Donnerstag, 24. Mai 2018

Zur Unwirksamkeit einer Vertragsverlängerungsklausel eines Werbevertrages wegen fehlender Transparenz


Die Klägerin erwirbt Fahrzeuge, die sie sozialen Einrichtungen u.ä. kostenlos zur Verfügung stellt. Die Finanzierung erfolgt dergestalt, dass die Klägerin mit Sponsoren Werbeverträge über die Anbringung von Werbefläche auf Fahrzeugen und/oder Anhängern abschließt. Im streitbefangenen Fall hatte die Klägerin mit dem Beklagten einen entsprechenden Vertrag über Werbung an einem einer Schule zur Verfügung gestellten Anhänger abgeschlossen, der eine Laufzeit von 5 Jahren hatte und sich um diese Zeit auch verlängern sollte, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf des Vertrages gekündigt würde. In den Auftragsbedingungen des Formularvertrages wurde ausgeführt, dass die Werbelaufzeit mit Auslieferung des Fahrzeugs an den Vertragspartner beginne. Das Fahrzeug wurde der Schule am 14.01.2011 übergeben; der Beklagte war zur Übergabe eingeladen worden. Mit Schreiben vom 15.08.2015 bedankte sich die Klägerin bei dem Beklagten dafür, dass dieser neuerlich die Schule unterstützen wolle und stellte ihm die Werbefläche für weitere fünf Jahre in Rechnung mit Fälligstellung zum 23.08.2015. Ein Ausgleichung durch den Beklagten erfolgte nicht.

Der BGH verwies unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 25.10.2017 - XII ZR 1/17 - darauf, dass Verstöße gegen das Transparenzgebot nicht den Gebräuchen und Gepflogenheiten des Handelsverkehrs entsprächen (§ 310 Abs. 1 S. 2 BGB) und von daher zur Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel auch gegenüber Unternehmern führen würden. So habe er bereits in der Entscheidung vom 25.10.2017   darauf verwiesen, dass eine Klausel über die automatische Verlängerung der Vertragslaufzeit wegen Verstoßes gegen das Tarnsparenzgebot unwirksam sei, wenn bei vertragsbeginn nicht feststehen würde, bis wann die Kündigung zur Abwendung der Verlängerung ausgesprochen werden müsse.

Im vorliegenden Fall sei der Vertragsbeginn unklar. Entscheidend soll die Auslieferung an den „Vertragspartner“ sein. Vertragspartner seien aber die Parteien des Vertrages (und des hiesigen Rechtsstreits). Die Schule sie nicht Vertragspartei gewesen; sie würde im Vertrag als „Organisation“ bzw. „Verein“ bezeichnet. Damit aber bliebe unklar, ob eine Auslieferung an den Beklagten oder die Schule gemeint sei. Der Wortlaut der Klausel würde für eine Auslieferung an den Beklagten sprechen, ferner, dass die Klägerin ab dem Zeitpunkt Aufwendungen für das Fahrzeug habe und deshalb Interesse an gleichzeitigen Einnahmen habe. Für eine Maßgeblichkeit der Auslieferung an die Schule spräche, dass erst ab dann der mit dem Sponsoring gewollte Werbeeffekt durch Einsatz des Fahrzeuges im Straßenverkehr zur Entfaltung käme (vgl. Urteil vom 25.10.2017).

Eine Unsicherheit ließe sich hier auch nicht aus dem Vertragsinhalt und seinen Umständen auflösen (womit der BGH inzident bestätigt, dass auch bei AGB-Klauseln §§ 133, 157 BGB greifen). Von der Revision der Klägerin sei geltend gemacht worden, dass für den Beginn der Werbelaufzeit auf die (dem Beklagten bekannt gegebene) Übergabe des Fahrzeuges abzustellen sei. Andererseits sei sie aber offenbar bei ihrem Schreiben vom 15.08.2015 offensichtlich davon ausgegangen, dass weder der Vertragsschluss noch die spätere Übergabe maßgeblich sein sollten, da sie die Zahlung für die Verlängerung bereits mit Fälligkeit zum 23.08.2015 in Rechnung stellte, während der Vertragsschluss erst am 03.09.2010 war, die Übergabe des Fahrzeuges an die Schule am 14.01.2011 stattfand und mithin  eine Fälligkeit für die Verlängerung am 23.08.2015 nicht hätten auslösen können.

Damit halte die Klausel einer Prüfung nach § 307 Ans. 1 BGB nicht stand. Die Intransparenz des letzten möglichen Kündigungszeitpunkts führe dazu, dass der Werbekunde eine Kündigung nicht effektiv ausüben könne. Eine geltungserhaltende Reduktion scheide aus (vgl. Urteil vom 25.10.2017).

BGH, Urteil vom 13.03.2018 - XII ZR 31/17 -

Mittwoch, 23. Mai 2018

Zur Haftung des Erwerbers von Wohnungseigentum für eine vor dem Erwerb beschlossene Sonderumlage


Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss am 28.08.2016 eine Sonderumlage in Höhe von € 60.000,00 für dringend notwendige Baumaßnahmen. Zur Fälligkeit wurde im Beschluss nichts ausgeführt. Am 31.10.2014 wurde der Beklagte als Eigentümer eines Miteigentumsanteils (verbunden mit einem Sondereigentum) im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 11.12.2014 forderte die WEG-Verwaltung den Beklagten zur Zahlung eines seinem Mieteigentumsanteil entsprechenden Teils der Sonderumlage auf. Der Beklagte war der Ansicht, dass die Sonderumlage vom ehemaligen Eigentümer zu tragen wäre. Das Amtsgericht verurteilte ihn zur Zahlung; seine Berufung wurde zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung erfolglos weiter.

Der BGH verwies darauf, dass § 16 Abs. 2 die Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichte, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis ihres Anteils zu tragen, was auch für Sonderumlagen gelte.

Vorliegend würde dem Zahlungsanspruch gegen den Beklagten nicht entgegenstehen, dass die Sonderumlage vor der Eigentumsumschreibung beschlossen worden sei. Grundsätzlich hätte der Eigentümer die Zahlungen zu leisten, die während der Dauer seiner Mitgliedschaft in der Eigentümergemeinschaft aufgrund von wirksam beschlossenen Wirtschaftsplänen oder Sonderumlagen fällig würden. Für Verbindlichkeiten, die noch vor dem Eigentumserwerb (also der Auflassung des Eigentums im Grundbuch) fällig würden, würde der Eigentümer nicht haften. Die Frage, ob der Eigentümer für Beitragsleistungen auch hafte, die noch vor dem Eigentumserwerb beschlossen, aber erst danach fällig gestellt würden, sei streitig.

Diese Haftung wurde vom BGH bejaht.  Die Sonderumlage stelle sich als eine Ergänzung des geltenden Wirtschaftsplanes dar und könne als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung beschlossen werden, wenn die Ansätze des Wirtschaftsplanes unrichtig wären, durch neue Tatsachen überholt würden oder der Plan aus anderen Gründen nicht durchgeführt werden könne. Sie folge daher den für den Wirtschaftsplan geltenden Regeln. Damit sei die Sonderumlage wie andere nach dem Plan zu erbringende Leistungen, namentlich Wohngeldforderungen, nach der Fälligkeitstheorie bis zur Eigentumsumschreibung vom bisherigen Eigentümer, danach vom neuen Eigentümer zu erbringen.

Soweit in der Literatur strittig behandelt würde, wann eine Sonderumlage fällig würden,  ist der BGH der Auffassung, dass die Fälligkeit grundsätzlich nicht mit dem Beschluss eintrete (es sei denn, dort würde anderes geregelt), sondern erst mit der Anforderung durch den WEG-Verwalter. § 28 Abs. 2 WEG würde hier der allgemeinen Regelung des § 271 Abs. 1 BGB vorgehen.

Anmerkung: Der Erwerber von Wohnungs-/Teileigentum sollte stets die Beschlussprotokolle der WEH vor dem Abschluss eines Kaufvertrages einsehen. Ggf. sollte er sich vom Veräußerer zusichern lassen, dass  - außer den monatlich fällig werdenden Wohngeldzahlungen – keine Beschlüsse gefasst wurden, die eine Zahlungsverpflichtung für ihn in der Zukunft begründen könnten.

BGH, Urteil vom 15.12.2017 - V ZR 257/17 -

Freitag, 18. Mai 2018

Zur berechtigten Kündigung einer Vollkaskoversicherung durch den Ehegatten, der nicht Versicherungsnehmer ist, gem. § 1357 Abs. 1 BGB


Der BGH musste sich hier mit der Norm des § 1357 Abs. 1 BGB auseinandersetzen, derzufolge die Eheleute ohne Zustimmung des jeweils anderen Ehegatten für diesen rechtlich bindend und verpflichtend angemessene Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie abschließen darf. Vorliegend ging es um die Kündigung einer Vollkaskoversicherung durch den Ehemann, auf Grund der die Versicherung bei einem späteren Schadensfall keine Leistung an die Ehefrau als Versicherungsnehmerin leistete.

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für ein auf ihren Ehemann zugelassenes Fahrzeug. Am 22.12.2014 unterschrieb der Ehemann ein Kündigungsschreiben zu Kaskoversicherung zum 01.01.2015, worauf die Beklagte einen neuen Versicherungsschein (der nicht mehr die Kaskoversicherung umfasste) ausstellte und diesen mit einer Widerrufsbelehrung versah. Im Oktober 2015 wurde das Fahrzeug bei einem selbstverschuldeten Unfall beschädigt. Die Klägerin widerrief mit Schreiben vom 14.01.2016 die Kündigung zur Vollkaskoversicherung und machte die Reparaturkosten abzüglich Selbstbeteiligung geltend.

Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Der BGH wies die Revision zurück.

Das OLG, so der BGH, habe der Klägerin die Kündigungserklärung des Ehemanns der Klägerin dieser nicht nach § 164 BGB zugerechnet. Zwar habe er offensichtlich im Namen der Klägerin gehandelt, da im Briefkopf des Schreibens der Name der Klägerin gestanden habe. Allerdings habe die dazu darlegungs- und beweisbelastete Beklagte dargelegt noch das OLG festgestellt, dass der Ehemann der Klägerin von dieser auch tatsächlich mit der Kündigung bevollmächtigt worden sei. Die Voraussetzungen für eine Duldungs- und Anscheinsvollmacht seien auch nicht festgestellt worden. Eine gesetzliche Vertretungsmacht des Ehegatten würde das BGB nicht kennen (vgl. auch BT-Drucks. 15/2494 S. 16).

Allerdings habe der Ehemann der Klägerin gem. § 1357 Abs. 1 BGB die Vollkaskoversicherung auch mit Wirkung für die Klägerin wirksam gekündigt, wie vom OLG zutreffend angenommen.

Dieser Kündigung würde nicht entgegenstehen, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild  der Ehemann der Klägerin für diese die Kündigung ausgesprochen habe. Bei einem ausdrücklichen Handeln im Namen des Ehegatten käme es regelmäßig über § 1357 Abs. 1 BGB auch zu einer Mitverpflichtung des handelnden Ehegatten wenn dieser nicht den Ausschluss seiner eigenen Mitverpflichtung eindeutig offenlege (BGHZ 91, 1). Das sei vorliegend jedenfalls nicht erfolgt, weshalb die Form nicht gegen § 1357 Abs. 1 BGB spräche.

Voraussetzung sei mithin, dass die Kündigung der Vollkaskoversicherung in den Anwendungsbereich des § 1357 BGB falle. Dies sei der Fall, wenn das mit der Kündigung korrespondierende Geschäft des Abschlusses dieser Versicherung selbst, ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie iSv. § 1357 Abs. 1 BGB wäre. In diesen Fällen könne und würde der Ehegatte regelmäßig den anderen Ehegatten mit berechtigen und verpflichten, wenn sich nicht aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalls anderweitiges ergäbe.

Unter Darlegung der Bedeutung des § 1356 BGB a.F. bis zur Reform des Ehe- und Familienrechts 1976 (der Ehefrau  die Berechtigung zu verschaffen, Geschäfte im häuslichen Wirkungskreis wirksam abzuschließen), führt der BGH aus, dass nunmehr § 1357 BGB jedem Ehegatten di Befugnis zur Verpflichtung auch des anderen Partners einräume und nicht mehr den Zweck habe, die dem Ehegatten zugewiesenen Aufgaben zu ermöglichen. Die Ehegatten seien einander verpflichtet mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 S. 1 BGB)m weshalb sich das Gestz in § 1357 BGB an der „angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ orientiere. Es handele sich um einen unterhaltsrechtlichen Begriff, bei dessen Auslegung §§ 1360, 1360a BGB herangezogen werden könnten.

Die Reichweite des Familienbedarfs würde sich individuell bestimmen. Es käme auf den Lebenszuschnitt der Familie an. Ferner verlange § 1357 Abs. 1 BGB die „angemessene“ Deckung. Dem läge zugrunde, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers Geschäfte größeren Umfangs ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden könnten (BT-Drucks, 7/4361 S. 26). Dies schütze den am Rechtsgeschäft nicht beteiligten Ehegatten.

Versicherungen könnten nicht pauschal aus dem Anwendungsbereich des § 1357 BGB herausgenommen werden. Entscheidend sei der Bezug zum Lebensbedarf der Familie. Hier käme es auf den individuellen Zuschnitt an. Der Tatrichter habe dann festzustellen, ob es sich um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie handele.

Anerkannt sei danach, dass je nach Vermögens- und Einkommensverhältnissen auch Aufwendungen zur Anschaffung und zum Betrieb eines PKW oder für die Kfz-Haftpflichtversicherung zum angemessenen Familienunterhalt gehören können. Auch die Reparatur des Fahrzeuges könne dazu gehören.

Bei dem Fahrzeug handele es sich hier um das einzige Fahrzeug der fünfköpfigen Familie. Vor dem Hintergrund, dass das Fahrzeug auf den Ehemann zugelassen sei und sich der monatliche Anteil an der Vollkaskoversicherung mit € 144,90 noch in einem angemessenen Rahmen bezogen auf die Bedarfsdeckung der Familie bewege, halte sich die Annahme des OLG, einer vorherigen Abstimmung der Ehegatten über den Abschluss der Vollkaskoversicherung habe es nicht bedurft, im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Kaskoversicherung weniger der Unterhaltung als der Vermögenssicherung diene, da es sich um das einzige Fahrzeug gehandelt habe und die Versicherung mithin den Erhalt des Fahrzeuges für die Familie sichern solle.

Die Kündigung könne hier auch nach § 1357 Abs. 1 BGB von einem der Ehegatten vorgenommen werden.  § 1357 BGB führe zu einer Mitberechtigung und Mitverpflichtung des jeweils anderen Ehegatten; die Mitverpflichtung führe zu einer gesamtschuldnerischen Haftung, die Mitberechtigung begründe eine Gesamtgläubigerschaft. Gestaltungsrechte (hier die Kündigung) müssten zwar grundsätzlich von den Gesamtgläubigern gemeinsam ausgeübt werden. Etwas anderes gelte aber im Bereich des § 1357 Abs. 1 BGB, nachdem ein Partner für den anderen Rechte und Pflichten begründen könne, weshalb es spiegelbildlich erlaubt sein müsse, sich mit Wirkung auch für und gegen den anderen Partner sich von diesen wieder zu lösen, unabhängig davon, welcher der Partner die eingegangene Verpflichtung ursprünglich begründet habe.

Der Widerruf der Kündigung durch die Klägerin sei unbeachtlich, da es sich bei der Kündigung um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handele. Zur Rücknahme hätte es hier der Zustimmung der Beklagten bedurft.

BGH, Urteil vom 18.02.2018 - XII ZR 94/17 -

Donnerstag, 17. Mai 2018

Fristlose Kündigung durch Vermieter und der (unterlassene) Widerspruch gegen eine Fortsetzung des Vertrages sowie zur Frage der Schadensberechnung (Umsatzsteuer), Verzinsung und Schadensminderung

Hier hatte sich der BGH umfangreich mit den Folgen einer fristlosen Kündigung auseinandergesetzt: Zur Frage des konkludenten Widerspruchs gegen eine stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses, zu den Folgen der stillschweigenden Verlängerung eines Mietverhältnisses auf einen Schadensersatzanspruch des Mieters, zur Umsatzsteuer auf einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Mieten, zur Verzinsung des Anspruchs und zur Prüfung einer Schadensminderungspflicht des Vermieters nach § 254 Abs. 2 S. 1 letze Alt. BGB durch das Gericht von Amts wegen.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin klagte auf Ersatz entgangener Mieten. Das Mietverhältnis für einen Getränkehandel war bis zum 30.06.2015 befristet gewesen. Mit Schreiben vom 28.02.1013 kündigte die Klägerin wegen eines Mietrückstandes von zwei Mieten fristlos und forderte zur Rückgabe bis zum 30.01.2013 auf. Mit Schreiben vom 30.01.2013wies die Klägerin den Beklagten u.a. darauf hin, dass dieser für die Mieten der Klägerin bis zum 30.06.2015 hafte. Der Beklagte seinerzeit erklärte mit Schreiben vom 22.02.2013 die Kündigung zum 31.05.2013 und räumte am 03.06.2013. Ab 15.03.2015 vermiete die Klägerin an einen neuen Mieter.

Zwei Klagen der Klägerin auf Miete bzw. Nutzungsentschädigung für den Zeitraum Juni bis November 2013 blieben, mit Ausnahme für den Zeitraum 01. – 03.06.2013, ohne Erfolg. Vorliegend machte die Klägerin Nutzungsentschädigung für den Zeitraum Dezember 2013 bis 14.03.2015 nebst monatlich gestaffelter Verzugszinsen aus € 3.000,00 Miete zuzügl. 19% Umsatzsteuer mit €  570,00/Monat geltend. Land- und Oberlandesgericht wiesen die Klage in Höhe von € 55.162,26 ab.  

Die Berufung führte zur Aufhebung des Urteils in Höhe von € 46,354,84 zuzügl. Zinsen seit dem 13.02.2016 und Zurückverweisung an das OLG.

Zu den Gründen der Entscheidung des BGH:

Zu Recht habe das Berufungsgericht einen Anspruch auf Miete (§ 535 Abs. 2 BGB) und Nutzungsentschädigung (§ 546a Abs. 1 BGB) negiert. Allerdings hätte hier entgegen der Annahme des Berufungsgerichts keine stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses vorgelegen. Ein Widerspruch gegen die Weiternutzung und Fortdauer des Mietverhältnisses, der auch konkludent erfolgen könne, läge zwar noch nicht in der Kündigung und dem Räumungsverlangen selbst. Allerdings habe die Klägerin zur Räumung binnen  zwei Tagen aufgefordert, unabhängig von der nochmaligen Aufforderung am 30.01.2013 nach Unterbleiben der Räumung. Damit sei nach §§ 133, 157 BGB von einem (konkludenten) Widerspruch auszugehen.

Der Klägerin stünde, worauf das Berufungsgericht nicht eingegangen sei, ein Schadenersatzanspruch im Umfang des Mietausfalls zu. Der Mieter habe dem Vermieter bei einer begründeten fristlosen Kündigung gem. §§ 280 Abs. 1, 314 Abs. 4, 249 Abs. 1, 252 BGB grundsätzlich den Schaden zu ersetzen, der diesem in Gestalt der bis zum Ablauf der vertraglich vereinbarten Vertragsdauer entstünde. Darum würde es vorliegend gehen.

Selbst bei einer (vom Berufungsgericht angenommenen) stillschweigenden Verlängerung des Mietverhältnisses würde dies hier gelten. Denn auch in diesem Fall  wäre das Mietverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vor dem Ende der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit beendet worden. Der Wegfall der langfristigen Bindung hätte allerdings auf der Pflichtverletzung der Beklagten beruht, die die Klägerin zur außerordentlichen Kündigung veranlasst habe. Das ordentliche Kündigungsrecht des Beklagten sei lediglich die Folge des eigenen vertragswidrigen Verhaltens, welches die Kündigung bedingte, gewesen.  

Der Höhe nach könnte die Klägerin allerdings nur den Mietausfall für den Zeitraum Dezember 2013 bis 14.03.2015 nach der Nettomiete von 15 Monate und einen 14/31-Monat à € 3.000,00 begehren, nicht die Umsatzsteuer, da es sich bei dem Mietausfall als Kündigungsfolgeschaden nicht um Entgelt iSv. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG handele (FG München vom 09.02.2017 - 14 K 2480/14 -; FG Hamburg vom 18.09.2002 - II 168/02 -; BGH zum Leasingvertrag vom 14.03.2007 - VIII ZR 68/96 -).

Die Verzugszinsen könnten auch nicht ab dem jeweiligen Monat der Fälligkeit von Mieten berechnet werden. Für einen Schadensersatzanspruch sei die Leistung nicht iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nach dem Kalender bestimmt und er stelle auch keine Entgeltforderung iSv. § 299 Abs. 2 BGB dar (BGHZ 199, 1). Damit könnte die Klägerin hier allenfalls Prozesszinsen nach §§ 281, 288 Abs. 1 BGB verlangen.

Der Rechtstreit sei nicht zur Entscheidung reif und müsse deshalb zurückverwiesen werden, da die Vorinstanzen nicht auf eine mögliche Schadensminderungspflicht der Klägerin, für die allerdings der Beklagte beweisbelastet sei, eingegangen seien. Es handele sich um einen Fall des § 254 Abs. 2 Satz 1 letzte Alt. BGB, die keine Einrede darstelle, sondern von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Den Parteien müsste Gelegenheit gegeben werden, dazu ergänzend vorzutragen, da es bisher an einem Hinweis gem. § 139 ZPO gefehlt habe.

BGH, Urteil vom 24.01.2018 - XII ZR 120/16 -

Mittwoch, 16. Mai 2018

(Keine) Wahlweise Hauptsacheerledigungserklärung oder materielle Schadensersatz-/Kostenerstattungsklage ?


Die Klägerin erhob eine Räumungsklage. Nach Zustellung der Klage und vor der mündlichen Verhandlung räumte die Beklagte, die damit einer Verurteilung auf Räumung zuvor kam. Seitens der Klägerin wurde nach der Räumung schriftsätzlich ausgeführt, dass in Ansehung der Räumung der Rechtsstreit „in der Hauptsache für erledigt zu erklären sein wird“, hat aber dann noch vor dem Verhandlungstermin eine Klageänderung dahingehend vorgenommen, dass die Kostentragungspflicht der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes festgestellt werden solle. Im Termin veranlasste das Landgericht die Klägerin dann doch zur Erledigungserklärung und hat die Kosten vollumfänglich gemäß § 91a ZPO der Beklagten auferlegt. Die Beschwerde der Beklagten führte zu einer Änderung der Kostenentscheidung durch das Beschwerdegericht (Kammergericht – KG) dahingehend, dass die Beklagte 86%, die Klägerin 14% der erstinstanzlichen Kosten und für das Beschwerdeverfahren die Beklagte 73% und die Klägerin 27% zu tragen habe.

Vom Grundsatz her geht auch das KG in seiner Entscheidung davon aus, dass grundsätzlich die Kosten des Verfahrens vollumfänglich von der Beklagten zu tragen gewesen wären, da diese Veranlassung zur Klage gegeben habe. Von einer entsprechenden Kostenentscheidung alleine zu Lastend er Beklagten sei allerdings abzuweichen, da es die Klägerin unterlassen hätte, zeitlich vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung nach der Räumung durch die Beklagte die Hauptsache für erledigt zu erklären und die Verhandlung auf den statt dessen von der Klägerin angekündigten materiell-rechtlichen Feststellungsantrag zurückzuführen sei.

Anders als das Landgericht negierte das KG die Sachdienlichkeit der Klageänderung nach § 263 ZPO in einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch. Die prozessualen Kostenregelungen in den §§ 91ff ZPO seien in Bezug auf den laufenden Rechtstreit vorrangig und auch grundsätzlich abschließend. Anders als materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen würden sie an ein ebstehendes Prozessrechtsverhältnis anknüpfen und die Kostentragung unabhängig von einem Verschulden alleine nach dem Maß des Obsiegens zum Unterliegen regeln. So würde der Kläger auch dann die Kosten des Rechtsstreits gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO tragen, wenn er die Klage wegen nach Rechtshängigkeit eintretender Erledigung zurücknehmen würde. Erledigung nach Rechtshändigkeit (BGH, Beschluss vom 27.03.2003 - II ZB 38/02 -). Der Kläger, dessen Klage sich nach Rechtshängigkeit erledigt, sei daher gehalten, die Hauptsache für erledigt zu erklären; schließe sich der Gegner an, komme es zur Kostenentscheidung nach § 91a ZPO, schließe er sich nicht an, zum Erlass eine Feststellungsurteils über die Erledigung mit entsprechender Kostenentscheidung (BGH aaO.; war also die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet, hat der Gegner die Kosten zu tragen, andernfalls der Kläger, und bei Nichtklärung nach dem zum zeitpunkt des erledigenden Ereignisses käme auch eine Kostenquotelung in Betracht).

Die ZPO biete dem Kläger kein Wahlrecht dahingehend, ob er eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO (im Falle der Anschließung des Gegners) „riskiere“ oder lieber durch Klageänderung eine materiell-rechtliche Prüfung durch das Gericht (mit möglicher Beweisaufnahme) erzwinge (so auch OLG München, Beschluss vom 03.08.2915 - 18 U 1787/15 -).

Soweit der BGH eine Umstellung der Klage auf einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch bzw. eine entsprechende Feststellung zugelassen habe, hätten dem andere Sachverhalte zugrunde gelegen.

Zum Einen beträfe dies die Sonderfälle, in denen der Kläger mangels einer prozessualen Kostenregelung keine Möglichkeit hätte einer möglichen Kostenlast zu entgehen und es unzumutbar und prozessunökonomisch wäre, ihn auf eine gesonderte Kostenklage zu verweisen (so BGHZ 79, 275; z.B. der nach erteilter Auskunft unbegründete Zahlungsanspruch einer Stufenklage, BGH, Urteil vom 05.05.1994 – III ZR 98/94 -).

Zum Anderen wäre der Fall betroffen, dass die Klage vor Rechtshängigkeit zur Erledigung komme (BGH, Urteil vom 18.04.2013 - III ZR 156/12 -). Hier könnte der Kläger die Klage zurücknehmen und gem. § 279 Abs. 3 S. 3 ZPO Kostenantrag stellen. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers auf eine Klageänderung in eine Kostenerstattungsklage anstelle der Klagerücknahme mit Kostenantrag nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO habe der BGH mit Hinweis darauf negiert, dass der Weg des Kostenantrags nicht in gleicher Weise sicher und wirkungsvoll sei. Zugrunde lag dem ein Fall, in dem die dortige Klägerin ihre Klage vor deren Zustellung zurücknahm und sodann (neu) eine Kostenklage erhob. Daraus lasse sich, so das KG, nicht ableiten, dass es der Kläger stets und auch im Anwendungsbereich des § 91a ZPO in der Hand haben müsse, ein summarisches Verfahren über die Kostenfrage (wie bei §§ 91a, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO) zu verhindern; zudem habe der BGH nicht entschieden, dass im laufenden Verfahren eine Klageumstellung möglich sei.  

Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass es durch den Termin (infolge der Klageumstellung, da ansonsten im Beschlussweg ohne mündliche Verhandlung nach § 91a ZPO bei Anschließung der Beklagten hätte entschieden werden können) durch die Termingebühr zu Mehrkosten gekommen, die zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen seien. Im Rahmen der Beschwerde, mit der die Beklagte eine Kostenaufhebung angestrebt habe, sei dies ebenfalls quotal im Rahmen des Unterliegens zu berücksichtigen, § 92 Abs. 1 ZPO.

KG, Beschluss vom 26.02.2018 - 8 W 2/18 -

Dienstag, 15. Mai 2018

Zur Auslegung einer Verweisklausel auf Tarifverträge / Tarifvertragsklauseln und von Tarifverträgen

Die im Dezember 1961 geborene  Klägerin schloss mit der damals rechtlich selbständigen Körperschaft öffentlichen Rechts, die mit dem 01.01.2013 in der jetzigen Beklagten aufging,  am 05.12.2012 einen Vorruhestandsvertrag, nach dessen Inhalt sie unter Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 01.04.2013 in den Vorruhestand eintrat. Zur Höhe des Vorruhestandsgeldes, welches jeweils am 15. eines Monats ab dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monats gezahlt werden sollte, wurde auf den Fusionstarifvertrag (Fu-TV/LSV, dort § 11 Abs. 1) Bezug genommen. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage die Feststellung, dass die Beklagte ab dem 15.01.2017 (mit Vollendung ihres 55. Lebensjahres) verpflichtet sei ihr statt bisher 75% der Bezugsgröße als Vorruhestandsgeld ab dann 85% der Bezugsgröße zu zahlen. § 11 Fu-TV/LSV lautet auszugsweise:


„(1) Kann einem Beschäftigten kein Arbeitsplatz nach § 5 Abs. 1 angeboten werden, so endet das Beschäftigungsverhältnis auf Antrag des Beschäftigten mit  gleichzeitiger Zusage der Zahlung eines Vorruhestandsgeldes. Die Höhe des Vorruhestandsgeldes beträgt monatlich
-          75% der Urlaubsvergütung, wenn der Beschäftigte das 50. Lebensjahr und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendte hat,
-          85% der Urlaubsvergütung, wenn der Beschäftigte das 55. Lebensjahr (bei Schwerbehinderten das 50. Lebensjahr) vollendet hat.
Das Vorruhestandsgeld wir entsprechend den allgemeinen Vergütungserhöhungen im Bereich des öffentlichen Dienstes erhöht. …
(2) …
Die Zahlung des Vorruhestandsgeldes endet mit Ablauf des Monats, in dem der Vorruhestandsgeldbezieher das für die Regelaltersgrenze maßgebliche Lebensjahr vollendet.“

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg das Urteil ab und wies die Klage ab.

Das LAG hielt fest, dass nicht nur keine Zweifel an der Regelung zur Höhe des Vorruhestandsgeldes iSd. § 305c Abs. 2 BGB bestünden, sondern eine Nichtigkeit auch deshalb nicht gegeben sei, da die Globalverweisung im Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag  gem. § 310 Abs. 4 S. 1 BGB zur Unabwendbarkeit der Regelungen der §§ 305ff BGB führe. In dem (Ergänzungs-) Arbeitsvertrag aus 2003 hätten die Parteien geregelt, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT/LSV und den diesen ergänzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung richte und diese Globalverweisung auch den Fu-TV/LSV umfasse. Im übrigen käme die Unklarheitenregelung des § 305c BGB auch deshalb nicht zum Tragen, da eine entfernte Möglichkeit einer anderweitigen Auslegung (auch hier durch das LAG) für die Anwendbarkeit des § 395c BGB nicht ausreichend sei.

Vorliegend sei aber eindeutig bei der Regelung in § 11 Abs. 1 Fu-TV/LSV eine statische Bezugnahme auf das Lebensalter zum Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses gemeint.

Die Tarifwortwahl differenziere zwischen „Beschäftigten“ und „Vorruhestandsgeldbezieher“. In § 11 Fu-TV/LSV hätten die Tarifvertragsparteien geregelt, mit wieviel Prozent einer Bemessungsgrundlage das Vorruhestandgeld anzusetzen sei, wenn „der Beschäftigte“ ein bestimmtes Alter erreicht habe. Entscheidend würde auf das Lebensalter des „Beschäftigen“ als jenem abgestellt, der noch im aktiven Arbeitsverhältnis als Arbeitnehmer stünde. Mit Beginn des Vorruhestandes würde nach dem Tarifwortlaut aus dem ehemals Beschäftigten der „Vorruhestandsgeldbezieher“. § 1 Abs. 1 S. 2 Fu-TV/LSV regele zwei unterschiedliche Alternativen und sehe weder nach dem Wortlaut noch nach dem optischen Erscheinungsbild der Regelung eine Ablösung der 1. von der 2. Alternative vor.

Die Entstehungsgeschichte ließe auch keine andere Auslegung zu. Ein vom festgestellten Wortlaut maßgeblicher Wille der Tarifvertragsparteien sei nicht feststellbar. Dies gelte auch für ein als „Ergebnisniederschrift“ bezeichnetes Protokoll einer Informationsveranstaltung der Arbeitgeberseite, da aus diesem eine gemeinsame Erklärung der Verbände nicht ersichtlich wäre. Und auch ein „Mustervertrag“ der Arbeitgeberseite, der anders als § 11 Abs. 1 Du-TV/LSV von einer Steigerung des Vorruhestandgeldes bei Vollendung des 55. Lebensjahres ausgehe, sei nicht geeignet hier zur Auslegung beizutragen, da dieser nicht von den Tarifvertragsparteien entworfen worden sei und insbesondere nicht als Anlag zum Tarifvertrag genommen worden sei.

Soweit zudem in § 11 Abs. 1 S. 4 Fu-TV/LSV zur Erhöhung des Vorruhestandgeldes auf die Erhöhungen im Bereich des öffentlichen Dienstes verwiesen würde, erhelle sich auch hier, dass die Erhöhung nach diesen Parametern erfolgen solle und mithin die Regelung in § 11 Abs. 1 S. 2 zwei statische Alternativen darstelle und nicht eine Erhöhung während des Vorruhestandes bezwecken würden.

Auch Sinn und Zweck würden nicht für eine Auslegung im Sinne der Klägerin sprechen. Es sei den Tarifvertragsparteien um die Minderung der Umstände gegangen, die eintreten würden, wenn kein Arbeitsplatz nach § 5 Abs. 1 Fu-TV/LSV angeboten werden könne und der Arbeitnehmer mit der Begründung eines Vorruhestandsverhältnisses einverstanden sei. Da § 14 Fu-TV/LSV regele, dass die Arbeitsvertragsparteien von den tariflichen Regelungen ergänzend Gebrauch machen könnten, wenn dies der Erreichung der Ziele des Tarifvertrages diene, könne hier auch auf sich beruhen, ob der Klägerin ein Arbeitsplatz nach § 5 Abs. 1 Fu-TV/LSV angeboten werden konnte.  Ziel des Tarifvertrages sei nach der Präambel die Wahrung der Rechte bei organisatorischen Veränderungen und die sozialverträgliche Gestaltung bei organisatorischen Entwicklungen. Die Differenzierung im Alter in § 11 Abs. 1 Fu-TV/LSV habe ihren Grund darin, dass es jüngeren Beschäftigten eher möglich sei einen neuen Arbeitsplatz zu finden als älteren Beschäftigten.

Da es eine einheitliche Tarifübung bei den ehedem selbständigen Körperschaften nicht gegeben habe, läge auch keine Tarifübung vor, die gegen die statische Anwendung der Regelung in § 11 Abs. 1 Fu-TV/LSV spräche.

Ebenfalls ergäbe sich aus der betrieblichen Übung nichts anderes. Dies hätte zur Voraussetzung gehabt, dass ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers vorläge, aus dem der Arbeitnehmer hätte schließen dürfen, der Arbeitgeber wolle sich zu einer Leistung auch in Zukunft verpflichten. Weder die Beklagte noch der frühere Arbeitgeber (die ehedem eigenständige Körperschaft, in der die Klägerin tätig war) hätten den Mustervertrag angewandt. Die anderweitige Praktizierung bei anderen, damals rechtlich selbständigen Arbeitgebern würde nicht die betriebliche Übung begründen können.

Ebenso läge kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG bzw. den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes vor. Mit der Regelung hätten die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums und ihrer Einschätzungsprärogative einerseits nach dem Lebensalter und damit der möglichen Bezugsdauer des Vorruhestandsgeldes und andererseits nach dessen Höhe differenziert und damit auch die Belastung der Beklagten durch eine fünf Jahre längere Zahlung ohne Gegenleistung einerseits und die schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer andererseits berücksichtigt.

Eine Altersdiskriminierung nach § 7 Abs. 2 AGG läge auch nicht vor, da die Regelung nach § 10 S. 1 und 2, S.3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt sei.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.03.2018 - 23 Sa 1353/17 -

Freitag, 11. Mai 2018

Wohnungseigentum: Zur Pflicht des abgewählten Verwalters zur Erstellung der Jahresabrechnung


In der Eigentümerversammlung der klagenden WEG vom 21.01.2015 wurde die Beklagte als Verwalterin abberufen und die Kündigung des Verwaltervertrages mitgeteilt. Die neue Verwaltung forderte die Beklagte im Juni 2015 auf, die Jahresabrechnung 2014 zu erstellen, dem die Beklagte, auch nach Fristsetzung, nicht nachkam. Die Klägerin ließ daraufhin die Jahresabrechnung gegen Zahlung einer Sondervergütung in Höhe von € 804,14 von der neuen Verwaltung erstellen und machte diesen Betrag nebst Zinsen und außergerichtlicher Kosten gegen die Beklagte gerichtlich geltend. Der Klage wurde vom Amtsgericht stattgegeben. Berufung und (zugelassene) Revision der Beklagten wurden zurückgewiesen.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte wurde aus §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 2 BGB in Ansehung einer angenommenen Verletzung einer Vertragspflicht durch die Beklagte hergeleitet. Die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung ergäbe sich aus § 28 Abs. 3 WEG, wobei mangels anderweitiger Darlegungen im landgerichtlichen Urteil der BGH davon ausging, dass das Kalenderjahr dem Wirtschaftsjahr entspricht. Damit sei der Anspruch auf Abrechnung des Wirtschaftsjahres 2014 mit dem 01.01.2015 entstanden; es käme nicht darauf an, dass das Verwalteramt im Laufe des Monats Januar endete.

Der BGH setzt sich in seiner Entscheidung mit der unterschiedlich beantworteten Frage in Literatur und Rechtsprechung auseinander, wer nach einem Wechsel des Wohnungseigentumsverwalters (zum Ende des Wirtschaftsjahres oder während des Wirtschaftsjahres) die Jahresabrechnung für das endende bzw. beendete Wirtschaftsjahr zu erstellen habe. Der BGH hat diese Rechtsfrage nun dahingehend höchstrichterlich geklärt, dass die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG denjenigen Verwalter trifft, der im Zeitpunkt der Entstehung der Anrechnungspflicht Amtsinhaber ist. Scheidet er (unabhängig vom Zeitpunkt) im Laufe des Wirtschaftsjahres aus, schulde er mangels anderweitiger Vereinbarung die Jahresabrechnung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr, unabhängig von deren Fälligkeit (sie ist innerhalb von drei bis sechs Monate nach dem Ablauf des Wirtschaftsjahres fällig, vgl. OLG Zweibrücken vom 11.05.2007 - 3 W 143/96 - und BayObLG WE 91, 223). Die Fälligkeit, so der BGH, würde nichts darüber aussagen, wer die Leistung schulde. Es würde lediglich der Zeitpunkt bestimmt, zu dem der Gläubiger die Leistung verlangen könne. Im übrigen sei der Zeitpunkt der Fälligkeit auch zu unbestimmt, da er auch davon abhänge, wann die im Abrechnungszeitraum angefallenen Verbrauchskosten ermittelt wären.

Sei die Pflicht zur Erstellung der Jahresabrechnung einmal entstanden, bestünde sie auch dann fort, wenn der Verwalter aus dem Amt scheide. Der Verwaltervertrag sei ein auf eine Geschäftsbesorgung gerichteter Dienstvertrag (BGH vom 18.02.2011 - V ZR 197/10 -) und es würde allgemeiner Ansicht entsprechen, dass nach Beendigung desselben nachwirkende Pflichten bestehen könnten. Dazu gehöre hier die Erstellung der Jahresabrechnung, wenn diese in der Amtszeit des Verwalters entstanden sei.

Es läge auch keine Unmöglichkeit für den ausgeschiedenen Verwalter vor. Er habe, sollten sich die Unterlagen bei dem neuen Verwalter befinden, ein Einsichtsrecht (OLG Celle vom  08.06.2005 - 4 W 107/05 -).

Ausdrücklich offen lässt der BGH die (ebenfalls in Rechtsprechung und Schrifttum streitige) Frage, ob ein Anspruch gegen den ausscheidenden Verwalter auch dann bestünde, wenn er am letzten Tag des Wirtschaftsjahres ausscheide, da es vorliegend darauf nicht ankäme.

BGH, Urteil vom 16.02.2018 - V ZR 89/17 -