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Sonntag, 2. Oktober 2016

Hinterziehungszinsen: Keine Feststellungslast zu Lasten des Steuerpflichtigen bei der der Feststellung einer Steuerhinterziehung

Die Klägerin hatte 1990 in der Schweiz befindliches Vermögen auf ein schweizerisches Konto ihrer Stieftochter transferiert, über welches sie später Vollmacht erhielt. 2001 wurde das Konto geschlossen und auf ein Konto der Klägerin bei einer anderen Schweizer Bank übertragen. 2010 wurde dies dem zuständigen Finanzamt in Deutschland mitgeteilt. Das Finanzamt erließ Schenkungssteuerbescheide, die rechtskräftig wurden. Sodann erließ es 2011 einen Bescheid über Hinterziehungszinsen. Der Einspruch der Klägerin führte zu einer geringen Verringerung zur Höhe, die Klage wurde vom Finanzgericht abgewiesen. Der BFH hob die Entscheidung des Finanzgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an dieses zurück.


Die Klägerin hat sich darauf berufen, die Übertragung an ihre Stieftochter wäre nicht auf der Grundlage einer Schenkung sondern lediglich im Rahmen eines Treuhandverhältnisses erfolgt. Dem folgte das Finanzgericht nicht, welches in der Übertragung an die Stieftochter eine Schenkung annahm. Da diese unbeschadet der der Klägerin erteilten Vollmacht über das Vermögen frei hätte  verfügen können. Auch habe die Klägerin das Bestehen eines materiell gewollten Treuhandverhältnisses nicht nachgewiesen und es träfe ihm diesbezüglich die Feststellungslast.

Voraussetzung für die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 1 AO ist eine vollendete Steuerhinterziehung. Es müssen damit die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 370 AO erfüllt sein. Der BFH weist darauf hin, dass bei der Feststellung tatbestandlicher Voraussetzungen einer Strafrechtsnorm wie des § 370 AO im Rahmen der Anwendung von steuerrechtlichen Vorschriften wie des § 235 AO nicht die Strafprozessordnung, sondern die Bestimmungen der AO und FGO anzuwenden sind. Dies unabhängig davon, dass auch im Finanzgerichtsverfahren der Grundsatz in dubio pro reo gelten würde. Danach hätte das Finanzgericht in freier Überzeugung festzustellen, ob für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 370 AO gegeben sind, was auch für die Frage der Verletzung der erweiterten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nach §§ 90 Abs. 2 iVm. 76 Abs. 1 S. 4 FGO gelte.

Letztlich entscheidend ist, welche Voraussetzungen an die richterliche Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO zu knüpfen sind. Hier ergäbe sich aus der Entscheidung des Finanzgerichts nicht, dass dieses davon überzeugt war, dass bei der Übertragung auf die Stieftochter kein Treuhandverhältnis begründet wurde. Vielmehr stützt sich die Entscheidung darauf, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass ein Treuhandverhältnis begründet worden sei. Die fehlende Nachweislichkeit ginge zu ihren Lasten, da sie die Feststellungslast für ein die Steuerhinterziehung ausschließendes Treueverhältnis trage.

Der BFH verdeutlicht, dass die Entscheidung nicht auf der Grundlage einer Feststellungslast hätte ergehen dürfen. Da auch nach der Feststellung des Finanzgerichts wohl die  Stieftochter bis Ende 1990er Jahre nicht über das Vermögen verfügte, entsprach das Vorbringen der Klägerin auch nicht einer bloßen Behauptung ohne irgendwelche Anhaltspunkte. Dies hätte das Finanzgericht zum Anlass nehmen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären.


BFH, Urteil vom 12.07.2016 – II R 42/14 -