Donnerstag, 26. Mai 2016

Gleichzeitige Tätigkeit für und gegen Mandanten ohne vorherigen Hinweis rechtfertigt die Kündigung des Anwaltsvertrages und kann zum Verlust des Honoraranspruchs führen

Die klagende Anwaltssozietät war für die Beklagte in familienrechtlichen Angelegenheiten tätig gewesen. Auf Grund eines Verkehrsunfalls beauftragte die Beklagte einen anderen Anwalt, sie zu vertreten, der eine Schmerzensgeldklage erhob. In diesem weiteren Verfahren trat die Anwaltssozietät auf der Gegenseite auf. Daraufhin kündigte die Beklagte das Mandat zur Anwaltssozietät wegen eines von ihr angenommenen Interessenkonflikts derselben fristlos. Die Anwaltssozietät machte aus den familienrechtlichen Verfahren heraus ihre weiteren Gebühren geltend, die die Beklagte nicht zahlte. Das Landgericht hatte der Klage der Anwaltssozietät stattgegeben; auf die Berufung wurde die Klage abgewiesen.


Da es sich bei der von einem Anwalt zu erbringenden Leistung um Dienste höherer Art handelt, ist eine jederzeitige Kündigung  möglich, § 627 Abs. 1 BGB. Auf Grund einer solchen Kündigung verliert der Anwalt noch nicht seine Honoraransprüche, soweit diese bereits entstanden sind.

Nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB steht dem Anwalt aber dann kein Vergütungsanspruch zu, wenn er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung veranlasst hat und die bisher erbrachten Leistungen für den Mandanten infolge der Kündigung kein Interesse mehr haben. Einen solchen Fall nahm hier das OLG an.

Das vertragswidrige Verhalten der Anwaltssozietät sieht das OLG in der gleichzeitigen Wahrnehmung von Interessen für als auch gegen die Beklagte. Der BGH hatte bereits in seiner Entscheidung vom 07.06.1984 – III ZR 87/83 – ausgeführt, dass der Anwalt zwar in verschiedenen Sachen (zeitgleich) für und gegen den eigenen Anwalt ohne Verstoß gegen § 356 StGB oder das Standesrecht tätig werden dürfe; allerdings vertraue der Mandant regelmäßig darauf, dass sein Anwalt nicht zeitgleich die Interessen Dritter gegen ihn wahrnehmen werden, weshalb er auch über die Mandatsaufnahme gegen ihn unterrichtet werden müsse. Auf diese Entscheidung des BGH verweist das OLG und führt aus, die Beklagte habe auch erst aus der Klageerwiderung in dem Schmerzensgeldprozess von der gegen sie erfolgte Mandatsaufnahme durch die Anwaltssozietät erfahren. Damit habe die Anwaltssozietät schuldhaft gegen die ihr obliegende Hinweispflicht verstoßen und gleichzeitig das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant zerstört.

Die Beklagte habe auch nicht die Zwei-Wochen-Frist des § 628 Abs. 2 BGB für die Kündigung zu beachten gehabt. Dies unabhängig davon, dass diese Frist nur dann zum Tragen komme, wenn gem. § 628 BGB der durch die Kündigung entstandene Schaden geltend gemacht werden soll. Dies wäre hier nicht der Fall. Hier ginge es um den Vergütungsanspruch der Anwaltssozietät.

Aufgrund der berechtigten Kündigung des Anwaltsvertrages durch die Beklagte hätten die von der Anwaltssozietät erbrachten Leistungen für die Beklagte auch kein Interesse mehr. Das Interesse würde entfallen, wenn sie die Leistungen wirtschaftlich nicht mehr verwerten könne, sie also nutzlos sind. Unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 08.10.1981 – III ZR 190/79 – sieht dies das OLG vorliegend als gegeben an, da die Beklagte in den abgerechneten, aber noch laufenden Verfahren einen anderen Prozessbevollmächtigten mandatieren müsse, bei dem neuerlich die hier geltend gemachten Gebühren anfallen.


OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.06.2015  15 U 90/14 -

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