Ist der Mandant mit
Rechtsschutzversicherung der „1. Klasse-Patient mit Privatversicherung zur
Chefarztbehandlung“ oder nicht ? Der rechtsschutzversicherte Mandant verursacht
mehr Arbeit als jener, der nicht rechtsschutzversichert ist, da der Anwalt sich
häufig mit zusätzlichen Anfragen des Versicherers beschäftigen muss. Hinzu
kommt, dass ein rechtsschutzversicherter Mandant häufig risikofreudiger ist,
was aber auch zu einem Haftungsproblem des Anwalts führen kann, wenn dieser
sich darauf einlässt und der Rechtsschutzversicherer nachher Schadensersatz
begehrt.
Vorliegend wurde
die beklagte Anwaltskanzlei für einen Versicherten der klagenden
Rechtsschutzversicherung tätig und führte auch die Korrespondenz mit dem
Versicherer. Die Klägerin erteilte jeweils auf Anfrage Deckungsschutz, zunächst
für die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs, sodann für die
gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs und leiste an die Anwaltskanzlei
Kostenvorschüsse von insgesamt € 2.862,26. Im September 2016 erstatte die
Kanzlei an den Versicherer kommentarlos einen
Betrag von € 1.309,41 und reagierte sodann nicht auf Anfragen des Versicherers
zum Sachstand. Den sodann seitens des klagenden Rechtsschutzversicherers beauftragten
Anwälten wurde lediglich die Ablehnung einer Auskunft mitgeteilt. Nach
Klageerhebung und nachdem die Beklagten im Termin Angaben zum verfahren gemacht
hatte, erklärte die Klägerin insoweit (einseitig) die Hauptsache für erledigt und
begehrte im Übrigen noch den verzugsschaden in Form eigener Anwaltsgebühren.
Der Klage wurde stattgegeben. Die Berufung und auch die zugelassene Revision
wurden zurückgewiesen.
Die Klage sei,
auch im Hinblick auf das von der Klägerin für erledigt erklärte
Auskunftsbegehren, von Anfang an begründet gewesen und erst (mit der
notwendigen Konsequenz der Hauptsacheerledigungserklärung) mit der Erklärung
der beklagten im Termin vor dem Amtsgericht unbegründet geworden sei. Die
Klägerin sei Inhaberin eines Auskunftsanspruchs nach § 666 BGB gewesen, und zwar aus übergegangenem Recht
gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG. Da es sich
bei der Rechtsschutzversicherung auch um eine Sachversicherung handele, greife
§ 86 VVG zum Übergang eines Anspruchs des Versicherungsnehmers (VN) auf den
Versicherer, der insoweit erfolge, als der Versicherer dem VN den Schaden
ersetzt. Die Zahlung der Kostenvorschüsse stelle sich als Zahlung auf einen
Schadens des VN dar. Insoweit ist der Anspruch des VN gegen den Gegner des VN
auf die Rechtsschutzversicherung übergegangen. Mit der Zahlung des Gegners an
den vom VN bevollmächtigten Anwalt ginge der Auszahlungsanspruch des VN gegen
den Anwalt (§§ 675 Abs. 1, 667 BGB) gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den
Rechtsschutzversicherer über. Diese Zahlung hätten wzar die Beklagten an die
Klägerin weitergeleitet, aber erst im Termin erklärt, es habe sich um die
Leistung der Gegenseite gehandelt.
Dem
Herausgabeanspruch folge der Auskunftsanspruch des VN gegen seinen Anwalt; es
handele sich um ein Hilfsrecht analog §§ 412, 401 BGB. Das Auskunftsrecht habe
sich sowohl auf den bereits ausgekehrten Betrag als auch den bisher nicht abgerechneten
Betrag bezogen. Diesem Begehren des Rechtsschutzversicherers habe auch keine
anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung nach § 43a Abs. 2 BRAO entgegen gestanden. Eine
Entbindung von der Schweigepflicht könne ausdrücklich aber auch konkludent
durch den Mandanten erklärt werden. Wenn der Rechtsschutzversicherer mit
Einverständnis des Mandanten einen Prozess vorfinanziere und der Mandant die
Korrespondenz mit seinem Rechtsschutzversicherer seinem Anwalt überlasse, würde
letzterer konkludent von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung in Ansehung der
Abrechnung entbunden. Da nur so der Anwalt der dem Mandanten obliegenden Auskunftspflicht
gegenüber dem Versicherer sachgerecht nachkommen könne.
Anmerkung: Was hier im Einzelnen
die beklagte Anwaltskanzlei veranlasste, keine Auskünfte an den Rechtsschutzversicherer
zu erteilen, lässt sich nicht erkennen. Hätte sie hier nicht für den Mandanten
bei dem Rechtsschutzversicherer um Kostendeckung nachgesucht und die
Korrespondenz mit diesem geführt, hätten sie jedenfalls auch nicht auf Aufforderungen
desselben reagieren müssen. Die Interessenswahrnehmung gegenüber dem Rechtsschutzversicherer
stellt sich jedenfalls als gesondertes Mandat dar, welches der Anwalt gegenüber
dem Mandanten abrechnen könnte. Da aber wohl die meisten Anwälte dies ohne
zusätzliche Gebühren für den Mandanten übernehmen, wird man wohl einen
Gebührenanspruch nur annehmen können, wenn der Mandant von seinem Anwalt vorab
darauf hingewiesen wurde. Aber auch ohne eine gesonderte Beauftragung wird
teilweise die Ansicht vertreten, der Anwalt müsse auf die Belange seines Rechtsschutzversicherten
Mandanten (wenn ihm der bestand einer Rechtsschutzversicherung bekannt ist)
Rücksicht nehmen, was auch bedeuten kann, dass er diesem z.B. bei Erteilung
eines Klageauftrags anrät, zunächst Deckungsschutz einzuholen. Will er dies ausschließen,
sollte er jedenfalls zur eigenen Sicherung den Mandanten bei Mandatserteilung
darauf ausdrücklich hinweisen. Allerdings würde dies letztlich den Versicherer
nicht notwendig hindern, Ansprüche wie hier (gleichwohl) geltend zu machen:
Geht nämlich Zahlungsanspruch bei Vorleistung des Versicherers auf diesen nach
§ 86 VVG über, ist es nicht entscheidend, ob hier bereits ansonsten ein Kontakt
zwischen Anwalt des VN und Versicherer bestand. Damit aber geht auch der Auskunftsanspruch
des VN gegen den Anwalt auf den Versicherer über. Einzig könnte hier die Verschwiegenheitsverpflichtung
des Anwalts dem begehrend es Versicherers entgegenstehen. Da man eine konkludente
Einwilligung des VN in einem solchen Fall wohl nicht annehmen könnte, müsste
sich der Versicherer zunächst die ausdrückliche Einwilligung des VN holen.
BGH, Urteil vom 13.02.2020 - IX ZR 90/19
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