Die vom Bundesverfassungsgericht
gesetzte Frist für die Erbschaftsteuerreform lief bereits am 30.06.2016 aus.
Das Bundesverfassungsgericht will sich, nachdem die Frist nicht gewahrt wurde,
Ende September 2016 wieder mit dem Vorgang befassen. Die Politik hofft auf eine
weitere Schonfrist bis Ende Dezember.
Was bedeutet dies für Betroffene
?
Wer heute erbt, für den gelten
noch die für verfassungswidrig erklärten Regelungen des derzeitigen Erbschaftsteuerrechts.
Allerdings bestimmt das derzeit vorliegende, vom Bundesrat blockierte
Reformgesetz, dass dieses rückwirkend für alle Fälle gelten soll, deren Steuer
nach dem 30.06.2016 entstand. Ob dieses Gesetz
- auch mit der Rückwirkungsregelung -
letztlich wirksam wird, ist nicht absehbar. Ebensowenig ist absehbar,
welche Maßnahmen das Bundesverfassungsgericht trifft, wenn es auf Grund der
Untätigkeit des Gesetzgebers selbst tätig wird. Denkbar wäre, dass es das
geltende Erbschaftsteuergesetz gänzlich außer Vollzug setzt. Denkbar wäre
auch, dass es nur die beanstandeten Regelungen (so den Wegfall der
Verschonungsregelung für das Betriebsvermögen) anordnet; allerdings wird
dagegen bereits in der Fachliteratur eingewandt, das Bundesverfassungsgericht
dürfe nicht als "Notgesetzgeber auf Zeit“ fungieren.
Wie sollen sich nunmehr
diejenigen verhalten, die bereits heute über Ihr Vermögen zugunsten von
Nachkommen verfügen wollen ? Nach dem Gesetzentwurf soll eine Rückwirkung
gelten, weshalb zwar zunächst die Besteuerung nach dem geltenden Gesetz
vorgenommen würde, sich aber dann nachträglich mit Inkrafttreten der jetzigen
Gesetzesvorlage ändern soll. Damit sind neue Rechtsstreite vorprogrammiert.
Grundsätzlich wird man die
Rückwirkung eines Gesetzes als verfassungswidrig anzusehen haben. Das
Bundesverfassungsgericht unterscheidet zwischen echter Rückwirkung
(verfassungswidrig) und unechter Rückwirkung (verfassungsgemäß). Die echte
Rückwirkung liegt vor, wenn die Rechtsfolge in zum Zeitpunkt der Verkündung des
Gesetzes bereits abgeschlossene Tatbestände anknüpft BVerfGE 132, 302, 318).
Die unechte Rückwirkung liegt vor, wenn in noch nicht abgeschlossene
Sachverhalte mit Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt wird und dadurch
eine Rechtsposition entwertet wird (BVerfGE 101, 239, 263). Aber auch bei einer
unechten Rückwirkung könnte diese unzulässig sein, wenn gegen den Grundsatz des
Vertrauensschutzes verstoßen wird (BVerfG NVwZ 2016, 300ff). Allerdings hat das
BVerfG auch entschieden, dass ein Vertrauensschutz dann entfällt, wenn der
Bundestag ein (zustimmungsbedürftiges) Gesetz beschlossen hat (BVerfGE 72,
200). Hier hat der Bundestag den Beschluss am 24.06.2016 gefasst; der Bundesrat
hat den Vermittlungsausschuss angerufen.
Wird der Unternehmensnachfolgevertrag
also für die Zukunft geschlossen, würde es sich bei dem neuen Gesetz um eine
unechte Rückwirkung handeln. Ob hier, wie teilweise angenommen, der Vertrauensschutz
greift, erscheint mir allerdings zweifelhaft. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht
mit seinem Urteil vom 17.12.2014 (BVerfGE 138, 136) selbst tenoriert, dass bis
zu einer Neuregelung das bisherige Gesetz anwendbar ist, allerdings
gleichzeitig eine Frist zur Neureglung auf den 30.06.2016 bestimmt. Es ließe
sich also wohl auch vertreten zu argumentieren, dass die mit dem 30.06.2016 endende
Frist an den Gesetzgeber auch bei späteren Inkrafttreten eines Gesetzes der Vertrauensschutz
aus der weiteren Regelung im Urteil zur Fortgeltung des bisherigen Rechts
entfällt. Damit stehen sich der Urteil des BVerfG in BVerfGE 72, 200 zur
möglichen Rückwirkung auf den Tag des Beschlusses des Bundestages und seine
Tenorierung zur Fortgeltung des bisherigen Gesetzes in diesem Fall diametral
gegenüber.
Anders wird es aber wohl sein
(müssen), wenn die Unternehmensnachfolge heute mit sofortiger Wirkung vollzogen
wird. Dann läge zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes ein
abgeschlossener Tatbestand vor, für den die Rückwirkung zu versagen wäre.
Der Gesetzgeber könnte auch noch
in den Entwurf des Gesetzes eine Optionsregelung einbauen, die es den
Betroffenen freistellt, zum alten oder neuen Recht zu optieren;
Wenn in dieser rechtlich unklaren
Situation ein Vertrag zur Unternehmensnachfolge geschlossen wird, wäre auch an
das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu denken. Danach wäre
ein Vertrag anzupassen bzw. rückabzuwickeln, wenn die Geschäftsgrundlage
rückwirkend entfällt. Daran wäre zu denken, wenn in Ansehung der
Gesetzesänderung rückwirkend höhere Erbschafts- bzw. Schenkungssteuern Steuern
entstehen.