Der Antragsteller wandte sich mit
einem Verfügungsantrag gegen eine Sperrmaßnahme des verklagten
Social-Media-Unternehmens, welches seinen Sitz im (englischsprachigen)
europäischen Ausland hat. Das Landgericht hatte den Antrag zurückgewiesen, da
es die Dringlichkeit verneint. Auf die Beschwerde wurde dem Antrag durch das
OLG stattgegeben. U.a. setzte sich das OLG mit der Frage auseinander, ob die
(hier vom OLG vorgenommene) Anhörung der Antragsgegnerin durch Übersetzung der Antragsschrift
hätte erfolgen müssen.
Das OLG hatte der Antragsgegnerin
vor dem den Antrag stattgebenden Beschluss durch Zustellung der Antragsschrift
die Möglichkeit zur Stellungnahme im schriftlichen Verfahren eingeräumt. Die
Antragsgegnerin sah die Zustellung im Hinblick auf Art. 14, 8 Abs. 1, 3
EuZustVO (VO (EG) Nr. 1393/2007) als unwirksam an und wies sie zurück, da eine
englischsprachige Übersetzung nichtbeigefügt worden sei. Dem folgte das OLG
nicht. Die Zustellung sei unter Verwendung der Formblätter (EuGH, Beschluss vom
28.04.2016 - C-384/14 -) ordnungsgemäß durchgeführt worden, weshalb bei der Prüfung
von Amts wegen nach Art. 19 EuZustVO auf die lex fori (internationales
Privatrecht, welches am Gerichtsort gilt) abzustellen sei. Diese
Zustellungsfiktion sei nach nicht zu beanstanden (EUGH aaO.).
Nach Art. 8 EuZustVO sei
anerkannt, dass es weder auf die Sprachkenntnis der Organe der betroffenen
juristischen Person noch derjenigen Person ankomme, die die Zustellung im
Ausland persönlich annehme. Ausreichend sei, wenn im Rahmen einer üblichen
dezentralen Organisationsstruktur eines Unternehmens die mit der Sache befasste
Abteilung über einen entsprechenden Sprachkundigen verfüge, dessen Einschaltung
in die Übersetzung des Schriftstücks nach den gesamten Umständen erwartet
werden könne. Berücksichtigungsfähig sei dabei, ob auf Grund der
Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden könne,
dass in dem Unternehmen Mitarbeiter
tätig sein müssten, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den
jeweiligen Kunden kümmern (zu Irland bereits LG Heidelberg, Beschluss vom
04.10.2018 - 1 O 71/18; auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.07.2014 - 6 U
104/14 -). Alleine eine einvernehmlich verwandte Vertragssprache etc. sei zwar
noch nicht ausreichend, sondern stelle nur einen Anhaltspunkt dar (EuGH, Urteil
vom 08.05.2008 - C-14/07 -). Vom nationalen Gericht seien alle in den Alten
befindlichen Informationen gebührend zu berücksichtigen, um zum einen die
Sprachkenntnisse des Empfängers festzustellen, zum anderen um zu entscheiden,
on in Ansehung des zuzustellenden Schriftstücks eine Übersetzung erforderlich
sei. In jedem Einzelfall sei für einen ausgewogenen Schutz der Rechte der
betroffenen Parteien Sorge zu tragen, indem das Ziel der Wirksamkeit und
Schnelligkeit der Zustellung im Interesse des Antragstellers und das Ziel eines
effektiven Schutzes von Verteidigungsrechten des Empfängers abgewogen werden
müssten.
Vorliegend sei zu
berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin nicht nur Millionen deutsche Kunden habe
und diese, wie aktenkundig aus dem Kommunikationsverkehr belegt würde, auch
durchgehend auf Deutsch selbst in Fragen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG)
umfassend „bedienen“ würden. Vielmehr sei die Antragsgegnerin schon nach dem NetzDG
gehalten, entsprechende Stellen im Unternehmen zu ertüchtigen und vorzuhalten,
womit sie auch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit betreibe (vgl. letzten Transparenzbericht).
Auch wenn sich die Antragsgegnerin erfolgreich dagegen wehren könne, dass ihre
inländischen Zustellungsvertreter nach § 5 NetzDG als allgemein
zustellungsbevollmächtigt auch in Sachen wie vorliegend gelten (OLG Köln,
Beschluss vom 11.01.2019 - 15 W 59/18 -), sei es der Antragsgegnerin zuzumuten,
ihren Betrieb in Irland entsprechend aufzustellen und die organisatorisch
vorhandenen und sachkundigen Stellen dann intern mit Zustellungen wie
vorliegend zu befassen. Für die Antragsgegnerin, deren Algorithmen die
öffentliche Meinung weltweit zu beeinflussen in der Lage sein dürften,
erscheine es daher zumutbar, eine Zustellung eines deutschen Gerichts der
entsprechenden deutschsprachigen Abteilung zuzuordnen, der es dann möglich sein
müsste festzustellen, weshalb man sich hier nicht an die dem Antragsteller
gegebene Zusage der Aufhebung der Sperre gehalten habe.
Damit hat das OLG Köln deutlich
postuliert, dass durch den Sitz des Social-Media-Unternehmens in Irland und die
„Sprachbarriere“ eine Erschwerung bzw. Verzögerung einer Prozessführung nicht
dadurch von diesem Unternehmen erreicht wird, dass es eine Übersetzung der Antragsschrift
und möglicher Anlagen begehrt. Es obliegt vielmehr diesem Unternehmen selbst
dafür Vorsorge zu treffen, im Rahmen von Zustellungen deutscher Gerichte
überlassene Unterlagen ggf. ins Englische zu übersetzen.
OLG Köln, Beschluss vom 09.05.2019 - 15 W 70/18 -