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Sonntag, 20. Oktober 2019

Übersetzung eines Verfügungsantrages gegen ein ausländisches Social-Media-Unternehmen ?


Der Antragsteller wandte sich mit einem Verfügungsantrag gegen eine Sperrmaßnahme des verklagten Social-Media-Unternehmens, welches seinen Sitz im (englischsprachigen) europäischen Ausland hat. Das Landgericht hatte den Antrag zurückgewiesen, da es die Dringlichkeit verneint. Auf die Beschwerde wurde dem Antrag durch das OLG stattgegeben. U.a. setzte sich das OLG mit der Frage auseinander, ob die (hier vom OLG vorgenommene) Anhörung der Antragsgegnerin durch Übersetzung der Antragsschrift hätte erfolgen müssen.

Das OLG hatte der Antragsgegnerin vor dem den Antrag stattgebenden Beschluss durch Zustellung der Antragsschrift die Möglichkeit zur Stellungnahme im schriftlichen Verfahren eingeräumt. Die Antragsgegnerin sah die Zustellung im Hinblick auf Art. 14, 8 Abs. 1, 3 EuZustVO (VO (EG) Nr. 1393/2007) als unwirksam an und wies sie zurück, da eine englischsprachige Übersetzung nichtbeigefügt worden sei. Dem folgte das OLG nicht. Die Zustellung sei unter Verwendung der Formblätter (EuGH, Beschluss vom 28.04.2016 - C-384/14 -) ordnungsgemäß durchgeführt worden, weshalb bei der Prüfung von Amts wegen nach Art. 19 EuZustVO auf die lex fori (internationales Privatrecht, welches am Gerichtsort gilt) abzustellen sei. Diese Zustellungsfiktion sei nach nicht zu beanstanden (EUGH aaO.).

Nach Art. 8 EuZustVO sei anerkannt, dass es weder auf die Sprachkenntnis der Organe der betroffenen juristischen Person noch derjenigen Person ankomme, die die Zustellung im Ausland persönlich annehme. Ausreichend sei, wenn im Rahmen einer üblichen dezentralen Organisationsstruktur eines Unternehmens die mit der Sache befasste Abteilung über einen entsprechenden Sprachkundigen verfüge, dessen Einschaltung in die Übersetzung des Schriftstücks nach den gesamten Umständen erwartet werden könne. Berücksichtigungsfähig sei dabei, ob auf Grund der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden könne, dass in dem Unternehmen  Mitarbeiter tätig sein müssten, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Kunden kümmern (zu Irland bereits LG Heidelberg, Beschluss vom 04.10.2018 - 1 O 71/18; auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.07.2014 - 6 U 104/14 -). Alleine eine einvernehmlich verwandte Vertragssprache etc. sei zwar noch nicht ausreichend, sondern stelle nur einen Anhaltspunkt dar (EuGH, Urteil vom 08.05.2008 - C-14/07 -). Vom nationalen Gericht seien alle in den Alten befindlichen Informationen gebührend zu berücksichtigen, um zum einen die Sprachkenntnisse des Empfängers festzustellen, zum anderen um zu entscheiden, on in Ansehung des zuzustellenden Schriftstücks eine Übersetzung erforderlich sei. In jedem Einzelfall sei für einen ausgewogenen Schutz der Rechte der betroffenen Parteien Sorge zu tragen, indem das Ziel der Wirksamkeit und Schnelligkeit der Zustellung im Interesse des Antragstellers und das Ziel eines effektiven Schutzes von Verteidigungsrechten des Empfängers abgewogen werden müssten.

Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin nicht nur Millionen deutsche Kunden habe und diese, wie aktenkundig aus dem Kommunikationsverkehr belegt würde, auch durchgehend auf Deutsch selbst in Fragen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) umfassend „bedienen“ würden. Vielmehr sei die Antragsgegnerin schon nach dem NetzDG gehalten, entsprechende Stellen im Unternehmen zu ertüchtigen und vorzuhalten, womit sie auch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit betreibe (vgl. letzten Transparenzbericht). Auch wenn sich die Antragsgegnerin erfolgreich dagegen wehren könne, dass ihre inländischen Zustellungsvertreter nach § 5 NetzDG als allgemein zustellungsbevollmächtigt auch in Sachen wie vorliegend gelten (OLG Köln, Beschluss vom 11.01.2019 - 15 W 59/18 -), sei es der Antragsgegnerin zuzumuten, ihren Betrieb in Irland entsprechend aufzustellen und die organisatorisch vorhandenen und sachkundigen Stellen dann intern mit Zustellungen wie vorliegend zu befassen. Für die Antragsgegnerin, deren Algorithmen die öffentliche Meinung weltweit zu beeinflussen in der Lage sein dürften, erscheine es daher zumutbar, eine Zustellung eines deutschen Gerichts der entsprechenden deutschsprachigen Abteilung zuzuordnen, der es dann möglich sein müsste festzustellen, weshalb man sich hier nicht an die dem Antragsteller gegebene Zusage der Aufhebung der Sperre gehalten habe.

Damit hat das OLG Köln deutlich postuliert, dass durch den Sitz des Social-Media-Unternehmens in Irland und die „Sprachbarriere“ eine Erschwerung bzw. Verzögerung einer Prozessführung nicht dadurch von diesem Unternehmen erreicht wird, dass es eine Übersetzung der Antragsschrift und möglicher Anlagen begehrt. Es obliegt vielmehr diesem Unternehmen selbst dafür Vorsorge zu treffen, im Rahmen von Zustellungen deutscher Gerichte überlassene Unterlagen ggf. ins Englische zu übersetzen.

OLG Köln, Beschluss vom 09.05.2019 - 15 W 70/18 -