Der Kläger machte zunächst gegen die Beklagten den rückständigen Mietzins für die Monate Januar bis Mai 2020 sowie eine Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung 2019 mit insgesamt € 4.396,46 geltend. Nachdem die Beklagte Erfüllung der Mietforderungen für Januar bis März 2020 einwandten, machte der Kläger nunmehr insoweit einen Mietrückstand für die Monate April bis Juni 2020, eine Nutzungsentschädigung für Juli 2020 und Mietrückstände für August sowie Dezember 2019 mit insgesamt € 5.091,94 geltend. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung von € 4.551,46 zuzüglich Zinsen und außergerichtlicher Anwaltsgebühren und erlegte die Kosten des Rechtsstreits zu 62% den Beklagten und zu 38% dem Kläger auf; den Streitwert setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 13.04.2021 auf € 7,401,94 fest. Die Höhe des Streitwerts begründete es mit den durch die Klageerweiterung vorgenommenen dortigen Klageantrag von € 5.091,94 sowie den zuvor geltend gemachten Mieten Januar bis März 2929 und der Betriebskostennachzahlungsforderung, hinsichtlich derer die Klage im Zuge der Klageerweiterung konkludent zurückgenommen worden sei.
Gegen den Streitwertbeschluss richtete sich die Beschwerde des Klägers, der die Festsetzung eines Streitwerts von € 5.091,94 begehrte. Es habe keine konkludente Klagerücknahme vorgelegen, sondern eine sachdienliche Klageänderung. Dem folgten das Landgericht und (auf die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde) das Oberlandesgericht nicht.
Das Landgericht folgte dem Kläger dahingehend, dass es sich bei seinem neuen Klageantrag (teilweise) um eine Klageänderung gem. § 263 ZPO gehandelt habe, insoweit die Mietforderung für Januar bis März zurückgenommen worden sei und gleichzeitig die Klage für die Mietforderungen aus den Monaten August und Dezember 2019 und Juni 2020 sowie (in Bezug auf eine Nutzungsentschädigung) für Juli 2020 erweitert worden sei.
Sodann setzte sich das Landgericht mit der unterschiedlichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auseinander, ob bei einer Klageänderung wie vorliegend bei wirtschaftlich nicht identischen Streitgegenständen die Streitwerte gem. § 39 Abs. 1 GKG zu addieren seien. Es schloss sich der Ansicht an, dass eine Addition stattzufinden habe. Eine Begrenzung der vorzunehmenden Zusammenrechnung auf gleichzeitig anhängige Ansprüche ließe sich dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 GKG nicht entnehmen. Eine Vorschrift, welche die Zusammenrechnung wie § 45 GKG von besonderen Voraussetzungen abhängig mache, würde fehlen. Auch sei der Wortlaut des § 39 Abs. 1 GKG weit gefasst und erlaube gegenüber der allgemeinen Verweisung in § 48 Abs. 1 S. 1 GKG ein anderes Verständnis für den Gebührenstreitwert, da § 489 GKG für die Frage der Zuständigkeit entscheidend sei. Anders als bei dem Zuständigkeitsstreitwert gäbe es bei der Bemessung des Gebührenstreitwerts an Hand der anhängig gewordenen Streitgegenstände gem. §§ 40, 47 GKG keinen Grund, die Zusammenrechnung auf gleichzeitig erhobene Ansprüche zu beschränken.
Das Oberlandesgericht folgte dem Landgericht in seiner Bewertung. Es verwies ergänzend darauf, dass auch für eine Addition der Werte aller je in das Verfahren eingeführten Streitgegenstände ein praktischer Gesichtspunkt spräche: Seien Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen (Anm.: wie die Miete aus einem Mietvertrag) zu erfüllen, hätten es die Parteien je nach Verfahrenslänge in der Hand, den Verfahrenswert konstant niedrig zu halten, indem sie von der Verfolgung erfüllter Monatsraten „formfrei Abstand nehmen“ könnten und den Nominalbetrag des Klageantrages jeweils mit neuen in Rückstand geratenen Klagen auffüllen. Der Streitwert bliebe in diesem Fall jeweils unverändert, obwohl sich das Gericht jeweils mit der nicht absehbaren Anzahl von Monaten auseinanderzusetzen hätte.
Folgerichtig sei zudem nach Ansicht des Oberlandesgerichts die Addition der Streitwerte auch deshalb, da § 40 GKG darauf beruhe, dass der den jeweiligen Streitgegenstand betreffende Antrag maßgebend sei, der den Rechtszug einleite. Dieser Norm hätte es nicht bedurft, wenn die Addition eine zeitgleiche Verfahrenseinleitung voraussetze. Wenn aber eine zeitgleiche Einleitung nicht erforderlich sei, müssten auch die Streitgegenstände nicht bis zum Verfahrensabschluss verfolgt werden, wenn - wie hier - eine Partei wegen erkannter Teilerfolglosigkeit der Klage eine Teilrücknahme dadurch zu umgehen versucht und eine Erklärung nur deshalb nicht abgibt, um eine nachteilige Kostenlast zu vermeiden.
Anmerkung: Der Streitwert ist Grundlage für die Berechnung der Gerichtskosten und der anwaltlichen Gebühren, ebenso für eine Kostenverteilung im Urteil.
LG Stendal, Beschluss vom
14.07.2021 - 25 T 86/21 -
OLG Naumburg, Beschluss vom
20.10.2021 - 3 W 19/21 -