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Donnerstag, 8. September 2016

Erbschaftsteuerreform – der Streit um die Neureglung und die Konsequenzen für die Betroffenen

Die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist für die Erbschaftsteuerreform lief bereits am 30.06.2016 aus. Das Bundesverfassungsgericht will sich, nachdem die Frist nicht gewahrt wurde, Ende September 2016 wieder mit dem Vorgang befassen. Die Politik hofft auf eine weitere Schonfrist bis Ende Dezember.

Was bedeutet dies für Betroffene ?

Wer heute erbt, für den gelten noch die für verfassungswidrig erklärten Regelungen des derzeitigen Erbschaftsteuerrechts. Allerdings bestimmt das derzeit vorliegende, vom Bundesrat blockierte Reformgesetz, dass dieses rückwirkend für alle Fälle gelten soll, deren Steuer nach dem 30.06.2016 entstand. Ob dieses Gesetz  - auch mit der Rückwirkungsregelung -  letztlich wirksam wird, ist nicht absehbar. Ebensowenig ist absehbar, welche Maßnahmen das Bundesverfassungsgericht trifft, wenn es auf Grund der Untätigkeit des Gesetzgebers selbst tätig wird. Denkbar wäre, dass es das geltende Erbschaftsteuergesetz gänzlich außer Vollzug setzt. Denkbar wäre auch, dass es nur die beanstandeten Regelungen (so den Wegfall der Verschonungsregelung für das Betriebsvermögen) anordnet; allerdings wird dagegen bereits in der Fachliteratur eingewandt, das Bundesverfassungsgericht dürfe nicht als "Notgesetzgeber auf Zeit“ fungieren.

Wie sollen sich nunmehr diejenigen verhalten, die bereits heute über Ihr Vermögen zugunsten von Nachkommen verfügen wollen ? Nach dem Gesetzentwurf soll eine Rückwirkung gelten, weshalb zwar zunächst die Besteuerung nach dem geltenden Gesetz vorgenommen würde, sich aber dann nachträglich mit Inkrafttreten der jetzigen Gesetzesvorlage ändern soll. Damit sind neue Rechtsstreite vorprogrammiert.

Grundsätzlich wird man die Rückwirkung eines Gesetzes als verfassungswidrig anzusehen haben. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet zwischen echter Rückwirkung (verfassungswidrig) und unechter Rückwirkung (verfassungsgemäß). Die echte Rückwirkung liegt vor, wenn die Rechtsfolge in zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossene Tatbestände anknüpft BVerfGE 132, 302, 318). Die unechte Rückwirkung liegt vor, wenn in noch nicht abgeschlossene Sachverhalte mit Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt wird und dadurch eine Rechtsposition entwertet wird (BVerfGE 101, 239, 263). Aber auch bei einer unechten Rückwirkung könnte diese unzulässig sein, wenn gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen wird (BVerfG NVwZ 2016, 300ff). Allerdings hat das BVerfG auch entschieden, dass ein Vertrauensschutz dann entfällt, wenn der Bundestag ein (zustimmungsbedürftiges) Gesetz beschlossen hat (BVerfGE 72, 200). Hier hat der Bundestag den Beschluss am 24.06.2016 gefasst; der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuss angerufen.

Wird der Unternehmensnachfolgevertrag also für die Zukunft geschlossen, würde es sich bei dem neuen Gesetz um eine unechte Rückwirkung handeln. Ob hier, wie teilweise angenommen, der Vertrauensschutz greift, erscheint mir allerdings zweifelhaft. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 17.12.2014 (BVerfGE 138, 136) selbst tenoriert, dass bis zu einer Neuregelung das bisherige Gesetz anwendbar ist, allerdings gleichzeitig eine Frist zur Neureglung auf den 30.06.2016 bestimmt. Es ließe sich also wohl auch vertreten zu argumentieren, dass die mit dem 30.06.2016 endende Frist an den Gesetzgeber auch bei späteren Inkrafttreten eines Gesetzes der Vertrauensschutz aus der weiteren Regelung im Urteil zur Fortgeltung des bisherigen Rechts entfällt. Damit stehen sich der Urteil des BVerfG in BVerfGE 72, 200 zur möglichen Rückwirkung auf den Tag des Beschlusses des Bundestages und seine Tenorierung zur Fortgeltung des bisherigen Gesetzes in diesem Fall diametral gegenüber.

Anders wird es aber wohl sein (müssen), wenn die Unternehmensnachfolge heute mit sofortiger Wirkung vollzogen wird. Dann läge zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes ein abgeschlossener Tatbestand vor, für den die Rückwirkung zu versagen wäre.

Der Gesetzgeber könnte auch noch in den Entwurf des Gesetzes eine Optionsregelung einbauen, die es den Betroffenen freistellt, zum alten oder neuen Recht zu optieren;

Wenn in dieser rechtlich unklaren Situation ein Vertrag zur Unternehmensnachfolge geschlossen wird, wäre auch an das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu denken. Danach wäre ein Vertrag anzupassen bzw. rückabzuwickeln, wenn die Geschäftsgrundlage rückwirkend entfällt. Daran wäre zu denken, wenn in Ansehung der Gesetzesänderung rückwirkend höhere Erbschafts- bzw. Schenkungssteuern Steuern entstehen. 

Freitag, 21. Februar 2014

Keine unbegrenzte Rückwirkung von (Steuer-) Gesetzen

Gerne erlässt der Gesetzgeber Gesetze, die in die Vergangenheit wirken. Insbesondere bei Steuergesetzen ist dies der Fall. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat hier einen Riegel vorgeschoben: Keine Rückwirkung für einen Veranlagungszeitraum vor der Gesetzgebung.
Klaus Mackenbach / pixelio.de
Hintergrund der Entscheidung war eine Steuernorm für Kapitalgesellschaften die gewinnmindernde Abschreibungen bei Fondsbeteiligungen regelte. Allerdings war unklar, ob diese Regelung auch für Kapitalanlagegesellschaften (Banken pp.) galt. Die damalige rot-grüne Bundesregierung hat daher das Gesetz 2003 geändert und „klarstellend“ geregelt, es solle auch rückwirkend (bis 2001) für diese Gesellschaften gelten. Das BVerfG hat die Regelung zutreffend für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Nur in gewissen Grenzen sei eine Rückwirkung erlaubt; bei Steuergesetzen dürfe die Rückwirkung aber nicht in einen abgelaufenen Veranlagungszeitraum hinein wirken. Auch „klärende Feststellungen“ würden sich, so das BVerfG, als konstitutiv rückwirkende Regelungen darstellen, wenn dadurch eine bei der Fachgerichtsbarkeit offene Auslegungsfrage entschieden oder eine davon abweichende Auslegung ausgeschlossen werden soll.

Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber derartiges künftighin berücksichtigt. 

BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvR 5/08 -