Donnerstag, 21. Dezember 2017

Rechtliches Gehör: Die Folgen des Übergehens des Bestreitens einer Zinsforderung im Berufungsverfahren

Die Nebenintervenientin zu 2. hatte zunächst Klage gegen fünf Beklagte im unterschiedlichen Umfang auf Honorar für Architektenleistungen erhoben. Die Forderung wurde zuzüglich Zinsen von 13% mit der Begründung der Inanspruchnahme von Bankkredit in entsprechender Höhe zu dem benannten Zinssatz geltend gemacht. Diese Behauptung blieb erstinstanzlich unstreitig. . Nach Insolvenz der Nebenintervenientin führte der Insolvenzverwalter als Kläger das Verfahren weiter.  Das Landgericht hatte die Beklagten mit Urteil vom 26.01.2001 in unterschiedlicher Höhe zuzüglich der Zinsen verurteilt. Während des Berufungsverfahrens wurde über das Vermögen der Nebenintervenientin zu 2. am 15.04.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Insolvenzverwalter nahm das Verfahren auf. Die Berufung (hier der Beklagten) wurde zurückgewiesen. Im Berufungsverfahren wurde von den Beklagten die behauptete Inanspruchnahme von Bankkredit zu dem Zinssatz bestritten.

Das OLG wies diese Berufung zurück. Zu den Zinsen führte es aus, es sei unwahrscheinlich, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch weiter mit einem Zinssatz von 13% ein Verzugsschaden vorläge. Dies müsse aufgeklärt werden.

Der BGH hat auf die Revision der Beklagten das Urteil zum Zinsausspruch teilweise aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen. Es läge ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) vor, soweit das OLG für einen Zeitraum vom 06.03.2000 bis 15.04.2003 Zinsen in Höhe von 13% zugesprochen habe. Insoweit sei das OLG nicht auf das Bestreiten der Beklagten eingegangen.

Anmerkung: Aus den Entscheidungsgründen erschließt sich, dass die Beklagten erst im Berufungsverfahren den behaupteten Bankkredit (jedenfalls) zu dem benannten Zinssatz) bestritten haben. Der BGH geht nicht auf § § 531 ZPO (Zurückweisung von neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln) ein. Zwar ist neues Verteidigungsvorbringen in der Berufung nach § 531 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen. Ob diese Voraussetzungen vorlagen, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Der BGH geht darauf auch nicht ein. Er konnte auch darauf nicht eingehen, da das Berufungsgericht gar nicht auf das Bestreiten einging und es auch nicht nach § 531 ZPO zurückgewiesen hatte. Geht aber das Gericht auf Vortrag nicht ein, so auch auf neuen erheblichen (Verteidigungs-) Vortrag in der zweiten Instanz, liegt ohne weiteres die Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Denn es kann vom Revisionsgericht (BGH) nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht  bei Beachtung des Bestreitens zu einem für die Beklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre.


BGH, Beschluss vom 03.08.2017 - VII ZR 233/13 -



Aus den Gründen:

Tenor

Den Beschwerden der Beklagten zu 1 bis 5 gegen die Nichtzulassung der Revision wird teilweise stattgegeben.
Das Vorbehalts- und Grundurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 16. August 2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Oktober 2013 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes, soweit er über den gesetzlichen Verzugszinssatz hinausgeht, aufgehoben, insoweit als die Beklagten zu 1 bis 4 unter Vorbehalt als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an den Kläger 13 % Zinsen aus 128.449,91 € vom 6. März 2000 bis 15. April 2003 zu zahlen, als die Beklagte zu 5 unter Vorbehalt verurteilt worden ist, an den Kläger 13 % Zinsen aus 341.682,29 € vom 6. März 2000 bis 15. April 2003 zu zahlen, und als die Beklagten zu 1 und 2 unter Vorbehalt als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an den Nebenintervenienten zu 1 13 % Zinsen aus 51.129,19 € vom 6. März 2000 bis 8. November 2001 und an den Kläger 13 % Zinsen aus 168.587,77 € vom 6. März 2000 bis 15. April 2003 zu zahlen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen werden die Beschwerden der Beklagten zu 1 bis 5 und die Beschwerde des Nebenintervenienten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil zurückgewiesen.
Gegenstandswert insgesamt: 1.062.100,17 € (wobei 689.849,16 € auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten und 372.251,01 € auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Neben-intervenienten zu 2 entfallen).

Gründe

I.
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Nebenintervenienten zu 2 gegen die Beklagten zu 1 bis 5 in unterschiedlichem Umfang restliches Honorar für Architektenleistungen betreffend den Wohnpark A. in H. geltend. Die Beklagten rechnen hilfsweise mit einer erstmals in der Berufungsinstanz eingeführten Schadensersatzforderung auf.
Der Nebenintervenient zu 2 und vormalige Kläger hatte in erster Instanz mit Schriftsatz vom 22. Februar 2000 die Klage hinsichtlich der Zinsforderung auf 13 % erhöht, weil er - was erstinstanzlich unstreitig geblieben ist - laufend Bankkredit mindestens in Höhe der Gesamtforderung in Anspruch nehme, für den er mindestens 13 % Zinsen zahle. In der Berufungsbegründung haben die Beklagten diesen Zinssatz dem Grunde und der Höhe nach bestritten.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Nebenintervenienten zu 2 am 15. April 2003 hat der Kläger das Verfahren mit Schriftsatz vom 18. Juli 2006 aufgenommen.
Das Landgericht hat die Beklagten in unterschiedlichem Umfang zur Zahlung verurteilt. Das Berufungsgericht hat auf die Rechtsmittel der Parteien das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Beklagten jeweils unter Vorbehalt der Entscheidung über die Hilfsaufrechnung verurteilt, die Beklagten zu 1 bis 4 als Gesamtschuldner, an den Kläger 128.449,91 € nebst Zinsen von 4 % vom 27. August 1998 bis 5. März 2000 und 13 % vom 6. März 2000 bis 15. April 2003 zu zahlen, die Beklagte zu 5, an den Kläger 341.682,29 € nebst Zinsen von 4 % vom 27. August 1998 bis 5. März 2000 und 13 % vom 6. März 2000 bis 15. April 2003 zu zahlen, sowie die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner, an den Nebenintervenienten zu 1 51.129,19 € nebst Zinsen von 4 % vom 27. August 1998 bis 5. März 2000 und 13 % vom 6. März 2000 bis 8. November 2001 und an den Kläger 168.587,77 € nebst Zinsen von 4 % vom 27. August 1998 bis 5. März 2000 und 13 % vom 6. März 2000 bis 15. April 2003 zu zahlen. Die über diesen Zeitpunkt hinausgehenden Zinsforderungen hat es dem Grunde nach zuerkannt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil wenden sich die Beschwerden der Beklagten und des Nebenintervenienten zu 2.
II.
1. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Zinsanspruchs ausgeführt: Der Zinsanspruch folge aus Verzug. Zinsen seien zunächst nur für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 15. April 2003 zuzusprechen. Der Zinssatz in Höhe von 13 % sei damit begründet worden, dass der vormalige Kläger und jetzige Nebenintervenient zu 2 laufend Kredit in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe in Anspruch nehme, für welchen er Zinsen in dieser Höhe zu zahlen habe. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass die bestehende Kreditverbindlichkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgehend weiter mit einem Zinssatz von 13 % einen entsprechenden Verzugsschaden verursacht habe. Insoweit sei eine Aufklärung erforderlich. Bezüglich des an den Nebenintervenienten zu 1 abgetretenen Teils könnten Zinsen nur bis zum Zeitpunkt der Abtretung zugesprochen werden. Für den darüber hinausgehenden Zeitraum könne die Zinsforderung lediglich dem Grunde nach zuerkannt werden.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten haben hinsichtlich des Zinsausspruchs teilweise Erfolg und führen gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im tenorierten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
a) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt vor, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Parteivorbringen nicht zur Kenntnis nimmt. So liegt der Fall hier. Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht das Bestreiten des Zinssatzes durch die Beklagten zur Kenntnis genommen hat. Es hat vielmehr für den Zeitraum vom 6. März 2000 bis zum 15. April 2003, bezüglich des an den Nebenintervenienten zu 1 abgetretenen Teils bis zum 8. November 2001, über den gesetzlichen Verzugszinssatz hinaus Zinsen in Höhe von 13 % zugesprochen, ohne auf das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten einzugehen.
b) Auf dieser Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann das angefochtene Urteil hinsichtlich der Zinshöhe für die genannten Zeiträume beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einem für die Beklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es das Bestreiten berücksichtigt hätte.
3. Soweit die Beschwerden der Beklagten und des Nebenintervenienten zu 2 gegen die Nichtzulassung im angefochtenen Urteil im Übrigen zurückgewiesen worden sind, wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

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