Freitag, 13. März 2015

Fitnessstudio: Die Aufgabe einer selbständigen Tätigkeit und der dadurch bedingte Wegzug zur Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit

Die beklagte Nutzerin eines Fitnessstudios in der Nähe von Frankfurt a.M. war freiberuflich tätig. Da sich dies nicht trug, wechselte sie in ein Anstellungsverhältnis und verzog deshalb nach Berlin. Das AG Charlottenburg hat nunmehr der Klage des Betreibers des Fitnessstudios stattgegeben. Es hielt die von der Nutzerin ausgesprochene fristlose Kündigung als unstatthaft.


Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
Der Kündigungsgrund, so das AG, läge einzig in der Sphäre der Nutzerin. Diese müsste selbst darüber entscheiden, ob sich eine selbständige Tätigkeit noch rentiere oder nicht und welchen Aufwand sie dafür betreiben will. Die berufliche bedingte Kündigung läge stets in der Sphäre des Nutzers; dies gelte erst recht, wenn nicht ein Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt, sondern es sich um eine Entschließung des Kündigenden handelt, eine selbständige Tätigkeit aufzugeben. Insoweit verwies das AG auch auf die Entscheidung des BGH zum DSL-Anschluss, Urteil vom 09.10.2010 – VI ZR 52/09 -).

Im übrigen hatte das AG auch Bedenken, ob die Nutzerin tatsächlich nur aus beruflichen Gründen nach Berlin zog. Denn sie hatte das Vertragsverhältnis zur Klägerin bereits gekündigt, als sie sich noch in einer Probezeit bei ihrem neuen Arbeitgeber befand. Dies ließe darauf schließen, dass sie von Anbeginn an ohnehin vor hatte, nach Berlin zu ziehen (privat und nicht beruflich begründet).

Soweit die Nutzerin in der mündlichen Verhandlung geltend machte, ein Mitarbeiter des Fitnessstudios habe erklärt, ein Umzug stelle stets einen Grund zur fristlosen Kündigung dar, könne die Beklagte bereits deshalb damit nicht gehört werden, da die rechtliche Würdigung nicht dem Mitarbeiter obliegen würde, sondern letztlich vom Gericht zu entscheiden sei.


Da damit weder nach § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) noch nach § 314 BGB (wichtiger Grund) ein Kündigungsgrund ersichtlich wäre, war der Klage des Fitnessstudios auf Zahlung des restlichen Entgelts bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages durch ordentliche Kündigung weiterzuzahlen. 

Die Berufung gegen diese Entscheidung wegen Divergenz zu einem Urteil des AG München vom 17.12.2008 war nach Ansicht des AG nicht zuzulassen, da zwischenzeitlich mit der Entscheidung des BGH vom 09.10.2010 eine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, die die Streitfrage geklärt habe. 

AG Charlottenburg, Urteil vom 09.03.2015 - 235 C 504/14 -
Aus den Gründen:


Die Klage ist begründet. Die Widerklage ist unbegründet. 

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentgelt in Höhe von 405,50 Euro für die Monate August 2014 bis Januar 2015 aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Fitnessstudiovertrag über die Nutzung des von der Klägerin betriebenen Fitness­ studios in 61440 Oberursel. Gemäß der unbestrittenen vertraglichen Vereinbarung beträgt das Nutzungsentgelt für die Monate August 2014 bis Dezember 2014 jeweils 61,50 Euro und für den Monat Januar 2015 62,00 Euro. Hinzu kommt ein zusätzliches unbestritten vereinbartes Entgelt in Höhe von 6,00 Euro/Monat für den unstreitigen Widerruf der Einziehungsermächtigung. 
Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch die Kündigung des Fitnessstudiovertrages durch die Beklagte vom 15. Juli 2014 (BI. 43 d.A.) erloschen , denn der Beklagten stand kein Recht zur au­ ßerordentlichen Kündigung zu. 
Zwar handelt es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Fitnessstudiovertrag um ein Dauerschuldverhältnis , so dass der Beklagten grundsätzlich gemäß § 314 BGB ein außerordentli­ -ches Kündigungsrecht zusteht.

Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB ist jedoch , dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigungaller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung  der beiderseitigen  Interessen nicht zuge­ mutet werden kann. Dies ist im Allgemeinen  nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung gestützt werden , im Risikobereich des Kündigungsgegners  liegen. Wird der Kündi­ gungsgrund  hingegen aus Vorgängen hergeleitet , die dem Einfluss des Kündigungsgegners ent­ zogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen  die fristlose  Kündigung. Die Abgrenzung  der Risikobereiche ergibt sich dabei aus dem Vertrag , dem Vertragszweck  und den anzuwendenden  gesetzlichen  Bestimmun­ gen (BGH, Urteil vom 9. März 2010 - VI ZR 52/09 - NJW 2010 , 1874 Rn. 15; AG Bremen, Urteil vom  16. Oktober 2014 - 10 C 47/14 -, Rn. 19, juris)

Vorliegend leitet die Beklagte ihr Kündigungsrecht daraus ab, dass sie aus beruflichen Gründen mach Berlin habe ziehen müssen. Sie sei in Oberursel zunächst selbständig tätig gewesen und habe sich dann wegen der schlechten Auftragslage zu einem Umzug nach Berlin entschlossen , wo sie seither als Angestellte tätig sei. Der von der Beklagten geltend gemachte Kündigungsgrund entstammt mithin ihrer eigenen lnteressenssphäre und ist dem Einfluss der Klägerin entzogen.
Nach der oben zitierten Rechtsprechung rechtfertigt ein solcher Grund eine außerordentliche Kün­ digung gemäß § 314 BGB nur in Ausnahmefällen . Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Ent­ scheidung vom 11. November 2010 (GeschZ III ZR 57/10, zitiert nach juris) bekräftigt. Danach stellt insbesondere der Umzug aus familiären oder beruflichen Gründen prinzipiell keinen wichti­ gen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar (vgl. BGH a.a.O., dort Rn. 12, zitiert nach juris) .

Hier liegt kein Fall vor, der es ausnahmsweise rechtfertigen würde , der Beklagten ein Kündigungs­ recht bei einem beruflich bedingten Umzug zuzubilligen . Hierbei ist zu berücksichtigen , dass die Beklagte in Oberursel selbständig tätig war. Sie gab ihre selbständige Tätigkeit wegen der schlechten Auftragslage auf. Dies stellt eine unternehmerische Entscheidung der Beklagten dar, die vollständig in ihrem Risikobereich liegt. Zwar mag es sein, dass sie die Auftragslage selbst nur bedingt beeinflussen kann, sie entscheidet jedoch anhand der Umsätze für sich selbst , ab wann die selbständige Tätigkeit für sie nicht mehr lohnend war. Hierbei gibt es auch kein objektives von
außen festgelegtes Kriterium, denn jeder Selbständige legt selbst fest , welches Einkommen er aus seiner Tätigkeit erwartet, welchen Einsatz er bereit ist für seinen Umsatz zu leisten und ab wann aus seiner Sicht die Auftragslage sich nicht mehr verbessern wird. Anders etwa als z.B. bei einer betriebsbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers hatte die Beklagte daher unmittelbar Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidung, ob und wann sie ihrer Geschäftstätigke it einstellt und nach Berlin umzieht. 

Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, weshalb es der Beklagten nicht zumutbar war, bereits Ende Oktober 2013 zum 31. Januar 2014 oder erst im Oktober 2014 zum 31. Januar 2015 ordent­ -lich zu kündigen. Offensichtlich sah sich die Beklagte bereits im April 2014 dazu veranlasst nach Berlin zu ziehen, denn schließlich meldete sich bereits zum 01. Mai 2014 nach dorthin ab. Übli­ -cherweise geht einem solchen Wohnortwechsel und der dieser Entscheidung vorausgelagerten Entscheidung zur Einstellung der Geschäftstätigkeit in Oberursel ein längerer Prozess voraus , so dass schon nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Beklagten eine Kündigung nicht bereits zum letztm9glichen Zeitpunkt für eine ordentliche Kündigung, nämlich zum 31. Oktober 2013 möglich gewesen wäre . Auch ist zweifelhaft , ob es wirklich die berufliche Umstellung war, die die Beklagte zum Umzug veranlasste , denn sie selbst hat vorgetragen , sich im Juli 2014 dafür entschieden zu haben, endgültig in Berlin zu bleiben, obwohl ihre Probezeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht abge­ laufen war. Es hätte daher zu dem Zeitpunkt, als sie die Kündigung am 15. Juli 2014 aussprach, sein können, dass ihr neues Anstellungsverhältnis noch kurzfristig beendet wird. Mithin ist davon auszugehen , dass die Entscheidung in Berlin zu bleiben unabhängig von der Neuanstellung fiel.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2015 (BI. 97 d.A.) vorgetragenen und von der Klägerin bestrittenen Behauptung , ihr sei von einem Mitarbeiter der Klägerin im ersten Quartal 2014 gesagt worden, ein Umzug stelle einen außerordentlichen Kündigungsgrund dar, denn die Frage, ob ein Sachverhalt einen außerordentli­ -chen Kündigungsgrund im Sinne von § 314 BGB darstellt unterliegt der Würdigung des Tatrichters und nicht der Würdigung der Parteien.

Der Behauptung ist auch nicht zu entnehmen , dass die Parteien hierdurch nachträglich ein Recht der Beklagten zu außerordentlichen Kündigung für die Beklagte individuell vereinbart hätten. Dem Vortrag ist schon nicht zu entnehmen , in welcher Konkretheit die Gründe für den Umzug mit dem Mitarbeiter der Klägerin besprochen worden sein sollen oder dass dieser in irgend einer Weise berechtigt gewesen wäre, im Namen der Klägerin vertragliche Erklärungen abzugeben. Dass dies den Gepflogenheiten der Klägerin entsprach oder entspricht lässt sich auch nicht aus dem übrigen Sachvortrag entnehmen, denn die Klägerin hatte bereits mit Schreiben vom 24. Juli 2014 (BI. 44 d.A.) die Kündigung der Beklagten vom 15. Juli 2014 nur als ordentliche Kündigung zum 31. Ja­- nuar 2015 akzeptiert und dies auch mit Schreiben vom 02. September 2014 (BI. 47 d.A.) nochmals bekräftigt. Eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Alexander Wagner ist daher nicht durchzuführen gewesen.

Der Beklagten stand auch kein Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu, denn hierfür wäre es nach einer Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, erforderlich, dass das Festhalten am Vertrag für die Beklagte un-zu­mutbar gewesen wäre. Nach der oben getroffenen Abwägung ist dies indes vorliegend nicht der Fall.
Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht gemäß § 326 Abs. 1 BGB ausgeschlossen , da das Un-­ vermögen der Beklagten, die Leistung nicht in Anspruch nehmen zu können, von ihr selbst ver­ -schuldet wurde, § 326 Abs . 2 BGB.

Da die Beklagte sich mit der Leistung in Verzug befunden hat, steht der Klägerin auch der von ihr geltend gemachte Verzugsschaden gemäß § 280 Abs. 2, 286 BGB zu.

Die Widerklage ist unbegründet. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsko­ sten in Höhe von 83,54 Euro besteht nicht, da die Forderung der Klägerin berechtigt ist, mithin kein Fall der Abwehr unberechtigter Forderungen vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.


Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus § 711, 713 ZPO.


Ein Grund, die Berufung zuzulassen , ist nicht ersichtlich . Die Rechtssache hat weder grundsätzli­ che Bedeutung oder dient der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung , § 511 Abs. 4 ZPO.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufung auch nicht im Hinblick auf die Entschei­ dungen des BGH (Urteil vom 08. Februar 2012, XII ZR 42/10) und des AG München (Urteil vom
17. Dezember 2008, 212 C 15699/08) zuzulassen. Das hiesige Urteil weicht nicht von der Recht­ sprechung des BGH ab und es liegt im Falle des AG München kein Fall der Divergenz vor.

In der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH (a.a.O.) hatte dieser sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Umständen in einem Fitnessstudiovertrag eine Klausel über eine Ver-­ tragslaufzeit von 24 Monaten und eine Klausel, die das Recht zur außerordentlichen Kündigung auf den Fall der Erkrankung einschränkt und an zusätzliche Voraussetzungen knüpft, unwirksam sind. Im Rahmen dessen führte der BGH zu den Voraussetzungen der außerordentlichen Kündi­ -gung (BGH a.a.O. Rn. 30 und 31, zitiert nach juris) aus, dass diese beispielsweise bei einer Schwangerschaft vorliegen können. Über die Frage, ob ein Umzug - wie er hier streitgegenständ-­ lich ist - hierfür ausreichend sein kann, lässt der Bundesgerichtshof sich nicht ein. Der von der Beklagten zitierten Entscheidung ist daher nur zu entnehmen , dass auch ein in der Sphäre des Kündigenden liegender Grund ein wichtiger Grund im Sinne von § 314 BGB darstellen kann. Die­ ser Rechtsauffassung schließt sich das erkennende Gericht vorliegend , wie oben  bereits erörtert, an. Zu berücksichtigen ist jedoch , dass dies nach den weiterentwickelten Grundsätzen der Recht­ sprechung  nur in Ausnahmefällen  der  Fall ist. Ein solcher  liegt hier, wie  bereits erörtert, nicht vor. 
Auch  im Hinblick auf die von der  Beklagten zitierten  Entscheidung  des AG  München (Urteil vom 17. Dezember 2008, 212 C 15699/08) war die Berufung zur Sicherung einer einheitlichen Recht­ sprechung nicht erforderlich. Zum einen liegt schon aus formellen Gründen kein Fall der Diver­ genz vor, denn diese liegt nur vor, wenn in der angefochtenen Entscheidung  ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in einer Entscheidung eines höherrangigen, eines gleichgeordneten anderen Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts aufge­ stellten abstrakten Rechtssatz abweicht , das Berufungsgericht also ein und dieselbe Rechtsfrage anders  beantwortet  als die Vergleichsentscheidung  (Kessal-Wulf  in Beck'scher Online  Kommen­ tar, ZPO, Stand 01.01.2015, § 543 Rn. 26 m.w.Nw.). Eine solche die Zulassung der Berufung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung begründende Divergenz liegt begriffsnotwendig nur dann vor, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, von der das angefochtene Urteil abweicht (vgl. Kessal-Wulf a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall, da die Entscheidung des AG München aus dem Jahr 2008 stammt , die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH jedoch aus dem Jahr 2010 . 
Zum anderen liegt auch aus materiellen Gründen keine Divergenz vor, denn die hiesige Entschei­dung setzt sich nicht in Widerspruch zur Entscheidung das AG München (a.a.O.). Aus den kurzen Gründen der Entscheidung des AG München lässt sich entnehmen, dass dies auch erkannt hat, dass Gründe, die in der Person des Kündigenden liegen, nur in Ausnahmefällen einen Kündi­gungsgrund im Sinne von § 314 BGB darstellen . Es wird daher schon kein abweichender Rechts­satz aufgestellt. Das AG München gelangt lediglich aufgrund der tatrichterlichen Würdigung zur Annahme eines Grundes für eine fristlose Kündigung gemäß § 314 BGB. Es nimmt einen Aus­nahmefall in der dortigen Entscheidung deshalb an, weil die Beklagte dort aufgrund des berufsbe­dingten Stellenwechsels ihres Ehemannes umziehen musste, der von ihr nur sehr begrenzt steu­erbar war. Dies ist mit dem vorliegenden Fall jedoch nicht vergleichbar , da der Umzug hier nach dem Vortrag  der  Beklagte auf  ihrer eigenen  unternehmerischen  Entscheidung fußte.

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