Mittwoch, 1. April 2015

Tierhalterhaftung und Mitverschulden

Die Tierhalterhaftung ist als sogen. Gefährdungshaftung ausgebildet, d.h. der Halter eines Tieres haftet grundsätzlich für einen von seinem Tier verursachten Schaden, ohne dass es auf sein Verschulden ankommt. Allerdings kann er dem Geschädigten ein Mitverschulden entgegenhalten. Eine Haftung ist auch dann anzunehmen, wenn nicht das Tier des Schädigers selbst den Schaden des Verletzten verursacht, sondern ein drittes (eventuell das eigene) Tier.

Entsprechend entschied das OLG Naumburg mit Urteil vom 23.04.2014: Der Hund des Beklagten hatte sich losgerissen und es kam zu einer Rauferei mit dem Hund der Ehefrau des Beklagten, bei der dieser verletzt wurde. Als sich der Beklagte zu dem Hund seiner Ehefrau im Nachgang begab, wurde er von ihm gebissen.

Das Landgericht hatte eine Haftungsverteilung von 50:50 vorgenommen und dem Kläger die Tierhalterhaftung seiner Ehefrau für deren Hund zugerechnet. Diese Rechtsauffassung wurde vom OLG zutreffend nicht geteilt. Es wies darauf hin, dass dem Ehemann die Tierhalterhaftung seiner Ehefrau nicht gem. § 833 BGB zugerechnet werden kann und damit lediglich noch ein Eigenverschulden insoweit bleibt, als er sich unvorsichtig dem verletzten Hund seiner Ehefrau näherte. Dies bewerte das OLG mit 25%. 

OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.2014 - 1 U 115/13 -

Aus den Gründen:


Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 13. August 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner
a. 6.114,58 EUR nebst Zinsen für das Jahr in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 6.085,01 EUR seit dem 20. August 2012, auf 13,49 EUR seit dem 19. Januar 2013 und auf 16,08 EUR seit dem 4. Dezember 2013 sowie
b. 603,93 EUR nebst Zinsen für das Jahr in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 100,00 EUR seit dem 20. August 2012 und auf 503,93 EUR seit dem 13. März 2014 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den infolge des Hundebisses vom 9. April 2012 zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden im Umfang von ¾ bzw. unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von ¼ zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Dritte übergegangen ist.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 2/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 3/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2; 313a Abs. 1 Satz 1; 543 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.
I.
Die zulässige Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg, während die Berufung der Beklagten nur zur Abweisung eines geringen Teils des vom Landgericht zuerkannten materiellen Schadensersatzes führt. Das angefochtene Urteil verletzt in mehrfacher Hinsicht materielles und Prozessrecht und begründete so konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts, die der Senat zum Anlass erneuter Feststellungen genommen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Im Ergebnis der gebotenen und erstmals im Berufungsrechtszug durchgeführten Beweisaufnahme hat der Kläger, teils aus abgetretenem Recht, gegen die als Gesamtschuldner haftenden Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 6.114,58 EUR (§§ 833 Satz 1; 830 Abs. 1 Satz 1; 840 Abs. 1; 249; 253 Abs. 2; 254 Abs. 1 BGB).
1. Das Landgericht hat die Ersatzpflicht der Beklagten zu 1. aus § 833 BGB und den gegen den Beklagten zu 2. gerichteten Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 834 BGB hergeleitet. Es bedarf im Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats keiner abschließenden Klärung, ob es für die Haftung des Ehegatten eines Tierhalters als Tieraufseher, wie vom Landgericht angenommen, entgegen dem Wortlaut der Norm genügt, rein faktisch die Aufsicht über das Tier übernommen zu haben (dagegen Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 834 Rdn. 2 m.w.N.; Staudinger/Borges, BGB, Neubearb. 2012, § 834 Rdn. 10; a.A. Wagner, in: MünchKomm.-BGB, 6. Aufl., § 834 Rdn. 5). Der Kläger hatte bereits in erster Instanz behauptet, die Hündin T. werde von den Beklagten gemeinsam gehalten, sodass die Beklagten als (Mit-) Tierhalter im Sinne von § 833 BGB zu betrachten seien. Dies hat sich im Verlaufe der Anhörung der Beklagten als richtig erwiesen.
Ausgehend vom Zweck der Tierhalterhaftung, dass derjenige, der die Existenz des Tieres ermöglicht und damit sein Interesse am Erhalt des Tieres unter Beweis stellt, für die von dem Tier ausgehende Gefahr einzustehen hat (vgl. BGH NJW-RR 1988, 655, 656), ist als Tierhalter anzusehen, wem die Bestimmungsmacht - hier über den Hund - zusteht, wer also aus eigenem Interesse für die Unterhaltskosten des Tieres aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt (BGH a.a.O.). Das können die einen Familienhund mitbesitzenden Familienangehörigen sein (OLG Jena r + s 2010, 126, 127). Ehegatten sind es in Bezug auf einen im gemeinsamen Haushalt lebenden Hund jedenfalls dann, wenn sie, wie die Beklagten, die Unterhaltskosten gemeinsam tragen, die tierbezogenen Entscheidungen gemeinsam treffen und auch sonst arbeitsteilig bzw. gemeinsam u.a. für den Auslauf des Hundes Sorge tragen (vgl. Spindler, in: BeckOK-BGB, Stand: 1. 11. 2013, § 833 Rdn. 15). Dass es sich bei T. ursprünglich um ein Geburtstagsgeschenk für die Beklagte zu 1. handelte, ist dann genauso wenig entscheidend, wie die Eigentumsfrage (PWW/Schaub, BGB, 8. Aufl., § 833 Rdn. 6 m.w.N.).
Die Ausführungen der Beklagten zu diesem Punkt im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16. 4. 2014 stellen sich als untauglicher Versuch dar, dieses Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu relativieren. Die Beklagten hatten sich gemäß § 138 Abs. 1 ZPO zu der Behauptung des Klägers zu äußern und der Senat hatte dafür Sorge zu tragen, dass sie dies auch taten (§§ 139 Abs. 1, 136 Abs. 3, 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ob die Ehegatten ihren Haushalt insgesamt gemeinsam führen oder nicht, ist für die hier zu entscheidende Frage nicht relevant. Genauso wenig kommt es auf vorübergehende Abwesenheiten des Beklagten an, die sich aber schon nicht mit der Erklärung der Beklagten zu 1. vereinbaren lassen, dass es der Beklagte sei, der T. überwiegend führe.
2. Als gemeinsame Tierhalter sind die Beklagten dem Kläger und seiner Ehefrau zum Schadensersatz verpflichtet, weil ihre Hündin T. am 9. 4. 2012 den Körper und die Gesundheit des Klägers mittelbar sowie die Beagle Hündin der Zedentin unmittelbar verletzte (§§ 833 Satz 1; 830 Abs. 1 Satz 1; 840 Abs. 1; 90a Satz 3 BGB).
Es ist zwischen den Parteien nicht streitig und wurde vom Kläger nochmals vor dem Senat bestätigt, dass er nicht von T. ins Gesicht gebissen wurde, sondern vom Hund seiner Ehefrau, der Beagle-Hündin C. . Vorausgegangen war dem allerdings eine Auseinandersetzung der beiden Hündinnen, die für C. mit Schäden verlief, weil die körperlich überlegene T. den Beagle in Kopf und Nacken biss und insgesamt körperlich erheblich in Mitleidenschaft zog. Das Landgericht hat insoweit zutreffend hervorgehoben, dass für die Tierhalterhaftung eine Mit- oder mittelbare Verursachung des Körper-, Gesundheits- oder Sachschadens ausreichen (BGH NJW 1999,3119, 3120; NJW-RR 2006, 813,814; Palandt/Grüneberg, vor § 249 Rdn. 52).
Weiter hat der Einzelrichter ausgeführt, es liege auf der Hand, dass der Hund der Ehefrau des Klägers bei seinem Biss noch unter dem Eindruck der vorausgegangenen Auseinandersetzung mit dem Hund der Beklagten gestanden habe und das Verhalten des Hundes der Beklagten deshalb mitursächlich für die Verletzung des Klägers geworden sei.
Dies übergeht das Bestreiten der Beklagten, die u.a. zur Untersetzung ihrer Behauptung vorgetragen haben, zwischen der Auseinandersetzung der Hunde und dem Biss habe ein gewisser Zeitraum gelegen und C. habe sich nachfolgend nicht beeinträchtigt gezeigt. Auf welcher Grundlage das Landgericht dennoch meint, der Zusammenhang liege auf der Hand, ist nicht ersichtlich, sodass sich § 286 Abs. 1 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sehen.
Im Ergebnis der Anhörung der Parteien, der Aussage des den verletzten Hund behandelnden Tierarztes und des mündlichen Gutachtens des Sachverständigen B. geht die Verletzung des Klägers jedoch in der Tat auch auf die Hündin der Beklagten zurück.
Nach den Bekundungen des Zeugen Sch. wies C. bei ihrer Vorstellung am 9. 4. 2012 Bissverletzungen auf, die nach Wahrnehmung des Zeugen auf einer derberen Auseinandersetzung mit einem anderen Hund beruhten. Dass es dabei um das Aufeinandertreffen von C. und T. ging, steht für den Senat außer Zweifel und wird von den Beklagten auch nicht in Abrede genommen. C. ging es nach Aussage des Zeugen Sch. sogar noch zur Zeit ihrer tierärztlichen Versorgung schlecht. Sie zeigte eine Untertemperatur, war orientierungslos, trat anders auf als üblich und stand unter leichtem Schock. Der Sachverständige hat hieran anknüpfend festgestellt, dass C. ziemlich stark gebissen wurde, was bei ihr Panik und Angst auslöste, weshalb sie, wie vom Kläger glaubhaft geschildert, schrie. Nachdem T. von ihr abgelassen hatte, sei C. Kopf erstmals frei gewesen, sodass sie unter Schock stehend zur Verteidigung übergangen sei, als sie den Kläger bemerkt habe. Augenscheinlich habe sie den Kläger nicht erkannt und für T. gehalten. Ein derart angegriffenes und verletztes Tier sei gefährlich.
In ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16. 4. 2014 bezweifeln die Beklagten zu Unrecht den Angriff T. mit Hinweis auf die Unzuverlässigkeit der Schilderung des Klägers. Der Senat ist davon überzeugt, dass sich die Auseinandersetzung der Hunde, so wie vom Kläger geschildert und vom Sachverständigen eingeschätzt zugetragen hat. Eine beschränkte Sicht oder eine trotz des nahenden Hundes der Beklagten vorwiegend dem Kind zugewandte Aufmerksamkeit des Klägers schließt der Senat aus. Der Kläger hat eindeutig eigenes Erleben geschildert.
Damit ist der Zusammenhang zum Hund der Beklagten hergestellt, denn es war T., die C. in den zum Biss führenden Zustand versetzte. Hierbei kam auch die spezielle Tiergefahr T. zum Tragen (vgl. zu dieser Tatbestandsvoraussetzung BGH NJW 1976, 2130). Nach den Feststellungen des Sachverständigen entzog sich T. der Kontrolle des Beklagten zu 2., um ihren durch einen Hasen geweckten Jagdtrieb zu befriedigen. Bei der Jagd sei sie dann auf C. gestoßen und habe diese sehr wahrscheinlich mit der verfolgten Beute verwechselt. Das ist zweifelsohne Ausdruck tierischer Unberechenbarkeit, die den Grund der Gefährdungshaftung des Halters bildet.
3. Gemäß §§ 833 Satz 1, 249, 90a Satz 3 BGB haben die Beklagten der Halterin der verletzten C. den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag zu ersetzen. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat den Schaden zur Hälfte ersetzt, sodass es insoweit um die noch offenen 57,63 EUR Tierarzt- und weiteren Kosten geht, die das Landgericht vollständig zugesprochen hat. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
Grundsätzlich kann § 254 Abs. 1 BGB als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens entsprechend anzuwenden sein, wenn der dem Verletzten zugefügte Schaden auch von seinem Tier mit verursacht wurde (BGH NJW 1976, 2130, 2131; 1985, 2416, 2417; OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 969, 970). Die Ersatzpflicht bestimmt sich dann nach dem Gewicht, mit dem die jeweilige Tiergefahr des einen Tieres im Verhältnis zum anderen Tier in der Schädigung konkret wirksam wurde. Es kann offen bleiben, ob sich nach der vom Sachverständigen vorgenommenen Einordnung des Geschehens bis auf das bloße Dasein des Hundes überhaupt ein Zusammenhang zwischen der Tiergefahr C. und dem eingetretenen Schaden herstellen lässt. Selbst wenn ein solcher Zusammenhang bestünde, träte der Einfluss C. hinter der von der jagenden T. ausgehenden Gefahr vollständig zurück. Folgt man der Schilderung der Beklagten und der darauf beruhenden Würdigung des Sachverständigen, war T. derart im Jagdfieber, dass sie C. nicht von ihrer Beute unterscheiden konnte und blindlings auf den Hund der Ehefrau des Klägers losging und ihn biss. Damit ging die Auseinandersetzung von T. aus, ohne dass C. eine Chance hatte, hierauf Einfluss zu nehmen. C. war nur die vermeintliche Beute.
Der Hinweis der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz auf ein mitursächliches Dominanzverhalten C. liegt neben der Sache. Der Sachverständige hat dies vor allem auch nach den Einlassungen des Beklagten zu 2. nicht einmal ernsthaft in Erwägung gezogen, weil es fern liegt.
4. Die eigenen Schäden des Klägers hat das Landgericht entsprechend § 254 Abs. 1 BGB um die Hälfte gekürzt und ausgeführt, mache der Ehegatte des Tierhalters Schadensersatzansprüche gegen einen anderen Tierhalter geltend, müsse er sich die Mitverursachung des Schadens durch das Tier des Ehegatten haftungsmindernd anrechnen lassen.
Diese Auffassung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Der Kläger ist unstreitig nicht der Tierhalter der Beaglehündin. Soweit die Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz jetzt erstmals etwas anderes behaupten, ist dem nicht mehr nachzugehen (§§ 525 Satz 1, 296a Satz 1, 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dementsprechend hat der Kläger nicht nach § 833 BGB für die von diesem Tier ausgehende Gefahr einzustehen. Es gibt für ihn keine Zurechnungsnorm der Tiergefahr des der Ehefrau gehörenden Hundes. Allgemeine Billigkeitserwägungen erlaubt § 254 BGB nicht (Jauernig/Teichmann, BGB, 15. Aufl., § 254 Rdn. 5 m.w.N.).
Hat auch der Hund der Ehefrau die Verletzung mit herbeigeführt, weil er letzten Endes zubiss, würde der Kläger vielmehr auch gegen seine Gattin Ansprüche aus § 833 BGB haben. Alle Halter der beteiligten Hunde haften in diesem Fall als Gesamtschuldner. Der Kläger kann nach § 421 Satz 1 BGB wählen und nach seinem Belieben vollen Schadensersatz nur von den Beklagten verlangen. Es wäre Sache der Beklagten, die Ehefrau des Klägers nach § 426 BGB auf Ausgleich in Anspruch zu nehmen.
Richtigerweise hätte das Landgericht also ausschließlich prüfen müssen, ob den Kläger selbst ein Mitverschulden trifft, weil er die konkrete Gefahr erkennen und vermeiden konnten und sonach die ihm im eigenen Interesse abzuverlangende Sorgfalt zur Schadensvermeidung außer Acht ließ (BGH NJW 1999, 3119; OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 93; OLG Jena r + s 2010, 126, 128). Im Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats hat der Kläger seine Verletzung in diesem Sinne mit verschuldet. Das Maß des Mitverschuldens liegt bei ¼.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen B. hätte sich der Kläger dem angegriffenen und verletzten Hund nur sehr aufmerksam und jederzeit mit einem Biss rechnend nähern dürfen. Am besten hätte der Kläger das Tier zugedeckt und abgewartet. Es dauere mehrere Minuten, bis Hunde nach einer derartigen Auseinandersetzung ihren Halter wiedererkennen würden. Der Kläger habe sich durch sein unvorsichtiges Handeln der Gefahr ausgesetzt, für den Angreifer gehalten zu werden. Nach Auffassung des Senats hätte der Kläger diese Gefahr erkennen und den Schaden vermeiden können, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung letztlich auch einräumte.
Dennoch gewichtet der Senat das Mitverschulden nur mit ¼. Für den Kläger hat sich die Auseinandersetzung der Hunde als hoch emotionales Ereignis dargestellt. In einer solchen Situation nicht kühlen Kopf bewahrt zu haben, ist fahrlässig, aber verständlich. Es lag nahe, dem verletzten Tier anschließend sofort helfen und es versorgen zu wollen und dies zur bestimmenden Handlungsmaxime werden zu lassen, ohne dabei an die Gefahren zu denken. Der so gesehen geringfügige Sorgfaltsverstoß des Klägers erlangt nur deshalb messbare Relevanz, weil er zum Auslöser des Schadens wurde.
5. Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht zum Ausgleich des immateriellen Schadens ein Schmerzensgeld zuerkannt (§ 253 Abs. 2 BGB). Das Mitverschulden des Klägers darf aber nicht, wie vom Einzelrichter getan, in Form einer Quote berücksichtigt werden. Es fließt nach dem Maß der beiderseitigen Verursachung schon als Bewertungsfaktor in die Bemessung des Schmerzensgeldes ein. Unter Berücksichtigung dessen hält der Senat 6.000,00 EUR für eine billige Entschädigung.
Die Ermittlung der Höhe des Schmerzensgeldes geschieht im Wege der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO. Hierfür ist es gleichgültig, ob der Schädiger neben der Gefährdungshaftung möglicherweise auch wegen Fahrlässigkeit schadensersatzpflichtig wäre (Palandt/ Grüneberg, § 253 Rdn. 4). Für das Ermessen des besonders frei gestellten Tatrichters sind neben dem bereits erwähnten Mitverschulden vor allem Art, Ausmaß, Schwere und Dauer der Verletzungen, die damit verbundenen Schmerzen, Beeinträchtigungen, ärztlichen Behandlungen und verbleibenden Dauerfolgen von Bedeutung. Nach der glaubhaften Schilderung des Klägers, den Arztbriefen vom 13. 4. 2012 (K5) und 4. 7. 2012 (K8), der Bildanlage (K6) und dem genommenen Augenschein trug der Kläger Verletzungen der Oberlippe und der Nase davon, die teilweise zu nach wie vor sichtbaren Gewebeverlusten führten (ausgeprägter Defekt im Nasen- und Oberlippenbereich). Dies war äußerst schmerzhaft, musste operativ versorgt werden und zog einen mehrtätigen stationären Aufenthalt sowie eine einmonatige Arbeitsunfähigkeit nach sich. Dem Kläger ist zu glauben, dass die beeinträchtigte Lippe lange Zeit beim Sprechen hinderte und er auch heute noch mit einer regelmäßigen Hornhautbildung an der Oberlippe zu kämpfen hat. Es sind Narben verblieben, die gemeinsam mit dem Gewebeverlust im Gesicht zu erkennen sind. Unstreitig und vom Kläger bestätigt droht zumindest ein weiterer plastisch-chirurgischer Eingriff. Das sind auch unter Berücksichtigung des Alters des Klägers Schäden, die mehr als nur eine geringe Entschädigung verlangen, allerdings angesichts des Mitverschuldens den Betrag von 10.000,00 EUR nicht rechtfertigen. Angemessen erscheinen aber 6.000,00 EUR, was mit der Rechtsprechung anderer Gerichte in vergleichbaren Fällen in Übereinstimmung steht. So wurde vom Landgericht Essen (NZV 2005, 532) für eine ausgedehnte Weichteilverletzung eines Kindes im Gesicht mit verschiedenen klaffenden, tief in das Gewebe reichenden Biss- und Quetschwunden mit Beeinträchtigung des Aussehens ein Betrag von 18.000,00 EUR zuerkannt. Ein siebenjähriges Mädchen bekam für die eine zwei Zentimeter lange Narbe zwischen Oberlippe und Nase zurücklassende Hundebissverletzung ein Schmerzensgeld von 4.000,00 DM (LG Wiesbaden NJW-RR 1991, 148). In dem dazwischen liegenden Bereich ist die Verletzung des Klägers anzusiedeln und auch im Vergleich zur Entscheidung des OLG Celle (NJWE-VHR 1997, 138 - 20.000,00 DM) mit 6.000,00 EUR ausreichend abgegolten.
6. Die geltend gemachten materiellen Schäden des Klägers sind nur teilweise ersatzfähig, was zu dem Teilerfolg des Rechtsmittels der Beklagten führt.
a) Eine Auslagenpauschale von 25,00 EUR steht dem Kläger nicht zu. Bei über eine Bagatelle hinausgehenden Verkehrsunfällen wird dem Geschädigten für den Aufwand der Schadensabwicklung für Telefon, Porto und Fahrtkosten ohne Spezifizierung eine solche Pauschale zuerkannt, weil es sich um ein Massengeschäft handelt, das typischerweise solche Ausgaben erfordert (Palandt/Grüneberg, § 249 Rdn. 79). Hierzu gehört die Verletzung des Klägers nicht, sodass der Kläger Grundlagen für die Schätzung eines solchen Schadens hätte vortragen müssen (BGH NJW 2012, 2267, 2268). Soweit der Kläger die Pauschale rechtfertigende Schäden erlitten hat (Fahrtkosten), macht er sie zum Gegenstand eigenständiger Ersatzansprüche, sodass daneben für eine Pauschale sowieso kein Raum mehr besteht.
b) Der Eigenanteil an den Krankenhauskosten von 60,00 EUR entspricht ersparten häuslichen Aufwendungen des Klägers, die er sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muss. Aus diesem Grund hatte der Kläger den Eigenanteil aufzubringen.
c) Zu den zur Wiederherstellung des Klägers notwendigen Kosten (§ 249 BGB) gehört der Aufwand für Fahrten zu Ärzten und Heilbehandlungen sowie naher Angehöriger zum Zwecke des Krankenhausbesuchs. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind diese Kosten entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG mit 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer abzugelten (§ 287 Abs. 1 ZPO; vgl. BGH NJW 2010, 930, 931). Danach kann der Kläger 0,25 EUR x 146 km x ¾ = 27,38 EUR verlangen.
d) Entsprechendes gilt für das Aufsuchen des Prof. Dr. K. und den Bericht des Dr. Bn. . Hierfür sind nochmals 16,08 EUR und 13,49 EUR zuzusprechen. Dass Dr. Bn. nur kostenpflichtig tätig wurde, spricht im Rahmen der Schätzung für die Erforderlichkeit des aufgewandten Betrages, die durch einfaches Bestreiten nicht in Frage gestellt werden kann (BGH, Urteil vom 11. 2. 2014, VI ZR 225/13 - BeckRS 2014, 04270 Rdn. 8).
7. Nach alledem erhöht sich auch der Betrag der erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Die Ersatzpflicht aus § 249 BGB erstreckt sich auch auf die Kosten des Geschädigten, die ihm im Zusammenhang mit der Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs entstehen, wozu insbesondere Rechtsanwaltsgebühren und -auslagen gehören (BGH NZV 2012, 538; Palandt/Grüneberg, § 249 Rdn. 56 f.). Erforderlich war der Aufwand des Klägers zu einem Gegenstandswert bis 7.000,00 EUR, wobei noch altes Recht anzuwenden ist (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Da die Rechtsschutzversicherung des Klägers den auf sie übergegangenen Anspruch (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG) unstreitig rückabgetreten hat, kommt es an dieser Stelle nicht auf die Unterscheidung zwischen 100,00 EUR Eigenanteil und der Restleistung der Versicherung an. Zu ersetzen sind:
        
603,93 EUR
1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV zu § 2 RVG  
487,50 EUR
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV
20,00 EUR
Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV
96,43 EUR
8. Der Zinsanspruch des Klägers folgt unter dem Gesichtspunkt des Verzuges und der Rechtshängigkeit aus §§ 288 Abs. 1; 286 Abs. 1 Satz 1; 291 BGB; § 261 Abs. 1, Abs. 2 ZPO. Die im Vergleich zum Landgericht geänderten Zeiträume tragen der Rechtslage Rechnung, wonach erst der Zugang der Mahnung den Verzug begründet und der Zinszeitraum, wie bei Rechtshängigkeitszinsen auch, erst am Folgetag beginnt (§ 187 Abs. 1 BGB). Zinsen auf die Rechtsverfolgungskosten stehen dem Kläger erst mit dem Wirksamwerden der Abtretung durch die Rechtsschutzversicherung zu. Davor hatte der Kläger nur den Anspruch auf Erstattung seiner Selbstbeteiligung von 100,00 EUR inne.
9. Dem Feststellungsantrag des Klägers hat das Landge
richt zu Recht stattgegeben.
Die Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger Schäden ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Das Feststellungsinteresse lässt sich nur verneinen, falls aus Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW 1998, 160). Liegen die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vor und kann der haftungsbegründende Eingriff mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft zu weiteren Schäden führen, muss die Schadensersatzpflicht festgestellt werden (BGH NJW-RR 2007, 601 f.).
Es steht zwischen den Parteien außer Streit, wurde vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats glaubhaft erläutert und entspricht auch dem Ergebnis des Augenscheins des Senats, dass Nase und Oberlippe des Klägers Substanzverluste erkennen lassen, die zur Notwendigkeit weiterer Behandlungen führen können. Insbesondere plastisch-chirurgische Maßnahmen liegen nicht fern, auch wenn der Kläger derzeit versucht, dem aus dem Weg zu gehen. Weitere Behandlungen sind mit weiteren Kosten verbunden und es ist nicht gänzlich auszuschließen, dass sie zu bisher nicht berücksichtigungsfähigen immateriellen Nachteilen führen. Insoweit benötigt der Kläger zur Vermeidung der Verjährung ein feststellendes Urteil, das allerdings auch sein Mitverschulden zu berücksichtigen hat.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1; 92 Abs. 1 Satz 1; 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10; 713 ZPO.
Die Revision lässt der Senat nicht zu. Die Sache wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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