Samstag, 20. Februar 2021

Juristische Inkompetenz des Richters ist grundsätzlich kein Befangenheitsgrund

 

Die abgelehnten Richter hatten einen Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Im Rahmen seiner Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Anhörungsrüge) beantragte er gleichzeitig die Richter des Senats, die an dem Zurückweisungsbeschluss mitwirkten, wegen Befangenheit abzulehnen. Die Befangenheit begründete er damit, dass von einer unzureichenden juristischen Qualifikation der Richter ausgegangen werden müsse, da sie die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention „ostentativ missachtet“ hätten. Der Befangenheitsantrag wurde zurückgewiesen.

Die über den Befangenheitsantrag zur Entscheidung berufenen Richter des Senats wiesen diesen, ohne Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter, teils als unzulässig zurück (insoweit eine abgelehnte Richterin nicht mehr Mitglied des Senats sei und damit nicht zur Entscheidung über die Anhörungsrüge berufen sei), im übrigen als unbegründet zurück.

Voraussetzung für die Ablehnung wegen Befangenheit sei das Vorliegen eines Grundes, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO. Das setze voraus, dass aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung alle Umstände Anlass gegeben sei, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Diese Voraussetzungen seien vom Antragsteller nicht dargetan.

Nach Auffassung des BGH kommt es nicht darauf an, ob eine unzureichende juristische Qualifikation der abgelehnten Richter vorläge, da eine solche keinen Grund zur Annahme einer Befangenheit gäbe. Auch wenn Rechtsansichten geäußert würden, würde dies nicht eine Befangenheit rechtfertigen, es sei denn, diese seien grob fehlerhaft, weshalb sich bei vernünftiger und besonnener Betrachtungsweise der Eindruck der Voreingenommenheit gegenüber einer Partei aufdränge. Dies müsste sich hier aus dem Beschluss über die Zurückweisung der beantragten Prozesskostenhilfe ergeben, was aber nicht der Fall sei.

Zwar hat sich nach § 44 Abs. 3 ZPO der abgelehnte Richter dienstlich zur Ablehnung zu äußern. Dies sei hier nicht erforderlich gewesen, da die Begründung mit unzureichender Qualifikation als solche bereits nicht geeignet sei, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, sich zudem die Rechtsansicht der abgelehnten Richter aus dem Beschluss ergäbe und sie damit zur Aufklärung des Sachverhalts im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch nicht beitragen könnten.

BGH, Beschluss vom 10.02.2021 - VI ZB 66/20 -

Aus den Gründen:

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 23. Januar 2021 gegen den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch, die Richterin Dr. Roloff und den Richter Dr. Allgayer wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 29. Dezember 2020 hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs durch den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch, die Richterin Dr. Roloff und den Richter Dr. Allgayer den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsbeschwerde abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2021 hat der Antragsteller gegen den Beschluss Anhörungsrüge eingelegt und zugleich die Richter, die an dem Beschluss mitgewirkt haben, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Es müsse von einer unzureichenden juristischen Qualifikation der Richter ausgegangen werden, weil sie Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention "ostentativ missachtet" hätten.

II.

Das Ablehnungsgesuch hat keinen Erfolg.

1. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig, soweit es sich gegen Richterin Dr. Roloff richtet, da es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Richterin ist nicht mehr Mitglied des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs und damit nicht zur Entscheidung über die Anhörungsrüge berufen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10, NJW 2011, 1358 Rn. 10).

2. Das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter Seiters, die Richterin von Pentz und die Richter Offenloch und Dr. Allgayer ist, seine Zulässigkeit unterstellt, unbegründet.

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 25. Mai 2016 - III ZR 140/15, juris Rn. 3; vom 13. Januar 2016 - VII ZR 36/14, NJW 2016, 1022 Rn. 9; vom 14. Mai 2002 - XI ZR 322/01, juris Rn. 6; jeweils mwN).

Die vom Antragsteller angenommene unzureichende juristische Qualifikation der Richter kommt damit als Ablehnungsgrund im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht. Dasselbe gilt für Rechtsansichten, es sei denn, diese sind so grob fehlerhaft, dass sich bei vernünftiger und besonnener Betrachtungsweise der Eindruck der Voreingenommenheit gegenüber einer Partei aufdrängt (Graßnack in Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl., § 42 Rn. 34, 51 mwN). Ein solcher Fall liegt hier in Ansehung der Gründe des Beschlusses vom 29. Dezember 2020 offensichtlich nicht vor.

Der Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter gemäß § 44 Abs. 3 ZPO bedurfte es nicht, weil die von dem Antragsteller monierte unzureichende Qualifikation schon nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, sich die Rechtsansicht der abgelehnten Richter aus dem Beschluss vom 29. Dezember 2020 ergibt und sie zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts, soweit es für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erheblich ist, nichts beitragen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61, Rn. 12; BVerwG, NVwZ-RR 2008, 140 f.).


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen