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Freitag, 1. September 2017

Abwägungsgebot zwischen zulässiger Meinungsäußerung und unzulässiger Tatsachenbehauptung

In dem Verfahren war streitgegenständlich, ob Ausführungen der Beschwerdeführerin (Verlegerin der taz) einen Unterlassungsanspruch des Kläger des Ausgangsverfahrens (einem Journalisten der BILD-Zeitung) rechtfertigen können. Dieser wurde in Bezug auf folgende Darstellung durch das Hans. OLG Hamburg (letztinstanzlich) stattgegeben: „Ob [der Kläger] die Wahrheit sagt oder lügt, ob er vom Wulff-M.-Sumpf wusste (oder womöglich selbst darin schwamm), ist kaum herauszufinden. In der großen Affäre um den Bundespräsidenten bleibt diese Frage allenfalls eine Randnotiz. [Der Kläger] muss, anders als der Bundespräsident, kaum fürchten, dass seine Verstrickungen enthüllt und seine Abhängigkeiten öffentlich werden. Er ist Journalist, nicht Politiker. Das ist, in diesem Fall, sein Glück.“

Das BVerfG sah darin eine Verletzung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und hob das Urteil des OLG auf unter gleichzeitiger Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung.

Vom Grundsatz hielt das BVerfG fest, dass Tatsachenbehauptungen durch objektive Beziehungen zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt würden und der Überprüfung durch Beweismittel zugänglich seien, demgegenüber eine Meinungsäußerung durch „Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens“ geprägt sei. Für die Feststellung des Schwerpunktes der Äußerung käme es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an.

Das OLG habe verfassungsrechtlich nicht vertretbar eine Äußerung der Beschwerdeführerin als Tatsache eingeordnet und damit vorliegend die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung zur Anwendung gebracht, obwohl es zunächst selbst das Vorliegen einer Meinungsäußerung mit der Begründung verneint habe, die Beschwerdeführerin habe eine Bewertung vorgenommen. Eine Bewertung sei aber eine Meinungsäußerung, da sie keinem Beweis zugänglich sei. Deshalb sei die Ausführung unschlüssig. Im Übrigen habe das OLG verkannt, dass die kritische Bewertung der Äußerung des Klägers  und die auch nur als bloße Vermutung ausgewiesenen Zweifel an der Wahrheit des Klägers geprägt wären von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens und auch aus der Nähe des Klägers zu den in Frage stehenden Ereignissen ein Werturteil darstellen würden.

Da nicht auszuschließen sei, dass das OLG bei einer erneuten Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommt, sei der Rechtstreit unter Aufhebung des Urteils zurückzuverweisen.


BVerfG, Beschluss vom 16.03.2017 – 1 BvR 3085/15