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Freitag, 30. August 2019

Darlegungs- und Beweislast zur Wohnfläche bei einer Mieterhöhung und die (vergebliche) Hoffnung auf eine vom Gericht veranlasste gutachterliche Prüfung


Die Klägerin begehrte Mieterhöhung für ein von ihr 2010 vermietete Wohnung. Im Mietvertrag war keine Mietfläche benannt, lediglich der Mietzins mit € 8,63/qm und insgesamt mit netto € 798,62/Monat benannt; die Wohnungsgröße wurde von der Klägerin mit 92,54qm benannt. Amts- und Landgericht wiesen die Klage ab. Auf die zugelassene Revision wurde das Urteil des Landgerichts aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen. Die Beklagte behauptete nunmehr eine Wohnfläche von 80,674qm. Auf Nachfrage wurde klägerseits mitgeteilt, keinen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Größe der Wohnung stellen zu wollen. Die Berufung wurde neuerlich unter Zulassung der Revision zurückgewiesen. Die Revision wurde diesmal ebenfalls zurückgewiesen.

Die Beweislast für die in Ansatz zu bringende Wohnungsgröße läge bei der Klägerin als Vermieterin, die eine Mieterhöhung begehre. Den Beweis einer für den Erfolg der Klage maßgeblichen Wohnungsgröße von 92,54 qm habe die Klägerin allerdings nicht erbracht. Die Beklagte habe unter Vorlage von Messergebnissen der einzelnen Räume und einer sich hieraus ergebenden Wohnfläche von 80,674qm die klägerseits behauptete Größe der Wohnung substantiiert bestritten, weshalb es nunmehr Sache der Klägerin gewesen wäre, einen Beweis für die von ihr behauptete Größe der Wohnung anzutreten. Auf die Nachfrage des Berufungsgerichts an die anwaltlich vertretene Klägerin, ob sie ein Sachverständigengutachten zur Größe der Wohnung wolle, sei dies ausdrücklich verneint worden und auch kein anderes Beweismittel angeboten worden.

Der Vortrag der Beklagten in der widereröffneten Berufungsverhandlung nach Rückverweisung zur Wohnfläche sei nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO berücksichtigungsfähig, wobei allerdings selbst bei fehlerhafter Berücksichtigung neuen Tatsachenvortrags durch das Berufungsgericht dies im Rahmen einer Revision nicht erfolgreich eingewandt werden könne (BGH, Urteile vom 02.03.2005 - VIII ZR 174/04- und vom 06.12.2007 - III ZR 146/07 -).

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das Gericht habe auch gem. § 144 ZPO ohne Antrag des Beweispflichtigen ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Wohnungsgröße einholen können. Das Landgericht habe aber nach Auffassung des BGH hier nicht gegen § 144 ZPO verstoßen. Die Anordnung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens stünde im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und damit könne vom BGH auch nur zur Ausübung des Ermessens geprüft werden. Zu beachten sei, dass die dem Gericht nach § 144 ZPO eröffnete Möglichkeit die Parteien nicht von deren Darlegungs- und Beweislast befreie.  Daher sei der Tatrichter, dem die erforderliche Sachkunde fehle und der davon Abstand nehmen wolle, von Amts wegen gemäß § 144 ZPO sachverständige Hilfe in Anspruch zu nehmen, grundsätzlich gehalten, die beweisbelastete Partei nach § 403 ZPO auf die Notwendigkeit eines Beweisantrags hinzuweisen (BGH, Urteil vom 24.06.2015 - IV ZR 181/14 -; vgl. aber auch BGH, Beschluss vom 12.03.2019 – VI ZR 278/18 -). Dies sei der im Zivilprozess geltenden Parteiherrschaft geschuldet.  Damit habe es zunächst der Klägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten oblegen zu klären, ob und welche Beweismittel angeboten werden, was insbesondere für ein mit höheren Kosten verbundenes Sachverständigengutachten gelte. Es sei daher nicht ermessenfehlerhaft, wenn nach einem Hinweis und einem offen ausgesprochenen entgegenstehenden Willen der beweisbelasteten Partei  der Tatrichter von einer Einholung des Gutachtens von Amts wegen absähe. Das Absehen sei damit begründet worden, dass die Klägerin der Auffassung sei, die Beklagte sei mit ihrem Vortrag zur Größe der Wohnung im Berufungsrechtszug nach der Zurückverweisung an das Landgericht ausgeschlossen, da der klägerische Vortrag im Rahmen der Klage erstinstanzlich nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelte; damit habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass nach ihrer (im Ergebnis fehlerhaften) Auffassung eine Beweiserhebung entbehrlich sei. Bei dieser Konstellation habe auch nicht vom Gericht die anwaltlich vertretene Klägerin fragen müssen, ob diese bei einem entsprechenden Beweisbeschluss den Kostenvorschuss (§ 17 Abs. 3 GKG) zahlen würde.

Ebenso habe das Landgericht nach der Zurückverweisung nicht nach § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass das durch die Zurückverweisung wiedereröffnete Berufungsverfahren durch das vorangegangene Urteil des BGH in keiner Weise vorgezeichnet sei und es keine Bindung des Berufungsgerichts gäbe, dass jetzt nur noch um die (im vorangegangenen Revisionsverfahren zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung führenden) sonstigen Voraussetzungen (also nicht die Größe der Wohnung) gehen würde. Es sei gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, dass nach einer Zurückverweisung jedenfalls in den Grenzen des § 531 Abs. 2 ZPO neue Angriffs- und Verteidigungsmittel möglich seien. Dies unabhängig davon, dass hier auch die Klägerin unmissverständlich vom Berufungsgericht darauf hingewiesen worden sei, dass es gedenkt das neue Vorbringen der Beklagten zur Wohnungsgröße zu berücksichtigen und damit zu erkennen gegeben habe, dass es nicht gedenke, nur über die sonstigen Voraussetzungen des Erhöhungsbegehrens zu entscheiden.

BGH, Urteil vom 27.02.2019 - VIII ZR 255/17 -