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Donnerstag, 6. August 2020

Engstelle: Vorrang und Verständigungspflicht bei Unfall in der Engstelle

An einer Engstelle war die Durchfahrt mit Zeichen 208 geregelt, demzufolge der Verkehr aus einer Richtung gegenüber dem Verkehr aus der anderen Richtung bevorrechtigt ist. Die beteiligten Fahrzeuge fuhren beide in die Engstelle ein und es kam zur Kollision. Die Haftung wurde im Verhältnis von 30% zu Lasten desjenigen, der bevorrechtigt hatte einfahren dürfen zu 70% zu Lasten desjenigen, der wartepflichtig war. Diese Entscheidung wurde mit der Berufung angefochten. Das OLG wies gem. § 522 ZPO darauf hin, dass es gedenke, die Berufung mangels Erfolgsaussicht im Beschlussweg zurückzuweisen.

Zeichen 208


Nach § 17 Abs. 1 StVG sei auf die Umstände des Einzelalls abzustellen, also insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei. Dabei seien nur unstreitige, bewiesene oder zugestandene Tatsachen zu berücksichtigen. Jeder Beteiligte habe danach diejenigen Tatsachen zu beweisen, die dem anderen Beteiligten zum Verschulden gereichen würden und aus denen er für die Abwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG für sich günstige Rechtsfolgen herleiten  will.

Nach der Beweisaufnahme sie das Landgericht davon ausgegangen, dass beide beteiligten Fahrer gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen hätten. Die Fahrzeuge hätten nebeneinandergestanden, doch habe ein Austausch darüber nicht stattgefunden, wie die Situation, dass ein gemeinsames passieren nicht möglich war, gelöst werden könnte.  Dies sei zutreffend, da bei einer derartigen Situation eine Verständigung darüber stattfinden müsse, wer die Fahrt fortsetzt (OLG Hamm, Urteil vom 07.06.2016 - I-9 U 59/14 -).

Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges den durch Zeichen 208 angeordneten Vorrang des gegnerischen Fahrzeuges nicht beachtet habe, wobei auf sich beruhen könne, ob sie dieses bei Einfahren in die Engstelle gesehen haben kann. Der Regelungsgehalt ginge weiter: Da hier die Bäume die Sicht auf entgegenkommende Fahrzeuge behinderten, nicht aber völlig beseitigten, hätte sie durch Anpassen der Geschwindigkeit vor Einfahren in den dortigen Kurvenbereich sicherstellen müssen, dass kein vorrangiges Fahrzeug entgegenkomme. Ansonsten würde die Pflicht zum Fahren mit angepasster Geschwindigkeit gem. § 3 Abs. 1 S. 2 StVO verletzt.

Weiterhin sei für das klägerische Fahrzeug auch eine erhöhte Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Die Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges hätte, als sie den Unfallgegner erstmals wahrnahm, anhalten und ggf. zurücksetzen müssen. Dafür spreche nicht nur der durch Verkehrszeichen angeordnete Vorrang des Unfallgegners, sondern auch die im Vergleich zum Unfallgegner geringere Wegstrecke bis zur Haltebucht.

Von daher sei hier für den Kläger eine Haftung von 70% anzunehmen.

OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 24.04.2020 - 7 U 225/19 -