben zu ermöglichen. Die Ehegatten seien einander verpflichtet mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 S. 1 BGB)m weshalb sich das Gestz in § 1357 BGB an der „angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ orientiere. Es handele sich um einen unterhaltsrechtlichen Begriff, bei dessen Auslegung §§ 1360, 1360a BGB herangezogen werden könnten.

Die Reichweite des Familienbedarfs würde sich individuell bestimmen. Es käme auf den Lebenszuschnitt der Familie an. Ferner verlange § 1357 Abs. 1 BGB die „angemessene“ Deckung. Dem läge zugrunde, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers Geschäfte größeren Umfangs ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden könnten (BT-Drucks, 7/4361 S. 26). Dies schütze den am Rechtsgeschäft nicht beteiligten Ehegatten.

Versicherungen könnten nicht pauschal aus dem Anwendungsbereich des § 1357 BGB herausgenommen werden. Entscheidend sei der Bezug zum Lebensbedarf der Familie. Hier käme es auf den individuellen Zuschnitt an. Der Tatrichter habe dann festzustellen, ob es sich um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie handele.

Anerkannt sei danach, dass je nach Vermögens- und Einkommensverhältnissen auch Aufwendungen zur Anschaffung und zum Betrieb eines PKW oder für die Kfz-Haftpflichtversicherung zum angemessenen Familienunterhalt gehören können. Auch die Reparatur des Fahrzeuges könne dazu gehören.

Bei dem Fahrzeug handele es sich hier um das einzige Fahrzeug der fünfköpfigen Familie. Vor dem Hintergrund, dass das Fahrzeug auf den Ehemann zugelassen sei und sich der monatliche Anteil an der Vollkaskoversicherung mit € 144,90 noch in einem angemessenen Rahmen bezogen auf die Bedarfsdeckung der Familie bewege, halte sich die Annahme des OLG, einer vorherigen Abstimmung der Ehegatten über den Abschluss der Vollkaskoversicherung habe es nicht bedurft, im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Kaskoversicherung weniger der Unterhaltung als der Vermögenssicherung diene, da es sich um das einzige Fahrzeug gehandelt habe und die Versicherung mithin den Erhalt des Fahrzeuges für die Familie sichern solle.

Die Kündigung könne hier auch nach § 1357 Abs. 1 BGB von einem der Ehegatten vorgenommen werden.  § 1357 BGB führe zu einer Mitberechtigung und Mitverpflichtung des jeweils anderen Ehegatten; die Mitverpflichtung führe zu einer gesamtschuldnerischen Haftung, die Mitberechtigung begründe eine Gesamtgläubigerschaft. Gestaltungsrechte (hier die Kündigung) müssten zwar grundsätzlich von den Gesamtgläubigern gemeinsam ausgeübt werden. Etwas anderes gelte aber im Bereich des § 1357 Abs. 1 BGB, nachdem ein Partner für den anderen Rechte und Pflichten begründen könne, weshalb es spiegelbildlich erlaubt sein müsse, sich mit Wirkung auch für und gegen den anderen Partner sich von diesen wieder zu lösen, unabhängig davon, welcher der Partner die eingegangene Verpflichtung ursprünglich begründet habe.

Der Widerruf der Kündigung durch die Klägerin sei unbeachtlich, da es sich bei der Kündigung um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handele. Zur Rücknahme hätte es hier der Zustimmung der Beklagten bedurft.

BGH, Urteil vom 18.02.2018 - XII ZR 94/17 -