Sonntag, 8. März 2020

Unfallversicherung: Krankenhaustagegeld auch bei Reha ?


Unfallversicherungen werden abgeschlossen, um bei einem Unfall, unabhängig  auch von einer Ersatzpflicht eines Dritten, für die medizinischen Folgen desselben abgesichert zu sein. Die Klägerin begehrte von der Beklagten aus der bei dieser bestehenden Unfallversicherung Krankenhaustagegeld. Nach dem dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (NBA-AUB 95) verpflichtete sich die Beklagte für jeden Tag, den sich der Versicherte „wegen des Unfalles in medizinisch notwendiger vollstationärer Heilbehandlung“ befindet auf längstens fünf Jahre ein Krankenhaustagegeld zu zahlen (§ 7 IV 1). Der Anspruch sollte entfallen bei einem Aufenthalt in Sanatorien, Erholungsheimen und Kuranstalten (§ 7 IV 2).

Die Klägerin, die einen Unfall durch Sturz von einer Leiter behauptete und deshalb in 2011 an der Wirbelsäule operiert worden sein soll, behauptete einen medizinisch notwendigen Aufenthalt in einer Reha-Klinik, da die Beschwerden nach der Operation nicht verschwunden seien, und machte deshalb für die Dauer des Reha-Aufenthalts Krankenhaustage geltend. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.  

Der BGH wies darauf hin, dass Versicherungsbedingungen so auszulegen seien, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer (VN) sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstünde. Es sei von einem VN ohne versicherungsrechtliche Kenntnisse und damit von dessen Interessen auszugehen. Zunächst sei vom Wortlaut auszugehen; der mit den Bedingungen verfolgte Zweck und Sinnzusammenhang der Klauseln  sei zusätzlich zu berücksichtigen, soweit er für den VN erkennbar sei (st. Rspr.; z.B. BGHZ 123, 83).

In Ansehung des Interesses des VN könnten bei Risiko- und Leistungsausschlussklauseln der Versicherungsschutz nicht weiter gekürzt werden (und deshalb eng auszulegen), als es der erkennbare Zweck der Klausel gebiete. Danach aber erfasse die Klausel, mit der Krankenhaustagegeld zugesagt wurde, keine Aufenthalte in Reha-Kliniken.

Reha-Kliniken sind allerdings in dem Ausschlusstatbestand des § 7 IV 2 nicht benannt. Das aber steht nach Auffassung des BGH dem Ausschluss hier nicht entgegen. Eine Reha-Klinik sei eine dem in § 7 IV. 2 benannten Sanatorium vergleichbare Einrichtung und dies auch für einen durchschnittlichen VN aufgrund allgemeinen Sprachgebrauchs ersichtlich. Der frühere Begriff des Sanatoriums sei heute teilweise durch den Begriff der Reha-Klinik als Synonym für Sanatorium ersetzt. Der VN würde erkennen, dass der Versicherer mit der Ausschlussklausel den Zweck verfolge, Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Der Aufenthalt in den in § 7 IV 2 benannten Einrichtungen sei typischerweise von längerer Dauer (was für die Frage der Gewährung von Krankenhaustagegeld von Bedeutung sei) und würde Feststellungen des Versicherer erschweren, ob es sich noch um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung oder bereits um eine der allgemeinen Erholung dienende Maßnahme (für die Versicherungsschutz nach § 7 IV 2 entfällt) handele. Kur- und Sanatoriumsbehandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen würden eine Gruppe bilden, die sich deutlich von den Krankenhäusern unterscheide. Bei dem Krankenhaus stünden eine intensive und möglichst umfassende medizinische und ärztliche Betreuung und ärztliche Betreuung und eine darauf basierende Ausstattung im Vordergrund, demgegenüber bei Kur- und Sanatoriumsbehandlungen keine entsprechend intensive medizinische Betreuung durch Personal oder Geräten erforderlich sei. Danach würde auch ein VN Aufenthalte in der Reha-Klinik, in denen nach der ambulanten oder stationären Erstversorgung der Unfallverletzten auf Kosten eines Sozialversicherungsträgers eine zusätzliche Behandlung zur Herstellung der vollen Leistungsfähigkeit erfolge. Dem „Aufenthalt in einem Sanatorium“ im Sinne der Ausschlussklausel gleichsetzen.

Der Umstand ärztlicher Betreuung im Sanatorium / Reha-Klinik ändere daran nichts, da diese nur für § 7 IV. 1 in Betracht käme, um Übrigen ansonsten § 7 IV. 2 keine Bedeutung hätte.

Auch käme es nicht auf die Bezeichnung der Einrichtung (hier: Fachklinik) an, da nicht diese sondern der tatsächliche Charakter entscheidend sei.

Auch könne sich die Klägerin nicht erfolgreich darauf berufen, die Behandlung in der Reha-Klinik habe einer Krankenhausbehandlung entsprochen. Entscheidend sei der Aufenthaltsort und nicht die Ausgestaltung der Behandlung im Einzelfall.

BGH, Urteil vom 08.01.2020 - IV ZR 240/18 -

Freitag, 6. März 2020

Auskunftsanspruch des Rechtsschutzversicherers gegen Anwalt (oder: Rechtsschutzversicherung - des Anwalts Liebling ?)


Ist der Mandant mit Rechtsschutzversicherung der „1. Klasse-Patient mit Privatversicherung zur Chefarztbehandlung“ oder nicht ? Der rechtsschutzversicherte Mandant verursacht mehr Arbeit als jener, der nicht rechtsschutzversichert ist, da der Anwalt sich häufig mit zusätzlichen Anfragen des Versicherers beschäftigen muss. Hinzu kommt, dass ein rechtsschutzversicherter Mandant häufig risikofreudiger ist, was aber auch zu einem Haftungsproblem des Anwalts führen kann, wenn dieser sich darauf einlässt und der Rechtsschutzversicherer nachher Schadensersatz begehrt.

Vorliegend wurde die beklagte Anwaltskanzlei für einen Versicherten der klagenden Rechtsschutzversicherung tätig und führte auch die Korrespondenz mit dem Versicherer. Die Klägerin erteilte jeweils auf Anfrage Deckungsschutz, zunächst für die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs, sodann für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs und leiste an die Anwaltskanzlei Kostenvorschüsse von insgesamt € 2.862,26. Im September 2016 erstatte die Kanzlei an den Versicherer kommentarlos einen  Betrag von € 1.309,41 und reagierte sodann nicht auf Anfragen des Versicherers zum Sachstand. Den sodann seitens des klagenden Rechtsschutzversicherers beauftragten Anwälten wurde lediglich die Ablehnung einer Auskunft mitgeteilt. Nach Klageerhebung und nachdem die Beklagten im Termin Angaben zum verfahren gemacht hatte, erklärte die Klägerin insoweit (einseitig) die Hauptsache für erledigt und begehrte im Übrigen noch den verzugsschaden in Form eigener Anwaltsgebühren. Der Klage wurde stattgegeben. Die Berufung und auch die zugelassene Revision wurden zurückgewiesen.

Die Klage sei, auch im Hinblick auf das von der Klägerin für erledigt erklärte Auskunftsbegehren, von Anfang an begründet gewesen und erst (mit der notwendigen Konsequenz der Hauptsacheerledigungserklärung) mit der Erklärung der beklagten im Termin vor dem Amtsgericht unbegründet geworden sei. Die Klägerin sei Inhaberin eines Auskunftsanspruchs nach § 666 BGB  gewesen, und zwar aus übergegangenem Recht gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG.  Da es sich bei der Rechtsschutzversicherung auch um eine Sachversicherung handele, greife § 86 VVG zum Übergang eines Anspruchs des Versicherungsnehmers (VN) auf den Versicherer, der insoweit erfolge, als der Versicherer dem VN den Schaden ersetzt. Die Zahlung der Kostenvorschüsse stelle sich als Zahlung auf einen Schadens des VN dar. Insoweit ist der Anspruch des VN gegen den Gegner des VN auf die Rechtsschutzversicherung übergegangen. Mit der Zahlung des Gegners an den vom VN bevollmächtigten Anwalt ginge der Auszahlungsanspruch des VN gegen den Anwalt (§§ 675 Abs. 1, 667 BGB) gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den Rechtsschutzversicherer über. Diese Zahlung hätten wzar die Beklagten an die Klägerin weitergeleitet, aber erst im Termin erklärt, es habe sich um die Leistung der Gegenseite gehandelt.

Dem Herausgabeanspruch folge der Auskunftsanspruch des VN gegen seinen Anwalt; es handele sich um ein Hilfsrecht analog §§ 412, 401 BGB. Das Auskunftsrecht habe sich sowohl auf den bereits ausgekehrten Betrag als auch den bisher nicht abgerechneten Betrag bezogen. Diesem Begehren des Rechtsschutzversicherers habe auch keine anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung nach §  43a Abs. 2 BRAO entgegen gestanden. Eine Entbindung von der Schweigepflicht könne ausdrücklich aber auch konkludent durch den Mandanten erklärt werden. Wenn der Rechtsschutzversicherer mit Einverständnis des Mandanten einen Prozess vorfinanziere und der Mandant die Korrespondenz mit seinem Rechtsschutzversicherer seinem Anwalt überlasse, würde letzterer konkludent von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung in Ansehung der Abrechnung entbunden. Da nur so der Anwalt der dem Mandanten obliegenden Auskunftspflicht gegenüber dem Versicherer sachgerecht nachkommen könne.

Anmerkung: Was hier im Einzelnen die beklagte Anwaltskanzlei veranlasste, keine Auskünfte an den Rechtsschutzversicherer zu erteilen, lässt sich nicht erkennen. Hätte sie hier nicht für den Mandanten bei dem Rechtsschutzversicherer um Kostendeckung nachgesucht und die Korrespondenz mit diesem geführt, hätten sie jedenfalls auch nicht auf Aufforderungen desselben reagieren müssen. Die Interessenswahrnehmung gegenüber dem Rechtsschutzversicherer stellt sich jedenfalls als gesondertes Mandat dar, welches der Anwalt gegenüber dem Mandanten abrechnen könnte. Da aber wohl die meisten Anwälte dies ohne zusätzliche Gebühren für den Mandanten übernehmen, wird man wohl einen Gebührenanspruch nur annehmen können, wenn der Mandant von seinem Anwalt vorab darauf hingewiesen wurde. Aber auch ohne eine gesonderte Beauftragung wird teilweise die Ansicht vertreten, der Anwalt müsse auf die Belange seines Rechtsschutzversicherten Mandanten (wenn ihm der bestand einer Rechtsschutzversicherung bekannt ist) Rücksicht nehmen, was auch bedeuten kann, dass er diesem z.B. bei Erteilung eines Klageauftrags anrät, zunächst Deckungsschutz einzuholen. Will er dies ausschließen, sollte er jedenfalls zur eigenen Sicherung den Mandanten bei Mandatserteilung darauf ausdrücklich hinweisen. Allerdings würde dies letztlich den Versicherer nicht notwendig hindern, Ansprüche wie hier (gleichwohl) geltend zu machen: Geht nämlich Zahlungsanspruch bei Vorleistung des Versicherers auf diesen nach § 86 VVG über, ist es nicht entscheidend, ob hier bereits ansonsten ein Kontakt zwischen Anwalt des VN und Versicherer bestand. Damit aber geht auch der Auskunftsanspruch des VN gegen den Anwalt auf den Versicherer über. Einzig könnte hier die Verschwiegenheitsverpflichtung des Anwalts dem begehrend es Versicherers entgegenstehen. Da man eine konkludente Einwilligung des VN in einem solchen Fall wohl nicht annehmen könnte, müsste sich der Versicherer zunächst die ausdrückliche Einwilligung des VN holen.

BGH, Urteil vom 13.02.2020 - IX ZR 90/19 -

Donnerstag, 5. März 2020

Feststellung des Schadensersatzanspruchs für künftige Schäden auch ohne Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts ?


Die grundsätzliche Schadensersatzpflicht der Beklagten stand fest. Der Antrag des Klägers auf Feststellung, dass der Kläger ihm auch künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen habe, wurde vom Landgericht abgewiesen. Dabei stütze sich das Landgericht auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten, wonach ein unfallbedingter Dauerschaden mit funktionellen Auswirkungen nicht eingetreten sei und ein unfallbedingter Zukunftsschaden mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten sei. Die Berufung war erfolgreich.

Ausreichend sei (wie der BGH in seinem Urteil vom 17.10.2017 – VI ZR 423/16 – festgehalten habe), dass ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben sei, der zu möglichen künftigen Schäden führen könne. Eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ sei danach als zusätzliches Begründetheitselement jedenfalls in den Fällen nicht erforderlich, in denen die Verletzung eines Rechtsguts iSv. § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 7 Abs. 1 StVG und darüber hinaus ein daraus resultierender Vermögensschaden bereits eingetreten sei.  Es gäbe nach der Rechtsprechung des BGH aaO. keinen Grund, die Feststellung für weitere (künftige) Schäden von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts abhängig zu mache. Materiellrechtlich käme der Anspruch ohnehin nur zum Tragen, wenn der Schaden eintreten würde, weshalb es unbedenklich sei, bereits hetzt für diesen Fall die Ersatzpflicht festzustellen. Es käme auch nicht darauf an, ob es wahrscheinlich ist, dass der Geschädigte im Falle eines Eintritts dieses weiteren Schadens einen Anspruch auf eine kongruente Sozialleistung habe.

Von Relevanz ist die Entscheidung für den Fall, dass der künftige Schaden erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eintritt und der Geschädigte keinen Feststellungsantrag gestellt hatte. 

OLG München, Urteil vom 21.02.2020 - 10 U 2345/19 -

Mittwoch, 4. März 2020

Kein Schadensersatz des Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft bei „Rechtsmissbrauch“


Die Entscheidung des BGH, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen wurde, ist kurz und in seiner Konsequenz nachhaltig.   

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Im Bereich des Wohnungseigentums des klagenden Wohnungs- bzw. Teileigentümers bestand Feuchtigkeit. Er verlangte von der Gemeinschaft Schadensersatz. Dem war vorangegangen, dass er einige Jahre zuvor (im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 14.04.2011) zwar keine konkrete Sanierungsmaßnahme, sondern eine Grundentscheidung der Gemeinschaft begehrte, dass sich diese mit der Feuchtigkeitssanierung seines Teileigentums befasst. Dieser Antrag in 2011 wurde abgewiesen und vom Kläger nicht angefochten.

Ob eine Anfechtungsklage Vorrang vor einem Schadensersatzanspruch habe (vgl. dazu auch Urteil des BGH vom 23.02.2018 - V ZR 101/16 -) könne dahinstehen.  Grundsätzlich zulässig sei es gewesen, dass der Kläger in 2011 keine bestimmte Sanierungsmaßnahme von der Gemeinschaft verlangt habe, sondern nur eine Grundentscheidung, sich mit der Sanierung des Feuchtigkeitsschadens zu befassen, § 21 Abs. 4 WEG. Ein Schadensersatzanspruch scheitere also nicht daran, dass der Kläger keine konkrete Sanierungsmaßnahme verlangt habe.

Entscheidend sei vorliegend, dass der Kläger den Negativbeschluss im Jahr 2011 nicht angefochten habe und darüber hinaus sechs Jahre lang seinen Anspruch auch nicht weiterverfolgt habe und auch keine Klage auf Ersetzung  des von ihm in 2011 angestrebten Grundsatzbeschlusses über die Sanierung seines Teileigentums gem. § 21 Abs. 8 WEG erhoben habe.

In seinem Urteil vom 23.02.2018 hatte der BGH festgehalten, dass grundsätzlich bei Ablehnung eines Beschlusses, eine Maßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum vorzunehmen, die ein Wohnungseigentümer zur Behebung von Schäden an seinem Sondereigentum verlangt, Schadensersatzansprüche des betroffenen Wohnungseigentümers wegen einer verzögerten Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht ausgeschlossen sind, wenn er Anfechtungsklage und gleichzeitig in Bezug auf die begehrte Maßnahme Beschlussersetzungsklage erhebt, auch wenn er nachfolgend nicht gegen Vertagungsbeschlüsse ebenfalls Anfechtungsklage erhebt.

In Ansehung auf die fehlende Anfechtung des ablehnenden Beschlusses in 2011 und dem Fehlen einer Beschlussersetzungsklage und dem langen zuwarten sei sein jetziges Begehren auf Schadensersatz rechtsmissbräuchlich.

Anm.: Rechtsmissbrauch wird angenommen, wenn zwar jemand formal ein einklagbares Recht hat, mit dessen Ausübung aber nur den Zweck verfolgt, einem anderen Schaden zuzufügen. Gleiches gilt nach der Entscheidung des BGH dann, wenn das Recht nicht ordnungsgemäß durchgesetzt wird, zu dem hier die Verpflichtung der übrigen Wohnungseigentümer zum Handeln gehört und die Verzögerung durch die Gemeinschaft nicht durch ihn durch Unterlassen der gebotenen Rechtsmittel (mit) zu vertreten ist. Der Kläger hätte also bereits den Beschluss von 2011 anfechten und Beschlussersetzungsklage erheben müssen, damit er einen durch die Verzögerung der notwendigen Sanierung entstehenden Schaden von den Eigentümern ersetzt verlangen kann, die an der positiven Beschlussfassung nicht mitwirkten.

BGH, Beschluss vom 14.11.2019 - V ZR 63/19 -

Montag, 2. März 2020

Vollstreckung der Erteilung eines Buchauszugs und Erfüllungseinwand in der Zwangsvollstreckung


Der Gläubiger, der Handelsvertreter der Schuldnerinnen war, vollstreckte aus einem gegen die Schuldnerinnen titulierten Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs. Nach dem Titel hatten die Schuldnerinnen  ihm „Buchauszüge vorzulegen, aus denen sich ergibt, … welche Verträge“ zwischen der Beklagten und den Kunden in einem bestimmten Postleitzahlengebiet und bestimmten Zeiträumen zustandegekommen und abgewickelt wurden, § 87c Abs. 2 HGB. Nach Ermächtigung einer Ersatzvornahme durch den Gläubiger begehrte dieser einen vom Landgericht zugesprochenen und zugunsten des Gläubigers titulierten Vorschuss von € 23.800,00. Im Rahmen der erfolgreichen Beschwerde hatten die Schuldnerinnen geltend gemacht, sie hätten bereits im Rahmen des landgerichtlichen Verfahrens auf Vorschussleistung auf Papier ausgedruckte und in Dateien gespeicherte Aufstellungen dem Gläubiger übermittelt.

Das OLG stellte fest, dass ein recht auf Vorschuss nach § 887 Abs. 2 ZPO entfallen sei, da die Vollstreckung der Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs beendet sei. Dem Erfüllungseinwand sei auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nachzugehen (BGH, Beschluss vom 05.06.2004 - IXa ZB 32/04 -; BGH, Beschluss vom 11.12.2014 - IX ZB 42/14 -).

Auch wenn, wie der Gläubiger ausführte, die Schuldnerinnen dem Buchprüfer (der im Rahmen der Vollstreckung beauftragt wurde, keinen Zugang zu den Geschäftsbüchern gewährt habe, sei Erfüllung eingetreten, da nach Angaben der Schuldnerinnen diese alle im Titel benannten Angaben mitgeteilt hätten. Der Umstand, dass hier der Gläubiger zur Ersatzvornahme berechtigt sei (§ 887 Abs. 2 ZPO) würde die Pflicht, eine vertretbare Handlung (Erteilung des Buchauszugs) vorzunehmen, nicht in eine Pflicht wandeln, statt dessen nur noch die Ersatzvornahme zu dulden. Beide Pflichten (und damit Rechte) würden nebeneinander bestehen mit der Folge, dass mit Erfüllung des Schuldners durch eigenes Handeln seine Duldungspflicht entfalle.

Bei Streit darüber, ob erfüllt wurde, könne der Gläubiger den Erfüllungseinwand nicht dadurch erschüttern, dass eine die Lückenhaftigkeit behaupte. Ob die Mitteilungen den zu Vollstreckungen Verpflichtungen entsprechen hänge von der Art, dem Umfang und der Reichweite der titulierten Mitteilungspflicht ab. Die Handlungsvollstreckung sei in die Zuständigkeit des Prozessgerichts, nicht des Vollstreckungsgerichts gelegt worden (§§ 887 Abs. 1, 888 Abs. 1und 890 Abs. 1 S. 1 ZPO), was zeige, dass die Kenntnis der Rechtsgrundlage und der sie erfüllenden tatsächlichen Umstände für das Verständnis des Inhalts und Umfangs der titulierten Verpflichtung von Bedeutung sein dürfe. Damit sei die Sphäre des Erkenntnisverfahrens einerseits und des Zwangsvollstreckungsverfahrens andererseits nicht so streng voneinander getrennt wie bei einer zahlungs- oder Herausgabevollstreckung. Allerdings könne und dürfe der titulierte Anspruch auch hier nicht geprüft und damit auch weder erweitert oder eingeschränkt werden. Bei Uneinigkeit über die Erfüllung trage aber der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast (vgl. § 362 BGB). Er müsse also, schulde e einen Buchauszug, darlegen, dass es über das Mitgeteilte hinaus keine weiteren Geschäfte gegeben habe, aus denen ein Provisionsanspruch folgen könne. Im Hinblick auf die Unmöglichkeit des Nachweises negativer Tatsachen obliege es dem Gläubiger, bei der Behauptung, weiteres Mitteilenswertes gebe es nicht, diese negative Tatsache substantiiert zu bestreiten, indem er für das das Bestehen solcher Tatsachen Umstände darlege (BGH, Beschluss vom 26.04.2007 – I ZB 82/06 -).

Zwar habe hier der Gläubiger korrekt darauf verwiesen, der vorgelegte Buchauszug eigne sich weniger gut zur Prüfung, da er in Bezug auf nicht eine Provision auslösende Geschäfte keine Angaben enthalte. Zwar könne ein Anspruch nach § 87y Abs. 2 HGB darauf gerichtet werden, alle Geschäfte in den Buchauszug aufzunehmen, aus denen sich möglicherweise Provisionsansprüche ableiten ließen; dieser Funktion würde aber der vorliegende Titel nicht entsprechen, da er gerade eine Differenzierung zwischen aufzunehmenden und nicht aufzunehmenden Geschäften enthalte („aufgrund der Tätigkeit des Klägers“).

OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2020 - 7 W 38/19 -

Donnerstag, 27. Februar 2020

Pflegeheim: Haftung für Sturz eines Demenzkranken (zum Kriterium Intimsphäre) ?


Klagen aufgrund von Schadensfällen in Alten- und Pflegeheimen sind nicht selten und werden meist von dem Krankenversicherer des Geschädigten geführt. Grundlage sind auf den Krankenversicherer  übergegangene Ansprüche, § 116 SGB X. Während der Krankenversicherer regelmäßig eine unzureichende Überwachung geltend macht, berufen sich die Betreiber auf eine – noch im Rahmen der Leistungen insbesondere der Pflegekassen – hinnehmbare Versorgung wie auch auf die Bedeutung der Privat- sowie Intimsphäre des Versicherten.

Im Zusammenhang mit der Klage des Krankenversicherers eines geschädigten Mitgliedes sah sich das OLG veranlasst, die vom Krankenversicherer als notwendig angesehene Beaufsichtigung des Mitgliedes  vor dem Hintergrund dessen Intimsphäre zu beleuchten. Der Heimvertrag würde dem Betreiber des Pflegeheims (der Beklagten) nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB XI Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Versicherten auferlegen, die sich auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen beziehen würden, die mit vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar seien. Maßstab seien Erforderlichkeit und Zumutbarkeit. In diesem Zusammenhang wies das OLG aber auch darauf hin, dass im Rahmen dieser Abwägung zu beachten sei, dass „beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner zu wahren und zu fördern“ seien (BGH, Urteil vom 28.04.2005 - III ZR 3994 -). Da es sich um teilweise schwierige Entscheidungen handele, sei den Pflegenden ein Beurteilungsspielraum einzuräumen. Zu prüfen sei danach, ob die Entscheidung in der konkreten Situation vertretbar sei.

Damit begründete das OLG seine Ansicht, dass es nicht darum gehen würde und könne, jeden Unfall durch umfassende Sicherungsmaßnahmen zu verhindern (OLG Koblenz, Urteil vom 21.03.2002 - 5 U 1648/01 -). Es seien hier nicht die für Krankenhäuser entwickelten Grundsätze anzuwenden. Speziell eine Beaufsichtigung beim Toilettengang sei immer von der konkreten Hilfsbedürftigkeit des Patienten abhängig. Hier wäre insbesondere die Intimsphäre des Patienten (Versicherten) zu berücksichtigen. Eine weitgehend restriktive Handhabung im Umgang mit dem Patienten aus dem Gesichtspunkt der Sicherungsfunktion heraus würde auf Kosten eines menschenwürdigen Daseins und Alltagsleben dieser Menschen gesehen. Es müssten damit besondere Umstände vorliegen, die diesen Eingriff in die Intimsphäre rechtfertigen könnten. Hier sei  - bestätigt von einem Pflegegutachten -  vom Betreiber korrekt eingestuft worden, dass aufgrund bisheriger Erfahrungen und Verhaltensweisen der Patientin, auch wenn diese an Demenz erkrankt sei (deren Grad nicht festgestellt wurde), nicht damit gerechnet werden musste, diese würde alleine von dem WC-Sitz aufstehen oder im Sitz den Halt verlieren. Deshalb sei unter Beachtung der zu wahrenden Intimsphäre  die Entscheidung der fehlenden Sicherung bei diesen Verrichtungen der Patienten nicht zu beanstanden.  

Der weitere Versuch des Krankenversicherers, eine Pflichtwidrigkeit des Betreibers daraus ableiten zu wollen, dass es an einem generellen Pflegeplan ermangelte, wurde auch vom OLG zurückgewiesen. Es käme, wie vom Sachverständigen geäußert, auf die Tagesverfassung des Patienten an, weshalb eine einheitliche Pflegeplanung nicht möglich sei und die die fachliche geeigneten Pflegekräfte könnten hier eine eigene Einschätzung vornehmen und ihr Verhalten danach ausrichten.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.09.2019 - 7 U 21/18 -

Mittwoch, 26. Februar 2020

Verwaltungsvollstreckung wegen eines privatrechtlichen Anspruchs durch eine Behörde und daraus resultierender Amtshaftungsanspruch


Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Behörden den Versuch unternehmen, privatrechtliche Forderungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung vorzunehmen. Im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung können Verwaltungsakte vollstreckt werden, die entweder bestandkräftig sind oder bei denen ein eingelegter Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat und diese auch nicht auf Antrag wiederhergestellt wurde (vgl. § 80 VwGO). Ansprüche privatrechtlicher Natur muss auch die Behörde im ordentlichen Rechtsweg titulieren lassen, um sodann im Rahmen der Zwangsvollstreckung daraus vorgehen zu können.

Dem Verfahren vor dem OLG Koblenz lag (verkürzt wiedergegeben) folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Verbandsgemeinde (Beklagte) erneuerte im Dezember 2013 eine Wasseranschlussleitung auf dem Grundstück des Klägers. Mit Rechnung vom 17.12.2013 forderte sie vom Beklagten dafür Zahlung in Höhe von € 3.116,22. Nachdem Zahlung nicht erfolgte, mahnte sie den Betrag mit zwei Schreiben (17.01.2014 und 18.02.2014) an und drohte im zweiten Schreiben mit einer Beitreibung in einem „Verwaltungszwangsverfahren“. Mit Schreiben vom 17.07.2014 teilte der Kläger mit, er habe eine Rechnung nicht erhalten und auch sonst keine Unterlagen zur Erneuerung einer Wasseranschlussleitung und bat um Information, was es damit auf sich habe.  Darauf wurde mit Schreiben vom 23.07.2014 „Erstaunen“ geäußert, da die Rechnung zugesandt worden sei und mitgeteilt, dass nunmehr eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eingetragen würde. Noch am gleichen Tag wurde der entsprechende Antrag beim Grundbuchamt gestellt und die Eintragung erfolgte am 24.07.2014. Am 30.07.2014 schrieb der Kläger erneut und erklärte, er habe weder der Erneuerung der Leitung zugestimmt noch diese beauftragt und er widerspreche der Forderung; dies verband er mit der Aufforderung, die Zwangssicherungshypothek zu löschen. Mit Schreiben vom 04.08.2014 wurde ihm mitgeteilt, dass er zwar keinen Auftrag erteilt habe, die Erneuerung aber notwendig gewesen sei  und „Kostenträger außerhalb des öffentlichen Rechts … der Anschlussnehmer“ sei.

Im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens beglich der Kläger die geltend gemachte Forderung und der Antrag auf Zwangsversteigerung wurde zurückgenommen. Dem Kläger wurden von der Gerichtskasse die Kosten von € 1.156,83 berechnet. Diese wurden vom Kläger beglichen, die er mit seiner Klage von der Beklagten forderte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung war erfolgreich.

Anspruchsgrundlage ist § 839 Abs. 1 BGB iVm. Art 34 GG (Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung).

Bei dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten (Verbandsgemeindekasse als Vollstreckungsbehörde) handele es sich um einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Amtswalter, der im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses tätig geworden sei und damit hoheitlich gehandelt habe, weshalb es sich um einen Beamten im haftungsrechtlichen Sinn des § 839 BGB gehandelt habe. Pflichtverletzungen desselben, die er in Ausübung des hoheitlichen Amtes begehe, gehen im Sinne einer befreienden Schuldübernahme auf den Staat (hier die Verbandsgemeinde) über.

Dem Mitarbeiter obliege die allgemeine Rechtspflicht zu rechtmäßigen Handeln. Er habe die Normen des Bundes- und Landesrechts zu beachten, unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen seien.

Vorliegend habe er die einschlägigen Normen des rheinland-pfälzischen Landesvollstreckungsgesetzes (LVwVG) nicht beachtet. Zwar stütze die Beklagte ihre Forderung auf ihre „Entgeltsatzung Wasserversorgung“ und ihre „Allgemeine Wasserversorgungssatzung“, weshalb es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handele. Grundsätzlich sei dann aber ein Verwaltungsakt zu erlassen.  Zivilrechtliche Ansprüche seien demgegenüber durch Mahnbescheid oder Erwirkung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels zu verfolgen, zu deren Durchsetzung dann regelmäßig der Gerichtsvollzieher zu beauftragen sei. Einzelne privatrechtliche Ansprüche würden allerdings nach Landesgesetzen auch im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung beigetrieben werden können (vgl. § 71 Abs. 2 LVwVG), wobei in diesem Fall die Zahlungsaufforderung an die Stelle des ansonsten notwendigen Verwaltungsaktes trete.

Vorliegend habe sich die Beklagte nur auf sie Zahlungsaufforderung gestützt. Bei der zugrunde liegenden Forderung handele es sich aber nicht um eine solche nach § 71 Abs. 1 LVwVG iVm. § 1 a), b) der Landesverordnung über die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen (RhpfLVwGpFVO), da es nicht um die Lieferung von Gas, Wasser, Wärme und elektrischer Energie gegangen sei (abschließende Aufzählung in der Verordnung). Von daher sei eine Beitreibung nach dem LVwVG unzulässig. Dessen ungeachtet sei aber auch dann, wenn die Verwaltungsvollstreckung zulässig gewesen wäre, diese jedenfalls einzustellen, wenn der Vollstreckungsschuldner, wie hier geschehen, schriftlich oder zu Protokoll der Behörde Widerspruch erhebe, wobei er (was nicht erfolgt sei) darüber auch zu belehren sei (§74 Abs. 1 S. 1 LVwVG). Im Falle des Widerspruchs müsse der Gläubiger binnen eines Monats nachweisen, dass er Zivilklage erhoben oder den Erlass eines Mahnbescheides beantragt habe; die Vollstreckung könne nur nah den Grundsätzen der Zivilprozessordnung fortgesetzt werden, § 74 Abs. 3 LVwVG.  Obwohl der Kläger nicht belehrt wurde, habe er sogar Widerspruch erhoben, da sich dieser aus seinem Schreiben vom 30.07.2014 ableiten ließe („… widerspreche ich Ihrer Forderung ausdrücklich…“). Hier nun hätte jedenfalls die Beklagte Zivilklage erheben müssen oder einen Mahnbescheid beantragen müssen.

Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang, dass zwar grundsätzlich für die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek die Vorlage eines Titels mit Zustellungsnachweis erforderlich sei; allerdings genüge der Antrag der Vollstreckungsbehörde (hier der Verbandsgemeinde), der als Ersuchen nach § 38 GBO zu qualifizieren sei und dem Grundbuchamt das Vorliegen der Voraussetzungen bindend bescheinige. Daraus ergäbe sich die besondere Verantwortung des Mitarbeiters der Beklagten.

Eine weitere Amtspflichtverletzung des Mitarbeiters habe darin bestanden, dass er den Antrag auf Zwangsversteigerung stellte, obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen in Form der Zustellung nicht vorgelegen hätten. Die Beklagte habe den Zugang ihrer Rechnung bei dem Kläger nicht nachweisen können.

Die allgemeine Amtspflicht eines jeden beamten, rechtmäßig zu handeln, obliege gegenüber jedem als geschützten Dritten, der durch die Verletzung der Amtspflicht geschädigt werden könnte.

Der Mitarbeiter habe auch schuldhaft gehandelt. Der Amtsträger müsse die Kenntnisse und Einsichten besitzen oder sich verschaffen, die für die Führung des Amtes erforderlich seien. Er habe bei Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft und sorgfältig zu prüfen und danach seine Entscheidung auf Grund vernünftiger Überlegungen zu treffen (BGH, Urteil vom 09.12.2004 - II ZR 263/04 -). Die Normen des LVwVG müssten einem Mitarbeiter der kommunalen Vollstreckungsbehörde bekannt sein. Damit läge jedenfalls Fahrlässigkeit vor.

Eine Amtshaftung scheide nur dann aus, wenn der Geschädigte eine anderweitige Ersatzmöglichkeit habe. Dies sei hier nicht der Fall.

Das Landgericht nahm allerdings an, die Ersatzpflicht scheide hier nach § 839 Abs. 3 BGB aus, das es der Kläger vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Dem folgte das OLG nicht.

Auch die Ankündigung im Schreiben vom 23.07.2014, zur Absicherung der Forderung eine Zwangssicherungshypothek eintragen zu lassen, reiche nicht aus, hier ein Verschulden des Klägers anzunehmen. Zwar hätte er nach § 59 Abs. 2 LVwVG Eilrechtsschutz bei dem zuständigen Verwaltungsgericht beantragen können. Doch sei § 59 Abs. 2 LVwVG hier nicht anwendbar. Die Norm beträfe ausschließlich Verwaltungsakte, mit denen Geldforderungen gefordert würden (§§ 1 – 60 LVwVG). Vorliegend war aber kein Verwaltungsakt erlassen worden. Im Übrigen habe der Kläger, trotz fehlender Belehrung, das zulässige Rechtsmittel des Widerspruchs iSv. § 74 Abs. 1 S. 1 LVwVG eingelegt (Schreiben vom 30.07.2014), der vom Mitarbeiter der Beklagten schlicht nicht beachtet worden sei. Davon, dass die Beklagte den Widerspruch nicht beachtet und gar die Zwangsgsversteigerung beantragte, erfuhr der Kläger erst mit Zustellung des Zwangsversteigerungsbeschlusses durch das Gericht. Damit aber war die hier streitige Gebühr bereits angefallen.

OLG Koblenz, Urteil vom 12.09.2019 - 1 U 135/19 -