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Sonntag, 23. April 2023

Schadensersatz: Darf sich Tiefbauunternehmer auf Kabelpläne verlassen ?

Das Beklagte Tiefbauunternehmen holte bei der Klägerin wegen eines Auftrages, Tiefbauarbeiten in einer Innenstadtstraße von Rostock vorzunehmen, bei der Klägerin eine Leitungsauskunft ein. Darin war ein Kabelverlauf mit einer grünen Linie eingezeichnet und angeben „Kabelbestand in Fremdtrasse“, „Die genaue Lage ist durch Probeschlitze zu ermitteln !“ und „Tiefenlage der Kabel ca. 0,7 m.“. Bei den Arbeiten wurde ein Kabel in einer Tiefe von 3,30 m beschädigt.

Das Landgericht wies die Schadensersatzklage ab. Ein Verschulden der Beklagten, welches nach § 823 BGB erforderlich sei, läge nicht vor. Zwar würde die Rechtsprechung hohe Anforderungen an Tiefbauunternehme stellen, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf von unterirdisch verlegten Versorgungsleitungen zu erkundigen und sich Gewissheit im Boden zu verschaffen. In Ansehung einer unverhältnismäßig hohen Gefahr durch Beschädigungen an Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen sei mit äußerster Vorsicht vor allem bei Verwendung von Baggern und anderem schweren Arbeitsgerät vorzugehen. Der Unternehmer habe sich über deren Verlauf vorab zu erkundigen und sich im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung die Kenntnisse zu verschaffen, welche die sichere Ausführung der Arbeiten voraussetzt. Da die Bauämter regelmäßig Versorgungsleitungen nicht verlegen würden, müsse sich der Unternehmer bei den Versorgungsunternehmen erkundigen und, wenn dies nicht weiterhilft, andere Maßnahmen (wie z.B. Probebohrungen oder Ausgrabungen von Hand in dem Bereich, in dem er ausheben will, vorzunehmen (BGH, Urteil vom 20.12.2005 - VI ZR 33/05 -).

Dem sei die Beklagte hier nachgekommen. Danach habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass sich ein Kabel in einer Tiefe von ca. 0,7 m befindet. Der Umstand, dass sich die in einer Fremdtrasse befand habe für den Beklagten keine Veranlassung geben müssen, dass sich die Tiefenangabe nicht auf die Kabel in der Fremdtrasse beziehe; auch bei einem solchen Kabel könne die Klägerin davon Kenntnis haben und Angaben machen, so dann, wenn der Betreiber der Fremdtrasse dies ihr mitteile. Davon habe die Beklagte in Ansehung der konkret mit ca. 0,7 m erfolgten Angabe ausgehen dürfen. Bei fehlender Kenntnis der Tiefenlage hätte die Klägerin die Angabe nicht tätigen dürfen; erst dann hätte sich die Beklagte bei dem Betreiber der Fremdtrasse erkundigen müssen.

Zum Auffinden des Kabels in einer Tiefe von mehr als 3 m habe die Beklagte auch keine Suchschachtung (Probeschlitze) vornehmen müssen, da sie nach der Leitungsauskunft in dieser Tiefe nicht mit Kabeln hätte rechnen müssen. Auch habe es für die Beklagte keine sonstigen Anhaltspunkte gegeben, die auf ein Kabel in dieser Tiefe gedeutet hätten und die Leitungsauskunft falsch sein könnte. Alleine der Umstand, dass die Beklagte (nach klägerischer Angabe) in einer Tiefe von ca. 0,7 m kein Kabel gefunden haben soll, ändere daran nichts. Denn es bestand auch die Möglichkeit, dass sich das Kabel außerhalb des ausgebaggerten Bereichs in einer Tiefe von 0,7 m befinden konnte.

LG Rostock, Urteil vom 20.01.2023 - 2 O 260/22 -