Mittwoch, 31. Juli 2019

Arbeitsrecht: Einstellungsdiskriminierung wegen Tätowierung ?


Der Antragsteller (AS) hatte Tätowierungen in der Darstellung eines roten Sterns auf dem Hinterkopf, Totenköpfen auf einem Handrücken und äußeren Unterarm, einem Revolver auf dem inneren Oberarm, Revolverpatronen auf dem inneren Ober- und Unterarm sowie unter dem Revolver den Schriftzug „Romeo und Julia“ und auf dem inneren Unterarm „omerta“. Unter Hinweis auf diese Tätowierungen wurde seine Bewerbung zum Zentralen Objektschutz bei der Berliner Polizei vom Antragsgegner (AG) abgelehnt. Der AS beantragte einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, dem AG (eine staatliche Einrichtung) aufzugeben, bis einen  Monat ab neuerlicher Entscheidung über die Stellenbewerbung die beworbene Stelle freizuhalten. Das Arbeitsgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, im Rahmen des Beurteilungsermessens des AG habe dieser von einer fehlenden Eignung für die ausgeschriebene Stelle in Ansehung der zur Schau getragenen gewaltverherrlichenden Tätowierungen ausgehen dürfen. Der AS legte dagegen Beschwerde ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem LAG verwies er darauf, dass der AG zwischenzeitlich die Stelle besetzt habe und die Parteien erklärten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt. Das LAG erlegte dem AS die Kosten des Verfahrens auf, § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO.

Geleitet wurde die Entscheidung vor der Erwägung, dass Tätowierungen dann einen Eignungsmangel begründen könnten, wenn sich aus ihrem Inhalt eine Straftat ergäbe oder ihr Inhalt Zweifel an einer geforderten Gewähr des Bewerbers begründen würden, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Dies sei eine Ordnung, die „unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit“ darstelle. In allen anderen Fällen würde die Reglementierung zulässiger Tätowierungen in einem Dienstverhältnis mit einer staatlichen Einrichtung  einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung bedürfen, die auch im Falle einer Verordnungsermächtigung erkennbar und vorhersehbar sei (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom  01.02.2019 - OVG 4 S 52.18 -).

Die jedenfalls bei Tragen sommerlicher Kleidung sichtbaren Tätowierungen auf inneren und äußeren Unterarm sowie Handrücken ließen objektive Zweifel zu, dass der AS für die freiheitliche demokratische Grundordnung im benannten Sinne eintreten würde. Revolverpatronen, Totenköpfe und das Wort „omerta“ (im Zusammenhang mit Aktivitäten der Mafia als „Gesetz des Schweigens“ und als Androhung tödlicher Gewalt gebraucht) würde bei dem Bürger (dem der AS als Beschäftigter der B.P. in Ausübung seiner Tätigkeit bei der Tätigkeit im Zentralen Objektschutz gegenübertrete, den Eindruck erwecken, er idealisiere ein gewaltbewehrtes Schweigegelübde an Stelle eine auf Recht und Gesetz basierenden Handelns  staatlicher Gewalt. Es sei dies eine direkte Folge und nicht eine vom AS angenommenen Folge einer vom Gesetzesvorbehalt verursachten Wirkung in der Bevölkerung (OVG Berlin-Brandenburg aaO.). Dass sich die Aussage im Zusammenhang mit der Tätowierung „Romeo und Julie“ auf das (Ver-) Schweigen einer Liebesbeziehung beziehe, ließe sich bei unbefangener Betrachtung nicht im Ansatz feststellen, zumal diese Tätowierung auch bei Tragen sommerlicher Dienstkleidung verborgen bliebe.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2019 - 5 Ta 730/19 -

Aus den Gründen:


Tenor

I. Dem Antragsteller und Beschwerdeführer werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Auferlegung der Kosten nach Erledigung des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz.
Der Antragsteller bewarb sich am 19.11.2018 auf eine von mehreren ausgeschriebenen Stellen beim Zentralen Objektschutz der P. des Antragsgegners. Mit Schreiben vom 07.03.2019 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, eine Einstellung sei aufgrund seiner Tätowierungen ausgeschlossen. Diese bestehen u. a. in der bildlichen Darstellung eines roten Sterns auf dem Hinterkopf des Antragstellers, Totenköpfen auf einem Handrücken und dem äußeren Unterarm, einem Revolver auf dem inneren Oberarm, Revolverpatronen auf dem inneren Ober- und Unterarm, dem unter dem Revolver befindlichen Schriftzug „Romeo und Julia“ und dem Wort „omerta“ auf dem inneren Unterarm.
Mit dem am 25.03.2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, eine der zur Stellenbesetzung am 10.04.2019 vorgesehenen Stellen von Tarifbeschäftigten beim Zentralen Objektschutz der B. P. bis zum Ablauf einer Frist von einem Monat ab neuerlicher Entscheidung über die Stellenbewerbung vorläufig freizuhalten und nicht durch endgültige Bindung hinsichtlich einer/eines Mitbewerberin/Mitbewerbers endgültig anderweitig zu besetzen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag durch ohne vorherige mündliche Verhandlung ergangenen und lediglich dem Antragsteller am 28.03.2019 zugestellten Beschluss vom 25.03.2019 zurückgewiesen. Weil der Antragsteller gewaltverherrlichende Tätowierungen zur Schau trage, habe der Antragsgegner im Rahmen seines Beurteilungsermessens von einer fehlenden Eignung des Antragstellers für die ausgeschriebene Tätigkeit ausgehen dürfen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der am 05.04.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Antrag, welcher das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller trägt vor, seine Tätowierungen begründeten keinen Zweifel daran, dass er jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten werde. Sie enthielten auch keine strafbaren Inhalte. Ohne ein dieses regelndes Gesetz habe der Antragsgegner daher nicht von einem Eignungsmangel ausgehen dürfen.
Der Antragsgegner trägt unter Bezugnahme auf eine in der von der Kammer anberaumten mündlichen Verhandlung am 25.04.2019 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vor, dass am 10.04.2019 alle ausgeschriebenen und zur Verfügung stehenden Stellen mit den ausgewählten Bewerbern besetzt worden seien.
In der mündlichen Verhandlung haben die Verfahrensbeteiligten das Verfahren mit widerstreitenden Kostenanträgen in der Hauptsache für erledigt erklärt.
II.
1. Da die Verfahrensbeteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO über Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Der Beschluss ergeht durch die Kammer in voller Besetzung, weil die Erledigungserklärungen in der unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter anberaumten mündlichen Verhandlung erfolgten und deshalb § 55 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG nicht einschlägig ist. Die mündliche Verhandlung über den als sofortige Beschwerde auszulegenden Antrag vom 05.04.2019 erfolgte entgegen § 78 Satz 3 ArbGG unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, weil das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und die Beschwerdekammer auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers eine mündliche Verhandlung anberaumt hat. In einem solchen Fall ist über die sofortige Beschwerde durch Urteil zu entscheiden, an der Entscheidung sind die ehrenamtlichen Richter zu beteiligen (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 09.08.2012 – 18 SaGa 2/12).
2. Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung vom 25.04.2019 sind die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes dem Antragsteller und Beschwerdeführer aufzuerlegen (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn die sofortige Beschwerde vom 05.04.2019 hätte keinen Erfolg haben können. Der Antragsgegner hat den Bewerberverfahrensanspruch des Antragstellers durch die ablehnende Entscheidung vom 07.03.2019 erfüllt. Er hat ohne Verletzung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums angenommen, der Antragsteller sei für die ausgeschriebene Tätigkeit nicht i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG geeignet.
Tätowierungen können dann einen Eignungsmangel begründen, wenn sich aus ihrem Inhalt eine Straftat ergibt oder ihr Inhalt Zweifel an der geforderten Gewähr des Einstellungsbewerbers begründen, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ist in der Definition des Bundesverfassungsgerichts eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt; zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung zählt auch die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten. In allen anderen Fällen bedarf die Reglementierung zulässiger Tätowierungen in einem Dienstverhältnis mit einer staatlichen Einrichtung hingegen einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung, auch im Fall einer Verordnungsermächtigung muss schon aus der parlamentarischen Leitentscheidung der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2019 – OVG 4 S 52.18).
Vorliegend begründen bereits die jedenfalls bei Tragen sommerlicher Dienstkleidung sichtbaren Tätowierungen des Beschwerdeführers auf seinen inneren und äußeren Unterarmen und dem Handrücken objektive Zweifel daran, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten werde. Dort sind Revolverpatronen, Totenköpfe und das Wort „omerta“ abgebildet, ein Wort der italienischen Sprache, das im Zusammenhang Aktivitäten der Mafia als Ausdruck für das mit der Androhung tödlicher Gewalt verbundene „Gesetz des Schweigens“ gebraucht wird. Hiermit wird bei dem Bürger, dem der Antragsteller als Beschäftigter der B. P. in Ausübung seiner Tätigkeit bei dem Zentralen Objektschutz gegenüber tritt, direkt (und nicht als Folge einer vom Antragsgegner nur als möglich angesehenen und damit dem Regelungsvorbehalt des Gesetzgebers überlassenen Wirkung in der Bevölkerung; vgl. OVG Berlin Brandenburg a. a. O., Rn. 8) der Eindruck erweckt, er idealisiere ein gewaltbewehrtes Schweigegelübde an Stelle des auf Recht und Gesetz beruhenden Handelns staatlicher Gewalt. Diese objektive Aussage ist mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht zu vereinbaren. Dass die Tätowierungen nach dem vom Beschwerdeführer angenommenen Sinngehalt hingegen das zum Tod von Romeo und Julia führende (Ver-)Schweigen einer Liebesbeziehung ausdrücken, lässt sich ihnen bei unbefangener Betrachtung auch im Ansatz nicht entnehmen, zumal die eintätowierten Worte „Romeo und Julia“ auch bei dem Tragen sommerlicher Dienstkleidung dem Betrachter verborgen bleiben. Es ist auch unerheblich, dass von einer verfassungsfeindlichen Einstellung des Beschwerdeführers nicht ausgegangen werden kann. Soweit er zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil v. 17.11.2017 - 2 C 25.17) verweist, betraf diese den sehr viel schwerer wiegenden staatlichen Eingriff der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Für den Eignungsmangel i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG kommen bereits aus dem objektiven Aussagegehalt von Tätowierungen herrührende Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers in Betracht (OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O.).
3. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Gründe dafür, die Rechtsbeschwerde gemäß § 92 Abs. 1 ArbGG zuzulassen liegen nicht vor.

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