Der Beklagte zu 2 wollte in einer Tiefgarage Benzin aus einem Plastikkanister in sein Fahrtzeug einfüllen. Nachdem der Kanister durch eine Stichflamme in Brand geriet kam es zu erheblichen Verrußungsschäden am Objekt der Versicherungsnehmerin der Klägerin; das Fahrzeug des Beklagten zu 2 nahm keinen Schaden. Die Klägerin, Gebäudeversicherer, regulierte den Schaden gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin und machte Regressansprüche nach § 86 VVG gegen die Beklagte zu 1 als Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs und deren Versicherungsnehmer, den Beklagten zu 2 geltend. Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten war erfolgreich und führte zur Klageabweisung.
Die Klägerin hatte ihren Anspruch auf § 7 StVG gestützt (wohl da von vornherein ein Verschulden des Beklagten zu 2 und damit eine Haftung nach § 823 BGB ausschied). Das OLG ordnete den Vorgang allerdings entgegen dem Landgericht nicht dem Betrieb eines Fahrzeugs zu, was für eine Haftung nach § 7 StVG des Halters (und nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG des Versicherers) in diesem Fall Voraussetzung wäre.
Die Schadensverursachung müsse nach § 7 StVG durch den Betrieb des Fahrzeugs bedingt sein, ohne dass es darauf ankäme, ob sich der Fahrzeugführer verkehrswidrig verhalten habe (sogen. Gefährdungshaftung). Ein Schaden sei bereits dann beim Betrieb eines Fahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren verwirklicht hätten. Also das Schadensgeschehen durch das Fahrzeug (mit)geprägt worden sei. Dabei sei der Begriff des Betriebs weit zu fassen, über die frühere maschinentechnische Auffassung hinaus hin zur verkehrstechnischen Auffassung. Die Gefahren gingen nicht nur vom Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug aus, sondern zunehmend von der gesamten Abwicklung des Verkehrs und im besonderen Maße von Kraftfahrzeugen, die nach der diese Umstände nicht berücksichtigenden maschinenrechtlichen Auffassung nicht im Betrieb seien (BGH, Urteil vom 04.12.1958 – III ZR 117/57 -). Seither beschränke sich die Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeugs nicht auf Unfälle im öffentlichen Straßenverkehr oder privaten Verkehrsraum, sondern bestünde bei allen mit seinem Betrieb oder seinen Betriebseinrichtungen zusammenhängenden Unfällen, soweit ein örtlicher und zeitlicher Kausalzusammenhang mit dem Betrieb des Kraftahrzeuges oder dem Versagen seiner Betriebseinrichtung bestünde.
Danach sei eine Schadensentstehung beim Betrieb des Fahrzeugs hier zu verneinen, auch wenn das Betanken eines Kraftfahrzeugs hinreichend eng mit dessen Betrieb zusammenhänge und das Öffnen des Benzinkanisters diesem Vorgang dienen sollte. Erforderlich sei aber, dass sich die vom Fahrzeug ausgehende Gefahr irgendwie ausgewirkt haben müsse und das Schadensgeschehen durch das Fahrzeug mitgeprägt wurde. Hier allerdings sei das Fahrzeug bei dem Brand selbst unbeteiligt gewesen und habe keine Ursache für den Brand gesetzt. Damit habe sich keine dem Fahrzeug innewohnende Gefahr verwirklicht. Da mit dem Betanken des Fahrzeugs mittels des Benzinkanisters noch nicht begonnen worden sei, zeige auch das Urteil des BGH vom 21.01.2024 - VI ZR 253/13 – (dort: Selbstentzündung des Fahrzeugs infolge eines technischen Defekts an diesem) keine andere Wertung auf, da dort darauf abgestellt worden sei, dass Tanken ein Betriebsvorgang und der Tank ein Betriebsteil sei, grds. geeignet das Merkmal „beim Betrieb“ auszufüllen, doch sei noch nicht mit dem Betanken begonnen worden, so dass sich die entsprechenden Gefahren hier nicht verwirklicht hätten.
OLG Dresden, Urteil vom
01.10.2024 - 4 U 446/24 -
Aus den Gründen:
Tenor
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das
Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5.3.2024 - 3 O 2690/22 - im Kostenpunkt
aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten beider
Rechtszüge einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
3.
Das Urteil ist für die Beklagte
hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 82.852,38 EUR
festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin
nimmt die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Gebäudeversicherer der AG für Haus
und Grundbesitz aufgrund eines Schadensfalles aus übergegangenem Recht in
Anspruch. Die Beklagte zu 1) ist Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 2).
Der Beklagte zu
2) versuchte am 26.7.2017 in einer Tiefgarage der Beklagten in Leipzig sein
Fahrzeug mit Benzin aus einem Plastikkanister zu betanken. Nachdem er
Tankdeckel und Benzinkanister geöffnet hatte, um den Kraftstoff einzufüllen,
wurde der Benzinkanister durch eine Stichflamme in Brand gesetzt, was zu
erheblichen, vor allem Verrußungsschäden am Objekt der Versicherungsnehmerin
der Klägerin führte. Das Fahrzeug des Beklagten zu 2) blieb unversehrt, da der
Beklagte zu 2) noch nicht mit dem eigentlichen Befüllen des Tanks begonnen
hatte und es ihm gelang, den brennenden Kanister in hinreichender Entfernung
vom Fahrzeug abzustellen.
Die Klägerin
hat sich darauf berufen, der Brand sei „beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ im
Sinne des § 7 Abs. 1 StVG entstanden, weil der Brand in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem (geplanten) Betankungsvorgang gestanden habe, die Beklagte
hat dem entgegengehalten, der Brand sei noch vor dem Betanken durch eine
statische Aufladung des vom Fahrzeug unabhängigen Kanisters entstanden. Ein
hinreichender Zusammenhang mit dem Betrieb des zu betankenden Fahrzeugs sei
deshalb zu verneinen.
Das Landgericht
hat nach Anhörung eines sachverständigen Zeugen der Klage durch Urteil vom
5.3.2024 - auf dessen Einzelheiten verwiesen wird - vollumfänglich
stattgegeben.
Hiergegen
richtet sich die Berufung beider Beklagten, mit der sie die vollumfängliche
Klageabweisung begehren.
Sie rügen die
Verletzung prozessualen und materiellen Rechts im wesentlichen mit der
Begründung, das Erstgericht habe die Grenzen der prozessualen Darlegungslast
verkannt und die Reichweite des § 7 Abs. 1 StVG nicht richtig
eingeschätzt.
Sie beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig - 3 O 2690/23 - vom 5.3.2024 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt
die angefochtene Entscheidung ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 1.10.2024
verwiesen.
II.
Die zulässige
Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des
erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage.
Der Senat
wertet den streitgegenständlichen Vorgang in Abweichung vom Landgericht
dahingehend, dass er nicht dem Betrieb des Fahrzeugs im Sinne des § 7
Abs. 1 StVG zuzuordnen ist.
Nach § 7
Abs. 1 StVG setzt die Einstandspflicht des Halters voraus, dass der
Schaden „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ entstanden ist.
Die Klägerin
weist zutreffend darauf hin, dass es sich hierbei um eine reine
Gefährdungshaftung handelt (Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner,
jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 7 StVG (Stand: 02.08.2024)). Die
Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG knüpft an die Schadensverursachung beim
Betrieb des Kfz an. Sie hängt nicht davon ab, ob bzw. dass sich der
Fahrzeugführer verkehrswidrig verhalten hat. Die Haftung nach § 7
Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz
erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher
alle (nicht nur im öffentlichen Straßenraum, sondern auch auf nicht
öffentlichen Wegen oder Privatgelände) durch den Kraftfahrzeugverkehr
beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann
„bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem
Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h., wenn bei der
insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kfz
(mit)geprägt wurde (Freymann/Wellner, a.a.O., Rz. 7 ff. m.w.N.).
Die Klägerin
weist auch weiter zutreffend darauf hin, dass der Begriff des Betriebes nach
teleologischer Auslegung weit zu fassen ist. Die ursprünglich herrschende
„maschinentechnische“ Auffassung bei der Auslegung dieses Begriffes hat durch
die stetige und erhebliche Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs eine Veränderung
hin zur verkehrstechnischen Auffassung erfahren. Der Zweck des Gesetzes, die
Verkehrsteilnehmer vor den wachsenden Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu
schützen, mache es vielmehr erforderlich, den Begriff „bei dem Betrieb eines
Kraftfahrzeugs“ weit zu fassen. Die Gefahren, die durch das Kraftfahrzeug in
den Verkehr getragen würden, gingen nicht nur von dem Motor und seiner
Einwirkung auf das Fahrzeug aus, sondern mit der Zunahme des Verkehrs mehr und
mehr von der gesamten Abwicklung des Verkehrs und im besonderen Maße von
Kraftfahrzeugen, die nach der diese Umstände nicht berücksichtigenden
maschinenrechtlichen Auffassung nicht im Betrieb seien (BGH, Urteil vom 4.
Dezember 1958 - III ZR 117/57 -, BGHZ 29, 13-22). Seither ist die
Gefährdungshaftung eines Kraftfahrzeugs nicht auf Unfälle im öffentlichen
Straßenverkehr oder privaten Verkehrsraum beschränkt, sondern besteht bei allen
mit seinem Betrieb oder seinen Betriebseinrichtungen zusammenhängenden
Unfällen, sofern der erforderliche örtliche und zeitliche Kausalzusammenhang
mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs oder dem Versagen seiner
Betriebseinrichtungen besteht. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist
der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise
eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den
Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist
demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs
entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren
ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung
das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (BGH v.
11.02.2020 - VI ZR 286/19 - juris Rn. 10). Ob dies der Fall ist, ist im
Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden (BGH, a.a.O.).
Die Anwendung
dieser Grundsätze führt vorliegend dazu, dass eine Schadensentstehung „beim
Betrieb des Fahrzeugs“ zu verneinen ist. Der Klägerin ist zwar dahingehend
Recht zu geben, dass im Grundsatz das Betanken eines Kraftfahrzeuges
hinreichend eng mit dessen Betrieb zusammenhängt. Auch sollte vorliegend
unstreitig das Öffnen des Benzinkanisters diesem Vorgang dienen. Weiteres
erforderliches Merkmal ist jedoch, dass sich in irgendeiner Weise die von dem
Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben und das Schadensgeschehen
in irgendeiner Weise durch das Fahrzeug mitgeprägt wurde. Dies ist hier nicht
der Fall. Unstreitig war das Fahrzeug bei dem Brand unbeteiligt, hat keine
Ursache für die Entzündung des Kanisters gesetzt und ist auch nicht durch den
Brand am Kanister beschädigt worden. Eine dem Kraftfahrzeug innewohnende Gefahr
hat sich damit nicht verwirklicht. Die Entscheidung des Kammergerichts 6 U
13/11 ist nicht einschlägig - hier war durch das Fahren mit falsch getanktem
Benzin ein Schaden am Fahrzeug entstanden. Auch die BGH Entscheidung zu VI ZR
253/13 führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist das Tanken ein
Betriebsvorgang und der Tank an sich ein Betriebsteil, der geeignet ist, das
Merkmal „beim Betrieb“ auszufüllen. Mit der Betankung im eigentlichen Sinne war
hier aber noch nicht begonnen worden, so dass sich eine vom Fahrzeug, hier
speziell vom Tank ausgehende spezifische Gefahr (noch) nicht verwirklichen
konnte. Weder in erster noch in zweiter Instanz hat die Klägerin den Vortrag
der Beklagten bestritten, wodurch der Kanister sich durch eine statische
Aufladung selbst entzündet hatte, bevor mit der Betankung begonnen worden war.
Dies ist auch plausibel, denn ebenso unstreitig ist das Fahrzeug nicht in
Mitleidenschaft gezogen worden.
Der Schaden ist
nicht beim Betrieb des bei der Beklagten zu 1) versicherten Fahrzeugs
entstanden. Eine Haftung kommt nicht in Betracht.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO, der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10; 711 ZPO. Die
Streitwertentscheidung fußt auf § 3 ZPO.
Die Revision
war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht
vorliegen.
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