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Dienstag, 7. April 2020

Arglistige Obliegenheitspflichtverletzung in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort


Der Kläger ist Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer eines Fahrzeugs der Großmutter des (als Fahrer mitversicherten) Beklagten, der mit dem Fahrzeug an einem Verkehrsunfall beteiligt war. Beim Überholen touchierte der Beklagte mit seinem Fahrzeug das Fahrzeug des Überholten und setzte seine Fahrt fort. Der Beklagte wurde wegen unerlaubten Entfernend vom Unfallort in der Folge strafrechtlich verurteilt. Der Kläger, der gegenüber dem Unfallgegner dessen Sachschaden ausgleichen musste, forderte von dem Beklagten die verauslagten € 2.162,26. Streitig war, ob eine Obliegenheitspflichtverletzung des Beklagten aus dem versicherungsvertrag heraus vorlag, da der Beklagte sich unerlaubt vom Unfallort entfernte und erst nach 11 Stunden als Täter hätte ermittelt werden können.

Während das Amtsgericht die Klage abwies, wurde auf die Berufung des Klägers hin der Klage stattgegeben. Dabei stellte das Landgericht darauf ab, dass nach § 28 Abs. 3 S. 2 VVG der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet sei, auch wenn die Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt des Versicherungsfalls oder dessen Feststellung ursächlich sei, wenn der Versicherungsnehmer die fragliche Obliegenheit arglistig verletzt habe. Diese Arglist läge vor. Sie verlange keine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers. Ausreichend sei es, dass der Versicherungsnehmer billigend in Kauf nähme, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen könnte (BGH, Urteil vom 22.06.2011 - IV ZR 174/09 -). Auch wenn nicht bereits jedes unerlaubtes Entfernen vom Unfallort als Arglist im Hinblick auf versicherungsrechtliche Obliegenheiten angesehen werden könne, es vielmehr auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankäme, und der Versicherer die Beweislast für das Vorliegen von Arglist habe, müsse hier davon ausgegangen werden.

Das Landgericht leitete die Arglist des Beklagten aus dessen Verhalten gegenüber den Ermittlungsbehörden und den Fahrweg des Beklagten nach dem Unfall ab:

Habe er zunächst am Unfalltag gegenüber den Ermittlungsbehörden den Unfall eingeräumt, habe er ihn am nächsten Tag in Abrede gestellt. In der Hauptverhandlung im Strafverfahren habe er erst angegeben, nichts bemerkt zu haben und nach einer Unterbrechung des Verfahrens angegeben, dass er nervös geworden sei und deswegen weitergefahren sei.

Weiter sei der Streckenverlauf der Weiterfahrt nach dem Unfall zur Schulde des Beklagten, wohin er wollte, nicht plausibel. Der Streckenverlauf deute darauf, dass er versucht habe, seinen Verfolger (den Geschädigten) abzuhängen.

Nicht entschuldigen könne den Beklagten der von ihm behauptete anwaltliche Rat, sich nicht bei der Ermittlungsbehörde zu melden; er sei sich seiner Verpflichtung letztlich bewusst gewesen, sich als beteiligter den Ermittlungsbehörden gegenüber zu offenbaren.

Bei dieser Situation, bei der nach § 286 ZPO ein Grad an Gewissheit erreicht sei, der Zweifeln Schweigen gebiete, müssen von einer vorsätzlichen Obliegenheitspflichtverletzung ausgegangen werden, da der Beklagte billigend in Kauf genommen habe, dass sein Verhalten die Schadensregulierung beeinflussen könne. Der Nachweis der arglistigen Obliegenheitsverletzung sie erbracht.

LG Osnabrück, Urteil vom 26.03.2020 - 9 S 166/19 -