Montag, 27. Januar 2014

Übernahme von Bußgeldern durch Arbeitgeber führt in der Regel zu Arbeitslohn

(Bild: Andreas Hermsdorf - pixelio.de)
Der BFH hatte sich in seinem Urteil vom 14.11.2013 – VI R 36/12 - mit der Übernahme von Bußgeldern durch einen Spediteur auseinanderzusetzen, die gegen Fahrer von ihm wegen Verstoßes gegen Lenk- und Ruhezeiten verhängt wurden. Er entschied, dass es sich dabei nicht um Aufwand des Spediteurs handelt, sondern um steuerpflichtigen Arbeitslohn des betroffenen Mitarbeiters.  Der Arbeitslohncharakter  würde nur dann entfallen, wenn sich die Zahlung durch den Spediteur als Arbeitgeber objektiv als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen ergäbe. Dies ist der Fall, wenn ganz überwiegend eigenbetriebliche Interessen des Arbeitgebers bestünden, was bei einem rechtswidrigen Tun nicht der Fall sei.  In seinem Urteil vom 07.07.2004 – VI R 29/00 – hatte der Senat entschieden, die Übernahme von Verwarnungsgeld eines Pakettransportunternehmens wegen Haltens im Halteverbot stelle sich nicht als Arbeitslohn dar.


In seiner Entscheidung 2004 führte der BFH zur Begründung an, die gegenüber den Kunden übernommene Verpflichtung einer fristgerechten Lieferung, insbesondere aber die der (damaligen) Deutschen Bundespost als Konkurrenzunternehmen eingeräumten günstigeren Rahmenbedingungen und Sonderrechte (vgl. auch § 35 Abs. 7 StVO) berührten die Klägerin unmittelbar in ihrem unternehmerischen Kernbereich. Eine entsprechende Ausnahmesituation ist aber für Lenk- und Ruhezeiten nicht gegeben. 

BFH, Urteil vom 14.11.2013 - VI R 36/12 -

Dienstag, 21. Januar 2014

Ein Kommentar: Internet, Automatismus und die Halbheiten im Rechtswesen


Es wurde das automatisierte Mahnverfahren eingeführt. Diejenigen, die (wie z.B. Rechtsanwälte) ständig im Mahnwesen tätig sind, können Mahnbescheide nur noch per Internet über EGVP beantragen, ebenso wie den Vollstreckungsbescheid. So weit, so gut. Doch problematisch wird es, wenn der Schuldner gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegt und dann auf Antrag des Gläubigers (resp. seines anwaltlichen Vertreters) die Abgabe zur Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt wird. Damit ist formal das Mahnverfahren beendet. Entscheidet sich jetzt der Schuldner anders, z.B. da er einen Hinweis des Gerichts erhält, seine Rechtsverteidigung sei nicht erfolgversprechend, und nimmt nunmehr seinen Widerspruch zurück, ist im ursprünglichen Mahnverfahren der Vollstreckungsbescheid zu beantragen. Allerdings nicht mehr bei dem Mahngericht, sondern nunmehr bei dem für das streitige Verfahren zuständigen Gericht. Hier aber kann der Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides nicht mehr über das automatisierte Mahnverfahren mittels EGVP beantragt werden. Verlangt wird regelmäßig, dass der alte Durchschlagbogen manuell ausgefüllt und eingereicht wird.

Auch hier hat die Justiz versagt, da sie bei Einführung des automatisierten Mahnverfahrens und bis heute nicht die Praxistauglichkeit gerade in Bezug auf den nicht seltenen Fall berücksichtigt, dass ein Widerspruch später (bei Anhängigkeit vor dem Streitgericht) zurückgenommen wird. Antiquiert muss nun mühevoll wieder das alte Formular (so nicht vorsorglich bereits vorhanden) beschafft und bearbeitet werden. Es wäre zu hoffen gewesen, dass die Justiz in den letzten Jahren gelernt hätte und dieses Manke beseitigt hätte. Aber offenbar hat sich das Problem bisher noch nicht zu den Verantwortlichen durchgesprochen, die ihre Entscheidungen wohl am grünen Tisch und ohne Bewusstsein der Realität treffen.



Mittwoch, 15. Januar 2014

Fitnessstudiovertragsrecht: Keine Kündigungsmöglichkeit wegen Umzug

Der Nutzer hatte mit dem Betreiber des Fitnessstudios einen Nutzungsvertrag über 6 Monate abgeschlossen, der, sollte er nicht mit einer Frist von drei Monaten vor Vertragsablauf gekündigt werden, sich jeweils um sechs Monate verlängern sollte. Am 09.08.2012 kündigte der Nutzer den Vertrag, da er einige hundert Kilometer entfernt verziehen würde um sein Studium aufzunehmen. Der Fitnessstudiobetreiber forderte das Nutzungsentgelt für die Vertragsdauer bis zum nächst möglichen ordentlichen Kündigungstermin.

Das AG Düsseldorf gab der Klage (unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 11.11.2010 - III ZR 57/10 -  zu einem DSL-Vertrag) statt. Es hat damit eine zwischenzeitlich gängige Rechtsprechung in Deutschland bestätigt, der zufolge der Nutzer bei einem (auch beruflich begründeten) Umzug der Nutzer kein Recht auf eine vorzeitige Vertragsbeendigung hat.
AG Düsseldorf, Urteil vom 23.12.2013 - 51 C 12245/13 -

Sonntag, 12. Januar 2014

Abbiegen und Kollision mit überholenden Motorradfahrer - Haftungsabwägung

Hartmut910  / pixelio.de
Verkehrsunfälle beim Abbiegen gehören mit zu den häufigsten. Allgemein wird davon ausgegangen, dass dem
Abbiegenden nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises (prima facie Beweis) die (Allein-) Schuld trifft. Das OLG Hamm hat in seinem Urteil vom 09.07.2013 – 9 U 191/12 – dies im Hinblick auf einen eine kleine Kolonne überholenden Motorradfahrer anders gesehen und lediglich den Unabwendbarkeitsnachweis  für den abbiegenden Fahrzeugführer als nicht geführt angesehen und diesen deshalb zu 25% haften lassen (übliche Praxis bei Nichtführen des Unabwendbarkeitsnachweises). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der abbiegende Kraftfahrzeugführer nach Angaben eines Zeugen 100 – 150m vor Einleitung des Abbiegevorgangs den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte und weder festgestellt werden konnte, dass der abbiegende Kraftfahrer den überholenden Motorradfahrer hätte sehen müssen noch festgestellt werden konnte, dass er seiner Rückschaupflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre.

Donnerstag, 9. Januar 2014

Wann liegt bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung Vorsatz vor und droht eine erhöhte Geldbuße ?

Bernd Kasper -  pixelio.de
Der Betroffene wurde bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h geblitzt, nachdem zuvor drei Schilder die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn mit 100 km/h angaben. Das Amtsgericht Soltau war hier nicht zimperlich: Da der Betroffene an drei die Geschwindigkeitsreduzierung anzeigenden Verkehrsschildern vorbeigefahren sei, müsse bei einer Überschreitung der Geschwindigkeit von Vorsatz ausgegangen werden. Jedenfalls aber läge Vorsatz im Sinne des dolus eventualis vor, wenn er die Schilder nicht gesehen haben sollte, da er dann Unaufmerksam gewesen wäre und damit die Überschreitung billigend in Kauf genommen hätte.


Häufig kann Vorsatz bei der Geschwindigkeitsüberschreitung angenommen werden auf der Grundlage der Einlassung des Betroffenen. Nämlich dann, wenn er den Versuch der Rechtfertigung unternimmt. Mit der Rechtfertigung ist das Bewusstsein der Kenntnis zu verbinden. Lässt sich der Betroffene aber nicht ein, fehlen in der Regel Anhaltspunkte. Diese glaubte nun das Amtsgericht an Umständen wie der Möglichkeit der Kenntnisnahme von Fahrgeräuschen annehmen zu dürfen. Es verhängte eine Geldbuße von € 180,00 statt der nach dem zum Urteilszeitpunkt geltenden Bußgeldkatalog von € 80,00.


Der Betroffene nahm dies nicht hin. Er beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde, dem das OLG Celle stattgab. Mit seinem Beschluss vom 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13 – ließ es die Rechtsbeschwerde zu und verwarf diese nur insoweit, als über den Regelsatz von € 80,00 eine erstinstanzliche Verurteilung erfolgte. Es wies darauf hin, dass Vorsatz nur angenommen werden könne, wenn Kenntnis der Geschwindigkeitsüberschreitung und kumulativ Kenntnis deren Überschreitung vorläge. Zwar könne mit dem Amtsgericht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene die Beschilderung zur Kenntnis genommen habe (insoweit verwies es auf die Entscheidungen BGHSt 43, 241, 251 und OLG Celle NZV 211, 618). Aber es könne entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht davon ausgegangen werden dass der Betroffene Kenntnis von der Überschreitung habe. Der in der Rechtsprechung geprägte Erfahrungssatz, dass die Fahrgeräusche und die sich schnell verändernde Umgebung den Rückschluss auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung zuließen, würden eine erhebliche Überschreitung verlangen, die nicht bei 25% sondern bei ca. 40% läge. Soweit niedrigere Überschreitungen bereits zum Vorsatzvorwurf führten (z.B. OLG Jena DAR 2008, 35) hätten weitere Umstände vorgelegen, die auf den Vorsatz einen Rückschluss zuließen. So käme es auf ein positiv festgestelltes Fahrverhalten vor der streitbefangenen Feststellung an, wie mehrere weitere festgestellte Geschwindigkeitsverstösse im engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang.

OLG Celle, Beschluss vom 28.10.2013 - 322 SsRs 280/13 -


Mittwoch, 8. Januar 2014

Trunkenheit des Fußgängers bei Verkehrsunfall mit Fahrzeug und Mithaftung


adel / pixelio.de
Bei einem Kfz-Unfall mit einem Fußgänger muss seitens des verklagten Fahrers (und seines Versicherers) ein Mitverschulden (§ 254 BGB) des Fußgängers dargelegt und nachgewiesen werden. Verwertet darf nur ein nachweisbar schuldhaftes Verhalten des Fußgängers werden, welches zum Schaden oder Schadensumfang beigetragen hat. Dies gilt auch dann, wenn der Fußgänger betrunken war (hier: 1,75 Promille); eine Mithaftung wegen bloß vermuteter Tatbeiträge oder der bloßen Möglichkeit der Mitverursachung oder Verursachung durch Schaffung einer Gefährdungslage (durch Trunkenheit) bleibt außer Betracht (BGH vom 24.09.2013 – VI ZR 255/12 -).
BGH, Urteil vom 24.09.2013 - VI ZR 255/12 -

Sonntag, 29. Dezember 2013

Räumung Dritter nach § 940a Abs. 2 ZPO - auch für Gewerberäume ?

Die Vorschrift des § 540a Abs. 2 ZPO ist an sich klar und unzweideutig:

“Die Räumung von Wohnraum darf durch einstweilige Verfügung auch gegen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist, wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat.”
Vor diesem Hintergrund haben auch sowohl das LG Köln mit Beschluss vom 12.06.2013 – 1 T 147/13 – als auch das Kammergericht mit Beschluss vom 05.09.2013 – 8 W 64/13 -  die Zulässigkeit einer einstweiligen verfügung gegen Dritte auf Räumung von Gewerberäumen negiert. Das LG Hamburg hat mit Urteil vom 27.06.2013 – 334 O 104/13 – die Zulässigkeit einer entsprechenden einstweiligen Verfügung bejaht. Die Abweichung vom Gesetzeswortlaut wird damit begründet, dass die Wertunen des § 940a Abs. 2 ZPO auch für Gewerberäume zu berücksichtigen sei und von daher, wenn entsprechendes für Wohnraum gilt, es erst recht bei Gewerberäumen möglich sein müsse.
Die Entscheidung des LG Hamburg verkennt Grundprinzipien der zulässigen Analogiebildung und der Beachtung der Deutlichkeit des Gesetzes. § 940a ZPO ist nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich für Wohnräume normiert. Der Gesetzgeber hätte bei der Regelung ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, die Vorschrift auch auf Gewerberäume auszudehnen. Davon hat er keinen Gebrauch gemacht.
Die Judikative ist an Recht und Gesetz gebunden. Sie hat nicht die Aufgabe eines “zweiten Gesetzgebers”. Zwar hinder dies den Richter nicht, das Recht fortzuentwickeln (BverfG vom 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07 -). Die maßgebliche gesetzgeberische Grundentscheidung, an die die Gerichte verfassungsrechtlich gebunden sind, trifft aber der Gesetzgeber (BVerfG vom 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 -).  Unzulässig ist es, auf Grund allgemeiner Überlegungen (wie sie hier das LG Hamburg anstellte) eine gesetzgeberische Regelung geradezu auf den Kopf zu stellen (BGH vom 19.04.1987 – VIII ZR 251/86 -).  Die Ausdehnung der Norm auch auf Gewerberäume lässt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien heraus begründen. Dies aber wäre notwendig, um für die Entscheidung im Rahmen einer Rechtsfortbildung eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage zu haben.  Es liegt ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot vor,