Der Kläger hatte außergerichtlich
bei der beklagten Deckungsschutz für eine Klage gegen einen Unfallversicherer
begehrt. Nachdem dies nicht erfolgte, erhob er, nach Versagung mit Schreiben
vom 01.10.2014, mit Klageschrift vom 08.12.2016 gegen die Beklagte Feststellungsklage auf Rechtsschutz
für die 1. Instanz zu gewähren habe. Mit Schreiben vom 19.12.2016 teilte die
Beklagte dem Kläger mit, sie gewähre den Rechtsschutz. Die Klage wurde der
Beklagten am 03.02.2017 zugestellt. Beide Parteien hatten sodann den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Beschluss gem. § 91a Abs.
1 ZPO erlegte das Landgericht der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf. Die
dagegen von der Beklagten erhobene sofortige Beschwerde wurde zurückgewiesen.
Das OLG verwies darauf, dass bei
einer übereinstimmenden Erledigungserklärung die Kostenentscheidung gem. § 91a
Abs. 1 S. 1 ZPO nach billigen Ermessen erfolge. Entscheidend für eine Entscheidung
nach § 91a Abs. 1 ZPO sei nur, dass die Parteien übereinstimmend die Hauptsache
für erledigt erklären. Es käme nicht darauf an, ob und wann das erledigende
Ereignis eingetreten sei; dies sei nur bei der einseitigen Erledigungserklärung
(der Klägerseite) zu prüfen.
Nur um Hinblick auf den Feststellungsantrag im
Schriftsatz vom 08.12.2016 sei mit der Zustellung der Klage Rechtshängigkeit eingetreten
und insoweit ein Prozessrechtsverhältnis entstanden. Damit sei im Rahmen der
nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO vorzunehmenden Billigkeitsentscheidung auch nur zu
prüfen, ob und inwieweit der geltend gemachte Anspruch bestand, bzw. inwieweit Ermessensausübungen
in Bezug auf den Feststellungsantrag zugunsten der einen oder anderen Seite sprächen.
Soweit zwischen den Parteien auch andere Fragen streitig gewesen wären, würden
diese weder für den Streitgegenstand noch den Streitwert relevant sein. Von
daher käme es auch nicht darauf an, ob der Kläger über den Feststellungsantrag
hinausgehenden Deckungsschutz verlangen könne. Auch sei eine der Beklagten
nicht zugestellte Klageerweiterung (die Zustellung unterblieb mangels Zahlung
des Kostenvorschusses) nicht Gegenstand des Prozessrechtsverhältnisses geworden
und von daher nicht zu beachten (Anm.: In Ansehung der Entscheidung des OLG
Oldenburg vom 13.07.2018 - 3 W 52/18 -, wonach auch die Anhängigkeit bereits
streitwerterhöhend wirkt, könnte diese Einschätzung jedenfalls als fraglich
angesehen werden).
Auch wenn bei § 91a Abs. 1 S. 1
ZPO in der Regel die Frage im Vordergrund stünde, wie der Rechtsstreit ohne
Erledigung ausgegangen wäre, schließe dies nicht die Berücksichtigung
materiell-rechtlicher Gesichtspunkte aus. Wenn feststünde, dass - unabhängig von
prozessualen Fragen - eine Kostenerstattungspflicht nach materiellem Recht aus
Schadensersatzgesichtspunkten bestünde, erscheine es billig, diese materielle
Rechtslage der Kostenentscheidung zugrunde zu legen.
Diese Schadensersatzpflicht
ergäbe sich hier aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte sei zur Gewährung von
Rechtsschutz verpflichtet gewesen und hatte auch zuletzt im Prozess keine
Einwendungen dagegen erhoben. Damit war das Ablehnungsschreiben vom 01.10.2014
rechtlich fehlerhaft gewesen und stelle sich als eine Verletzung von Vertragspflichten
dar. Dies sei ursächlich für die Prozesskosten für die die Klage vom 08.12.2016
gewesen. Damit seien die Prozesskosten Gegenstand eines materiellen
Schadensersatzanspruchs, der für die Entscheidung gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO
ausschlaggebend sei.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.12.2017 - 9 W 36/17 -
Aus den Gründen:
Tenor
- Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 27.09.2017 - 1 O 48/16 - wird zurückgewiesen.
Gründe
- I.
- Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2016 hat der Kläger gegen die Beklagte eine Feststellungsklage erhoben, mit dem Antrag, dass diese ihm Rechtsschutz im Zivilprozess gegen einen Unfallversicherer zu gewähren habe und zwar für die erste Instanz, und insoweit, als der Kläger von dem Versicherer die Zahlung einer Übergangsleistung verlange. Die Beklagte hat mit außergerichtlichem Schreiben vom 19.12.2016 erklärt, sie wolle den verlangten Rechtsschutz gewähren. Der Feststellungsantrag ist der Beklagten am 02.03.2017 zugestellt worden. Die Parteien haben den Rechtsstreit später übereinstimmend für erledigt erklärt.
- Mit Beschluss vom 27.09.2017 hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 91 a Abs. 1 ZPO. Es entspreche billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen. Das erledigende Ereignis, nämlich das Schreiben der Beklagten vom 19.12.2016, sei nach Anhängigkeit aber vor Rechtshängigkeit eingetreten. Bei einer übereinstimmenden Erledigung sei jedoch auch ein erledigendes Ereignis zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit zu berücksichtigen. Da die Klage vom 08.12.2016 zum Zeitpunkt der Anhängigkeit - also vor der Leistungszusage der Beklagten - begründet gewesen sei, erscheine es billig, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen.
- Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie ist der Auffassung, bei einer Entscheidung nach billigem Ermessen seien die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Denn der Streit zwischen den Parteien habe sich vorrangig nicht auf eine Kostenzusage der Beklagten für das Verfahren gegen den Unfallversicherer in erster Instanz bezogen, sondern auf die Kosten für das Berufungsverfahren gegen den Unfallversicherer. Insoweit habe die Beklagte erst im April 2017 eine Deckungszusage erteilen können, da der Kläger - hinsichtlich des Berufungsverfahrens gegen den Unfallversicherer - erst zu diesem Zeitpunkt seinen Mitwirkungspflichten gegenüber der Beklagten nachgekommen sei. Die Kosten des Rechtsstreits seien mithin durch Obliegenheitsverletzungen des Klägers gegenüber der Beklagten entstanden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung der Beklagten vom 10.11.2017 verwiesen.
- Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
- Der Kläger ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten.
- II.
- Die gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.
- 1. Bei einer übereinstimmenden Erledigung richtet sich die Kostenentscheidung gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach billigem Ermessen des Gerichts. Für die Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelung in § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO kommt es nur darauf an, dass die Parteien entsprechende übereinstimmende Erklärungen abgegeben haben. Die Frage, ob und wann ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, ist nur bei einer sogenannten einseitigen Erledigung zu prüfen; bei einer übereinstimmenden Erledigung hängt die Anwendung von § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO hingegen nicht vom erledigenden Ereignis ab.
- 2. Zwischen den Parteien war nur der Feststellungsantrag im Schriftsatz des Klägervertreters vom 08.12.2016 rechtshängig. Nur wegen dieses Antrags ist ein Prozessrechtsverhältnis entstanden. Daher ist bei der Ausübung des billigen Ermessens im Sinne von § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nur zu prüfen, ob und inwieweit der im Schriftsatz vom 08.12.2016 geltend gemachte Anspruch bestand, bzw. inwieweit Ermessensausübungen, die sich auf diesen Feststellungsantrag beziehen, für eine Kostenentscheidung zu Gunsten der einen oder der anderen Partei sprechen.
- Es trifft zwar zu, dass zwischen den Parteien zeitweise - außergerichtlich und in einem Prozesskostenhilfeantragsverfahren - auch andere Fragen streitig waren. Streitige Fragen, die nicht Gegenstand des Prozessrechtsverhältnisses waren, haben jedoch den Streitgegenstand nicht bestimmt, spielen für den Streitwert keine Rolle und sind im Rahmen von § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Für die Kostenentscheidung kommt es daher nicht darauf an, ob und inwieweit die Beklagte einen über den Antrag vom 08.12.2016 hinausgehenden Deckungsschutz zu gewähren hatte. Es spielt keine Rolle, dass der Kläger ursprünglich außergerichtlich Rechtsschutz nicht nur für einen Anspruch auf Übergangsleistung, sondern auch für einen Anspruch auf Invaliditätsleistung gegen den Versicherer verlangt hat. Ebensowenig kommt es auf den Deckungsschutz an, den die Beklagte dem Kläger (wegen der Übergangsleistung) für das Berufungsverfahren gegen den Unfallversicherer gewährt hat. Denn eine Rechtsschutzdeckung wegen des Berufungsverfahrens gegen den Unfallversicherer war nicht Gegenstand des Prozessrechtsverhältnisses; eine entsprechende Klageerweiterung ist der Beklagten nicht zugestellt worden, da der Kläger keinen Vorschuss einbezahlt hat.
- 3. Es kann dahinstehen, ob die prozessualen Erwägungen des Landgerichts eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Klägers rechtfertigen können. (Vgl. zu einer von der Argumentation des Landgerichts abweichenden Kostenentscheidung nach prozessualen Gesichtspunkten in einem ähnlichen Fall OLG Celle, NJW-RR 1994, 1276). Denn für eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen müssen im vorliegenden Fall jedenfalls materiell-rechtliche Erwägungen maßgeblich sein.
- Zwar steht bei einer Kostenentscheidung gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Regel die Frage im Vordergrund, wie der Rechtsstreit ausgegangen wäre, wenn keine Erledigung eingetreten wäre. (Vgl. dazu bei einer Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit OLG Celle a. a. O.) Dies schließt jedoch nicht aus, dass im Rahmen von § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO auch materiell-rechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden können. Wenn bei der Kostenentscheidung feststeht, dass - unabhängig von prozessualen Fragen - jedenfalls eine Kostenerstattungspflicht nach materiellem Recht aus Schadensersatzgesichtspunkten besteht, erscheint es billig, die materielle Rechtslage der Kostenentscheidung zugrunde zu legen (vgl. Zöller/Althammer, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 91 a ZPO, Rn. 24).
- Die materiell-rechtliche Schadensersatzpflicht der Beklagten ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte war zur Gewährung von Rechtsschutz entsprechend dem Antrag vom 08.12.2016 nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien verpflichtet. Die Beklagte hat zuletzt im Rechtsstreit keine Einwendungen mehr gegen diese Verpflichtung erhoben. Dementsprechend war das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 01.10.2014 (Anlage K 13, As. 359) - soweit es um die Übergangsleistung ging - rechtlich fehlerhaft und im Verhältnis zum Kläger eine Verletzung von Vertragspflichten. Die sich aus dem Ablehnungsschreiben vom 01.10.2014 ergebende Pflichtverletzung der Beklagten war ursächlich dafür, dass Prozesskosten für eine Klage gemäß dem klägerischen Antrag vom 08.12.2016 entstanden sind. Wegen des Verfahrens gegen den Unfallversicherer in erster Instanz, begrenzt auf die Übergangsleistung, hat der Kläger vor Antragstellung am 08.12.2016 keine Obliegenheiten gegenüber der Beklagten verletzt. Unter diesen Umständen sind die Prozesskosten Gegenstand eines materiellen Schadensersatzanspruchs, der für die Entscheidung gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO vorliegend ausschlaggebend ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen