Die Klägerin war Kommanditistin
der Beigeladenen (einer GmbH & Co. KG). Nachdem die Beigeladene hatte nach
Veräußerung eines Grundstücks eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet. Da die
Beigeladene über kein Ersatzwirtschaftsgut verfügte, plante die Klägerin im
Rahmen einer Bauherrengemeinschaft den Bau von Tiefgaragenplätzen und wollte
zum Zwecke der Übertragung der Rücklage die Fristverlängerung auf sechs Jahre
gem. § 6b Abs. 3 S. 3 EStG in Anspruch nehmen. Sie stellte deshalb im Juni 2008
bei dem für sie betreffend der einheitlichen und gesonderten Feststellung zuständige
Finanzamt (FA) S. einen Antrag auf verbindliche Auskunft unter Darlegung der
Umstände. Das FA S. erteilte unter Bezugnahme auf die Darstellung der Klägerin
die gebührenpflichtige verbindliche Auskunft, dass die Rücklage, soweit sie auf
die Klägerin entfällt, in deren Gesamthandsvermögen übertragen werden könne.
Auch die vorgesehene buchhalterische Abwicklung entspräche den Richtlinien.
Sofern die „formalen Voraussetzungen des § 6b Abs. 4 EStG eingehalten werden,
werde die Übertragung anerkannt“. Die Beigeladene löste die Rücklage auf und
buchte den auf die Klägerin entfallenden Betrag ertragsneutral unter
Zuschreibung zum Gesellschafterdarlehen aus und führte die Rücklage in ihren
Bilanzen fort.
Im Rahmen einer bei der Beigeladenen
durchgeführten steuerlichen Außenprüfung wurde die steuerneutrale Übertragung
der anteiligen Rücklage nicht anerkannt. Die Auskunft des örtlich unzuständigen
FA S. entfalte keine Bindungswirkung, da die Umstellung des Wirtschaftsjahres
bei der Beigeladenen nicht mitgeteilt worden sei und das zuständige FA, der
Beklagte des Verfahrens, nicht beteiligt worden sei. Der Auflösungsbetrag sei
daher steuerpflichtiger Gewinn der Klägerin. Der Beklagte daher seinen unter
Nachprüfungsvorbehalt stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen den Gewinn der Beigeladenen
hinsichtlich des Gewinnanteils der Klägerin, indem es die Rücklage nach § 6b
EStG auch für die Klägerin zinswirksam auflöste. Der Einspruch der Klägerin
wurde zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Klägerin Klage.
Das Finanzgericht (FG) stellte
zunächst die Zulässigkeit der Klage fest und machte sodann Ausführungen zu
einer Rücklage nach § 6b EStG. Im Hinblick auf den Zeitraum sei zwar die
Rücklage, wenn sie am Schluss des vierten bzw. sechsten Jahres nach ihrer
Bildung noch vorhanden sei, grundsätzlich gewinnerhöhend aufzulösen. Hier
hätten die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Reinvestitionsfrist von
vier auf sechs Jahre (bei der Klägerin) vorgelegen. Einzig kontrovers sei, ob
die Rücklage bei der Beigeladenen gewinnneutral hätte aufgelöst werden und auf
die Klägerin als Mitunternehmerin übertragen werden dürfen, bevor die
Herstellung des Reinvestitionsgutes abgeschlossen war und ohne auf Seiten der Beigeladenen eine Ergänzungsbilanz
für die Klägerin zu bilden. Dies ergäbe sich, unbeschadet der
materiell-rechtlichen Richtigkeit (BFH, Urteil vom 22.11.2018 - VI R 50/16 -)
aus der verbindlichen Auskunft des FA S.
§ 89 Abs. 2 S. 1 AO sehe vor,
dass Finanzämter auf Antrag verbindliche Auskünfte über eine steuerliche
Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten
erteilen, wenn in Ansehung der steuerlichen Auswirkungen ein besonderes
Interesse bestünde. Diese Auskünfte seien für die Besteuerung des Antragstellers
verbindliche (§ 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV) Verwaltungsakte, die nach § 133 BGB zu
beurteilen seien. Sie würden mit Bekanntgabe wirksam, §§ 124 Abs. 1 S. 1 AO
iVm. 122 AO) und eine Rechtswidrigkeit sei grundsätzlich ohne Bedeutung. Nur
eine Nichtigkeit käme in Betracht (§§ 124 Abs. 3, 125 Abs. 1 AO), der einen
besonders schwerwiegenden Fehler voraussetze und offenkundig sein müsse (BFH,
Urteil vom 12.08.2015 - I R 45/14 -). Eine verbindliche Auskunft durch das FA
S. in diesem Sinne sei zu bejahen.
Die Nichtangabe des
Wirtschaftsjahres bei der Beigeladenen sei ohne Bedeutung, da lediglich die
Verlängerung der Reinvestitionsfrist von vier auf sechs Jahre entscheidend
gewesen sei, bei der hier datumsmäßig die Umstellung des Wirtschaftsjahres ohne
Belang gewesen sei.
§ 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV entfalte
auch Bindungswirkung für die Klägerin in personeller Hinsicht. Es könne
dahinstehen ob in Fällen eines mehrstufigen Feststellungsverfahrens der Antrag
von der Beigeladenen als auch der Klägerin zu stellen gewesen sei (§§ 1 Abs. 3,
2 Abs. 3 StAuskV, § 178 Abs. 2 S. 2 AO), wobei das FG von einer alleinigen
Antragsbefugnis der Klägerin in Ansehung einer mitunternehmerbezogenen
Sichtweise des § 6b EStG ausgeht, da die formelle Rechtmäßigkeit nicht die
Bindungswirkung bzw. Wirksamkeit ausschließen würde (BFH, Urteil vom 12.08.2015
- I R 45/14 -).
Selbst wenn (was nicht
unzweifelhaft sei) das FA S. örtlich nicht zuständig gewesen sein sollte, würde
dies die Bindungswirkung nicht betreffen. Die Bindungswirkung würde nur im
Falle der Nichtigkeit entfallen. Soweit in § 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV und dem
Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 89 ausdrücklich ausgeführt wird, dass
Auskünfte unzuständiger Behörden keine Bindungswirkung entfalten würden, würde
es schon in Ansehung von Art 80 Abs. 1 GG an einer tragfähigen
Ermächtigungsgrundlage ermangeln. Es handele sich um einen solch fundamentalen
Eingriff in die gesetzliche Regelung betreffend der Wirksamkeit von
Verwaltungsakten, dass diese entweder im Gesetz selbst (§ 89 Abs. 2 AO) oder
deutlich in die Ermächtigungsgrundlage hätte aufgenommen werden müssen. Auch
würde die Bindungswirkung nicht deshalb entfallen, da das FA S. und nicht die
Beklagte die verbindliche Auskunft erteilt habe; auch bei Steuerbescheiden, die
von einer unzuständigen Behörde erlassen worden seien, könne eine Durchbrechung
ihrer Bestandskraft nur bei Vorliegen entsprechender Rechtsgrundlagen erfolgen.
Maßgebend sei alleine, dass sich die Verwaltungsakte auf sämtliche
Steuerfestsetzungen beziehen würden. Dem entspräche auch § 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV, da
dort von der Bindung „für die Besteuerung des Antragstellers gesprochen würde.
Auch sei die verbindliche
Auskunft nicht wieder aufgehoben worden. Auch eine konkludente Aufhebung sei
nicht erfolgt, da das Verhalten der Betriebsprüfung dahin gegangen sei, dass
die Auskunft von vornherein keine Wirksamkeit entfalte.
FG Münster, Urteil vom 17.06.2019 - 4 K 3539/16 F -