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Donnerstag, 30. Mai 2024

Rücknahme der Rücknahme des (Teilungs-) Versteigerungsantrages

Die Beteiligten waren in Trennung lebende Eheleute, die je zur ½ Eigentümer des Grundbesitzes waren, zu dem der Beteiligte zu 1 einen Teilungsversteigerungsantrag stellte; seine Ehefrau trat dem Zwangsversteigerungsverfahren bei. Im Versteigerungstermin erklärte der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 nach der Bieterstunde, er nehme den Zwangsversteigerungsantrag zurück, woraufhin die Beteiligte zu 2 ihren Beitrittsantrag zurücknahm. Auf Frage des Rechtspflegers an den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1, ob er wirklich den Antrag zurücknehmen wolle, erklärte dieser nach Rücksprache mit dem Beteiligten zu 1, die Rücknahme des Versteigerungsantrages werde zurückgenommen und beantragte die Erteilung des Zuschlags, der antragsgemäß erfolgte. Die Beteiligte zu 2 legte gegen den Zuschlagsbeschluss sofortige Beschwerde ein. Das Landgericht wies diese zurück. Die dagegen eingelegte, vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Ein Grund zur Versagung des Zuschlags sei nach §§ 100 Abs. 3 iVm $ 83 Br. 6 ZVG u.a. dann gegeben, wenn die Zwangsversteigerung aus sonstigen Gründen unzulässig sei. Die Rücknahme des Antrages nach § 29 ZVG stelle einen solchen Grund dar. Allerdings läge hier keine Rücknahme vor.

Vorliegend äußerte der BGH Bedenken, ob tatsächliche eine Rücknahmeerklärung iSv. § 29 ZVG vorläge. Der Ablauf der Erörterung im Versteigerungstermin nach der Erklärung spreche dafür , dass es auf Seiten des Beteiligten zu 1 und seines Verfahrensbevollmächtigten noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung zur Antragsrücknahme gekommen sei. Der Verfahrensbevollmächtigte habe die Äußerung auf Nachfrage des Rechtspflegers revidiert und die die Rücknahme des Versteigerungsantrages zurückgenommen sowie den Zuschlag beantragt. Die Rücknahmeerklärung sei auch nicht im Protokoll aufgenommen worden, wie es erforderlich gewesen wäre, weshalb auch keine Genehmigung erfolgt sei. Allerdings räumt auch der BGH ein, dass die Sitzungsniederschrift nur Beweiszwecken diene und nicht im Sinne eines Formerfordernisses zu verstehen, entspreche es dem Sinn einer Erörterung im Termin, Prozesserklärungen noch einmal zu überdenken.

Allerdings stütze der BGH seine Entscheidung nicht auf vorstehende Erwägungen, sondern darauf, dass der Beteiligte zu 1 die Rücknahmeerklärung noch wirksam widerrufen habe. Zwar sei umstritten, ob ein wirksamer Widerruf der Erklärung nach § 29 ZVG möglich sei. So würde die Ansicht vertreten, es handele sich bei der Rücknahmeerklärung um eine ab dem Eingang bei Gericht unwiderrufliche verfahrensbeendende Prozesshandlung. Richtig sei allerdings die Gegenansicht, dass eine Antragsrücknahme vor Erlass eines Aufhebungsbeschlusses jederzeit widerrufen werden könne, da die Beschlagnahmewirkung nur durch einen konstitutiven Aufhebungsbeschluss entfalle und erst dadurch das Verfahren beendet würde.

Prozesshandlungen seien wegen ihrer prozessgestaltenden Wirkung dann unwiderruflich, wenn sie als sogen. Bewirkungshandlungen die Prozesslage unmittelbar beeinflussen würden (z.B. Rücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels). Soweit aber der bezweckte Erfolg der Prozesshandlungen erst auf Grund eines Tätigwerdens des Gerichts eintrete (sogenannte Erwirkungshandlungen), seien sie solange widerruflich, solange durch sie keine geschützte Position der Gegenseite entstanden sei (BGH, Urteil vom 27.02.2015 - V ZR 128/14 -). Das Tätigwerden verlange eine gerichtliche Entscheidung, durch die auf den Prozess eingewirkt würde. Danach handele es sich bei der Rücknahme des Versteigerungsantrages um eine Erwirkungshandlung, gerichtet auf den Erlass eines Aufhebungsbeschlusses. Nehme der Gläubiger den Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung uneingeschränkt zurück, die Beschlagnahmewirkung erst mit dem Aufhebungsbeschluss ende (BGH, Beschluss vom 10.07.2008 - V ZB 130/07 -). Die Beschlagnahme selbst sei nicht durch den Antrag, sondern durch hoheitliches Handeln des Vollstreckungsgerichts bewirkt, woraus folge, dass auch nur das Vollstreckungsgericht nur die hoheitliche Wirkung wieder beseitigen könne. Dazu bedürfe es des konstitutiv wirkenden Aufhebungsbeschlusses. Diese Erwägungen würden auch für das Zwangsversteigerungsverfahren gelten. Die Beschlagnahme des Grundstücks würde mit Zustellung des Anordnungsbeschlusses des Gerichts bei dem Schuldner wirksam (§ 20 Abs. 1, § 22 Abs. 1 ZVG). Diese Wirkung könne auch nur durch einen Aufhebungsbeschluss beseitigt werden, der deshalb konstitutive Wirkung habe. Das verfahren ende daher, wie sich auch aus dem Wortlaut des § 29 ZVG ergebe, nicht schon durch die Rücknahmeerklärung, sondern erst durch den nachfolgenden gerichtlichen Beschluss.

BGH, Beschluss vom 15.02.2024 - V ZB 44/23 -