Freitag, 16. September 2016

Zwangsversteigerung: Zuschlagsverkündungstermin und Antrag auf Vertagung

Vorliegend hatte der Schuldner den Antrag auf Aufschiebung des Verkündungstermins für den Zuschlagsbeschluss mit der Begründung gestellt, er habe bzw. wolle beim Prozessgericht einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO (einstweilige Anordnung auf vorläufige Einstellung der Zwansgvollstreckung) stellen. Dies genügt nach Auffassung des BGH nicht.


Der BGH weist darauf hin, dass in der Regel der Beschluss über den Zuschlag  im Versteigerungstermin erfolgen soll, da alle beteiligten einen Anspruch auf rasche Klärung der Rechtslage haben. Dies gilt insbesondere auch für die Bietenden, die bis zur Verkündung an ihre Gebote gebunden bleiben.  So sei es auch ermessensfehlerhaft, wenn von einer sofortigen Verkündung abgesehen werde, da der betreibende Gläubiger dies beantragt, um mit dem Meistbietenden noch einen möglichen Zuschlag auf die gebotene Summe zu vereinbaren (mit der Möglichkeit, vor dem Zuschlag das aktuelle Verfahren durch Rücknahme zu beenden und so einen Zuschlag zu verhindern). Angemessen wäre eine Vertagung, wenn damit einer möglichen Verschleuderung des durch Ermöglichung einer Vollstreckungsschutzklage gem. § 765a ZPO entgegengewirkt wird.

Wenn aber der Schuldner einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO erst kurz vor oder im Termin ankündigt, rechtfertigt dies nicht die Vertagung der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses. Es liegt in diesem Fall kein notwendiger zwingender Grund vor, weshalb das Ermessen des Rechtspflegers bei seiner Entscheidung gebunden ist und er abzulehnen hat.


BGH, Beschluss vom 12.05.2016 – V ZB 141/15 -

Aus den Gründen:

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 21. September 2015 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt für die Gerichtsgebühren 240.000 €, für die anwaltliche Vertretung des Schuldners 304.000 € und 150.000 € für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 2.

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 2 betreibt die Zwangsversteigerung des in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, dem Schuldner gehörenden Grundstücks aus einer im Grundbuch eingetragenen Grundschuld.
Das Vollstreckungsgericht ordnete am 16. September 2014 die Zwangsversteigerung an. In dem Versteigerungstermin vom 29. Mai 2015 blieb die Beteiligte zu 3 mit einem Bargebot von 240.000 € Meistbietende. Der Termin zur Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag wurde im Hinblick auf die Ankündigung des Schuldners, bei dem Landgericht eine Vollstreckungsabwehrklage zu erheben und einen Antrag gemäß § 769 Abs. 1 ZPO zu stellen, auf den 25. Juni 2015 bestimmt. Am Tag des Verkündungstermins beantragte der Schuldner mit dem Hinweis, dass er am 18. Juni 2015 bei dem Landgericht die angekündigte Vollstreckungsabwehrklage erhoben und einen Einstellungsantrag gestellt habe, die Verlegung des Verkündungstermins. Daraufhin bestimmte das Vollstreckungsgericht einen neuen Verkündungstermin auf den 30. Juni 2015.
Am 29. Juni 2015 beantragte der Schuldner bei dem Vollstreckungsgericht, gemäß § 769 Abs. 2 ZPO die Zwangsvollstreckung bis zum rechtskräftigen Abschluss des bei dem Landgericht anhängigen Verfahrens einzustellen. Unter Zurückweisung des Einstellungsantrages verlegte das Vollstreckungsgericht den Verkündungstermin auf den 10. Juli 2015. In diesem Termin erteilte es der Beteiligten zu 3 den Zuschlag.
Die gegen den Zuschlagsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners, die von diesem trotz mehrfacher Aufforderung nicht begründet worden ist, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beteiligte zu 2 beantragt, will der Schuldner die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses erreichen.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hat das Vollstreckungsgericht zu Recht den auf den 10. Juli 2015 bestimmten Termin zur Verkündung einer Entscheidung nicht nochmals verlegt. Zwar könne eine Pflicht des Vollstreckungsgerichts bestehen, vor der Entscheidung über den Zuschlag die Entscheidung des Prozessgerichts über einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO abzuwarten und den Entscheidungstermin bis dahin zu verschieben. Dies könne jedoch nicht auf unabsehbare Zeit geschehen, sondern nur für einen Zeitraum, innerhalb dessen üblicherweise mit einer Entscheidung des Prozessgerichts zu rechnen sei. Der hier eingehaltene Zeitraum von sechs Wochen genüge üblicherweise, um eine Einstellungsentscheidung des Prozessgerichts herbeizuführen. Hinzu komme, dass in absehbarer Zeit nicht mit einer Entscheidung des Prozessgerichts über den Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO zu rechnen gewesen sei, da sich der Rechtsstreit noch im Stadium des Prozesskostenhilfeverfahrens befinde und völlig offen sei, ob es zu einer Abänderung der die Prozesskostenhilfe versagenden Entscheidung kommen werde.
III.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Ein nach § 100 Abs. 1, 3 ZVG zu berücksichtigender Zuschlagsversagungsgrund liegt nicht vor.
1. Die Rechtsbeschwerde stützt sich ohne Erfolg auf den Zuschlagsversagungsgrund des § 83 Nr. 6 ZVG. Ihre Ansicht, dass das Vollstreckungsgericht in dem Verkündungstermin vom 10. Juli 2015 eine Entscheidung über den Zuschlag nicht habe treffen dürfen, sondern stattdessen den Verkündungstermin bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Prozessgerichts hätte hinausschieben müssen, ist unzutreffend.
a) Nach § 87 ZVG ist der Beschluss, durch welchen der Zuschlag erteilt oder versagt wird, in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin, der nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll, zu verkünden. Das Vollstreckungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob es die Zuschlagsentscheidung sogleich im Versteigerungstermin verkündet oder einen Verkündungstermin anberaumt (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 207/11, WM 2012, 1434 Rn. 6). Grundsätzlich soll es die Zuschlagsentscheidung schon im Versteigerungstermin verkünden, weil alle Beteiligten an einer raschen Klärung der Rechtslage interessiert sind und weil der Meistbietende bis zur Verkündung nicht weiß, ob er den Zuschlag erhält, er aber trotzdem an sein Gebot gebunden bleibt; der besondere Verkündungstermin sollte die Ausnahme sein (Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 87 Rn. 2, 13; Depré/Bachmann, ZVG, § 87 Rn. 11; Löhnig/Pestel, ZVG, § 87 Rn. 26). So ist es beispielsweise ermessensfehlerhaft, wenn das Vollstreckungsgericht von einer Entscheidung über den Zuschlag im Versteigerungstermin nur deshalb absieht, weil der betreibende Gläubiger Gelegenheit erhalten möchte, mit dem Meistbietenden über eine Zuzahlung außerhalb des Verfahrens zu verhandeln (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - V ZB 207/11, aaO, Rn. 7). Ausnahmsweise kann bei Vorliegen besonderer Umstände eine verfassungskonforme Anwendung des § 87 Abs. 1 ZVG allerdings dazu führen, dass das Vollstreckungsgericht verpflichtet ist, einen besonderen Verkündungstermin anzuberaumen (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2004 - IXa ZB 196/03, NJW-RR 2004, 1074, 1075), etwa um dem Schuldner die Gelegenheit zu geben, mit einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO eine eventuell drohende Verschleuderung des Grundbesitzes zu verhindern (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - V ZB 124/11, NJW-RR 2012, 398 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 5. November 2004 - IXa ZB 27/04, MDR 2005, 353; BVerfGE 46, 325, 333 ff.).
b) Beraumt das Vollstreckungsgericht in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens einen Verkündungstermin an, kann dieser ausnahmsweise verlegt oder vertagt werden. Das darf jedoch nur aus zwingenden Gründen erfolgen, erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO genügen nicht. Dies folgt daraus, dass die - im Verhältnis zu § 227 i.V.m. § 869 ZPO als lex specialis anzusehende - Vorschrift des § 87 Abs. 1 ZVG die Forderung nach unverzüglicher Verkündung der Zuschlagsentscheidung enthält, da jede Vertagung des Verkündungstermins das Recht des Meistbietenden gefährdet. Dieser hat nach § 81 Abs. 1 ZVG ein Recht auf die Erteilung des Zuschlags unter den gesetzlichen Voraussetzungen. Auf das Bestehen dieses Rechtes muss das Vollstreckungsgericht Rücksicht nehmen (vgl. RG JW 1911, 599; OLG Düsseldorf, Rpfleger 1994, 429; Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 87 Rn. 13; Löhnig/Pestel, ZVG, § 87 Rn. 26; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 87 Rn. 12).
c) Danach lagen keine Gründe vor, die eine Verlegung des auf den 10. Juli 2015 anberaumten Verkündungstermins gerechtfertigt hätten.
aa) Es war bereits ermessensfehlerhaft, die Entscheidung über den Zuschlag nicht sogleich im Versteigerungstermin vom 29. Mai 2015 zu verkünden und stattdessen einen um vier Wochen hinausgeschobenen Verkündungstermin zu bestimmen.
(1) Zwar kann der Zuschlagsverkündungstermin hinauszuschieben sein, wenn der Schuldner nach dem Schluss der Versteigerung (§ 73 Abs. 2 ZVG) bei dem Vollstreckungsgericht einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens nach § 769 Abs. 2 ZPO gestellt hat, weil eine Entscheidung des Prozessgerichts nach § 769 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Liegen die Voraussetzungen des § 769 Abs. 2 ZPO vor, ist der Zuschlag nicht gemäß § 33 ZVG zu versagen, was nach § 72 Abs. 2 ZVG ein Erlöschen der Gebote und die Bestimmung eines neuen Versteigerungstermins zur Folge hätte; vielmehr muss das Vollstreckungsgericht den Zuschlagsverkündungstermin hinausschieben (Löhnig/Heiß, ZVG, § 33 Rn. 9; Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 33 Anm. 2.3; Depré/Popp, ZVG, § 33 Rn. 3; Böttcher, ZVG, 6. Aufl., § 33 Rn. 6; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 33 Rn. 3). Der Termin darf aber nicht zu weit oder auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben werden; denn der Meistbietende bleibt an sein Angebot gebunden, ist aber im Unklaren, ob er den Zuschlag erhalten wird (Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 87 Anm. 3.2). Im Hinblick auf den gebotenen Schuldnerschutz ist die Zeitspanne so zu bemessen, dass der Schuldner nach dem regelmäßigen Geschäftsgang des Prozessgerichts bis zu dem Zuschlagsverkündungstermin eine einstweilige Entscheidung nach § 769 Abs. 1 ZPO erlangen kann. Die von dem Beschwerdegericht aufgeworfene Frage, für welche Zeitdauer eine Verschiebung höchstens in Betracht kommt, kann nur für den jeweiligen Einzelfall und nicht allgemein beantwortet werden.
(2) Die Verkündung über den Zuschlag in einem bereits seit Monaten laufenden Zwangsversteigerungsverfahren darf jedoch nicht allein deshalb aufgeschoben werden, weil der Schuldner, ohne sich auf neue Tatsachen oder veränderte Umstände zu stützen, kurz vor oder im Versteigerungstermin ankündigt, dass er bei dem Prozessgericht eine Klage mit einem Antrag auf vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß § 769 Abs. 1 ZPO stellen werde (vgl. Schneiders in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 769 Rn. 42; Spohnheimer in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 769 Rn. 14; Schuschke/Walker/Raebel, ZPO, 6. Aufl., § 769 Rn. 12). Allein der Umstand, dass der Schuldner, gleichsam in letzter Minute das Prozessgericht mit einem Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO bemüht oder bemühen will, rechtfertigt nicht die Aufschiebung einer ansonsten möglichen Entscheidung über den Zuschlag. Danach war es ermessensfehlerhaft, dem acht Monate nach Anordnung der Zwangsversteigerung gestellten Antrag des Schuldners auf Aufschiebung der Entscheidung um vier Wochen allein deshalb zu entsprechen, weil er angekündigt hatte, bei dem Prozessgericht eine Vollstreckungsabwehrklage mit einem Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO einzureichen.
bb) Aus diesem Grunde war auch die von dem Vollstreckungsgericht anschließend vorgenommene mehrfache Verlegung des Verkündungstermins fehlerhaft. Sie war nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Schuldner in dem schon seit Monaten laufenden Versteigerungsverfahren drei Wochen nach dem Versteigerungstermin bei dem Prozessgericht einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO gestellt hatte. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Vollstreckungsgericht zumindest den zuletzt anberaumten Verkündungstermin vom 10. Juli 2015 im Hinblick auf das Verfahren vor dem Prozessgericht nicht nochmals verlegt, sondern in diesem Termin die Entscheidung über den Zuschlag verkündet hat.
2. Frei von Rechtsfehlern nimmt das Beschwerdegericht an, dass die öffentliche Bekanntmachung der Terminsbestimmung ordnungsgemäß und der Zuschlag daher nicht gemäß § 83 Nr. 7 ZVG zu versagen war.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde genügte die Bekanntmachung der Terminsbestimmung den zwingenden Vorgaben des § 37 ZVG. Der Veröffentlichungsvermerk in der Versteigerungsakte, auf den die Rechtsbeschwerde verweist, enthält zugleich das Belegstück (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 3. April 2014 - V ZB 41/13, NJW-RR 2014, 955 Rn. 10). Diesem ist zu entnehmen, dass mit Hilfe eines Links („amtliche Bekanntmachung1.pdf“) auch die amtliche Bekanntmachung, also der gerichtliche Beschluss über die Bestimmung des Versteigerungstermins, im Internet aufgerufen werden konnte. Dieser enthielt alle erforderlichen Informationen.
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass der Schuldner die Gerichtskosten des von ihm erfolglos betriebenen Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat, folgt aus dem Gesetz; ein Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich, und so auch hier, nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 7).
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist für die Gerichtsgebühren nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses zu bestimmen, dessen Aufhebung der Schuldner erreichen will (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Er entspricht dem Meistgebot (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert für die anwaltliche Vertretung des Schuldners richtet sich nach dem Wert des versteigerten Objekts und beträgt daher 304.000 € (§ 26 Nr. 2 RVG). Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 2 beruht auf § 26 Nr. 1 RVG.

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