Ausgangsfall: Die Beklagte wurde
mittels Einwurf-Einschreiben von der Klägerin, einer GmbH, aufgefordert, einen
angeblich noch offenen Betrag von € 15.000,00 auf deren Stammkapital zu zahlen
und für den Fall der Nichteinhaltung der Frist gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GmbHG den
Ausschluss aus der Gesellschaft angedroht. Da Zahlung nicht erfolgte, wurde der
Anteil der Beklagten kaduziert. Das Landgericht hat auf die Widerklage der Beklagten
die Kaduzierung für Unwirksam erklärt. Die dagegen gerichtete Berufung der
Klägerin war erfolgreich. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die
Beklagte ihren Widerklageantrag weiter.
Streitpunkt war, ob die
Kaduzierung nach § 21 Abs. 2 und 3 GmbHG deshalb unwirksam ist, da das
Schreiben der Beklagten nur als Einwurf-Einschreiben überlassen wurde, da sich
die Beklagte auf den Standpunkt stellte, dies genüge nicht den Anforderungen
des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. Danach hat die Mitteilung durch „eingeschriebenen
Brief“ erfolgen. Hintergrund der Fragestellung war hier nicht, ob es sich bei
dem Einwurf-Einschreiben an sich um einen „eingeschriebenen Brief“ handelt,
sondern, ob dies mit der Wortwahl in der aus dem Jahre 1892 gab es nur das
Übergabe-Einschreiben; das Einwurf-Einschreiben wurde 1997 eingeführt.
Vor diesem Hintergrund schließt
der BGH zutreffend aus, dass sich der historische Gesetzgeber Gedanken über
eine andere Form des Zugangs des Einschreibens als qua Übergabe gemacht habe.
Allerdings lasse sich daraus nicht der Ausschluss des Einwurf-Einschreibens als
Form des § 21 Abs. 1 S. 2 GmbHG herleiten. Zwar habe das BVerwG mit einem
Urteil vom 19.09.2000 – 9 C 7/00 – zu § 2 Abs. 1 VwZG entschieden, ein Einwurf-Einschreiben
sie nicht ausreichend; dies habe aber zum Hintergrund gehabt, dass in der Norm
ausdrücklich die Übergabe benannt sei. So läge es hier nicht. Zu beachten sei
auch, dass es auf die Zugangssicherung ankäme. Hier wäre auf § 130 BGB
abzustellen.
Diese Zugangssicherung sei aber
mit dem Einwurf-Einschreiben gewahrt. Die Sicherung des Zugangs sei so höher
als bei dem Übergabe-Einschreiben (Einschreiben-Rückschein), da bei diesem
lediglich eine Benachrichtigung über die Hinterlegung auf dem Postamt erfolgt,
wenn der Empfänger nicht angetroffen wird. Und es gäbe auch – auf Wunsch des Kunden –
eine Reproduktion des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs: Unmittelbar
vor dem Einwurf zieht der Postbote das „Peel-off-Label“
ab, das zur Identifizierung der Sendung dient und klebt es auf einen vorbereiteten
Auslieferungsbeleg. Auf diesem bestätigt er durch Datumsangabe und seine
Unterschrift die Zustellung. Bei Einhaltung des Verfahrens wäre der Schluss
gerechtfertigt, dass die Sendung tatsächlich in den Briefkasten des Empfängers
gelangte. Für den Absender spräche damit bei Vorlage von Einlieferungsschein
und Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins dafür,
dass der Brief durch Einlegen in den Briefkasten dem Empfänger zugegangen ist.
Anmerkung: Der Entscheidung kommt auch außerhalb der Regelung
des § 21 Abs. 1 S. 2 GmbHG grundsätzliche Bedeutung zu. Wurde bisher meist der
Zugangsnachweis negiert, wird er jetzt grundsätzlich anzunehmen sein, es sei
denn, der Empfänger widerlegt dies.
Die Negativbeweisführung dürfte
dem Empfänger schwer fallen. Im Hinblick aber auf die sich häufende
Fehlzustellung von Post, wie sie auch der Verfasser nahezu täglich bei der dem
eigenen Posteingang feststellt, erscheint ohnehin die Vereinfachung der
Zustellung mittels des Einwurfs in den Briefkasten mehr als fraglich, da
teilweise die Formulare dafür bereits vorbereitet mitgebracht werden, beim
Einwurf der Briefkasten, teilweise gar das Haus und der Empfänger, nicht
korrekt beachtet werden. Hier wird derjenige, der von solchen Vorgängen bei der
Postzustellung betroffen ist, dafür Sorge tragen müssen, dies künftighin genau
zu dokumentieren, um über die Unzuverlässigkeit der Zustellung den
Anscheinsbeweis eventuell erschüttern zu können. Ein probates Mittel der Dokumentation
der Fehlzustellung ist die Beschwerde bei der Bundesnetzagentur (Tulpenfeld 4,
53113 Bonn, info@bentza.de).
BGH, Urteil vom 27.09.2016 – II ZR 299/15 -
Aus den Gründen:
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom 7. September 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
- Von Rechts wegen
Tatbestand
- Mit Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG vom 23. Juni 2011 wurde die Beklagte aufgefordert, einen angeblich noch offenen Betrag von 15.000 € auf das Stammkapital der Klägerin zu zahlen, eine Frist bis 31. Juli 2011 für die Zahlung gesetzt und angekündigt, dass für den Fall der Nichteinhaltung der Frist gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG der Ausschluss aus der Gesellschaft erfolgen werde. Eine Zahlung erfolgte nicht; der Geschäftsanteil der Beklagten an der Klägerin wurde kaduziert.
- Das Landgericht hat auf die Widerklage der Beklagten hin festgestellt, dass die von der Klägerin vorgenommene Kaduzierung des Geschäftsanteils der Beklagten an der Klägerin unwirksam sei, weil das Stammkapital vollständig aufgebracht worden sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil insoweit abgeändert und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
- Die Revision hat keinen Erfolg.
- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die formalen Voraussetzungen der Kaduzierung seien "unstreitig". Die Beklagte habe die mit Einschreiben vom 23. Juni 2011 ausgesprochene Zahlungsaufforderung unter Nachfristsetzung von gut einem Monat verbunden mit der Androhung des Ausschlusses aus der Gesellschaft bei fruchtlosem Fristablauf vorgelegt. Das Schreiben sei von der für das Verfahren zuständigen Geschäftsführerin unterzeichnet gewesen. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Kaduzierung lägen ebenfalls vor.
- II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
- Die Parteien streiten nur noch über die Frage, ob die Kaduzierung nach § 21 Abs. 2, 3 GmbHG deshalb unwirksam ist, weil die erneute Aufforderung zur Zahlung mittels eines Einwurf-Einschreibens statt eines Übergabe-Einschreibens erklärt worden ist. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die sonstigen Voraussetzungen der Kaduzierung vorliegen. Hiergegen erhebt die Revision keine Einwendungen.
- Die Kaduzierung des Geschäftsanteils der Beklagten ist nicht deshalb unwirksam, weil die Zahlungsaufforderung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG versandt wurde. Die formalen Anforderungen einer erneuten Aufforderung mittels eingeschriebenen Briefs gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG werden durch ein Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG gewahrt.
- 1. Die Beklagte ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus prozessualen Gründen daran gehindert, den Einwand zu erheben, ein Einwurf-Einschreiben sei kein eingeschriebener Brief im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. Die Frage, welche Art von Einschreiben als eingeschriebener Brief in diesem Sinne anzusehen ist, ist eine Rechtsfrage und keine Tatsachenfrage; sie kann daher nicht dadurch, dass das Berufungsgericht die formalen Voraussetzungen der Kaduzierung als unstreitig angesehen hat, der revisionsrechtlichen Prüfung entzogen werden.
- a) Die Beklagte hat sich weder vorprozessual noch im Prozess darauf berufen, dass die Zahlungsaufforderung als Einwurf-Einschreiben übermittelt wurde und deshalb die Kaduzierung unwirksam sei. Gestritten haben die Parteien nur darum, ob die Beklagte ihre Einlage erbracht hat. Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass die sonstigen Voraussetzungen der Kaduzierung vorlagen. Mit der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Berufungsgericht unter anderem darauf hingewiesen, dass: "der Senat davon ausgeht, dass die formalen Voraussetzungen der Kaduzierung gemäß § 21 GmbHG unstreitig sind." Die Beklagte hat auf diesen Hinweis nicht reagiert.
- b) Dennoch durfte das Berufungsgericht die Frage, ob das Einwurf-Einschreiben den formalen Anforderungen des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG genügt, nicht als unstreitig behandeln. Geständnisfähig im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO sind lediglich Tatsachen. Wenn die Parteien übereinstimmend einen Rechtsbegriff gebrauchen, aber zusätzlich Umstände vortragen, nach denen die rechtliche Würdigung unzutreffend ist, sind nur Letztere für das Gericht beachtlich (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, ZIP 2008, 757 Rn. 15 mwN). Das Berufungsgericht hätte daher die Frage entscheiden müssen, ob ein Einwurf-Einschreiben formal den Anforderungen des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG entspricht.
- 2. Die Übermittlung der erneuten Aufforderung zur Zahlung der Einlage im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG mittels eines Einwurf-Einschreibens der Deutschen Post AG entspricht den formalen Anforderungen des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG.
- a) Im Fall verzögerter Einzahlung der Einlage kann an den säumigen Gesellschafter eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung seines Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen hat, erlassen werden (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Diese Zahlungsaufforderung erfolgt nach § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG mittels eingeschriebenen Briefes. Nach einer Auffassung im Schrifttum muss ein eingeschriebener Brief im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ein Übergabe-Einschreiben sein, wobei ein Übergabe-Einschreiben mit Rückschein nicht gefordert wird. Das 1997 eingeführte Einwurf-Einschreiben reicht danach nicht aus (vgl. Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 21 GmbHG Rn. 19; Bork/Schäfer/Bartels, GmbHG, 3. Aufl., § 21 Rn. 7; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 21 Rn. 8; Müller in Ulmer/Habersack/ Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 21 Rn. 37). Nach anderer Auffassung genügt die Zahlungsaufforderung durch Einwurf-Einschreiben den Anforderungen des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG (vgl. Wicke, GmbHG, 3. Aufl., § 21 Rn. 4 mit § 51 Rn. 2; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 21 Rn. 18). Die letztgenannte Auffassung ist richtig.
- b) Nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG erfolgt die Zahlungsaufforderung mittels "eingeschriebenen Briefes", also per Einschreiben. Das Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG fällt ebenso wie das Übergabe-Einschreiben unter den Oberbegriff des Einschreibens und damit unter den Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. In den derzeit geltenden "AGB BRIEF NATIONAL" der Deutschen Post AG (Stand 1. Januar 2016) findet sich unter Nr. 1 (1) 3. folgende Unterscheidung der in Betracht kommenden Leistungen: "Einschreiben, Einschreiben Einwurf, Eigenhändig, Rückschein ...". Dabei wird unter "Einschreiben" das einfache Übergabe-Einschreiben verstanden, welches noch zusätzlich mit der Option "Rückschein" und/oder "Eigenhändig" kombiniert werden kann. Bei der Übermittlungsart "Einschreiben Einwurf" wird der Begriff des "Einschreibens" als Oberbegriff verwendet und der Zusatz "Einwurf" lediglich als Unterscheidungszusatz angefügt (vgl. Köper, NZG 2008, 96, 97).
- c) Aus dem Willen des Gesetzgebers lässt sich kein Ausschluss des Einwurf-Einschreibens als zulässige Form der Übermittlung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG herleiten.
- Im Zeitpunkt der Einführung des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG im Jahr 1892 gab es nur das Übergabe-Einschreiben. Der historische Gesetzgeber hat sich folglich nicht mit der Frage befasst, ob auch andere Formen des Einschreibens von der auszulegenden Norm erfasst werden sollen.
- Der Hinweis der Revision, der Gesetzgeber habe in anderem Zusammenhang zu erkennen gegeben, dass das Einwurf-Einschreiben den Anforderungen eines herkömmlichen eingeschriebenen Briefes nicht genüge, weil er in § 4 Abs. 1 VwZG die Formulierung "mittels eingeschriebenen Briefes" inzwischen durch "mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein" ersetzt habe (so auch Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 21 GmbHG Rn. 19), ist für die vorliegend zu beurteilende Frage nicht erheblich. Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits vor der Gesetzesänderung entschieden, dass das Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG die Anforderungen an eine förmliche Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz nicht erfülle und damit die Zustellfiktion des § 4 Abs. 1 VwZG nicht auslösen könne. Dies lag unter anderem daran, dass § 2 Abs. 1 VwZG aF für die Zustellung die Übergabe voraussetzte (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 9 C 7/00, BVerwGE 112, 78 juris Rn. 8). § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG sieht demgegenüber gerade nicht vor, dass die Zahlungsaufforderung dem Gesellschafter übergeben werden muss.
- Die Aktivitäten des Gesetzgebers an anderer Stelle im GmbHG und die Untätigkeit bei § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG seit der Einführung des Einwurf-Einschreibens 1997 trotz kontroverser Diskussion lässt eher darauf schließen, dass der Gesetzgeber insoweit keinen Handlungsbedarf sieht.
- d) Die teleologische Auslegung führt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG den formalen Anforderungen des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG entspricht. Bei einer Gesamtbetrachtung der Vor- und Nachteile der beiden Versendungsarten in Bezug auf Sinn und Zweck der Norm, nämlich der Zugangssicherung und der Sicherung der Beweisführung, ist das Einwurf-Einschreiben dem Übergabe-Einschreiben zumindest gleichwertig.
- aa) Hierbei kann offen bleiben, ob die Zahlungsaufforderung eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist, die dem Gesellschafter gemäß § 130 Abs. 1 BGB zugehen muss, um wirksam zu werden (Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 21 Rn. 14; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 21 Rn. 8; Michalski/Ebbing, GmbHG, 2. Aufl., § 21 Rn. 78; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 21 Rn. 8; Emmerich in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 21 Rn. 19; MünchKommGmbHG/Schütz, 2. Aufl., § 21 Rn. 66; Müller in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 21 Rn. 37), oder ob die Zahlungsaufforderung eine geschäftsähnliche Handlung darstellt. Denn auch die Vertreter der letztgenannten Auffassung halten § 130 BGB für anwendbar (Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 21 GmbHG Rn. 7, 21; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 21 Rn. 17 und 19). Für den Zugang gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze (Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 21 Rn. 8; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 21 Rn. 19; MünchKommGmbHG/Schütz, 2. Aufl., § 21 Rn. 66; Müller in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 21 Rn. 39). Die Zahlungsaufforderung muss danach so in den Machtbereich des säumigen Gesellschafters gelangt sein, dass dieser unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen konnte (MünchKommGmbHG/Schütz, 2. Aufl., § 21 Rn. 66; vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1997 - VIII ZR 22/97, BGHZ 137, 205, 208).
- bb) Die von § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG bezweckte Sicherung des Zugangs wird bei Verwendung eines Einwurf-Einschreibens der Deutschen Post AG jedenfalls ebenso gut gewährleistet wie bei der Übermittlung der Zahlungsaufforderung mit einem Übergabe-Einschreiben.
- (1) Das Erfordernis der Versendung einer Erklärung als Einschreibebrief soll vorrangig deren Zugang sichern (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - XII ZR 214/00, NJW 2004, 1320). Dementsprechend dient das Formerfordernis des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG dazu, den Zugang der Zahlungsaufforderung sicherzustellen. Es soll außerdem erreicht werden, dass der Fristlauf zweifelsfrei kontrolliert werden kann (Wicke, GmbHG, 3. Aufl., § 21 Rn. 4; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 21 GmbHG Rn. 19). Die Vorschrift dient aber auch dem Schutz des Gesellschafters als Erklärungsempfänger (Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 21 Rn. 8; Emmerich in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 21 Rn. 19b). Dem Gesellschafter soll der "Ernst der Lage" vor Augen geführt werden (Goette, Die GmbH, 2. Aufl., § 2 Rn. 65; Wicke, GmbHG, 3. Aufl., § 21 Rn. 4; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 21 GmbHG Rn. 19). Damit soll die Effektivität und Praktikabilität der Kapitalaufbringung gestärkt werden (Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 21 Rn. 8).
- (2) Bei Verwendung eines Übergabe-Einschreibens besteht ein höheres Risiko als bei einem Einwurf-Einschreiben, dass die Zahlungsaufforderung dem Gesellschafter nicht im Rechtssinne zugeht. Allein der Umstand, dass bei tatsächlicher Übergabe eines Schriftstücks dieses aus dem alltäglichen Posteingang herausgehoben wird und dem Empfänger damit seine besondere Wichtigkeit vor Augen geführt wird (vgl. Dübbers, NJW 1997, 2503), wiegt dieses höhere Risiko nicht gänzlich auf.
- Bei einem Übergabe-Einschreiben erhält der Empfänger oder ein sonstiger Empfangsberechtigter die Sendung nur gegen Unterschrift ausgehändigt. Wird der Empfänger und auch ein sonstiger Empfangsberechtigter nicht angetroffen, hält die Deutsche Post AG nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Sendung innerhalb einer Frist von sieben Werktagen (einschl. Samstage), beginnend mit dem Tag, der auf die versuchte Erstablieferung folgt, zur Abholung bereit. Um die Abholung sicherzustellen, wird ein Benachrichtigungsschein in den Briefkasten des Empfängers eingelegt. Dieser Schein unterrichtet den Empfänger, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereitliegt. Holt der Empfänger das Einschreiben nicht innerhalb der Frist ab, ist es nicht im Sinne des § 130 BGB zugegangen. Der Zugang des Benachrichtigungsscheins ersetzt den Zugang des Einschreibebriefs nicht (st. Rspr. BGH, Urteil vom 11. Juli 2007 - XII ZR 164/03, NJW-RR 2007, 1567 Rn. 20; Urteil vom 26. November 1997 - VIII ZR 22/97, BGHZ 137, 205, 208; Urteil vom 17. April 1996 - IV ZR 202/95, ZIP 1996, 878, 879; Beschluss vom 20. Oktober 1983 - III ZR 42/83, VersR 1984, 45; Urteil vom 18. Dezember 1970 - IV ZR 52/69, VersR 1971, 262). Den Empfänger kann lediglich im Einzelfall eine Obliegenheit treffen, dafür zu sorgen, dass ihn derartige Postsendungen erreichen. Tut er das nicht, kann er sich möglicherweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht darauf berufen, dass ihm die Sendung nicht zugegangen ist (BGH, Urteil vom 11. Juli 2007 - XII ZR 164/03, NJW-RR 2007, 1567 Rn. 20 f.; Urteil vom 26. November 1997 - VIII ZR 22/97, BGHZ 137, 205, 208 f.; Urteil vom 17. April 1996 - IV ZR 202/95, ZIP 1996, 878, 879).
- Bei einem Übergabe-Einschreiben besteht damit das Risiko, dass der Zugang nicht bewirkt werden kann, weil der Empfänger die Sendung trotz Benachrichtigung nicht abholt. Der Empfänger muss sich auch nicht stets gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als ob ihm die Erklärung zugegangen wäre.
- Zu diesen Zugangsschwierigkeiten kann es beim Einwurf-Einschreiben nicht kommen. Diese Form des Einschreibens wird im Unterschied zum Übergabe-Einschreiben nicht persönlich gegen Unterschrift an den Empfänger ausgehändigt. Die Ablieferung erfolgt in diesem Fall vielmehr durch Einwurf der Sendung in den Briefkasten des Empfängers. Für den Zugang gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB genügt es, wenn das Schreiben so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Dies ist beim Einlegen in den Briefkasten des Empfängers der Fall (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - IV ZR 206/13, NJW 2014, 1010 Rn. 8).
- (3) Die Möglichkeit der Zugangskontrolle für den Absender, die Gesellschaft, ist bei beiden Einschreibeformen gleich. Dem Einlieferungsbeleg können die Sendungsnummer und der Einlieferungstag entnommen werden. Mit diesen Daten kann die Sendungsverfolgung für Einschreiben genutzt werden. Bei der Internet-Abfrage kann sich der Absender den Auslieferungsbeleg zugestellter Sendungen der Produktvariante EINSCHREIBEN anzeigen lassen. Auch beim Einwurf-Einschreiben erhält der Absender auf Wunsch - neben einer telefonischen Auskunft - eine Reproduktion des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs.
- (4) Hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Postlaufs selbst, also des Transports der Sendung, ergeben sich keine Qualitätsunterschiede zwischen einem Einwurf-Einschreiben und einem Übergabe-Einschreiben. So ist die Aufgabe (Absendung) beider Arten von Einschreiben gleich und die Sendungen werden durch die gleichen Postangestellten ausgetragen. Nur am Empfangsort sind unterschiedliche Formalien zu beachten; auf die Sicherheit des Sendungstransports selbst haben diese Formalien jedoch keinen Einfluss (so zu Recht Köper, NZG 2008, 96, 98 f.).
- (5) Das Übergabe-Einschreiben bietet keine höhere Gewähr dafür, dass die erneute Aufforderung den Gesellschafter tatsächlich erreicht.
- Das Übergabe-Einschreiben soll zwar dem Empfänger selbst übergeben werden. Dies geschieht aber nur dann, wenn der Empfänger vom Postangestellten angetroffen wird und empfangsbereit ist. Andernfalls wird lediglich eine Benachrichtigungskarte hinterlassen und das Schriftstück zur Abholung auf der nächstgelegenen Poststelle hinterlegt, wo es - wie ausgeführt - nicht abgeholt werden muss.
- Ein bloßes Übergabe-Einschreiben ohne den Zusatz "Eigenhändig" kann nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG einem Ersatzempfänger, etwa einem Angehörigen des Empfängers oder einer anderen in den Räumen des Empfängers anwesenden Person, übergeben werden. Die entsprechende Person kann dann die Empfangsbestätigung gegenzeichnen. Diese Form des einfachen Übergabe-Einschreibens würde nach der oben dargestellten überwiegenden Auffassung im Schrifttum den Anforderungen des § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG genügen. Es ist nicht ersichtlich, dass bei der Entgegennahme durch einen Ersatzempfänger gegenüber dem Einwurf des Schreibens in den Briefkasten ein Vorteil im Hinblick darauf besteht, dass den Gesellschafter die erneute Aufforderung tatsächlich erreicht. Es ist ebenso möglich, dass der Ersatzempfänger vergisst, den Brief an den Empfänger zu übergeben, wie es möglich ist, dass der Empfänger den Briefkasten nicht leert oder das Schreiben zwischen Werbesendungen oder Ähnlichem abhanden kommt (vgl. Köper, NZG 2008, 96, 98).
- cc) Neben der Sicherung des Zugangs dient das Erfordernis der Übermittlung der Zahlungsaufforderung mittels Einschreibens Beweiszwecken (Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 21 Rn. 18; MünchKommGmbHG/Schütz, 2. Aufl., § 21 Rn. 63). Dieser Gesetzesweck ist bei Verwendung des Einwurf-Einschreibens der Deutschen Post AG ebenfalls gewährleistet, mag die Beweiskraft auch nicht so ausgeprägt sein wie bei einem Übergabe-Einschreiben. Bei Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs streitet ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Zahlungsaufforderung in den Briefkasten eingelegt ist.
- (1) Nicht zu folgen ist allerdings einer verbreiteten Ansicht, nach der die Gesellschaft den Beweis des Zugangs der Zahlungsaufforderung bereits durch den Nachweis der Absendung durch Vorlage des Einlieferungsscheins führen kann (so Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 505, 513; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 21 Rn. 14; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 21 Rn. 8; Michalski/Ebbing, GmbHG, 2. Aufl., § 21 Rn. 79; MünchKommGmbHG/Schütz, 2. Aufl., § 21 Rn. 68; aA Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 21 GmbHG Rn. 21; Emmerich in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 21 Rn. 19; Müller in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 21 Rn. 39). Diese Auffassung widerspricht den allgemeinen Grundsätzen. Danach kann der Beweis des Zugangs eines Schriftstücks selbst nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins nicht durch den Nachweis der Absendung als erbracht angesehen werden (BGH, Urteil vom 24. April 1996 - VIII ZR 150/95, ZIP 1996, 1170, 1172; Urteil vom 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665, 666; Urteil vom 12. Oktober 1978 - IX ZR 34/74, BeckRS 1978, 3120707; Urteil vom 27. Mai 1957 - II ZR 132/56, BGHZ 24, 308, 312 f.). Warum bei der Übersendung der Zahlungsaufforderung etwas anderes gelten soll, wird nicht begründet und ist auch nicht ersichtlich.
- (2) Beim Einwurf-Einschreiben erfolgt die Ablieferung durch Einwurf der Sendung in den Briefkasten oder das Postfach des Empfängers. Unmittelbar vor dem Einwurf zieht der Postangestellte das sogenannte "Peel-off-Label" (Abziehetikett), das zur Identifizierung der Sendung dient, von dieser ab und klebt es auf den so vorbereiteten, auf die eingeworfene Sendung bezogenen Auslieferungsbeleg. Auf diesem Beleg bestätigt der Postangestellte nach dem Einwurf mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe die Zustellung. Auch beim Einwurf-Einschreiben erhält der Absender auf Wunsch - neben der telefonischen Auskunft - eine Reproduktion des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs (vgl. AG Erfurt, MDR 2007, 1338, 1339; Reichert, NJW 2001, 2523, 2524; Hosenfeld, NZM 2002, 93, 94). Bei Einhaltung dieses Verfahrens ist der Schluss gerechtfertigt, dass die eingelieferte Sendung tatsächlich in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist. Für den Absender streitet daher beim Einwurf-Einschreiben nach Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten bzw. das Postfach zugegangen ist, wenn das vorbeschriebene Verfahren eingehalten wurde (vgl. OLG Koblenz, OLGR 2005, 869, 870; OLG Saarbrücken, NJOZ 2008, 840, 848 f.; LAG Köln BeckRS 2010, 66142; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Juni 2010 - 11 Sa 496/09, juris Rn. 118; Reichert NJW 2001, 2523, 2524; Saenger/Gregoritza, JuS 2001, 899, 903 f.; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 21 GmbHG Rn. 21; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 130 Rn. 21; MünchKommBGB/Einsele, 7. Aufl., § 130 Rn. 46; ohne die Einhaltung des Verfahrens ausdrücklich zu erwähnen AG Paderborn NJW 2000, 3722, 3723; AG Hannover, NJOZ 2004, 67; AG Erfurt, MDR 2007, 1338, 1339 f.; Jänich, VersR 1999, 535; Kaiser, NJW 2009, 2187, 2188; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. Februar 2015 - 3 LB 11/14, juris Rn. 26; Staudinger/Singer, BGB, (2012), § 130 Rn. 108; BeckOGK/Gomille BGB § 130 Rn. 129; zu dem Verfahren vgl. LG Potsdam NJW 2000, 3722; aA AG Kempen, NJW 2007, 1215; Friedrich, VersR 2001, 1090; kritisch auch Bauer/Diller, NJW 1998, 2795, 2796; offen gelassen von BGH, Urteil vom 11. Juli 2007 - XII ZR 164/03, NJW-RR 2007, 1567 Rn. 26).
Vielen Dank für den gelungenen Beitrag.
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