Der Kläger ist
Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer eines Fahrzeugs der Großmutter des (als
Fahrer mitversicherten) Beklagten, der mit dem Fahrzeug an einem Verkehrsunfall
beteiligt war. Beim Überholen touchierte der Beklagte mit seinem Fahrzeug das Fahrzeug
des Überholten und setzte seine Fahrt fort. Der Beklagte wurde wegen
unerlaubten Entfernend vom Unfallort in der Folge strafrechtlich verurteilt.
Der Kläger, der gegenüber dem Unfallgegner dessen Sachschaden ausgleichen
musste, forderte von dem Beklagten die verauslagten € 2.162,26. Streitig war,
ob eine Obliegenheitspflichtverletzung des Beklagten aus dem versicherungsvertrag
heraus vorlag, da der Beklagte sich unerlaubt vom Unfallort entfernte und erst
nach 11 Stunden als Täter hätte ermittelt werden können.
Während das Amtsgericht die Klage
abwies, wurde auf die Berufung des Klägers hin der Klage stattgegeben. Dabei
stellte das Landgericht darauf ab, dass nach § 28 Abs. 3 S. 2 VVG der
Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet sei, auch wenn die Obliegenheitsverletzung
weder für den Eintritt des Versicherungsfalls oder dessen Feststellung
ursächlich sei, wenn der Versicherungsnehmer die fragliche Obliegenheit
arglistig verletzt habe. Diese Arglist läge vor. Sie verlange keine Bereicherungsabsicht
des Versicherungsnehmers. Ausreichend sei es, dass der Versicherungsnehmer
billigend in Kauf nähme, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung
möglicherweise beeinflussen könnte (BGH, Urteil vom 22.06.2011 - IV ZR 174/09
-). Auch wenn nicht bereits jedes unerlaubtes Entfernen vom Unfallort als
Arglist im Hinblick auf versicherungsrechtliche Obliegenheiten angesehen werden
könne, es vielmehr auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankäme, und der
Versicherer die Beweislast für das Vorliegen von Arglist habe, müsse hier davon
ausgegangen werden.
Das Landgericht leitete die
Arglist des Beklagten aus dessen Verhalten gegenüber den Ermittlungsbehörden
und den Fahrweg des Beklagten nach dem Unfall ab:
Habe er zunächst am Unfalltag
gegenüber den Ermittlungsbehörden den Unfall eingeräumt, habe er ihn am nächsten
Tag in Abrede gestellt. In der Hauptverhandlung im Strafverfahren habe er erst
angegeben, nichts bemerkt zu haben und nach einer Unterbrechung des Verfahrens
angegeben, dass er nervös geworden sei und deswegen weitergefahren sei.
Weiter sei der Streckenverlauf
der Weiterfahrt nach dem Unfall zur Schulde des Beklagten, wohin er wollte,
nicht plausibel. Der Streckenverlauf deute darauf, dass er versucht habe,
seinen Verfolger (den Geschädigten) abzuhängen.
Nicht entschuldigen könne den
Beklagten der von ihm behauptete anwaltliche Rat, sich nicht bei der Ermittlungsbehörde
zu melden; er sei sich seiner Verpflichtung letztlich bewusst gewesen, sich als
beteiligter den Ermittlungsbehörden gegenüber zu offenbaren.
Bei dieser Situation, bei der
nach § 286 ZPO ein Grad an Gewissheit erreicht sei, der Zweifeln Schweigen
gebiete, müssen von einer vorsätzlichen Obliegenheitspflichtverletzung
ausgegangen werden, da der Beklagte billigend in Kauf genommen habe, dass sein
Verhalten die Schadensregulierung beeinflussen könne. Der Nachweis der arglistigen
Obliegenheitsverletzung sie erbracht.
LG Osnabrück, Urteil vom 26.03.2020 - 9 S 166/19 -