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Montag, 9. September 2024

Unverhältnismäßigkeit von Mängelbeseitigungsaufwand

Unstreitig war, dass der Klägerin ein Restwerklohn der in Höhe von € 13.170,83 zustand. Die Beklagten machten allerdings von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch (§ 641 Abs. 3 BGB), weshalb das OLG eine Verurteilung zur Zahlung lediglich Zug um Zug gegen eine benannte Mängelbeseitigung (Dusche im Kinderbad) tenorierte.

Zwischen den Parteien eines Bauwerkvertrages war streitig, ob die Dusche im Kinderbad im Hinblick auf die geschuldete Breite einen Mangel aufwies. Diese hätte nach einem Sachverständigengutachten ein Rohbaumaß von 90cm haben müssen, welches durch Bekleidungen von Putzen, Klebern und Fliegenbelägen auf eine lichte Breite von 87cm reduziert gewesen wäre. Diese geschuldete Breite sei bei tatsächlich erreichten 79,4 cm nicht gegeben. Mit einer Abweichung von ca. 10% stelle sich diese als so erheblich dar, dass man nicht mehr von bauüblichen Toleranzen sprechen könne. Zudem sei die Breite einer Dusche von erheblicher Bedeutung für die Benutzung, wenn sie – wie hier – in einer Nische läge. Da dieser Mangel bei Abnahme gerügt worden sei und Abhilfe unter Fristsetzung verlangt worden sei, lägen die Voraussetzungen für einen Nacherfüllungsanspruch vor, §§ 640 Abs. 3, 634 Nr. 1,  635 Abs. 1 BGB.

Der Sachverständige habe die Kosten der Mängelbeseitigung mit € 7.500,00 netto beziffert. Dies sei auch im Hinblick auf das Interesse der Beklagten an der besseren Nutzbarkeit auch noch unverhältnismäßig iSv. § 635 Abs. 3 BGB. Das doppelte dieser Kosten (€ 15.200,00) könne als Zurückbehaltungsrecht der Klageforderung entgegengehalten werden.

Ein weiteres beklagtenseits geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht wurde aber vom OLG negiert. Zwar weise der Dachdrempel im Mittel nur eine Höhe von 1,79m (verbunden mit einer reduzierten Wohnfläche von 1,26qm) auf und auch im Übrigen sei die Nutzbarkeit dadurch beeinträchtigt, dass die Räume zur Wand hin niedriger seien. Auch dies stelle einen Mangel dar, der ebenfalls bei Abnahme gerügt worden sei und für den unter Fristsetzung Abhilfe gefordert worden sei. Nach Ansicht des OLG greife hier aber der Unverhältnismäßigkeitseinwand der Klägerin nach § 635 Abs. 3 BGB: Das OLG stellte darauf ab, ob ein nach den Umständen objektiv geringes Interesse des Bestellers an einer Mangelfreiheit einem ganz erheblichen und vergleichsweise unangemessenen Kostenaufwand gegenüberstünde. Dabei sei zu Lasten des Auftragnehmers auch zu berücksichtigen, ob und in welchem Ausmaß ein Verschulden bei ihm vorläge. Das Verlangen einer Vertragserfüllung ohne Rücksicht auf den erforderlichen Aufwand könne sich als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen (BGH, Urteil vom 06.12.2011 - VII ZR 241/00 -).

Vorliegend würde der erforderliche Sanierungsaufwand zur Herstellung des vertragsgerechten Zustandes (Drempelhöhe) netto € 264.000 (brutto € 314.160,00) betragen. Hinzu kämen noch Kosten zur Einlagerung und zum Wiederaufbau von Möbeln und Kosten für Ersatzwohnraum für die Bauzeit (was dann insgesamt brutto € 331,760,00 ergäbe. Der Preis für die Errichtung des Einfamilienhauses ehedem (2019) habe bei € 358.550,00 gelegen. Bereinigt um die Baukostensteigerungen seither (ca. 25%) verblieben immer noch statt € 314.160,00 zumindest Kosten von 234.620,00 zuzüglich der weiteren Kosten (insgesamt dann € 253.220,00).

Je erheblicher der Mangels ei, umso geringer sei die Bedeutung der Kosten.

Vorliegend sah das OLG zwar eine „gewisse Höheneinschränkung“ durch den niedrigeren Drempel, doch könne dort die Dusche „ohne Neigung des Kopfes“ (mit Ausnahme bei mittigen Durchschreiten der Öffnung) betreten werden, lege man die Durchschnittsbreite einer erwachsenen Person zugrunde (625mm). Damit läge nur eine geringe Komforteinschränkung bei der Nutzung der Dusche vor. Ebenso würde sich die um 1,26qm reduzierte Wohnfläche und eine Nutzungseinschränkung dadurch, dass eine größere Person nicht ganz so nahe an die Außenwand treten könne, im Ergebnis nicht als so erheblich darstellen, dass die genannten Kosten der Mängelbeseitigung hierzu nicht außer Verhältnis stehen würden. Dabei stellte das OLG darauf ab, dass die Flächen unter der Schräge zum Abstellen von Gegenständen, für Möbel und zum Sitzen oder Liegen nahezu ohne Einschränkung verwandt werden könnten. Zudem sei in Ansehung eines Ausgangsfehlers des Architekten ein Verschulden der Klägerin als nur gering anzusehen. Hinzu käme weiterhin, dass durch eine Planänderung teilweise Abhilfe geschaffen worden sei, worin zwar kein Verzicht auf weitere Mängelrechte gesehen werden könne, was aber dazu führen würde, dass ein Bestehen auf der vollständigen Vertragserfüllung mit den damit verbundenen Kosten und bei Berücksichtigung aller Umstände als unverhältnismäßig anzusehenden Kosten  treuwidrig wäre.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 03.07.2024 - 12 U 63/22 -