Freitag, 7. Februar 2020

Ausschließlicher Gerichtsstand des § 29a ZPO für lediglich aus dem Mietvertrag verpflichtete Dritte


In dem mit einer Kommanditgesellschaft (KG) abgeschlossenen Mietvertrag hatte sich diese für den Fall, dass sie für den Fall der Nichterbringung von bestimmten Ausbauleistungen zur Zahlung einer Vertragsstrafe an den Vermieter verpflichtet. Nach Abschluss des Mietvertrages ging das Mietverhältnis auf Vermieterseite auf die Klägerin über. Streitig war, ob es einer Gerichtsstandbestimmung für die Klage gegen den  nicht am Ort der Mietsache und außerhalb deren Gerichtsbezirk wohnhaften Komplementär bedarf. Das BayObLG war zur Gerichtsstandsbestimmung zuständig (§ 36 Abs. 2 ZPO iVm. § 9 EGZPO).

Das BayObLG lehnte eine Gerichtsstandbsstimmung ab.

Sei für einen der beteiligten Streitgenossen ein ausschließlicher besonderer Gerichtsstand gegeben, greife auch § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO:

„(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
3. wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist“

Die sei für die Mieterin (KG) das nach § 29a Abs. 1 ZPO das LG Memmingen, da diese Norm auf das Gericht verweist, in dessen Bezirk sich die Mietsache befindet. Da der Komplementär nicht in diesem Bezirk wohnhaft sei, wurde der Antrag auf Gerichtsstadsbestimmung gestellt.

Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung wurden allerdings vom BayObLG gleichwohl negiert. Zwar sei der Komplementär nicht Partei des Mietvertrages. Allerdings seien auch Dritte in den Anwendungsbereich des § 29a ZPO einbezogen, wenn sie aus dem Mietvertrag und nicht aufgrund eines selbständigen Vertrages hinsichtlich des Mietverhältnisses verpflichtet sind (BGH, Beschluss vom 16.12.2003 – X AZR 270/03 -). Der Komplementär, der bei der KG nach Mietvertragsabschluss eintrat,  soll hier für die Verpflichtungen der KG als Mieterin akzessorisch und damit ebenso wie die Mieterin selbst aus dem Mietvertrag haften (§§ 162 Abs. 2 iVm. 128 HGB). Anders wurde dies vom OLG Köln (Beschluss vom 10.02.2000 – 1 W 114/99 – für den Kommanditisten gesehen. Da der Komplementär – so das BayObLG – wie der Mieter selbst aus dem Mietvertrag gegenüber dem Vermieter haftet, bedürfe es keiner Gerichtsstandsbestimmung, da für ihn auch originär der Gerichtsstand des § 29a Abs. 1 ZPO gelte und sich die Verpflichtung zu Ausbaumaßnahmen sowie, für den Fall der Nichtdurchführung, die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe direkt aus dem Mietvertrag ergebe.

Von daher käme es vorliegend auch nicht darauf an, dass es auf Seiten des Vermieters zu einer Rechtsnachfolge gekommen sei (nach § 398 BGB oder nach § 566 BGB). § 29a ZPO erfasse nicht nur Ansprüche aus den Hauptpflichten des Mietvertrages, sondern auch die Erfüllung vertraglicher Nebenpflichten sowie Schadensersatzansprüche aus Verletzung vertraglicher Nebenpflichten.

BayObLG, Beschluss vom 19.11.2019 - 1 AR 109/19 -

Aus den Gründen:


Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Erbbauberechtigte eines mit einer Hotelanlage bebauten Grundstücks in Neu-Ulm. Die vormalige Erbbauberechtigte, von der die Antragstellerin das Erbbaurecht erworben hat, hat das Objekt an die Antragsgegnerin zu 1) vermietet. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin zu 1) derzeit beim Landgericht Memmingen auf Zahlung einer Vertragsstrafe mit der Begründung in Anspruch, die Antragsgegnerin zu 1) sei ihrer im Mietvertrag vereinbarten Verpflichtung zur Durchführung von Ausbauleistungen des Mietgegenstands nicht nachgekommen. Die Ansprüche auf Durchführung der Mietinvestitionen und die korrespondierenden Vertragsstrafeansprüche seien auf sie übergegangen. Jedenfalls seien ihr diese Ansprüche von der vormaligen Inhaberin des Erbbaurechts abgetreten worden.
Nach Erlass eines Mahnbescheids durch das Amtsgericht Hünfeld und Einlegung eines Widerspruchs durch die Antragsgegnerin zu 1) ist das Verfahren zunächst an das im Mahnbescheidsantrag als zuständiges Prozessgericht benannte Landgericht Hamburg abgegeben worden. Auf Antrag der Antragstellerin und nach Anhörung der Antragsgegnerin zu 1) ist der Rechtsstreit anschließend vom Landgericht Hamburg an das Landgericht Memmingen verwiesen worden, mit der Begründung, dieses Gericht sei gemäß § 29a ZPO örtlich ausschließlich zuständig. Die Antragstellerin beabsichtigt, die Klage auf die Antragsgegnerin zu 2) zu erweitern. Diese ist am 16. Januar 2019 als persönlich haftende Gesellschafterin in die Antragstellerin zu 1) eingetreten. Zur Begründung bringt die Antragstellerin vor, die Antragsgegnerin zu 2) hafte unbeschränkt persönlich für die Verbindlichkeiten der Antragsgegnerin zu 1) gemäß §§ 161 Abs. 2, § 128, § 130 HGB.
Beide Antragsgegnerinnen haben ihren Sitz in Hamburg.
Mit Schriftsatz vom 2. August 2019 hat die Antragstellerin Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung beim Bayerischen Obersten Landesgericht gestellt. Zur Begründung führt sie aus, die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO lägen vor. Es stehe für die bereits anhängige Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) und die beabsichtigte Klageerweiterung auf die Antragsgegnerin zu 2) kein gemeinsamer allgemeiner Gerichtsstand zur Verfügung. Unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit sei das Landgericht Memmingen als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
Die Antragsgegnerinnen sind angehört worden. Die Antragsgegnerin zu 1) hat erklärt, gegen die Bestimmung des Landgerichts Memmingen bestünden keine Bedenken. Die Antragsgegnerin zu 2) hat sich nicht geäußert.
II.
Eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unterbleibt, weil die Voraussetzungen der Norm vorliegend nicht gegeben sind.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig, weil das Gericht, an dem die Antragsgegnerin zu 1) am ausschließlichen Gerichtsstand des § 29a ZPO in Anspruch genommen wird, und der allgemeine Gerichtsstand der Antragsgegnerin zu 2) (§§ 12, 17 ZPO) in unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Hamburg) liegen (vgl. BGH, Beschl. v. 21. Januar 2009, Xa ARZ 273/08, juris Rn. 11; Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 27). Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Sinne des § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ist somit der Bundesgerichtshof. An dessen Stelle bestimmt das Bayerische Oberste Landesgericht das für den beabsichtigten Rechtsstreit gemeinschaftlich zuständige Gericht, weil es im Bestimmungsverfahren zuerst mit der Sache befasst wurde.
2. Die beantragte Bestimmung des für den Rechtsstreit zuständigen Gerichts ist jedoch abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorliegen.
a) Zwar ist § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch dann anzuwenden, wenn für einen der beteiligten Streitgenossen ein besonderer ausschließlicher Gerichtsstand gegeben ist - wie hier für die Antragsgegnerin zu 1) im Landgerichtsbezirk Memmingen (§ 29a Abs. 1 ZPO) - und deswegen eine Klage gegen ihn im allgemeinen Gerichtsstand - der mit demjenigen der Antragsgegnerin zu 2) übereinstimmen würde - nicht möglich ist (BayObLG, Beschl. v. 2. November 1998, 1Z AR 81/98, juris Rn. 5; BGH, Beschl. v. 9. Oktober 1986, NJW 1987, 439, juris Rn. 7). In einem solchen Fall muss das zu bestimmende Gericht zumindest für einen der zu verklagenden Streitgenossen zuständig sein, auch wenn in seinem Bezirk keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BayObLG, a a. O.).
b) Eine Bestimmung scheidet vorliegend jedoch aus, weil auch für die gegen die Antragsgegnerin zu 2) beabsichtigte Klage der ausschließliche Gerichtsstand des § 29a ZPO am Landgericht Memmingen begründet ist. Die Antragsgegnerin zu 2) ist zwar nicht Partei des Mietvertrags. Es sind jedoch auch Dritte dann in den Anwendungsbereich des § 29a ZPO einbezogen, wenn sie aus dem Mietvertrag und nicht aufgrund eines selbständigen Vertrags hinsichtlich des Mietverhältnisses verpflichtet sind (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 29a Rn. 4a; Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 29a Rn. 11; BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2003, X ARZ 270/03, BGHZ 157, 220 [juris Rn. 5]). Dies ist hier im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 2) der Fall. Die Antragsgegnerin zu 2) soll als eintretende Komplementärin für die Verpflichtungen der Antragsgegnerin zu 1) akzessorisch und damit ebenso wie diese aus dem Mietvertrag haften (a. A. OLG Köln, Beschl. v. 10. Februar 2000, 1 W 114/99, juris Rn. 8 für die Haftung eines Kommanditisten gemäß § 171 Abs. 1 HGB; Toussaint in BeckO ZPO, 34. Ed. Stand 1. September 2019, § 29a Rn. 19 a. E.). Dass auf Seiten der Vermieterin eine Rechtsnachfolge, z. B. nach § 398 oder § 566 BGB, stattgefunden hat, steht der Anwendbarkeit des § 29a ZPO ebenfalls nicht entgegen (Schultzky in Zöller, ZPO, Rn. 8). Nach dem Vorbringen der Antragstellerin haben außerdem sowohl die Ausbauverpflichtung als auch die geltend gemachte Vertragsstrafe in dem Mietvertrag ihre Grundlage, so dass der Rechtsstreit von § 29a ZPO erfasst wird. Die Vorschrift gilt nicht nur für Klagen, die Hauptpflichten eines Mietvertrags über Räume betreffen, sondern auch für solche, die auf die Erfüllung vertraglicher Nebenpflichten eines Mietvertrags oder auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung von Nebenpflichten eines Mietvertrags gerichtet sind (Schultzky in Zöller, ZPO, Rn. 14, 15).
Da somit beim Landgericht Memmingen ein gemeinsamer Gerichtsstand zur Verfügung steht, liegen die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nicht vor, § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BayObLG, Beschl. v. 12. Juni 2019, 1 AR 12/18, juris). Daher bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.

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