Donnerstag, 15. November 2018

Zur Haftung zwischen Mietern bei einem Wasserschaden


Die Parteien waren Mieter in einem Mehrfamilienhaus. Der Kläger machte gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche geltend, nachdem im Mai 2015 nach seiner Behauptung Wasser nach einer unsachgemäßen Reparatur unkontrolliert aus einem Wasserhahn in der Wohnung des Beklagten auf den Boden gelaufen sei und von dort über Decken und Wände in die Wohnung des Klägers eingedrungen sei. Dadurch seien Schäden an den Tapeten verursacht worden, wofür der Kläger Schadensersatz begehrte.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Unabhängig von dem bestrittenen tatsächlichen Vortrag des Klägers und der Frage, wer überhaupt Eigentümer der Tapete sei, fehle es an einer Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten.

Der Mietvertrag zwischen dem Vermieter und dem Beklagten würde sich nicht als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier des Klägers) darstellen. Selbst ein  Untermieter wäre nach anerkannter Rechtsprechung nicht in den Schutzbereich des Hauptmietvertrages einbezogen und könne von daher nicht daraus Ansprüche wegen vom Vermieter verursachter Schäden gegen diesen erheben. Der Untermieter sei auch nicht schutzbedürftig, da ihm Ansprüche gegen den Hauptmieter zustünden (BGH, Urteil vom 15.02.1978 - VIII ZR 47/77 -). Das müsse dann auch im Verhältnis mehrerer Mieter im selben Gebäude untereinander gelten; der Kläger habe eigene Ansprüche aus dem Mietverhältnis gegenüber dem Vermieter und sei dadurch ausreichend geschützt (BGH, Urteil vom 12.12.2003 - V ZR 180/03 -).

Auch sei kein Anspruch aus einer entsprechenden Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB anzuerkennen (BGH, Urteil vom 12.12.2003 aaO.). Dieser habe seine Grundlage in einem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis als Teil des Interessenausgleichs, der für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken im nachbarlichen Raum unerlässlich sei. § 906 BGB knüpfe an die Beschränkung des Eigentumsrechts nach § 903 BGB an, welches im Mietrecht nicht greife; dies stelle auch keine planwidrige Regelungslücke dar, da nicht davon ausgegangen werden könne, dem Gesetzgeber sei die Möglichkeit des Streits von Mietern über beeinträchtigende Immissionen verborgen geblieben, zumal es hier keiner spezifischen Regelung bedürfe, da jeder Mieter vom Vermieter eine von Mitmietern ungestörte Gebrauchsgewährung verlangen könne (BGH, Urteil vom 12.12.2003 – V ZR 180/03 -).

Der Kläger habe sich in erster Linie gegen die landgerichtliche Entscheidung gesandt, da dieses einen deliktischen Anspruch des Mieters deshalb verneinte, dieser habe das Eigentum an der Tapete nicht dargetan. Ist aber (wovon hier auszugehen sei) eine Tapete ohne Zerstörung nicht von der Wand zu trennen und damit nicht Gegenstand besonderer Rechte, § 93 BGB, würde sie nach § 94 Abs. 2 BGB zu den wesentlichen Bestandteilen zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen gehören und im Eigentum des Grundstückseigentümers.

Auch ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Störung des Besitzes sei nicht gegeben. Grundsätzlich sei zwar ein Haftungsschaden des Besitzers ersatzfähig, wenn dieser wegen der Beschädigung der Mietsache durch Dritte selbst Ansprüchen ausgesetzt sei (BGH, Urteil vom 09.04.1984 - III ZR 234/83 -). Derartige Ansprüche würden sich aber aus der Beschädigung der Tapete hier nicht ergeben, da der Vermieter insoweit gegen den geschädigten Mieter keinen Anspruch habe.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.09.2018 - 10 U 8/18 -

Dienstag, 13. November 2018

Keine Berücksichtigung von Elternurlaub bei dem bezahlten Jahresurlaub


Der EuGH musste sich aufgrund einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts mit der Frage auseinandersetzen, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahingehend auszulegen ist, dass diese einer nationalen Bestimmung entgegensteht, derzufolge bei der Berechnung des einem Arbeitnehmer  zustehenden bezahlten Jahresurlaubs im Bezugszeitraum die Dauer des vom Arbeitnehmer in diesem Zeitraum genommenen Elternurlaubs nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehenen wird.  

Der EuGH verweist darauf, dass der bezahlte Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach ständiger Rechtsprechung ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts in der Union sei. Zwar dürften die Mitgliedsstaaten nicht bereits die Entstehung des Anspruchs auf einen bezahlten Jahresurlaub von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen; vorliegend beträfe aber die Frage, ob bei der Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaubein Zeitraum des Elternurlaubs einem Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung gleichzustellen sei.

Der EuGH weist auf den Zweck des bezahlten Jahresurlaubs zur Erholung und Zeit zur Entspannung und Freizeit hin. Er beruhe auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer gearbeitet habe, weshalb die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich anhand der auf der Grundlage des Arbeitsvertrages tatsächlich geleisteten Arbeitszeiträume zu berechnen sei.

Die Mitgliedsstaaten seien aber gehindert den bezahlten Jahresurlaub von der Voraussetzung der tatsächlich geleisteten Arbeit abhängig zu machen und damit z.B. einem Arbeitnehmer den bezahlten Jahresurlaub wegen einer ordnungsgemäß belegten Erkrankung zu versagen. Der erkrankte Arbeitnehmer sei dem tätigen Arbeitnehmer gleich zu stellen. Gleiches gelte auch für Arbeitnehmerinnen in Bezug auf den Mutterschaftsurlaub, da dieser dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft und zum anderen dem Schutz der besonderen Beziehung der Mutter und ihrem Kind während der Zeit, die an die Schwangerschaft und Entbindung anschließe, diene (EuGH, Urteil vom 18.03.2004 - C-342/01 -).

Anders sei dies allerdings bei dem Elternurlaub. Der sich im Elternurlaub befindliche Arbeitnehmer leide nicht unter durch eine Erkrankung hervorgerufenen psychischen oder physischen Beschwerden und befände sich in einer anderen Lage als jener, der wegen seines Gesundheitszustandes arbeitsunfähig sei. Auch unterscheide sich der im Elternurlaub befindliche Arbeitnehmer von jenen Arbeitnehmerinnen, die ihr Recht auf Mutterschaftsurlaub in Anspruch nehmen würden, die die dafür benannten Umstände nicht vorliegen würden. Zwar bleibe der Arbeitnehmer im Elternurlaub Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts, auch wenn Rechte und Pflichten suspendiert würden.

Damit könne die Zeit des Elternurlaubs nicht mit einem Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung gleichgestellt werden. Damit sei die Zeit des Elternurlaubs bei der Berechnung der Gewährung von bezahlten Jahresurlaub nicht zu berücksichtigen.

EuGH, Urteil vom 04.10.2018 - C-12/17 -

Montag, 12. November 2018

Abfindungszahlung bei Aufhebungsvertrag und ermäßigter Steuersatz


Der Eheleute wenden sich gegen einen Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes (FA) für 2013. In diesem Jahr hatte der klagende Ehemann zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis eine Abfindung in Höhe von € 36.250,00 erhalten. Im Vertrag über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses war u.a. geregelt,  dass mit dem Ausscheiden am 31.03.2013 alle gegenseitigen Ansprüche erlöschen und der Kläger keine rechtlichen Schritte in Bezug auf Höhergruppierungs- und Gleichbehandlungsbegehren unternehmen werde. Im Rahmen der gemeinsamen Steuererklärung der klagenden Eheleute beantragte der Kläger den Abfindungsbetrag dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1, Abs 2 EStG zu unterwerfen. Dem folgte das beklagte FA nicht. Der Einspruch der Kläger wurde zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) unterwarf die Abfindung antragsgemäß dem ermäßigten Steuersatz nach §§ 34 Abs. 2 Nr. 2 iVm 24 Nr. 1a EStG. Die gegen das Urteil eingelegte Revision wurde betreffend dem Kläger zurückgewiesen und führte hinsichtlich der Klägerin (kostenmäßig) zu einer Abänderung zu deren Lasten.

Der BFH folgt der Annahme des FG, dass die Abfindung eine außerordentliche Einkunft des Klägers nach § 24 Abs. 1a EStG darstelle, die nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern sie. Entscheidend sei, dass es sich um eine Leistung handele, die als Ersatz für entgangenen oder entgehende Einnahmen gewährt würde und mithin unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sei und dazu bestimmt sei, diesen Schaden auszugleichen. Ferner sei Voraussetzung, dass dieser Ausfall von dritter Seite veranlasst sei oder aber der Steuerpflichtige unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck steht und deshalb zustimmt; der Steuerpflichtige dürfe jedenfalls das Ereignis selbst nicht aus eigenen Antrieb herbeiführen. Diese Entschädigung gehöre dann zu den tarifbegünstigten Einkünften, wenn eine Zusammenballung von Einkünften bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dazu führe, dass der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum mehr erhalte als bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Die Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. So sollte nach nicht zu beanstandender Würdigung durch das FG der Kläger einen Ausgleichsanspruch für den durch den Verdienstausfall entstehenden Schaden erhalten, und dafür mit dem Vertrag eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden. Im Übrigen habe der Kläger bei Abschluss des Vertrages auch unter Druck gestanden, wobei der BFH offen lässt, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Drucksituation festhalten werde. Wenn, wie hier, der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer im Zuge einer (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses  eine Abfindung zahle, sei regelmäßig davon auszugehen,  dass der Arbeitnehmer die Auflösung nicht alleine aus eigenem Antrieb herbeigeführt habe, da dann der Arbeitgeber keinen Anlass habe, eine Abfindung zu zahlen.

Die Revision des FA hatte betreffend der Klägerin Erfolg. Der Einspruch wurde nur von dem klagenden Ehemann eingelegt, der nicht deutlich gemacht habe, dass er auch für seine Ehefrau den Einspruch erhebe.

BFH, Urteil vom 13.03.2018 - IX R 16/17 -

Freitag, 2. November 2018

Unwirksame Abtretung von Schadensersatzansprüchen auf Sachverständigenkosten durch den Geschädigten an den Sachverständigen


Der Beklagte wurde von der Klägerin, einem Inkassounternehmen, auf Zahlung von Sachverständigenkosten in Anspruch genommen. Dem lag ein vom  Beklagten verursachter Verkehrsunfall zugrunde, für den er zu 100% eintrittspflichtig war. Nach dem Verkehrsunfall beauftragte der Geschädigte einen Sachverständigen, der von dem Geschädigten ein Formular für den Gutachtenauftrag unterschreiben ließ, in dem eine Klausel „Abtretung und Zahlungsanweisung“ enthalten war. Danach trat der Geschädigte seinen Anspruch auf Sachverständigenkosten gegen den Schädiger (Beklagten) an den  Sachverständigen ab, der sich vorbehielt, den Anspruch bei erfolgloser (vorgerichtlicher) Geltendmachung gegen den Schädiger bzw. dessen Versicherer vom Beklagten gegen Verzicht auf die Rechte aus der Abtretung zu fordern und ferner vorbehielt, seinerseits den Anspruch zur Weiterverfolgung an eine Verrechnungsstelle abzutreten.

Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung führte zur Abänderung des Urteils und Klageabweisung. Die zugelassene Revision der Klägerin wurde vom BGH zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Landgerichts sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Dem folgte der BGH. Die Klausel zur „Abtretung und Zahlungsanweisung“ sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.  An seinen dem eventuell entgegenstehenden Entscheidungen vom 17.10.2017 - VI ZR 527/16 - und 24.10.2017 - VI ZR 504/16 - sowie - VI ZR 514/16 - würde der Senat nicht festhalten.

Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) sei verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er müsse mithin die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen möglichst klar und durchschaubar darstellen und es dürften keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.  Abzustellen sei dabei auf die Verständnis- und Erkenntnismöglichkeiten eines typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden. Diesen Anforderungen entspräche die Klausel nicht. So sei bereits nicht klar, welche Rechte dem Unfallgeschädigten gegenüber dem Sachverständigen nach der „zur Sicherung“ und „erfüllungshalber“ erfolgten (Erst-) Abtretung an den Sachverständigen zustehen sollen, wenn dieser seinen Honoraranspruch gegen ihn geltend macht.  Zwar sei vorgesehen, dass in diesem Fall der Sachverständige dann auf die Rechte aus der Abtretung gegen den Anspruchsgegner (Zug um Zug gegen Erfüllung) verzichte. Dies sei aber bereits unklar, da dies nicht klar eine Rückabtretung beinhalte und das auch nach dem Klauselwerk nicht von einem durchschnittlichen Unfallgeschädigten so verstanden werden müsse.  Zumal hier der Sachverständige ersichtlich auch eine Weiterabtretung vornehmen wolle, also die abgetretene Forderung gar nicht bei ihm verbliebe.

BGH, Urteil vom 17.07.2018 - VI ZR 274/17 -

Donnerstag, 1. November 2018

Zur formfreien Änderung des notariellen Grundstückskaufvertrages


Der Beklagte kaufte von der klagenden Bauträgerin drei noch zu sanierende Eigentumswohnungen mit notariellem Kaufvertrag vom 04.05.2011 zum Preis von € 309.692,00. In diesem wurde auch die Auflassung erklärt und die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch. Mit Schreiben vom 24.07.2012 verlangte der Beklagte von der Klägerin eine Kaufpreisminderung wegen nach seiner Ansicht nicht notwendiger Dekontaminationsarbeiten in Höhe von € 27.100,76. Die Klägerin  unterzeichnete dies Schreiben mit dem Zusatz „zur Kenntnis genommen und anerkannt“.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin Zahlung eines Restkaufpreises von € 26.323,83; der Beklagte beantragte widerklagend Rückzahlung überzahlter € 776,93 sowie die Feststellung, dass der Kaufpreis mit € 282.591,24 vollständig bezahlt sei. Das Landgericht wies die Klage unter Stattgabe der Widerklage ab. gab der Klage teilweise statt und wies die Widerklage ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage teilweise statt und wies die Widerklage ab. Der Beklagte legte (vom OLG zugelassen) Revision ein.

Kernpunkt der Rechtsauseinandersetzung war die Frage, ob die Vereinbarung über eine Kaufpreisminderung dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung des § 311b Abs. 1 BGB unterlag, wovon das OLG ausgegangen war und die hier nicht eingehalten war; insoweit wurde an der bisherigen Rechtsprechung des BGH zunehmend Kritik geübt. Der Formbedürftigkeit unterlägen, so auch der BGH, alle Vereinbarungen, die nach dem Willen der Parteien zu dem schuldrechtlichen Übereignungsgeschäft gehören würden. Daher würde die Norm auch auf einen schon beurkundeten Grundstückskaufvertrag, der nachträglich geändert würde, Anwendung finden. Formfreiheit würde insoweit lediglich dann bestehen, wenn die Abänderung einer bei der Abwicklung des Geschäfts unvorhergesehenen Schwierigkeit dienen würde, ohne die beiderseitigen Verpflichtungen wesentlich zu ändern, weshalb eine nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises an sich formbedürftig sei.

Allerdings könnten Grundstückskaufverträge nach der Auflassung formlos abgeändert werden, da die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der Auflassung erfüllt sei, soweit nicht mit der Abänderung eine neue selbständige Erwerbs- oder Veräußerungspflicht begründet würde.

Der BGH geht in seiner Entscheidung auf die an seiner ständigen Rechtsprechung geübten Kritik ein. Nach dieser Kritik würde insbesondere nicht berücksichtigt, dass der historische Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass die Auflassung in einer gesonderten Urkunde nach Erfüllung der beiderseitigen Pflichten aus dem Kaufvertrag erklärt würde und habe daher alle zwischenzeitlichen Änderungen des Kaufvertrages erfasst. Heute würde regelmäßig die Auflassung zusammen mit in die Kaufvertragsurkunde sowohl aus Gründen der Praktikabilität als auch aus Kostengründen mit aufgenommen. Damit sei die Billigung von formfreien Änderungen mit dem der Norm des § 311b BGB bezweckten „Übereilungsschutz“ nicht vereinbar. Dieser Kritik folgt der BGH ausdrücklich nicht.

Die Formfreiheit der Änderungen nach bindender Auflassung ergebe sich aus § 873 Abs. 2 BGB und stünde dem Sinn und Zweck des § 311b BGB nicht entgegen. Der „Übereilungsschutz“ durch Mitwirkung eines Notars mit rechtskundiger Belehrung und Beratung  sei nicht mehr notwendig, wenn die schuldrechtlichen Erklärungen beurkundet worden seien und die für die erstrebte Rechtsänderung erforderlichen dinglichen Erklärungen (so die Auflassung) erklärt in bindender Form worden seien. Zwar sei mit der bindend gewordenen Auflassung noch keine Erfüllung iSv. § 363 BGB eingetreten, da dies erst mit der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer im Grundbuch erfüllt sei. Allerdings sei für die Frage der Formbedürftigkeit nicht auf die Erfüllung abzustellen, sondern darauf, dass die geschuldeten Leistungshandlungen unwiderruflich erbracht worden seien. Mit der bindend gewordenen Auflassung sei ein Automatismus in Gang gesetzt worden, im den Eigentumswechsel zur Eintragung zu bringen.

Um zu verhindern, dass der Verkäufer das Eigentum an seinem Grundstück ohne Erhalt des Kaufpreises verlöre, würde meist eine Treuhandtätigkeit des Notars nach § 24 BnotO vereinbart dahingehend, dass dieser den Eigentumswechsel im Grundbuch erst beantragen dürfe, wenn die Kaufpreiszahlung ihm nachgewiesen würde (oder auf seinem Notaranderkonto auszahlungsreif hinterlegt würde), und er vorher auch dem Käufer keine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Urkunde erteilen dürfe, die die Auflassung enthalte (vgl. auch § 49 Abs. 5 S. 1 BeurkG). Diese Abrede ändere aber nichts daran, dass die Auflassung ohne Vorbehalt und verbindlich erklärt worden sei.

Daher hätten hier die Parteien den Kaufpreis wirksam um € 27.100,76 auf € 282.591,24 ermäßigt.

BGH, Urteil vom 14.09.2018 - V ZR 213/17 -

Dienstag, 30. Oktober 2018

Reisevertrag: Zur Unschädlichkeit verspätet geltend gemachter Schadensersatzansprüche und fehlender Fristsetzung zur Abhilfe


Die Klägerin hatte mit der Beklagten einen Reisevertrag geschlossen. In den Beförderungsbedingungen der Beklagten war ausgeführt, dass der reisende bei nicht vertragsgemäßer Leistung Abhilfe verlangen könne und er daher verpflichtet wäre, alles ihm zumutbare zu tun, um zu einer Behebung der Störung beizutragen und einen evtl. Entstehenden Schaden gering zu halten bzw. zu vermeiden. Beanstandungen seien daher anzuzeigen.

Nach dem Reisevertrag sollte der Rückflug von  Antayla nach Frankfurt am 07.10.2014 um 20.05 erfolgen. Am Abreisetag wurde die Klägerin informiert, dass sich der Rückflug wegen eines technischen Problems auf 22.40 Uhr verschiebe und der neue Zielort Köln sei. Die tatsächliche Ankunftsverspätung in Frankfurt betrug rund 6,5 Stunden. In Ansehung der Ankündigung der Beklagten buchte die Klägerin einen Ersatzflug bei einer anderen Fluggesellschaft für denselben Abend nach Frankfurt. Die Mehrkosten des Fluges in Höhe von € 1.235,00 verlangte sie am 18.03.2015  von der Beklagten als Schadensersatz. Klage und Berufung blieben erfolglos.

Der BGH verurteilte die Beklagte auf die zugelassene Revision antragsgemäß. Die Erwägungen des Landgerichts seien in einem entscheidungserheblichen Punkt verfehlt.

Richtig habe das Landgericht erkannt, dass ein Reisemangel vorgelegen habe. Die Verschiebung der Abflugzeit um rund drei Stunden, die Ankunft an einem anderen Zielflughafen, der notwendige Bustransfer und die Folge des Zeitverlusts, der dazu führe, dass die Klägerin erst in den Morgenstunden des Folgetages zu Hause gewesen wäre, würden den Reisemangel begründen, da dies die Tauglichkeit der Reise zu dem gewöhnlichen Nutzen in ihrer Gesamtheit mindere.

Auch sei die landgerichtliche Entscheidung richtig, dass die Überschreitung der Monatsfrist zur Geltendmachung des Schadens hier unbeachtlich sei, da die Beklagte über diese Ausschlussfrist informierte und die widerlegbare Vermutung gilt, dass bei korrekter Information die Frist eingehalten worden wäre. Zwar habe die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf diese Frist hingewiesen; dies genüge aber nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 8 und Abs. 4 BGB-InfoV. Es hätte ein Hinweis in der Reisebestätigung erfolgen müssen; in einem Prospekt genüge der Hinweis nur dann den Anforderungen, wenn die einschlägige Fundstelle dort auch benannt würde.

Auch sei die Erforderlichkeit der Aufwendungen durch das Landgericht rechtfehlerfrei festgestellt worden.

Entgegen der Annahme des Landgerichts stünde hier aber dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, dass diese entgegen § 651c Abs.  3 Satz 1 BGB die Beklagte nicht unter Fristsetzung zur Abhilfe aufgefordert habe. Diesbezüglich habe es an einem ordnungsgemäßen Hinweis mit dem in § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV ermangelt. Danach habe der Reiseveranstalter den Reisenden in der Reisebestätigung darauf hinzuweisen, dass er einen Mangel anzuzeigen habe und vor einer Kündigung des Reisevertrages grundsätzlich eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen habe. Dies geschah nicht; nur in den AGB sei pauschal darauf hingewiesen worden. Dies genüge den Anforderungen nicht. Damit könne die Beklagte nicht eine Pflichtverletzung der Beklagten wegen fehlenden Abhilfeverlangens und Fristsetzung geltend machen. Die notwendige Erkenntnismöglichkeit fehle dem Reisenden.

BGH, Urteil vom 03.07.2018 - X ZR 96/17 -

Montag, 29. Oktober 2018

Verlust aus Aktienverkäufen ohne Bescheinigung gem . § 20 EStG und Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeit


Der Kläger veräußerte nahezu wertlose Aktien an seine Sparkasse und machte in seiner Einkommensteuerklärung 2013 dafür Verluste mit € 5.759,78 geltend. Das Finanzamt (FA) berücksichtigte diese Verluste mit der Begründung nicht, der Kläger habe diesbezüglich keine Bescheinigung nach § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG vorgelegt. Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht der Klage statt. Die Revision des beklagten FA wurde zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BFH handele es sich hier um steuerlich anzuerkennende Verluste gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 EStG. Danach sei auch ein negativer Gewinn und damit ein Veräußerungsverlust (entsprechend der Regelung in § 20 Abs. 2 Satz zu den Einkünften aus Kapitalvermögen) erfasst.  Die Veräußerung sei die zumindest wirtschaftliche Übertragung des Eigentums auf einen Dritten. Dieser Fall der entgeltlichen Veräußerung läge auch vor, wenn wertlose Anteile zwischen fremden Dritten ohne Gegenleistung übertragen würden (BFH, Urteil vom 06.04.2011 - IX R 61/10 -).  Weitere Tatbestandmerkmale sehe das Gesetz nicht vor. Insbesondere sei danach weder die Höhe der Gegenleistung noch die Höhe anfallender Veräußerungskosten maßgeblich (entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2016, 85 Rz. 59). Mithin läge hier bei der Veräußerung der Aktien zu € 8,00 bzw. € 6,00 abzüglich der Kosten eine steuerlich beachtliche Veräußerung vor.

Das Fahlen einer Bescheinigung der auszahlenden Stelle (hier: Sparkasse) iSv. § 43a Abs. 3 S. 4 EStG stehe der Anwendung des § 29 Abs. 6 Satz 6 EStG auch nicht entgegen. Die Norm des § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG diene der Verhinderung eines doppelten Verlustabzugs. Diese Gefahr sei hier nicht gegeben; die Sparkasse sei nach der veröffentlichten Auffassung der Finanzverwaltung davon ausgegangen, dass der erzielte Verlust steuerlich unbeachtlich sei. Es wäre reiner Formalismus auch in diesem Fall zu verlangen, dass für die Verlustrechnung iSv. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG erforderlich sei (BFH, Urteil vom 20.10.2016 - VIII R 55/13 -; BFH, Urteil vom 29.08.2017 - VIII R 23/15 -).

Der Einwand des beklagten FA, es läge ein Gestaltungsmissbrauch vor (§ 42 AO), sei auch zurückzuweisen. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO könne das Steuergesetz nicht durch Gestaltungsmissbrauch umgangen werden. Dieser Missbrauch sei anzunehmen, wenn eine unangemessene Gestaltung gewählt würde, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führe. Alleine das Motiv, Steuern zu sparen, würde die Gestaltung aber nicht missbräuchlich machen (BFH, Beschluss vom 29.11.1982 - GrS 1/81 -).  Der Steuerpflichtige dürfe seine Verhältnisse so ordnen, dass möglichst keine oder nur geringe Steuern anfallen (BFH, Urteil vom 19.01.2017 - IV R 10/14 -).  Erst dann, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung nicht zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels gebrauche, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wähle,  auf dem nach dem Willen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreicht werden solle, wäre eine Unangemessenheit nach § 42 AO anzunehmen. Dass sei z.B. der Fall, wenn das Geschäft zu einer wirtschaftlichen Neutralisierung führe und nur steuerliche Vorteile erreicht werden sollen oder die wirtschaftliche Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert würde und sich danach lediglich als eine formale Maßnahme darstelle.

Nach diesen Grundsätzen läge vorliegend kein Missbrauch vor. Der Kläger habe das Ziel verfolgt, sich von nahezu wertlosen Wertpapieren zu trennen, was sinnvoll nur durch Veräußerung möglich gewesen sei. Auch könne der Zeitpunkt der Maßnahme dem Steuerpflichtigen nicht vorgeschrieben werden; es läge in seinem Belieben, wann er Wertpapiere kauft oder verkauft (BFH, Urteil vom 25.08.2009 -), womit der Steuerpflichtige nur von den vom Gesetzgeber vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch mache. Ebensowenig könne (wie das FA meinte) vom Steuerpflichtigen verlangt werden, die Wertpapiere in seinem Depot zu behalten, um sie irgendwann evtl. schlicht auszubuchen. Dies würde (unabhängig von der zivill- und steuerrechtlich nicht zu klärenden Problematik) die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen unzulässig einschränken.

BFH, Urteil vom  12.06.2018 - VIII R 32/16 -