Die Klägerin verlangte Schadensersatz für die Beschädigung von 7 Bürostühlen durch den Hund der Beklagten. Der Schadensfall ereignete sich bei einem Beratungsgespräch in den Räumen der Klägerin. Geltend gemacht wurden € 7.072,17, auf die von der Beklagten € 1.600,00 gezahlt wurden. Das Landgericht schätzte den Wiederbeschaffungswert der Stühle, die noch nicht repariert waren, auf € 4.832,50 und sprach der Klägerin € 3.232,50 zu. Im Rahmen der Berufung verlangte die Klägerin, nachdem zwischenzeitlich die Reparatur durchgeführt worden war, weitere € 2.239,67.
Das OLG wies darauf hin, dass der Schädiger ausnahmsweise die Naturalrestitution verweigern dürfe (und statt dessen Entschädigung in Geld zahlen dürfe), wenn dies zwar möglich sei, aber unverhältnismäßige Aufwendungen erfordere. Eine Unverhältnismäßigkeit ergäbe sich bei reinen Vermögensschäden aus einem Wertvergleich zwischen den Kosten, die zur Herstellung erforderlich seien, und dem Wert des beschädigten Gegenstandes. Die sogen. 130%-Grenze der Rechtsprechung aus der Regulierung von Kraftfahrzeugschäden könne hier nicht einfach übernommen werden, da es sich dort um ein Massengeschäft handele, welches in der Praxis einer einheitlichen und übersichtlichen Handhabung zugänglich sein müsse. Außerhalb von Kraftfahrzeugschäden käme es auf eine Interessensabwägung im Einzelfall an, wobei die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit dann überschritten sei, wenn ein „krasses Missverhältnis“ zwischen herstellungsaufwand und dem zu ersetzenden Schaden bestünde.
Eine Unverhältnismäßigkeit ergäbe sich hier nicht alleine daraus, dass die Instandsetzung der Stühle um ca. 40% höher gegenüber den Kosten der Beschaffung gleichwertiger gebrauchter Stühle läge. Die Klägerin habe die Stühle als Neuartikel erworben und sie würden seit Anschaffung zum festen Inventar des Büros seit ca. 16 Jahren gehören, im Übrigen intakt und unbeschädigt sein. Zwar wäre die Anschaffung gebrauchter Stühle möglich. Recherchen im Internet hätten allerdings gezeigt, dass die angebotenen Stühle nicht durchweg in der Farbe der geschädigten Stühle ausgeführt gewesen seien und niemand die benötigten Stühle in den benötigten drei Ausführungen angeboten habe. Die Klägerin müsste mithin „quer durch die Republik den Gebrauchthandelsmarkt“ beobachten und könnte nur sukzessive die benötigten Stühle beschaffen, die zuvor auch noch jeweils auf ihren Zustand zu untersuchen wären. Angesichts dessen sei es der beklagten mit Blick auf ein zu wahrendes einheitliches Erscheinungsbild des Inventars zumutbar, die höheren Kosten der Reparatur der vorhandenen Stühle zu übernehmen.
OLG Hamm, Urteil vom
19.02.2021 - 9 U 128/20 -