Donnerstag, 3. April 2014

Wohnungseigentum: Mobilfunkanlage bedarf Zustimmung aller Eigentümer

(Bild: Christian Riedel / pixelio.de)
Die Errichtung einer Mobilfunkanlage auf dem Haus einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedarf nach der Entscheidung des BGH vom 24.01.2014 – V ZR 48/13 – der Zustimmung aller Eigentümer. Sie stellt sich als eine die Schwelle des §§ 22 Abs. 1 iVm. 14 Nr. 1 WEG hinausreihende nachteilige bauliche Beeinträchtigung dar, da es auf die Erheblichkeit nicht ankommt und nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben können. Schon im Hinblick auf mögliche Gefahren durch solche Anlagen bestünde die ernsthafte Möglichkeit, dass der Miet- und Verkaufswert der Eigentumswohnung beeinträchtigt würde. Die Norm des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach unwesentliche Strahlungen, die sich in den Grenzen der Richtwerte bewegen würden, im Nachbarverhältnis nicht berücksichtigungsfähig sind, greife im Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander nicht.

BGH, Urteil vom 24.01.2014 - V ZR 48/13 -


Aus den Gründen:

Tatbestand

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus einem 22-stöckigen Hochhaus mit Flachdach. Auf diesem befinden sich zwei Mobilfunksendeanlagen. Eine der Anlagen wird von der F.    GmbH (im Folgenden F. GmbH) betrieben.
Am 23. November 2010 wurde auf einer Wohnungseigentümerversammlung zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 2 mehrheitlich beschlossen, den Vertrag mit der F. GmbH zu „verlängern“ und dem Unternehmen zu gestatten, Antennen zu verlegen und hierzu auf dem Dach des bis dahin nicht mit Mobilfunksendeanlagen versehenen Aufzugshauses drei Antennenträger zu errichten. Dagegen wendet sich die Klägerin, der sowohl bei Beschlussfassung als auch im Zeitpunkt der von ihr erhobenen Anfechtungsklage eine Dachgeschosswohnung gehörte und die darüber hinaus nach wie vor Eigentümerin zumindest einer weiteren Eigentumswohnung ist.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, der angefochtene Beschluss entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Als bauliche Veränderung hätte die beschlossene Errichtung der Mobilfunkanlage nach § 22 Abs. 1 WEG der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedurft. Durch die Maßnahme werde die Klägerin über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Der allgemeinkundige wissenschaftliche Streit um die Gesundheitsgefahren von Mobilfunkanlagen führe zu Beeinträchtigungen bei der Vermietbarkeit und zu einer Minderung des Verkehrswerts. Das gelte umso mehr mit Blick auf die enge räumliche Beziehung, die zwischen der geplanten Sendeanlage und der Dachgeschosswohnung bestehe. Soweit die Beklagten eine Verdrängung der Vorschrift des § 22 Abs. 1 WEG durch die nachfolgenden Regelungen der Absätze 2 und 3 geltend machten, werde übersehen, dass die Sendeanlage nicht im Gemeinschaftseigentum stehe.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Mit Recht beanstandet das Berufungsgericht den angefochtenen Beschluss zu TOP 2 mit der Erwägung, die darin gestattete Anbringung der Mobilfunksendeanlage auf dem Dach des Aufzugshauses hätte nach § 22 Abs. 1 WEG der Zustimmung der Klägerin bedurft.
1. Zutreffend bejaht das Berufungsgericht eine unter die genannte Vorschrift fallende bauliche Veränderung. Es spricht schon vieles dafür, dass selbst eine - nicht lediglich völlig unerhebliche - Erweiterung einer bereits vorhandenen Anlage an dem bisherigen Standort eine bauliche Veränderung darstellte. Dass dies jedenfalls für die erstmalige Anbringung von Sendeanlagen auf dem bislang nicht mit solchen Anlagen versehenen Dach des Aufzugshauses gilt, liegt ebenso auf der Hand wie der Umstand, dass es vorliegend nicht um eine (modernisierende) Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums nach § 22 Abs. 1 u. 3, § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG geht, die mit einfacher Mehrheit beschlossen werden könnte. Ebensowenig liegt eine Modernisierung nach § 22 Abs. 2 WEG vor, die dem Willen einer qualifizierten Mehrheit der Wohnungseigentümer unterläge.
2. Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die bauliche Veränderung stelle eine über die Schwelle des § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG hinausreichende nachteilige Beeinträchtigung dar.
a) Zumindest der Sache nach legt das Berufungsgericht zutreffend zugrunde, dass nachteilig jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung ist (Senat, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 224/11, BGHZ 196, 45 Rn. 4 mwN). Diese muss zwar konkret und objektiv sein. Eine erhebliche Beeinträchtigung ist aber nicht erforderlich; nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht (BayOblG, NZM 2002, 441, 442). Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. nur Senat, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 224/11, BGHZ 196, 45 Rn. 4 mwN).
b) Die Bejahung dieser Voraussetzungen durch das Berufungsgericht lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
aa) Auf der Grundlage des allgemeinkundigen wissenschaftlichen Streits um die von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Gefahren (vgl. BT-Drs. 14/7958 S. 2 ff.; Senat, Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1319) und der daraus resultierenden Befürchtungen in weiten Teilen der Bevölkerung besteht zumindest die ernsthafte Möglichkeit einer Minderung des Miet- oder Verkaufswerts von Eigentumswohnungen (vgl. OLG München, OLGR 2007, 73; OLG Karlsruhe, NZM 2006, 746; Klein in Bärmann, 12. Aufl., § 14 Rn. 12; strenger BayOblG, NZM 2002, 441, 442 jedenfalls für den atypischen Fall, dass das Zustimmungserfordernis nach § 22 Abs. 1 WEG durch Vereinbarung abbedungen wurde). Dass die Vermietbarkeit und Verkäuflichkeit von Eigentumswohnungen durch Mobilfunksendeanlagen gegenüber Objekten ohne solche Einrichtungen erschwert sein kann, stellt eine Beeinträchtigung dar, die ein verständiger Wohnungseigentümer nicht zustimmungslos hinnehmen muss.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine andere Beurteilung auch nicht mit Blick auf die Regelung des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB geboten. Danach besteht zwar im Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer eine Regelvermutung dafür, dass bestimmte Einwirkungen, zu denen auch Strahlenimmissionen gehören, unwesentlich und daher hinzunehmen sind, wenn die einschlägigen Grenz- und Richtwerte eingehalten werden (vgl. Senat, Urteil vom 13. Februar 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Nicht aber verhält sich die Norm zu dem Konflikt unter Wohnungseigentümern darüber, wie mit dem Gemeinschaftseigentum umgegangen werden soll und ob hierzu bauliche Veränderungen mit all ihren Vorzügen und Nachteilen vorgenommen werden sollen. Schon dies erhellt, dass das von der Revision ins Feld geführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. März 2006 (VIII ZR 74/05, NZM 2006, 504 Rn. 9 ff.), in dem ein Mangel der Mietsache im Hinblick auf die Einhaltung einschlägiger Grenzwerte - im Übrigen ohne Heranziehung von § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB - verneint worden ist, für die Beantwortung der hier zu beurteilenden Frage der Entscheidung von Wohnungseigentümern über das Ob baulicher Veränderungen nichts beiträgt.
Der Rückgriff von § 22 Abs. 1 WEG auf den Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG soll sicherstellen, dass das Recht jedes Wohnungseigentümers, auf Entscheidungen über bauliche Veränderungen durch das Zustimmungserfordernis maßgebend Einfluss zu nehmen, grundsätzlich gewahrt bleibt. In diese aus dem Eigentum fließende Befugnis (§ 903 BGB) darf nur eingegriffen werden, soweit Wohnungseigentümer von der Maßnahme gar nicht oder nur ganz geringfügig betroffen sind. Vor diesem Hintergrund ist es zu sehen, dass an die Betroffenheit - zumal seit der Auflockerung des Zustimmungs- durch das Mehrheitsprinzip nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG - keine hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. auch Senat, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 224/11, BGHZ 196, 45 Rn. 6). Für die Konkretisierung dieser spezifisch wohnungseigentumsrechtlichen Geringfügigkeit liefern die in § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten immissionsrechtlichen Grenz- und Richtwerte keinen brauchbaren Maßstab. Das gilt umso mehr, als das Zusammenleben in einer Wohnungseigentumsanlage - auch bei Entscheidungen über bauliche Veränderungen - ein stärkeres Maß an Rücksichtnahme verlangt (vgl. auch OLG Köln, NJW-RR 1998, 83, 84; OLG München, OLGR 2007, 73; BayObLG, NZM 2002, 441, 443; Klein in Bärmann, 12. Aufl., § 14 Rn. 12).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.




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