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Mittwoch, 12. Dezember 2018

Zuständigkeitswahl und Verweisung: Arbeitsgericht oder ordentliches Gericht (Amts-/Landgericht) bei Klage gegen Arbeitnehmer und Dritten als Gesamtschuldner ?


Bei Klageerhebung ist stets die örtliche und sachliche Zuständigkeit eines Gerichts zu prüfen. Arbeitssachen, d.h. Verfahren aus dem Arbeitsrecht, gehören grundsätzlich vor das Arbeitsgericht. Teilweise kann aber der Kläger auch die Wahl treffen, ob er die Klage vor dem Arbeits- oder ordentlichem Gericht (Amts-/Landgericht) erhebt. So kann der Kläger bei einem möglichen Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen (ehemaligen) Arbeitnehmer und einem Dritten (bei behaupteter gesamtschuldnerischer Haft)  zwar den Arbeitnehmer nur vor de, Arbeitsgericht verklagen, den Dritten aber sowohl gesondert vor dem Zivilgericht als auch dem Arbeitsgericht. Dies hat das BAG in einem Beschluss bekräftigt, mit dem das zuständige Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen war, festgehalten:

Die beklagte GmbH stellte der klagenden GmbH insgesamt drei Rechnungen, die von dem ehemaligen Arbeitnehmer H. der Klägerin für diese zur Zahlung freigegeben wurden. Die Klägerin machte geltend, dass diesen Rechnungen keine Leistungen der Beklagten zugrunde lagen und forderte von der Beklagten als auch ihrem ehemaligen Arbeitnehmer H. als Gesamtschuldner die Rückzahlung. Während die Klägerin gegen ihren ehemaligen Arbeitnehmer Klage zum zuständigen Arbeitsgericht erhob, erwirkte sie gegen die Beklagte einen Mahnbescheid; nach Widerspruch wurde das Verfahren an das im Mahnbescheid benannte LG Ingolstadt abgegeben. Auf Antrag der Klägerin und im Einverständnis mit der Beklagten hat das Landgericht die zu den ordentlichen Gerichten erhobene für unzulässig erklärt und „zur gemeinsamen Verhandlung mit dem Verfahren gegen Herrn H.“ an das Arbeitsgericht verwiesen mit Hinweis darauf, dieses sei nach § 2 Abs. 3 ArbGG zuständig. Das Arbeitsgericht hat die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und den Rechtstreit dem BAG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts mit der Begründung vorgelegt, der Verweisungsbeschluss des Landgerichts sei offensichtlich unhaltbar und entfalte daher keine Bindungswirkung.

Das BAG folgte der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht. Das entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmende Gericht sei das Arbeitsgericht; seine Zuständigkeit ergäbe sich aus dem bindenden Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts. Grundsätzlich sei ein (wie hier) rechtskräftiger Verweisungsbeschluss gem. §§ 17a Abs. 2 S. 3 GVG, 48 Abs. 1 ArbGG bindend; in enstprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO habe die Bestimmung des zuständigen Gerichts zu erfolgen, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und Rechtssicherheit erforderlich sei, was dann der Fall sei, wenn Zweifel über die Bindungswirkung aufkämen und keines der infrage kommenden Gerichte bereit sei, die Sache zu übernehmen oder die Annahme gerechtfertigt sei, dass trotz Anhängigkeit bei einem Gericht gem. § 17b Abs. 1 GVG die Sache nicht prozessordnungsgemäß betrieben würde.

Grundsätzlich entfalte auch ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss Bindungswirkung, wenn er nicht schlechterdings als im Rahmen des § 17a Abs. 2 Nr. 1 GVG nicht hätte ergehen dürfen (Verletzung rechtliches Gehör, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen oder jeder Grundlage entbehrt und von daher willkürlich sei). Danach sei aber der Beschluss des Landgerichts nicht offensichtlich unhaltbar. Auszugehen sei von den Umständen zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit; nachträgliche Veränderungen  würden nicht zum Verlust eines einmal gegebenen Rechtsweges führen. Entscheidend sei danach der Zeitpunkt des Eingangs der Akte bei dem Landgericht nach Abgabe durch das Mahngericht. Zu diesem Zeitpunkt sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gem. § 143 GVG eröffnet gewesen, da der Natur nach der gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit beträfe, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 ArbGG falle. Alleine die Möglichkeit einer sogen. Zusammenhangsklage nach § 2 Abs. 3 ArbGG berühre die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht; sie begründet nur die fakultative Zuständigkeit, die erst durch entsprechende Klageerhebung entstünde. Es bliebe mithin der klagenden Partei überlassen, ob sie ihren Anspruch vor dem ordentlichen Gericht oder in Ansehung des als Gesamtschuldner mit in Anspruch genommenen Arbeitsnehmers, gegen den Klage vor dem Arbeitsgericht zu erheben war, verbinden und den Dritten (Beklagte) dort ebenfalls verklage. Von diesem Wahlrecht habe die Klägerin durch Angabe im Mahnbescheid (§ 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) gegen die Beklagte Gebrauch gemacht, indem sie als streitiges Gericht das Landgericht benannt habe. Die einmal getroffene Wahl entfalte wie beim Wahlrecht nach § 35 ZPO Bindungswirkung und könne nicht widerrufen werden.

Zwar habe hier das Landgericht die eigene Zuständigkeit erkannt, da es in dem Beschluss von einer „auch“ gegebenen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts spricht. Offenbar sei das Landgericht allerdings davon ausgegangen, es könne trotz der Zulässigkeit des Rechtswegs zum ordentlichen Gericht auf Antrag den Rechtsstreit an ein anderes Gericht eines anderen Rechtswegs verweisen. Dabei  habe es die Bindungswirkung des § 17a Abs. 2 S. 2 GVG verkannt. Allerdings sei dies nicht willkürlich gewesen, da das Landgericht die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts kraft Sachzusammenhangs gem. § 2 Abs. 3 ArbGG ausführlich geprüft habe und mit dem Verweisungsbeschluss letztlich lediglich einem einvernehmlichen Verlangen beider Parteien nachgekommen sei (es sei der aus eigenem Antrieb der Klägerin gestellte Antrag gewesen, zu dem die Beklagte erklärt habe, keine Einwände dagegen zu haben). Damit läge keine willkürliche Behandlung durch das Landgericht vor. Nicht das Gericht, an welches verwiesen würde, solle vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidung geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit gesetzlichen Richter entzogen würde (BGH, Beschluss vom 29.04.2014 - X AZR 172/14 -).

Anmerkung: Will der Kläger einen (ehemaligen) Arbeitnehmer und einen Dritten im gleichen Sachzusammenhang verklagen, kann er sich entscheiden, ob er beide vor dem Arbeitsgericht verklagt (die Klage gegen den Arbeitnehmer wäre zwingend vor dem Arbeitsgericht zu führen) oder vor getrennten Gerichten in unterschiedlichen Rechtswegen. Für die gemeinsame Klage gem. § 2 Abs. 3 ArbGG könnte sprechen, zu verhindern, dass die jeweiligen Beklagten bei unterschiedlichen Rechtswegen jeweils dem Anderen als Zeuge zur Verfügung stünden. Gegen eine Verbindung vor dem Arbeitsgericht könnte aber auch die unterschiedliche prozessuale Situation im Übrigen sprechen, insbesondere die unterschiedliche Bewertung einer Arbeitnehmerhaftung gegenüber einer Haftung eines Dritten, die beim Arbeitsgericht leicht aus den Augen verloren werden könnte.

BAG, Beschluss vom 05.09.2018 - 9 AS 3/18 -