Die Klägerin als Rechtsschutzversicherer
des Mandanten R. der Beklagten hatte Deckungsschutz für das Klage-, Berufungs-
und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erteilt. Der Mandant der Beklagten (und
Versicherungsnehmer [VN] der Klägerin) obsiegte schließlich vor dem BGH. Auf
die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts zahlte der Prozessgegner
eingehend bei der Beklagten Anfang November 2012 die festgesetzten Beträge
sowie Zinsen, die die Beklagte Ende November 2012 an den Mandanten R. auszahlte,
auch soweit die Klägerin mit Zahlungen für diese Beträge in Vorlage getreten
war. Nachdem sich die Klägerin im Juni 2015 bei der Beklagten über den
Verfahrensstand informierte und diese die Zahlung an den Mandanten/VN R.
mitteilte, forderte sie von dort die Zahlung an. R. zahlte den von der
Beklagten an ihn gezahlten Betrag an die Klägerin im August 2015. Mit der
Begründung, die Beklagte habe direkt nach Eingang bei ihr den Betrag an die
Klägerin weiterleiten müssen, nahm sie diese auf Zahlung von Zinsen für den Zeitraum
November 2012 bis August 2015 in Höhe von € 1.081,16 in Anspruch. Das
Amtsgericht wies die Klage ab; die von der Klägerin eingelegte Berufung wurde
vom Landgericht zurückgewiesen. Eine vom Landgericht zugelassene Revision der
Klägerin wurde vom BGH zurückgewiesen.
Der BGH hielt fest, dass die
Rechtsschutzversicherung eine Schadensversicherung sei, für die § 86 Abs. 1 S.
1 VVG gelte, derzufolge ein dem VN gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch
gegen den Prozessgegner durch die Zahlung durch die Klägerin auf diesen
(aufschiebend bedingt mit der Zahlung im Rahmen des Prozesses) auf diese
übergeht. Damit sei der Kostenerstattungsanspruch des VN hier auf die Klägerin
übergegangen und habe ihr ein Anspruch gegen die Beklagte auf Auskehrung der
Zahlungen zugestanden. Die Empfangsberechtigung der Klägerin ergäbe sich aus Gesetz
ohne Dispositionsbefugnis des VN. Die Beklagte, die durch die an sie erfolgten
Zahlungen der Klägerin über das Bestehen der Rechtsschutzversicherung informier
war, habe sich durch die (versehentliche) Weiterleitung der Gelder an R. von
ihrer Leistungsverpflichtung gegenüber der Klägerin nicht befreien können.
Allerdings bestünde kein
Verzinsungsanspruch der Klägerin für den benannten Zeitraum. Dieser setze
Verzug nach §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, der mangels
einer Mahnung der Klägerin hier nicht vorliege. Durch die Weiterleitung an den
Mandanten R. habe aber die Beklagte das Geld nicht für sich verwandt. Anders
wäre es nur zu beurteilen, wenn die Beklagte über das Geld wie ein Berechtigter
verfügt hätte (z.B. bei einem Geschenk oder Darlehensgewährung an Dritte). Eine entsprechende Stellung habe sich aber
hier die Beklagte nicht angemaßt. Das Übersehen des Forderungsübergangs gem. §
86 Abs. 1 S. 1 VVG mache aus der Weiterleitung an den Mandanten keine
Eigenverwendung iSv. § 668 BGB.
Ohne den Schuldnerverzug durch
Mahnung nach § 286 BGB käme dann nur noch ein deliktischer Anspruch nach § 849
BGB für den Zinsersatz in Betracht. Die Voraussetzungen lägen aber nicht vor,
da der allein in Betracht kommende Anspruch nach § 823 BGB am Fehlen eines Schutzgesetzes scheitere.
Insbesondere stelle § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO kein Schutzgesetz dar, der vom
Anwalt bei der Behandlung anvertrauter Vermögenswerte die erforderliche
Sorgfalt verlange (S. 1) und ferner verlange, dass der Anwalt fremde Gelder
unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterleite (S. 2). Im Rahmen des §
823 Abs. 2 BGB sei Voraussetzung, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr
verwirklicht habe, vor die die betreffende Norm schützen soll; der Schaden
müsse also in den sachlichen Schutzbereich der Norm fallen als auch müsse der
Geschädigte zu dem Kreis derjenigen Personen gehören, deren Schutz die Norm
bezwecke. Konkretisiert würde dies in § 4 BORA, wobei der Weiterleitung von
Fremdgeldern der Vorrang vor deren Verwaltung auf Anderkonten habe. Es handele
sich bei der BORA (Berufsordnung) und BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) nicht
um Gesetze, sondern um autonomes Satzungsrecht eines Berufsstandes, welches aus
verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus im Allgemeinen die (privat-) rechtliche
Beziehung des Rechtsanwalts zu Außenstehenden nicht regeln dürfe. Da die
Klägerin Außenstehende sei, scheide § 4 BORA als Schutzgesetz aus. § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO gebe keinen eindeutigen
Hinweis, ob sie eine schützende Funktion für den jeweiligen „Empfangsberechtigten“
habe. Geschützt würden in der BRAO das allgemeine Vertrauen in die Korrektheit
und Integrität der Anwaltschaft in allen finanziellen Fragen und damit die
Funktionsfähigkeit der Anwaltschaft in der Rechtspflege, weshalb es dieses Allgemeininteresse
rechtfertige, die rein zivilrechtlichen Pflichten aus einem Anwaltsvertrag als
berufsrechtliche Pflichten auszugestalten und deren Verletzung anwaltsgerichtlich
zu ahnden. Der Umstand, dass die „Empfangsberechtigten“ als Teil der
Allgemeinheit auch auf die Integrität des Anwalts in finanziellen
Angelegenheiten vertrauen würden, begründe aber keinen Individualschutz,
sondern ebenso wie z.B. die Verschwiegenheitspflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO) einen
Schutz der Interessen des Mandanten, deren Verletzung zu einem vertraglichen
Schadensersatzanspruch und bei gleichzeitiger Verletzung von Strafgesetzen, zu
einem deliktischen Anspruch nach § 823 BGB führen würden. Ob § 43a Abs. 5 BRAO
auch Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB sei, sei umstritten, könne hier aber dahinstehen;
selbst wenn die gesetzgeberische Tendenz zugunsten des Mandanten bestünde,
dürfte sie sachlich nicht dem deliktsrechtlichen Schutz gegen eine
unverzügliche, aber versehentliche Weiterleitung der Gelder an den falschen -
nicht berechtigten – Empfänger umfassen. Es gäbe keine Anhaltspunkte, dass §
43a BRAO dem individuellen Schutz des Rechtsschutzversicherers dienen solle.
Mit ihm würde den Anwalt kein Vertrag oder sonstiges Vertrauensverhältnis
verbinden.
BGH, Urteil vom 23.07.2019 - VI ZR 307/18 -