Mittwoch, 31. Juli 2019

Arbeitsrecht: Einstellungsdiskriminierung wegen Tätowierung ?


Der Antragsteller (AS) hatte Tätowierungen in der Darstellung eines roten Sterns auf dem Hinterkopf, Totenköpfen auf einem Handrücken und äußeren Unterarm, einem Revolver auf dem inneren Oberarm, Revolverpatronen auf dem inneren Ober- und Unterarm sowie unter dem Revolver den Schriftzug „Romeo und Julia“ und auf dem inneren Unterarm „omerta“. Unter Hinweis auf diese Tätowierungen wurde seine Bewerbung zum Zentralen Objektschutz bei der Berliner Polizei vom Antragsgegner (AG) abgelehnt. Der AS beantragte einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, dem AG (eine staatliche Einrichtung) aufzugeben, bis einen  Monat ab neuerlicher Entscheidung über die Stellenbewerbung die beworbene Stelle freizuhalten. Das Arbeitsgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, im Rahmen des Beurteilungsermessens des AG habe dieser von einer fehlenden Eignung für die ausgeschriebene Stelle in Ansehung der zur Schau getragenen gewaltverherrlichenden Tätowierungen ausgehen dürfen. Der AS legte dagegen Beschwerde ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem LAG verwies er darauf, dass der AG zwischenzeitlich die Stelle besetzt habe und die Parteien erklärten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt. Das LAG erlegte dem AS die Kosten des Verfahrens auf, § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO.

Geleitet wurde die Entscheidung vor der Erwägung, dass Tätowierungen dann einen Eignungsmangel begründen könnten, wenn sich aus ihrem Inhalt eine Straftat ergäbe oder ihr Inhalt Zweifel an einer geforderten Gewähr des Bewerbers begründen würden, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Dies sei eine Ordnung, die „unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit“ darstelle. In allen anderen Fällen würde die Reglementierung zulässiger Tätowierungen in einem Dienstverhältnis mit einer staatlichen Einrichtung  einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung bedürfen, die auch im Falle einer Verordnungsermächtigung erkennbar und vorhersehbar sei (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom  01.02.2019 - OVG 4 S 52.18 -).

Die jedenfalls bei Tragen sommerlicher Kleidung sichtbaren Tätowierungen auf inneren und äußeren Unterarm sowie Handrücken ließen objektive Zweifel zu, dass der AS für die freiheitliche demokratische Grundordnung im benannten Sinne eintreten würde. Revolverpatronen, Totenköpfe und das Wort „omerta“ (im Zusammenhang mit Aktivitäten der Mafia als „Gesetz des Schweigens“ und als Androhung tödlicher Gewalt gebraucht) würde bei dem Bürger (dem der AS als Beschäftigter der B.P. in Ausübung seiner Tätigkeit bei der Tätigkeit im Zentralen Objektschutz gegenübertrete, den Eindruck erwecken, er idealisiere ein gewaltbewehrtes Schweigegelübde an Stelle eine auf Recht und Gesetz basierenden Handelns  staatlicher Gewalt. Es sei dies eine direkte Folge und nicht eine vom AS angenommenen Folge einer vom Gesetzesvorbehalt verursachten Wirkung in der Bevölkerung (OVG Berlin-Brandenburg aaO.). Dass sich die Aussage im Zusammenhang mit der Tätowierung „Romeo und Julie“ auf das (Ver-) Schweigen einer Liebesbeziehung beziehe, ließe sich bei unbefangener Betrachtung nicht im Ansatz feststellen, zumal diese Tätowierung auch bei Tragen sommerlicher Dienstkleidung verborgen bliebe.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2019 - 5 Ta 730/19 -

Dienstag, 30. Juli 2019

Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 3 StVG bei Kollision zwischen vorfahrtsberechtigten Überholer und Querverkehr


Der Kläger wollte mit seinem PKW nebst Anhänger nach links auf eine bevorrechtigte Straße einbiegen. Ein Linienbus fuhr (vom Kläger aus gesehen von links kommend) bis zur Einmündung und hielt davor an, da ein anderer Bus hinter der Einmündung in der Bushaltebucht stand. Die Fahrerin des haltenden Busses gab dem Kläger durch Handzeichen zu verstehen, dass er gefahrlos einfahren könne. Der Kläger fuhr daraufhin los. Als  er ein Stück  über die Sichtlinie des Busses hinausragte um auf die Gegenfahrspur einbiegen zu können, kam es zur Kollision mit dem PKW des Beklagten, der den vor der Einmündung stehenden Bus überholte. Der Kläger forderte 40% seines Schadens am Fahrzeug vom Beklagten und verwies darauf, dass der Beklagte trotz unklarer Verkehrslage mit hoher Geschwindigkeit überholt habe und dabei eine durchgezogene Linie auf der Fahrbahn überfahren habe, die lediglich im Einmündungsbereich selbst unterbrochen war.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung gab das Landgericht dieser teilweise statt, welches eine Haftungsverteilung von 75% zu Lasten des Klägers annahm.

Der Unfall sei nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen (§ 7 StVG) und für beide Fahrzeugführer nicht unabwendbar (§ 17 Abs. 3 StVG). Zutreffend habe das Amtsgericht auch einen Verstoß des Klägers gegen die Vorfahrtsregelung angenommen, § 8 Abs. 2 S. 2 StVO. Käme es im Bereich einer vorfahrtgeregelten Einmündung zu einer Kollision zwischen dem Wartepflichtigen und dem vorfahrtsberechtigten Verkehr, spreche der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung des Wartepflichtigen. Dieser Anscheinsbeweis sei durch den Kläger nicht durch den Nachwies von Tatsachen erschüttert worden, die die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs  ergäben, wie es z.B. der Fall gewesen wäre, wenn sich der Beklagte bei Beginn des Abbiegevorgangs (Einfahrens auf die vorfahrtberechtigte Straße) noch weit entfernt außerhalb der Sichtweite befunden hätte. Der Kläger habe es vielmehr versäumt, sich nach Einfahren auf die Vorfahrtsstraße zu Beginn des eigentlichen Einbiegevorgangs nach Passieren der Front des haltenden Busses  noch einmal nach links bezüglich herrannahenden Verkehrs im erforderlichen Umfang zu vergewissern. Die Vermutung der Kausalität des Sorgfaltsverstoßes hätte der Kläger nur durch den Nachweis er deutlich überhöhten Geschwindigkeit des Beklagten widerlegen können, wenn dadurch die Möglichkeit bestanden hätte, dass noch bei Blickzuwendung von einem gefahrlosen Herausfahren ausgegangen werden könnte oder der Beklagte beim eigentlichen Abbiegebeginn nach Passieren der Front des Busses noch außerhalb der Sichtweite gewesen wäre. Da der Beklagte einen entsprechenden Beweisantrag durch Einholung eines Sachverständigengutachtens im Berufungsrechtszug nicht aufrecht erhielt, blieb er diesbezüglich beweisfällig.

Ein Verschulden des Beklagten  habe nicht vorgelegen. Das Überfahren der durchgezogenen Mittellinie zum Vorbeifahren an dem Bus (§ 41 StVO, Zeichen 295) stelle sich hier nicht als kausales Verschulden dar, da die durchgezogene Mittellinie dem Schutz des Gegenverkehrs, nicht aber dem Schutz des nachfolgenden, einbiegenden, kreuzenden oder querenden Verkehr diene. Es ließe sich aus dieser Mittellinie kein allgemeines Überholverbot ableiten; die durchgezogene Mittellinie schütze allenfalls dort, wo sie sich faktisch wegen der Enge der Fahrbahn wie ein Überholverbot auswirke, das Vertrauen des Vorausfahrenden, an dieser Stelle nicht überholt zu werden (BGH, Urteil vom 28.04.1987 - VI ZR 66/86 -). Ferner läge auch keine unklare Verkehrslage vor, die ein Überholverbot statuieren würde (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Dies sei nur dann gegeben, wenn der Überholende nach objektiven Umständen des Einzelfalls nicht mit einem gefahrlosen Überholen rechnen könne. Da hier der stehende Bus den rechten Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt habe, hätte er nicht mit einem Anfahren des Busses rechnen müssen. Auch wenn der Beklagte die Einmündung nicht habe einsehen können, hätten sich keine Anzeichen dafür ergeben, dass er die Fahrt nicht gefahrlos hätte fortsetzen können. Die reine Möglichkeit, dass andere Verkehrsteilnehmer vor dem stehenden Bus die Fahrbahn queren würden, rechtfertige nicht die Annahme einer unklaren Verkehrslage.

Allerdings würde vorliegend, anders als vom Amtsgericht angenommen, die Betriebsgefahr des PKW des Beklagten nicht hinter das Verschulden des Klägers völlig zurücktreten. Zwar könne die Missachtung der Vorfahrtsregelung die Alleinhaftung des Warepflichtigen rechtfertigen. Allerdings habe sich hier die Betriebsgefahr des PKW des Beklagten verschuldensunabhängig durch den Überholvorgang des stehenden (wartenden) Busses erhöht, der die Sicht auf den davor liegenden Verkehrsraum teilweise versperrt habe, zumal die Linie im Einmündungsbereich unterbrochen gewesen sei. Dies rechtfertige eine Haftungsabwägung von 25% zu Lastend es Beklagten und 75% zu Lasten des Klägers.

LG Saarbrücken, Urteil vom 11.01.2019 - 13 S 142/18 -

Donnerstag, 25. Juli 2019

Influencer-Marketing und verbotene getarnte Werbung (§ 5a Abs. 6 UWG)


Der Antragsgegner (AG) war nach seinem Internetauftritt seit 2012 hauptberuflich mit der Gestaltung von Aquarienlandschaften beschäftigt. Auf Instagram präsentierte er unter dem Pseudonamen „X“ Aquarien, Aquarienzubehör und Wasserpflanzen, wobei er u.a. Wasserpflanzen der Firma Y zeigte und die gezeigten Produkte mit dem Instagram-Account des Herstellers verlinkte. Zu seiner Person hieß es auf youtube, dass er seit Juli 2017 für die Sozialen Medien bei Y tätig sei. Der Antragsteller (AS), der im Rahmen einer einstweiligen Verfügung die Untersagung bestimmter Angaben und Abbildungen durch den AG auf Instagram im Rahmen kommerzieller Werbung ohne Hinweis darauf verlangte,  verwies auf einen Verstoß von § 5a Abs. 6 UWG. Dort heißt es:

Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Das Landgericht sah keinen Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG und hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde führte zum Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung.

Kernfrage war, ob es sich bei der Produktpräsentation des Antragsgegners um redaktionelle Werbung iSv. § 5a Abs. 6 UWG (so die Auffassung des Antragstellers) oder um private Empfehlungen resp. Meinungsäußerungen (so die Auffassung des Antragsgegners) handelt.

Das OLG stellte darauf ab, dass geschäftliches Handeln gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor einem Geschäftsabschluss sei, welches mit der Förderung des Warenabsatzes objektiv zusammenhänge. Hier habe die streitbefangene Präsentation Werbung dargestellt, die dem Absatz dieser Produkte habe dienen sollen. Dieser Annahme würde nicht das Auftreten des Antragsgegners auf Instagram als „X“ entgegenstehen, da dieser nach Auffassung des OLG Entgelte oder sonstige Vorteile (wie Rabatte oder Zugaben) erhalte. Dafür sprächen die hauptberufliche Befassung mit Aquarienlandschaften sowie die geschäftliche Beziehung des AG zu Y, wie durch die Beschreibung des AG bei youtube belegt würde. Zudem würde auch die Verlinkung der präsentierten Produkte mit dem Instagram-Account des Herstellers ein starkes Indiz gegen die Annahme darstellen, es würde sich nur um eine private Meinungsäußerung handeln, und für die Annahme des kommerziellen Zwecks sprechen (KG, Beschluss vom 11.10.2017 – 5 W 221/17, S. 19).

Die weitere Voraussetzung des § 5a Abs. 6 UWG, dass der Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst würde, die er ohne diese Produktwerbung ansonsten nicht tätigen würde, liegt nach Annahme des OLG auch vor. Eine geschäftliche Entscheidung läge danach nicht nur in dem Aufrufen eines Verkaufsportals (dem Betreten eines Geschäfts gleichstehend) vor, vielmehr genüge bereits das Öffnen einer Internetseite, die es ermögliche, sich näher mit dem Produkt auseinanderzusetzen (BGH, Urteil vom 07.03.2019 - I ZR 184/127 -). Da vorliegend der Leser des AG auf den Instagram-Account des Herstellers geleitet würde und sich dort mit dem Produkt näher zu befassen, läge in dem Klick die geschäftliche Entscheidung.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.06.2019 - 6 W 35/19 -

Mittwoch, 24. Juli 2019

Mieter: Zur Feststellung, ob eine natürliche Person oder eine GmbH Mieter ist


Häufig werden Mietverträge etwas unbedarft ausgefüllt und bei Auseinandersetzungen wundern sich dann die Mietvertragsparteien über die daraus für sie (positiv oder negativ) eintretenden Konsequenzen. Eine (nicht einmal seltene) Variante lag dem Urteil des Kammergerichts (KG) zugrunde: Streitig war u.a. (der Artikel bezieht sich nur darauf, im übrigen möge das Urteil gelesen werden) ob die Beklagten zu 1. und 2. selbst Mieter von Gewerberäumen waren.


Die Mietvertragsparteien würden, so das KG, alleine durch den zwischen ihnen abgeschlossenen Mietvertrag bestimmt. Wer danach Vertragspartei geworden sei, sei durch Auslegung zu ermitteln, wobei vorrangig die Angaben im Vertragsrubrum seien. Damit sei in erster Linie darauf abzustellen, wer als Mieter im Mietvertrag ausgeführt worden sei und diesen unterschrieben habe. Der Umstand, dass der Unterschriftszeile ein Stempelaufdruck einer Firma beigefügt sei, ändere daran nichts und ließe nicht den (zwingenden) Rückschluss zu, dass der Vertragsschließende den Vertrag ausschließlich im Namen der Gesellschaft abgeschlossen habe.

Vorliegend seien im Rubrum des Mietvertrages auf Mieterseite „M… To…, Prokurist und Gesellschafter der … GmbH“ sowie „H…, Geschäftsführer von … GmbH“ (die Beklagten) benannt mit dem Zusatz „- beide nachfolgend Mieter -“. Diese Bezeichnung spricht nach Auffassung des KG eindeutig dafür, dass beide persönlich Mieter werden wollten und die Zusätze nur kenntlich machen sollten, dass die Nutzung durch die GmbH (die unstreitig sei) erfolgen soll.

Die Unterzeichnung sei auch von beiden Beklagten auf der Unterschriftenzeile (ohne die im Rubrum verwandten Zusätze zur Funktion bei der GmbH) erfolgt, wobei der Beklagte zu 2. den Zusatz „ppa.“, obwohl er Prokura hatte und üblicherweise auch unter Verwendung dieses Zusatzes für die GmbH unterschreiben würde, nicht verwandt habe. Zwar sei dies Unterlassen des Zusatzes nur ein schwaches Indiz für die Vertragsstellung des Beklagten zu 2., füge sich allerdings in die Gesamtwürdigung ein; der beklagte zu 2. Habe auch im Rahmen seiner Anhörung keine plausible Erklärung abgegeben, weshalb er hier den auf die Vertretungsmacht für die GmbH deutendem Zusatz „ppa.“ vorliegend entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten im nicht geschäftlichen Verkehr nicht aufgenommen habe.

Auch der auf der Unterschriftenzeile für die Mieter aufgenommene Stempelaufdruck der GmbH ändere an der Würdigung nichts und gebe nur einen Hinweis auf den Nutzer der angemieteten Gewerberäume.

Zudem sei hier die Anlage 1 zum Mietvertrag mit „Anlage 1 zum Gewerbemietvertrag Dr. A. D… / M… To… und H… J…“ überschrieben und von beiden Beklagten auf der Mieterzeile unterschrieben worden, wodurch die persönliche Mieterstellung beider Beklagten hinreichend deutlich dokumentiert sei.

Auch weitere Anhaltspunkte, die von den Beklagten benannt wurden, so insbesondere vormietvertraglicher Schriftverkehr, würden nicht den Schluss zulassen, dass die GmbH, nicht die Beklagten selbst Mieter werden wollten und sollten.

KG, Urteil vom 04.02.2019 - 8 U 109/17 -

Dienstag, 23. Juli 2019

Klagebefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Schadensersatz gegen Ex-Verwalter


Ein zwischenzeitlich der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nicht mehr angehörender Eigentümer hatte in drei Beschlussanfechtungsverfahren vom ehemaligen Verwalter (der Beklagten) erstellte Jahresabrechnungen erfolgreich angefochten, wodurch der WEG Kosten in Höhe von über € 45.000,00 entstanden, die auf die einzelnen Mitglieder der WEG gem. Teilungserklärung umgelegt und von ihnen gezahlt wurden. In 2016 fasste die WEG einen Beschluss, demzufolge die Beklagte in Regress genommen werden sollte und die neue Verwalterin den Vermögensschaden, ggf. auch gerichtlich, geltend machen sollte. Die darauf erhobene Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht gab ihr (mit Ausnahme eines Betrages von rund € 300,00) statt und ließ zur Frage der umstrittenen Aktivlegitimation der WEG die Revision zu. Die von der Beklagten daraufhin eingelegte Revision wurde vom BGH als unbegründet zurückgewiesen.

Würde die Klägerin einen eigenen Anspruch geltend machen, der ihr als teilrechtsfähigen Verband gem. § 10 Abs. 5 S. 2 WEG zustehen kann, bedürfte die Prozessführungsbefugnis der Klägerin keiner Erörterung, weshalb der BGB prüfte, ob eigene Ansprüche geltend gemacht wurden.

Die Klägerin habe nach Auffassung des BGH die von den einzelnen Wohnungseigentümern getragenen  Kosten geltend gemacht. Auch wenn der Verwaltervertrag mit dem Verband geschlossen worden war, kämen eigene Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer wegen Pflichtverletzung im Hinblick auf die Schutzwirkung des Vertrages gegen den Verwalter in Betracht (BGH, Beschluss vom 07.07.2016 - V ZB 15/14 -); um solche würde es sich vorliegend handeln und einzig darüber habe das Landgericht befunden. Mit der erstmals klägerseits im Berufungsverfahren aufgestellten Behauptung zu einem unberechtigten Zugriff auf das Verbandsvermögen zur Deckung der Prozesskosten für die Beschlussanfechtungsverfahren habe das Landgericht offengelassen (und erscheine unwahrscheinlich, da sich die Kosten schließlich umlegen ließen).

Mache die Klägerin deshalb ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend, bedürfe sie einer besonderen Ermächtigung, § 10 Abs. 6 S. 3 WEG. Zu unterscheiden sei zwischen der so genannten geborenen Ausübungskompetenz gem. § 10 Abs. 6 S. 3 1. Halbs. WEG und der gekorenen Wahrnehmungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 S. 3 2, Halbs. WEG.  

Die Ausübungskompetenz betreffe gemeinschaftsbezogene Rechte, also solche Rechte, die im Interesse der Wohnungseigentümer oder aus Gründen des Schuldnerschutzes eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern würden (BGH, Urteil vom 24.07.2015 - V ZR 167/14 -). Vorliegend würde es bereits deshalb daran ermangeln, da eine gemeinschaftliche Empfangszuständigkeit für die geschädigten Wohnungseigentümer nicht gegeben sei. Es handele sich um Individualansprüche. Damit läge der Fall anders als jener, bei dem es um die Schädigung von Gemeinschaftseigentum, gehen würde.  

Bei der gekorenen Ausübungsbefugnis übe der Verband die sonstigen Rechte der Wohnungseigentümer aus, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können. Dies sei der Fall, wenn die Rechtsausführung für den Verband förderlich sei. Wird dies bejaht, könne die Wohnungseigentümergemeinschaft die Rechte der Eigentümer (im Rahmen einer gesetzlichen Prozessstandschaft) ausüben, wenn sie die Rechtsverfolgung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss ans sich gezogen habe (BGH, Urteil vom 24.07.2015 - V ZR 167/14 -). Der Beschluss der WEG habe vorliegend zu dieser Vergemeinschaftung der Ansprüche geführt.

Allerdings scheide die Vergemeinschaftung insoweit aus, als hier nicht der Verwalter die Beauftragung eines Rechtsanwalts koordiniert hätte, sondern ein Eigentümer - was ihm freistehe -einen eigenen Anwalt mit seiner Rechtsvertretung im Rahmen  der Beschlussanfechtungsverfahren beauftragt habe. Diese Kosten könnte die Gemeinschaft nicht an sich ziehen. Im übrigen würde aber der Vergemeinschaftung nicht der Umstand im Wege stehen, dass evtl. ein Eigentümer kein Interesse daran habe, dass der von ihm im Rahmen der Umlage gezahlte Betrag geltend gemacht wird.

BGH, Urteil vom 08.02.2019 - V ZR 153/18 -

Freitag, 19. Juli 2019

Testament auf einem kleinen Notizzettel (Voraussetzungen für ein wirksames Testament)


Die kinderlosen Eheleute hatten ein gemeinschaftliches Testament ohne Bestimmung eines Schlusserbens. Nach dem Tot des Ehemanns der Erblasserin wurden zwei Entwürfe notarieller Testamente der Erblasserin zugunsten der Beteiligten zu 1. Als Alleinerbin erstellt. Nach dem Ableben der Erblasserin legte diese die Entwürfe sowie einen undatierten, quadratischen und nur wenige Zentimeter messenden Notizzettel dem Nachlassgericht vor und beantragte für sich einen Erbschein.  Auf dem Zettel, mit vollständiger Unterschrift der Erblasserin, stand: „Wenn sich für mich … einer findet, der für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt der bekommt mein Haus und alles was ich habe.“

Das Nachlassgericht wies den Erbscheinantrag zurück. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass dies deswegen keine letztwillige Verfügung sei, da der erbe nicht namentlich benannt sei. Das Amtsgericht, welcher der dagegen eingelegten Beschwerde nicht abhalf, legte den Vorgang dem OLG vor, welches die Beschwerde als unbegründet zurückwies.

Das OLG ließ es, ebenso wie das Nachlassgericht, dahinstehen, ob der Notizzettel überhaupt eigenhändig von der Erblasserin beschrieben wurde, da dies hier dem Schriftstück auch nicht zur Wirksamkeit als Testament verholfen hätte.

Grundsätzlich würde der hier verwandte beschriebene Zettel die formellen Voraussetzungen des § 2247 BGB erfüllen können (OLG Schleswig, Beschluss vom 16.07.2015 - 3 Wx 53/15 -).

Die fehlende Angabe des Ortes, an dem das Schriftstück erstellt wurde wäre in Ansehung des Umstandes, dass dies in § 2247 Abs. 2 BGB nur als Sollbestimmung vorgesehen ist, grundsätzlich unschädlich, es sei denn, wenn sich gerade daraus Zweifel an der Gültigkeit ergäben, § 2247 Abs. 5 S. 2 BGB (so diskutiert bei Erstellung eines Testaments im Ausland,  OLG Schleswig aaO.).

Auch wenn die Angabe von Tag, Monat und Jahr der Errichtung des Testaments nur als Sollbestimmung in § 2247 Abs. 2 BGB aufgenommen ist, sei hier durch das Fehlen der Angabe bereits die Ungültigkeit eines eventuell in dem Notizzettel liegenden Testaments zu sehen. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass es zeitlich vor dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute vom 28.01.2001 geschrieben wurde. Ein evtl. in dem Notizzettel zu sehendes Testament ließe sich nach § 2247 Abs. 5 S. 1 BGB deshalb nur dann als gültiges Testament ansehen, wenn sich der Zeitpunkt über die Errichtung anderweitig feststellen ließe; der Errichtungszeitpunkt sei erforderlich, wenn mehrere Testamente existieren und deren Gültigkeit von dem jeweiligen Zeitpunkt der Errichtung (wie hier) abhängen. Zwar könne die Formulierung „mein Haus“ ein Indiz für die Errichtung nach dem Ableben des Ehemannes sein, wenn zuvor beide Eigentümer des Hauses gewesen sein sollten; allerdings könne die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung noch Alleineigentümerin gewesen sein oder mit der Formulierung gar nicht die Eigentumsstellung im dinglichen Sinne wiederspiegeln sollte. Wenn damit möglich wäre, dass die Erblasserin den Notizzettel schrieb, bevor das gemeinschaftliche Testament errichtet wurde (nach dem der Ehemann der Erblasserin ihr Alleinerbe werden sollte) wäre mit dem gemeinschaftlichen Testament konkludent das vorherige Testament widerrufen worden.

Zudem würde vorliegend nicht zweifelsfrei feststehen, dass die Erblasserin den Notizzettel mit Testierwillen verfasst habe. Zwar könne der letzte Wille, eigenhändig geschrieben und unterschrieben, in einem Brief oder auf einem Notizzettel verfasst werden, ohne dass nach der äußeren Form dies eindeutig als Testament erkannt werden müsse. Auch wenn so den Voraussetzungen des § 2247 BGB genüge getan ist, wäre doch die Feststellung eines entsprechenden Testierwillens erforderlich, der als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus § 2247 Abs. 3 S. 2 BGB abzuleiten sei.  Es müsse mithin zweifelsfrei feststehen, dass die Erblasserin die Urkunde als letztwillige Verfügung ansah oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament und nicht bloß als einen Entwurf, eine Ankündigung oder ähnliches darstellen. Die entsprechende Feststellung des Testierwillens habe im Wege der Auslegung nach § 133 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände, auch außerhalb der Urkunde, zu erfolgen. Entspricht das Schriftstück nicht üblichen Gepflogenheiten für Testamente, seien strenge Anforderungen zu stellen und wäre § 2084 BGB (wonach im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen ist, bei der die Verfügung Erfolg haben kann) nicht anwendbar (hier bezieht sich das OLG auf eine ständige Rechtsprechung, so z.B. OLG Schleswig aaO.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.07.2014 - 3 Wx 95/13 -). Damit aber würden Zweifel daran verbleiben, ob hier mit Testierwillen gehandelt wurde. So sei zu beachten, dass die Erblasserin aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments (wenn dieses vorher verfasst wurde) die übliche Gepflogenheit beim Abfassen eines privatschriftlichen Testaments gekannt habe (Anmerkung: Diese Annahme des OLG ist zweifelhaft, da alleine durch den einmaligen Gebrauch, bei dem nicht ersichtlich ist, dass er auf die Erblasserin zurückgeht, wissen kann, dass dies eine „übliche Gepflogenheit ist). Zudem würde die Formulierung auf dem Notizzettel, dass derjenige „der auf mich aufpasst und nicht ins Heim schickt“ das Haus „bekommen“ solle, ließe die Interpretation zu, dass dies auch schon zu Lebzeiten erfolgen soll, nicht erst nach dem Tod (das Wort „erben“) sei nicht enthalten. Auch die notariellen Testamentsentwürfe würden Zweifel am Vorliegen des Testierwillens begründen, da danach die Erblasserin wohl kurz vor ihrem Tod notarielle testieren wollte, was nicht erforderlich gewesen wäre, wenn sie zuvor den Notizzettel mit Testierwillen verfasst habe. Auch die Angabe der Beteiligten zu 1. unterstellt, die Erblasserin habe ihr erklärt, sie als Erbin einzusetzen, trage nicht, da eine mündliche Äußerung zur wirksamen Erbeinsetzung nicht ausreiche und in dem Dokument keinen Widerhall fände.

Darüber hinaus wäre eine eventuelle letztwillige Verfügung auf dem Notizzettel unbestimmt und daher nichtig. Der Erblasser müsse sich über den Inhalt aller wesentlichen Teile seines letzten Willens selbst schlüssig sein, § 2065 BGB. Dazu gehöre die Bestimmung der Person, die bedacht werden soll. Dies müsse nicht namentlich erfolgen müsse und ausreichend sei, dass die Person anhand des Inhalts und ggf. außerhalb der Urkunde liegender Umstände erst zuverlässig festgestellt werden könne. Die Bestimmung sei aber so im Testament aufzunehmen, dass jede Willkür eines Dritten ausgeschlossen sei (Bay ObLG, Beschluss vom 23.05.2001 - IZ BR 10/01 -). Der Erblasser könne nicht die Bestimmung, sondern nur die Bezeichnung der Person einem Dritten überlassen (BGH, Urteil vom 18.11.1954 - IV ZR 142/54 -). Es sei eine Auslegung nach § 2084 BGB vorzunehmen; bleibe der Wortlaut der letztwilligen Verfügung aber so unklar, dass eine Auslegung ergebnislos verlaufe, sei die Verfügung nichtig. Nach der hier verwandten Formulierung „aufpassen“ und nicht ins Heim „gesteckt“ werden, sei wohl die Ermöglichung eines Lebens außerhalb eines Heimes gemeint. Damit ergäbe sich ein breites Spektrum: Der Nachbar, der klingelt und nachfragt, wenn er die Erblasserin einige Zeit nicht wie gewohnt sieht, Personen, die der Erblasserin bei Schriftverkehr und in finanziellen Angelegenheiten oder bei der körperlichen Pflege helfen. Die Hilfe könne gelegentlich, regelmäßig oder ständig erfolgen, auch durch mehrere Personen mit unterschiedlich hohem Anteil. Damit sei der Begriff „aufpassen“ für eine Bestimmung der Person des Bedachten nicht auslegungsfähig. Anders wäre es, wenn sich die Formulierung auf eine einzige Pflegekraft bezöge, die der pflegebedürftige Erblasser selbst bestimmt, aber namentlich im Testament nicht nennt.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.03.2019 - 1 W 42/17 -

Donnerstag, 18. Juli 2019

Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums: Kein Kostenerstattungsanspruch bei eigenmächtiger Vornahme


In der Teilungserklärung (TE) der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) war geregelt, dass die Wohnungseigentümer für Instandhaltung und Instandsetzung ihrer Wohnung sowie der dem Sondereigentum zugeordneten Sondernutzungsbereiche einschl. der darin befindlichen Anlagen und Ausstattungen (auch wenn sie im gemeinschaftlichen Eigentum stehen) auf eigene Kosten verpflichtet sind. Umfasst sind danach auch „die Fenster einschließlich der rahmen, der Verglasung und der Beschläge, jedoch ausschließlich des Farbanstrichs der Außenseite der Fenster und Wohnungsabschlusstüren“. Nachdem bereits einige Wohnungseigentümer ihre Wohnungen mit modernen Kunstoffenster ausstatteten, ließ der Kläger 2005 die einfach verglasten Holzfenster aus 1972 durch Kunststofffenster mit Dreifachisolierverglasung ersetzen. Bis zur Entscheidung des BGH vom 02.03.2012 - V ZR 174/11 - gingen die die Wohnungseigentümer davon aus, dass nach der Regelung in der TE davon aus, dass eine notwendige Erneuerung der Fenster auch ihnen obliege.

Der Kläger, der für die Erneuerung € 5.524,78 aufwandte, verlangte von der WEG einen Wertersatz in Höhe von € 5.500,00. Klage und Berufung blieben erfolglos; die zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Richtig sei, dass (siehe Urteil vom 02.03.2012) die vollständige Erneuerung der Fenster im Bereich des Sondereigentums eine gemeinschaftliche Aufgabe der WEG sei, da sie zwingend im Gemeinschaftseigentum stünden (§ 5 Abs. 2 WEG) weshalb nach der zwingendne Kompetenzzuweisung die WEG für deren Austausch zuständig sei (§ 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 WEG bzw. § 22 WEG) und die Kosten zu tragen habe (§ 16 WEG). Nur bei einer klaren und eindeutigen Regelung der Wohnungseigentümer in einer Vereinbarung (Teilungserklärung) könne davon abgewichen werden. Da vorliegend der Außenanstrich der Fenster im Bereich des Sondereigentums von der dem Wohnungseigentümer auferlegten Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht ausgeschlossen, sei damit auch die vollständige Erneuerung der Fenster nicht erfasst.

Ein Erstattungsanspruch des Klägers käme nur nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1 BGB) oder aus Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB) in Betracht. Diese Vorschriften würden aber hier nicht greifen (BGH, Urteil vom 25.09.2015 - V ZR 246/14 -). Die Eigentümer hätten einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG), wozu nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG insbes. die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gehöre. Diesbezüglich hätten die Wohnungseigentümer einen Gestaltungsspielraum unter Beachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit und Rücksichtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer, weshalb sie Kosten und Nutzen abwägen könnten und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückstellen könnten (zuletzt BGH, Urteil vom 04.05.2018 - V ZR 203/17 -). Da dies bei der Geschäftsführung ohne Auftrag und dem Bereicherungsrecht keinen Niederschlag fände, würden diese Normen der spezielleren Norm nachgehen. Das würde auch dann gelten, wenn die WEG die vom Eigentümer durchgeführten Maßnahmen ohnehin hätte vornehmen müssen.

Zwar habe der Senat im Urteil vom 25.09.2015 – V ZR 246/14 – (BGHZ 207, 40) noch entschieden, dass ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch bei einer Ermessensreduzierung auf Null bestünde. Diese Ansicht würde nicht aufrechterhalten.

Gegen diese Ansicht würden bereits Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten sprechen. Es würde voraussetzen, dass nur eine ganz bestimmte Maßnahme und ein sofortiges Vorgehen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Diese Voraussetzungen würden nur selten vorliegen und im Nachhinein, nach der Reparatur, nur schwer oder mit großen Aufwand feststellbar sein.  Aber auch bei einer Ermessensreduzierung auf Null bliebe ein Gestaltungsspielraum, z.B. ob die Maßnahme isoliert oder zusammen mit anderen Arbeiten durchgeführt werden soll, weshalb die Gemeinschaft auch über zwingend erforderliche und keinen Aufschub duldende Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten einen Beschluss fassen müssten.

Vorliegend sei die besondere Situation zu beachten, dass die Eigentümer davon ausgingen, dass sie selbst die Maßnahme vornehmen und finanzieren müssten, da in diesem Fall (und der Kläger will die Maßnahme auch mit der Verwaltung abgesprochen haben) keine Veranlassung besteht, einen Beschluss der Gemeinschaft herbeizuführen.

Der teilweise in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht, dass in diesem Fall ein Ausgleichsanspruch bestünde, folgt der BGH allerdings nicht. Nicht nur sei es schwierig, irrtümliches Handeln von eigenmächtigem Vorgehen abzugrenzen. Ein Ausgleich in diesen Fällen würde auch den schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümern zuwider laufen. Zwar müssten sie damit rechnen, dass es durch Mängel des Gemeinschaftseigentums zu unvorhergesehenen Ausgaben kommt; sie müssten aber ihre Finanzplanung nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten, herangezogen würden, wobei auch Schwierigkeiten bei einem zwischenzeitlichen Verkauf einer Wohnung auftreten könnten (da derartige Kosten für Käufer und Verkäufer nicht kalkulierbar wären).  

BGH, Urteil vom 14.06.2019 - V ZR 254/17 -