Die Klägerin nahm den Beklagten
wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung auf materiellen
und immateriellen Schadensersatz in Anspruch, so auch auf einen Erwerbsschaden.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht sprachen die geltend gemachten
Ansprüche im Wesentlichen zu.
Der BGH sieht einen Verstoß gegen
Art. 103 GG (Gewährung rechtlichen Gehörs). So habe sich das OLG nicht mit dem
Antrag des Beklagten auf Einholung eines angiologischen und eines strahlentherapeutischen
Sachverständigengutachtens auseinandergesetzt, mit dem der Beklagte geltend
machte, eine bestehende Vorerkrankung in Form einer gravierenden arteriellen Verschlusserkrankung
habe bei der Klägerin ohnehin eine massive Beeinträchtigung der Leistungs- und
Erwerbsfähigkeit zur Folge mit der Folge, sie habe ohnehin auf Dauer ihren
Haushalt nicht führen können und auch ihrer Berufstätigkeit nicht
uneingeschränkt nachgehen können.
Diese vom OLG nicht berücksichtigten
Behauptungen des Beklagten hält der BGH für erheblich. Wenn Erwerbsschaden oder
vermehrte Bedürfnisse auch ohne den Schadensfall eingetreten wären, könne
dieser Schaden nicht dem Schädiger zugerechnet werden. Es handele sich um eine
Schadensanlage, die zum gleichen Schaden geführt hätte (sogen. Reserveursache).
Dies ist berücksichtigungsfähig wenn der Schädiger den Nachweis erbringt, dass
durch die Vorerkrankung tatsächlich dieser Schaden eingetreten wäre.
Selbst wenn aber dieser Beweis
dem verklagten Schädiger nicht gelingen würde, hätte der Tatrichter im Rahmen
der Ermittlung der Höhe als auch der Dauer eines Verdienstausfalls der
Geschädigten den gewöhnlichen Lauf der Dinge unter Berücksichtigung der
Vorerkrankung mit einbeziehen müssen, § 252 BGB. Dabei handele es sich nicht um
eine Frage der überholenden Kausalität, sondern um die konkrete
Schadensermittlung auf Basis des Sachverhalts, wie er sich wahrscheinlich in
der Zukunft darstellt. Dazu gehört die Berücksichtigung einer weiteren
beruflichen Entwicklung bei der Vorerkrankung. Eine vom gesetzlich vorgesehenen
Normalfall abweichende Entwicklung ist zu berücksichtigen.
BGH, Beschluss vom 31.05.2016 – VI ZR 305/15 -