Die Beklagte kündigte das
Arbeitsverhältnis der als Reinigungshilfe beschäftigten Beklagten mit einem
Schreiben vom 22.06.2015 zum 22.06.2015. Mit einem weiteren Schreiben die
Beklagten an die Klägerin, dessen Zugang streitig ist, teilte die Beklagte mit,
das Arbeitsverhältnis sei bis zum 29.02.2016 verlängert. Die Klägerin war über
den 22.06.2015 hinaus tätig. Am 15.02.2015 suchte der Lebenspartner der
Beklagten (der tatsächlich die Geschäfte führte) die Klägerin in ihrer Wohnung
auf und unterbreitete ihr einen Aufhebungsvertrag zum gleichen Tag, den die
Beklagt unterschrieb. Mit Ausnahme von überzahlten Arbeitsstunden sollten mit
dem Vertrag alle wechselseitigen Ansprüche abgegolten sein.
Die Klägerin ließ in der Folge
den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und Drohung
anfechten und widerrief hilfsweise ihre Zustimmung zum Vertragsabschluss. Da
die Beklagte an der Aufhebung festhielt, klagte die Klägerin auf Feststellung,
dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Aufhebungsvertrag oder Befristungsbarde
beendet worden sei und fortbestünde, wobei sie geltend machte, sie habe am
15.02.2016 erkrankt im Bett gelegen. Der Lebenspartner der Beklagten habe
erklärt, ihre Faulheit nicht zu unterstützen, ihr den Vertrag hingehalten und
sie habe diesen dann unter dem Einfluss von Schmerzmitteln „im Tran“
unterschrieben. Rst später habe sie festgestellt, was sie gemacht habe. Der
Widerruf sei gem. §§ 355 Abs. 1 und Abs. 2 BGB fristgerecht erfolgt.
Arbeitsgericht und
Landesarbeitsgericht hatten die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin
wurde das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und der Rechtsstreit an
dieses zurückverwiesen.
Richtig sei allerdings, so das
LAG, das der Vertrag nicht nichtig oder anfechtbar sei und auch ein Widerruf
nicht in Betracht käme. Eine Nichtigkeit sei vom LAG zutreffend negiert worden,
da die Behauptung der Klägerin zu einem Zustand vorrübergehender Störung ihrer
Geistestätigkeit nach § 105 Abs. 2 2. Alt. BGB nicht hinreichend substantiiert
gewesen sei. Aus diesem Grund käme auch eine Anfechtung nach §§ 119ff BGB nicht
in Betracht.
Da formularmäßige Abreden zu Art
und Umfang von Hauptleistungen und der dafür zu zahlenden Vergütung nicht der
Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unterlägen, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB,
käme auch eine Angemessenheitskontrolle nicht in Betracht.
Ein Widerrufsrecht gem. § 355
iVm. 312g Abs. 1, 312b BGB scheide auch aus, da deren Anwendungsbereich gem. §
312 Abs. 1 BGB nicht gegeben sei. Damit könne der Aufhebungsvertrag nicht
deshalb widerrufen werden, da er in der Wohnung der Klägerin schlossen worden
sei. Zwar handele es sich um einen Verbrauchervertrag; die Auslegung des § 312
Abs. 1 BGB, systematischer Zusammenhang und gesetzgeberischer Wille ergäben
allerdings, dass hier die Norm für die arbeitsrechtliche
Beendigungsvereinbarung nicht den Anwendungsbereich des 2. Kapitels und damit
der §§ 312n, 312g BGB eröffnen würden.
Nicht geprüft habe aber das
Landesarbeitsgericht, ob der streitgegenständliche Vertrag unter Verstoß gegen
das sogen. Gebot des fairen Verhandeln zustande gekommen sei und von daher
unwirksam sei. Für den Verstoß seien Anhaltspunkte erkennbar; da die
Feststellungen nicht für eine Entscheidung durch das BAG ausreichen würden,
müsste das Landesarbeitsgericht nach Zurückverweisung dazu neu verhandeln du
entscheiden.
Der Gefahr der Überrumplung des
Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen (da z.B. diese zu ungewöhnlichen Zeiten
oder an ungewöhnlichen Orten stattfinden) könne mit dem Gebot fairen Verhandeln
begegnet werden. Bei diesem Gebot handele es sich im Zusammenhang mit
Verhandlungen zu einem arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag um eine durch die
Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht iSv. § 311 Abs. 2
Nr. 1 BGB iVm. § 241 Abs. 2 BGB, da es sich bei dem Aufhebungsvertrag um ein
eigenständiges Rechtsgeschäfts handele. Die aus dem bestehenden
Arbeitsverhältnis stammenden Verpflichtungen zur wechselseitigen Rücksichtnahme
gem. § 241 Abs. 2 BGB würden auf die Verhandlungen bezüglich der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses ausstrahlen. Das Gebot fairen Verhandelns schütze daher durch
§§ 105, 119ff BGB erfasste Willensmängel unterhalb der dort vorgegebenen Schwelle im Hinblick auf die
Entscheidungsfreiheit bei Vertragsverhandlungen. Bei Vertragsverhandlungen
seien regelmäßig widerstreitende Interessen wahrzunehmen, die nicht geleugnet
werden müssten, sondern lediglich im Interesse der Gegenseite angemessen
berücksichtigt werden. Dabei käme dem Arbeitgeber u.U. auch eine Aufklärungs-
und Hinweispflicht zu (BAGE 161, 245; BAG, Urteil vom 15.12.2016 – 6 AZR 578/15
-). Danach verstößt derjenige gegen die Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB,
der eine Verhandlungssituation herbeiführe oder ausnutze, die eine unfaire
Behandlung des Vertragspartners darstelle. Es ginge dabei nicht um die Schaffung
einer für den Vertragspartner möglichst angenehmen Verhandlungssituation. Es müssten
aber psychische Drucksituationen vermieden werden, und es dürften auch nicht
körperliche oder psychische gebrechen wie auch Sprachunkenntnis ausgenutzt
werden.
Der Verstoß gegen das Gebot des
fairen Verhandelns sei in der Regel die Unwirksamkeit des darauf beruhenden Vertrages.
Einer neuen (vertraglichen) Vereinbarung
bedürfe es nicht.
Die Beweislast für den Verstoß
gegen ein faires Verhandeln trage derjenige, der sich darauf berufe.
BAG, Urteil vom 07.02.2019 - 6 AZR 75/18 -