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Montag, 28. Oktober 2019

Kein Zinsanspruch der Rechtsschutzversicherung gegen Anwalt mangels Vertrags- oder Vertrauensverhältnis


Die Klägerin als Rechtsschutzversicherer des Mandanten R. der Beklagten hatte Deckungsschutz für das Klage-, Berufungs- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erteilt. Der Mandant der Beklagten (und Versicherungsnehmer [VN] der Klägerin) obsiegte schließlich vor dem BGH. Auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts zahlte der Prozessgegner eingehend bei der Beklagten Anfang November 2012 die festgesetzten Beträge sowie Zinsen, die die Beklagte Ende November 2012 an den Mandanten R. auszahlte, auch soweit die Klägerin mit Zahlungen für diese Beträge in Vorlage getreten war. Nachdem sich die Klägerin im Juni 2015 bei der Beklagten über den Verfahrensstand informierte und diese die Zahlung an den Mandanten/VN R. mitteilte, forderte sie von dort die Zahlung an. R. zahlte den von der Beklagten an ihn gezahlten Betrag an die Klägerin im August 2015. Mit der Begründung, die Beklagte habe direkt nach Eingang bei ihr den Betrag an die Klägerin weiterleiten müssen, nahm sie diese auf Zahlung von Zinsen für den Zeitraum November 2012 bis August 2015 in Höhe von € 1.081,16 in Anspruch. Das Amtsgericht wies die Klage ab; die von der Klägerin eingelegte Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Eine vom Landgericht zugelassene Revision der Klägerin wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH hielt fest, dass die Rechtsschutzversicherung eine Schadensversicherung sei, für die § 86 Abs. 1 S. 1 VVG gelte, derzufolge ein dem VN gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch gegen den Prozessgegner durch die Zahlung durch die Klägerin auf diesen (aufschiebend bedingt mit der Zahlung im Rahmen des Prozesses) auf diese übergeht. Damit sei der Kostenerstattungsanspruch des VN hier auf die Klägerin übergegangen und habe ihr ein Anspruch gegen die Beklagte auf Auskehrung der Zahlungen zugestanden. Die Empfangsberechtigung der Klägerin ergäbe sich aus Gesetz ohne Dispositionsbefugnis des VN. Die Beklagte, die durch die an sie erfolgten Zahlungen der Klägerin über das Bestehen der Rechtsschutzversicherung informier war, habe sich durch die (versehentliche) Weiterleitung der Gelder an R. von ihrer Leistungsverpflichtung gegenüber der Klägerin nicht befreien können.

Allerdings bestünde kein Verzinsungsanspruch der Klägerin für den benannten Zeitraum. Dieser setze Verzug nach §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, der mangels einer Mahnung der Klägerin hier nicht vorliege. Durch die Weiterleitung an den Mandanten R. habe aber die Beklagte das Geld nicht für sich verwandt. Anders wäre es nur zu beurteilen, wenn die Beklagte über das Geld wie ein Berechtigter verfügt hätte (z.B. bei einem Geschenk oder Darlehensgewährung an Dritte).  Eine entsprechende Stellung habe sich aber hier die Beklagte nicht angemaßt. Das Übersehen des Forderungsübergangs gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG mache aus der Weiterleitung an den Mandanten keine Eigenverwendung iSv. § 668  BGB.

Ohne den Schuldnerverzug durch Mahnung nach § 286 BGB käme dann nur noch ein deliktischer Anspruch nach § 849 BGB für den Zinsersatz in Betracht. Die Voraussetzungen lägen aber nicht vor, da der allein in Betracht kommende Anspruch nach § 823 BGB  am Fehlen eines Schutzgesetzes scheitere. Insbesondere stelle § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO kein Schutzgesetz dar, der vom Anwalt bei der Behandlung anvertrauter Vermögenswerte die erforderliche Sorgfalt verlange (S. 1) und ferner verlange, dass der Anwalt fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterleite (S. 2). Im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB sei Voraussetzung, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht habe, vor die die betreffende Norm schützen soll; der Schaden müsse also in den sachlichen Schutzbereich der Norm fallen als auch müsse der Geschädigte zu dem Kreis derjenigen Personen gehören, deren Schutz die Norm bezwecke. Konkretisiert würde dies in § 4 BORA, wobei der Weiterleitung von Fremdgeldern der Vorrang vor deren Verwaltung auf Anderkonten habe. Es handele sich bei der BORA (Berufsordnung) und BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) nicht um Gesetze, sondern um autonomes Satzungsrecht eines Berufsstandes, welches aus verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus im Allgemeinen die (privat-) rechtliche Beziehung des Rechtsanwalts zu Außenstehenden nicht regeln dürfe. Da die Klägerin Außenstehende sei, scheide § 4 BORA als Schutzgesetz aus.  § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO gebe keinen eindeutigen Hinweis, ob sie eine schützende Funktion für den jeweiligen „Empfangsberechtigten“ habe. Geschützt würden in der BRAO das allgemeine Vertrauen in die Korrektheit und Integrität der Anwaltschaft in allen finanziellen Fragen und damit die Funktionsfähigkeit der Anwaltschaft in der Rechtspflege, weshalb es dieses Allgemeininteresse rechtfertige, die rein zivilrechtlichen Pflichten aus einem Anwaltsvertrag als berufsrechtliche Pflichten auszugestalten und deren Verletzung anwaltsgerichtlich zu ahnden. Der Umstand, dass die „Empfangsberechtigten“ als Teil der Allgemeinheit auch auf die Integrität des Anwalts in finanziellen Angelegenheiten vertrauen würden, begründe aber keinen Individualschutz, sondern ebenso wie z.B. die Verschwiegenheitspflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO) einen Schutz der Interessen des Mandanten, deren Verletzung zu einem vertraglichen Schadensersatzanspruch und bei gleichzeitiger Verletzung von Strafgesetzen, zu einem deliktischen Anspruch nach § 823 BGB führen würden. Ob § 43a Abs. 5 BRAO auch Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB sei, sei umstritten, könne hier aber dahinstehen; selbst wenn die gesetzgeberische Tendenz zugunsten des Mandanten bestünde, dürfte sie sachlich nicht dem deliktsrechtlichen Schutz gegen eine unverzügliche, aber versehentliche Weiterleitung der Gelder an den falschen - nicht berechtigten – Empfänger umfassen. Es gäbe keine Anhaltspunkte, dass § 43a BRAO dem individuellen Schutz des Rechtsschutzversicherers dienen solle. Mit ihm würde den Anwalt kein Vertrag oder sonstiges Vertrauensverhältnis verbinden.

BGH, Urteil vom 23.07.2019 - VI ZR 307/18 -