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Samstag, 12. März 2022

Persönlichkeitsrechtsverletzung bei öffentlichen Bericht über Sexualleben des Partners

Der Kläger war der Lebensgefährte der Moderatorin S.K. Die Beklagte betrieb das Internetportal www.bild.de.  Am 28.11.2017 veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Internetseite unter voller Nennung von Vor- und Zunamen der Beteiligten „Promi-Ladys“  einen mit „Bei den Promi-Ladys herrscht Sex-Flaute !“  einen Artikel. In dem u.a. ausgeführt wurde, dass S.K. in einem Interview mit „Bunte“ über ihr „Sex-Leben mit ihrem Partner S…S…“ (dem Kläger) geklagt habe, dass sie meist zu müde seien, um zwischenmenschliche Zärtlichkeiten auszutauschen und  zwei Jungs im Alter von zwei und vier Jahren hätten, ferner, dass sie nicht nur Jungs wolle sowie „Mein Mann kann nur Jungs !“. Der Kläger begehrte von der Beklagten die Unterlassung der Nennung seines Namens im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Berichterstattung als Partner von S.K. . Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht wies sie ab. Auf die Revision stellet der BGH das landgerichtliche Urteil wieder her.

Anspruchsgrundlage auf Unterlassung sei § 823 Abs. 1, § 1004 (analog) BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, Art 2 Abs. 1 GG. Ausgangspunkt sei die überprüfbare Sinndeutung der angegriffenen Äußerung. Durch die Angabe einer „Sex-Flaute“, wonach es allenfalls noch selten zu sexuellen Kontakten käme, da bei „meistens viel zu müde“ seien, ergäbe sich der Sinngehalt. Der Kläger wolle im Zusammenhang mit dieser Aussage nicht als Partner von S.K, genannt werden und wende sich dagegen, mit den in den Aussagen enthaltenen Informationen auch zu seinem Sexualleben namentlich und damit für den Leser ohne weiteres identifizierbar in Verbindung gebracht zu werden.

Die namentliche Erwähnung greife in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein. Dies nicht nur in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses soll neben der ungewollten Preisgabe von Daten im Rahmen privater Rechtsbeziehungen vor deren intransparenter Verarbeitung und Nutzung durch Private schützen. Davon zu unterschieden sei der Schutz vor der Verarbeitung personenbezogener Berichte und Informationen als Ergebnis eines Kommunikationsprozesses. Dieser Schutzbedarf gründe in der sichtbaren Verbreitung bestimmter Informationen im öffentlichen Raum und die Gefährdung für die Persönlichkeitsentfaltung ergebe sich hier aus Form und Inhalt der Veröffentlichung selbst. Da sich der Kläger vorliegend nicht gegen eine Pflicht zur Preisgabe von Daten  wende, sondern gegen die Verbreitung von Informationen über sein Sexualleben im öffentlichen Raum, seien die äußerungsrechtlichen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts maßgebend.

Dahinstehen könne, ob die absolut geschützte Intimsphäre betroffen sei, da jedenfalls wegen der bestehenden Nähe zu dieser der innere Bereich seiner Privatsphäre betroffen sei. Das durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung der Privatsphäre gestehe jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen könne. Der Schutz sei thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasse typischerweise als „privat“ eingestufte Informationen, etwa da die öffentliche Zurschaustellung als ungeschicklich geltem das Bekanntwerden als peinlich empfunden würde oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslösen würden. Entsprechendes würde bei Informationen zur Häufigkeit sexueller Kontakte in einer Paarbeziehung ohne weiteres der Fall sein, weshalb hier in die Privatsphäre des Klägers eingegriffen worden sei.

Der Umstand, dass S.K. als Lebenspartnerin des Klägers diese wiedergegebenen Informationen im angegriffenen Artikel von S.K. selbst preisgegeben worden seien, ändere daran nichts. Zwar sei der Schutz nicht gegeben bei einem Einverständnis des Betroffenen. Auch wäre zu erwägen, ob sich der Betroffene die Selbstbegebung durch einen anderen (Partner, minderjährige Kinder, Bevollmächtigte oder im Falle der freiwilligen Mitveranlassung) zurechnen lassen müsse. Vorliegend habe aber der Kläger selbst nicht eine „Sex-Flaute“ öffentlich gemacht und auch S.K. ihn nicht namentlich benannt. Dass der Kläger, wovon das Berufungsgericht ausgegangen sei, auch ohne Namensnennung als Partner von S.K. erkennbar sei, ändere hier aber daran nichts, dass er selbst nicht tätig wurde und nicht in die Nennung seines Namens eingewilligt habe. Die Selbstöffnung von S.K. gegenüber der Öffentlichkeit hinsichtlich ihres von der „Sex-Flaute“ mitbetroffenen Partners ergäbe sich aus den Äußerungen nicht, auch nicht daraus, dass er (z.B. über Wikipedia) als Partner von S.K. recherchierbar war.

 

Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sei auch rechtswidrig gewesen. Das Schutzinteresse des Klägers überwiege das durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art 10 Abs. 1 EMRK geschützte Recht zur Meinungsfreiheit der Beklagten. Als Rahmen recht liege die Reichweite des Persönlichkeitsrechts nicht absolut fest; es müsse durch Abwägung der widerstreitenden Interessen grundrechtlich geschützter Belange bestimmt werden. Eine Rechtswidrigkeit läge dann vor, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiege (BGH, Urteil vom 29.06.2021 - VI ZR 52/18 -).

Bei der Abwägung sei von entscheidender Bedeutung, ob die die Berichterstattung durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen ließe. Maßgeblich sei dabei, ob im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichen Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert würde oder ob lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigt würde (BGH, Urteil vom 10.11.2020 - VI ZR 62/17 -). Je größer der Informationswert sei, desto mehr müsse das Schutzinteresse des Betroffenen zurücktreten (und umgekehrt). Von erheblicher Bedeutung sei dabei auch, welche Rolle dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukäme. Eine in der Öffentlichkeit unbekannte Person könne daher einen besonderen Schutz ihrer Privatsphäre beanspruchen, nicht aber eine Person des öffentlichen Lebens. Auch sei zwischen einer Berichterstattung über Tatsachen als Beitrag zur Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft (z.B. Wahrnehmung von Amtsgeschäften durch Politiker) und einer Berichterstattung über Einzelheiten des Privatlebens einer Person, die keine solche Ausgaben habe, zu unterscheiden.

Damit überwiege hier das Interesse des Klägers. Zwar könne es sein, dass die Abhandlung zu den Auswirkungen familiärer und beruflicher Belastungen auf das Beziehungsleben der Eltern von öffentlichen Interesse sei und von daher die Publikation der öffentliche Äußerung von S.K. bezogen auf ihre Person durch die Beklagte zulässig war. Alleine dies bedeute aber nicht, dass dies auch in Bezug auf den Kläger unter Benennung seines Namens zulässig sein müsste. Bei ihm handele es sich nicht um eine Person des öffentlichen Lebens; wie das Berufungsgericht  festgestellt habe, sei er in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Ein öffentliches Interesse, ihn seiner Anonymität zu entziehen und so die breite Öffentlichkeit auch über sein Sexualleben zu informieren, sei nicht zu erkennen.

BGH, Urteil vom 14.12.2021 - VI ZR 403/19 -