Posts mit dem Label zeuge werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label zeuge werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 27. August 2022

Zum Substantiierungserfordernis bei Zeugenbenennung

Die Klägerin war im Empfang des von der Beklagten betriebenen Krankenhauses tätig. Im Januar teilte die Beklagte ihr mit, sie wolle sie im Früh- und Spätdienst eisnetzen. Unter Hinweis auf den Grad der Behinderung von 50 begehrte von der Beklagten als Arbeitgeberin, aus gesundheitlichen Gründen nur im Frühdienst eingesetzt zu werden; sie sei nicht in der Lage im Spätdienst bzw. im Wechsel im Früh- wie auch im Spätdienst tätig zu werden und verwies dazu auf Stellungnahmen ihrer behandelnden Ärzte. Eine entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigung bestritt die Beklagte unter Verweis auf die Einschätzung ihrer Betriebsärztin. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der beklagten wurde zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) der Beklagten wurde das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machte die Beklagte die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) geltend, da das LAG  von der Vernehmung der von ihr als sachverständigen Zeugin benannten Betriebsärztin abgesehen habe.

Das BAG verwies auf die Rechtsprechung des BGH (Urteile vom 14.01.2020 - VI ZR 97/19 - und vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18 -), demzufolge ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorläge, wenn das Gericht die an eine hinreichende Substantiierung zu stellenden Anforderungen überspanne und deshalb den Beweis nicht erhebe. § 373 ZPO würde von der Partei, die die Zeugeneinvernahme beantrage, verlangen, den Zeugen zu benennen und die Tatsachen zu bezeichnen, über die der Zeuge vernommen werden soll. Es verlange von der Partei nicht sich dazu zu äußern, welche Anhaltspunkte sie für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptung habe. Die Substantiierungspflicht eines Sachvortrags hänge vom Kenntnisstand der Partei ab (BGH, Urteil vom 14.01.2020, aaO.). Die Partei sei nicht verpflichtet, Ermittlungen von ihr unbekannten Umständen (oder solchen Umständen, die ihr unbekannt sein könnten) vorzunehmen.

Das LAF sei, ohne die Zeugin zu vernehmen, davon ausgegangen, dass die Zeugin nur Schlussfolgerungen tätigen könne, die für die Überzeugungsfindung des Gerichts nicht erheblich seien, da die Beklagte nicht mitgeteilt habe, auf welchen Tatsachen die Schlussfolgerungen beruhen würden. Darin läge der Gehörsverstoß, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass das LAG nach deren Vernehmung zu der Überzeugung (§ 286 ZPO) gelangt wäre, dass der Einsatz der Klägerin im Spätdienst bzw. im Wechsel zwischen Früh- und Spätdienst möglich ist.

Das BAG wies ergänzend darauf hin, dass die Klägerin die Betriebsärztin von ihr Schweigepflicht befreien müsse, du für den Fall, dass sie dies unterlässt, dieser Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung durch das LAG im Rahmen des § 286 ZPO berücksichtigt werden müsse.

Anmerkung: Nach dem Inhalt des Beschlusses des BAG bezog sich die Klägerin lediglich auf schriftliche Gutachten behandelnder Ärzte, die Beklagte auf das Zeugnis des Betriebsarztes. Bei allen Ärzten handelte es sich um sachverständige Zeugen, wobei die schriftlichen Angaben der die Klägerin behandelnden Ärzte allenfalls als Privaturkunden im Verfahren verwertet werden können (§ 416 ZPO). Die unterschriebene Privaturkunde bezeugt aber grundsätzlich nur, dass sie von dem unterschreibenden Aussteller stammt, nicht deren inhaltliche Richtigkeit (anders öffentliche Urkunden, § 418 ZPO). Ein sachverständiger Zeuge ist auch nur Zeuge, nicht Sachverständiger gem. §§ 402 ff ZPO. Der sachverständige Zeuge ist nicht berufen, Schlussfolgerungen zu ziehen, sondern kann aufgrund seines Sachverstandes nur die Grundlagen klären, die dann letztlich von einem Sachverständigen zu würdigen wären. Mithin könnte nach der Beweiserhebung durch die als Zeugin benannte Betriebsärztin lediglich geklärt werden, welche gesundheitlichen Einschränkungen es bei der Klägerin gibt, dürfte aber nicht geklärt werden, ob dies auch einem Spät- oder Wechseldienst entgegensteht. Dies wäre letztlich durch ein Sachverständigengutachten zu klären. Bestreitet zudem die Beklagte die Richtigkeit der Feststellungen und die Richtigkeit der Schlussfolgerungen in den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen, wäre die Klägerin auch hier beweisbelastet für die Richtigkeit, wobei auch insoweit wiederum für die Schlussfolgerung an sich ein Sachverständigengutachten erforderlich wäre.

BAG, Beschluss vom 06.04.2022 -5 AZN 700/21 -

Donnerstag, 9. April 2020

Zeugenentschädigung: Verminderter Anspruch bei Anreise von einem weiter entfernten Ort als dem Ladungsort


Die Zeugenentschädigungen in Deutschland sind ohnehin nicht „üppig“ und decken häufig nicht einmal den tatsächlichen Aufwand (wie Verdienstausfall und auch Fahrtkosten). Umso ärgerlicher ist es dann, wenn der Zeuge nicht einmal die Fahrtkosten für die tatsächlich zurückgelegte Strecke erhält. Der Fall zeigt auf, dass auch ein Zeuge unter Umständen gegenüber dem Gericht tätig werden muss, will er die gesetzliche Aufwandsentschädigung vollständig erhalten.

Sachverhalt: Der Zeuge wurde vom Amtsgericht (AG) unter seiner Wohnanschrift in R. zu einem Verhandlungstermin am 23.11.2017 geladen. Der Zeuge erschien auch und wurde vernommen. Allerdings lehnte die Kostenbeamtin seinen Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten für eine Strecke von (hin und zurück) 800km (à € 0,25/km), wohl von seinem Beschäftigungsort, sowie einen Verdienstausfall für 11,5 Stunden (à € 25,86/Stunde) ab und gewährte nur eine Entschädigung für 100km( hin und zurück) à € 0,25/km und 10 Stunden Verdienstausfall à € 21,00/Stunde. Eine vom Zeuge begehrte „Auslöse“ von € 24,00 wurde auch abgelehnt.

Zur Entscheidung des AG:

a) Verdienstausfall
Nach § 22 JVEG wird der Verdienstausfall nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschl. der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge berechnet. Das AG wies darauf hin, dass § 22 JVEG eine Höchstgrenze von € 22,00/Stunde vorsehe und nach § 19 Abs. 2 JVEG auch nur höchstens 10 Stunden/Tag erstattet werden. Dies gelte auch dann, wenn dem Zeugen für einen längeren Zeitraum ein höherer Verdienstausfall entstanden sei. Von daher wären maximal € 210,00 und nicht, wie begehrt, 11,5 Stunden à € 25,86 (insges. € 297,29) und € 24,00 zu erstatten.

b) Fahrtkosten
Nach Auffassung des Amtsgerichts, die im Übrigen von der herrschenden Rechtsprechung geteilt wird, muss der Zeuge dem Gericht unverzüglich mitteilen, wenn er von einem anderen (weiter entfernt liegenden) Ort seine Reise als dem Ladungsort (hier seine Wohnanschrift) zum Gerichtstermin antreten werde. Nur wenn in diesem Fall das Gericht seine Ladung aufrecht erhalte, habe der Zeuge einen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten von dem von ihm angezeigten Ort zum Gerichts- bzw. Terminsort. Dies würde auch dann gelten, wenn er zwar nicht unmittelbar nach der Ladung die Mitteilung mache, wenn er jedenfalls die Mitteilung noch so rechtzeitig vor dem Termin mache, dass das Gericht darüber befinden könne, ob diese Fahrt „durch  besondere Umstände genötigt“ (§ 5 Abs. 1 JVEG) sei.

Der Zeuge habe keine Mitteilung, insbesondere zu dem Grund der Anreise von einem anderen Ort, an das Gericht gemacht, weshalb eine Prüfung nach § 5 Abs. 1 JVEG nicht möglich gewesen sei. Daher trage er das Risiko, dass das Gericht bei einer Entschädigung solche Umstände nicht anerkennt und er von daher die Kosten selbst tragen müsse.

c) Ermessensentscheidung
Es handele sich um eine Entscheidung, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stünde. Zur Ausübung desselben wies das AG darauf hin, dass die Mehrkosten erstattet werden könnten, wenn das Gericht den Zeugen als unverzichtbar angesehen würde, und ihn  meint nicht im Wege der Rechtshilfe bei dem hier für den Arbeitsort zuständigen Amtsgericht im Wege der Rechtshilfe vernehmen lassen will. Vorliegend sei eine solche Vernehmung im Wege der Rechtshilfe möglich gewesen.

d) Rechtsfolge
Die unterlassene Mitteilung des Zeugen, dass er von einem weiter entfernt liegenden anderen Ort als den Ladungsort anreise, führe dazu, dass er leidglich die Fahrtkosten erstattet verlangen könne, die bei einer Fahrt vom Ladungsort entstanden wären (OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.06.2009 - 6 W 68/09 -).

Das AG wies darauf hin, dass die unterlassene Mitteilung auch Konsequenzen für die Entschädigung des Verdienstausfalls haben könnte (OLG Brandenburg aaO.).

AG Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2019 - 31 C 88/16 -

Samstag, 25. Juni 2016

Ordnungsgeld gegen Zeugen wegen unentschuldigten Fernbleibens auch dann, wenn es nicht (mehr) auf den Zeugen ankommt

Die Zeugenpflicht ist eine Staatsbürgerpflicht  -  und keiner möchte ihr gerne nachkommen. Zumal die Zeugenentschädigung (in Deutschland)  in der Regel nicht den tatsächlichen finanziellen Ausfall ausgleicht. Erscheint aber der Zeuge unentschuldigt nicht zum Termin, wird regelmäßig gegen ihn ein Ordnungsgeld verhangen, § 380 Abs. 1  ZPO.

Was aber, wenn der nicht erschienene Zeuge nicht mehr benötigt wird ? Der Zeuge war unentschuldigt nicht zum Termin erschienen. Es erging daher der Ordnungsgeldbeschluss. Im Termin selbst wurden vom Beweisführer Bedenken geäußert, ob sich der Zeuge tatsächlich zur Sache äußern könne (dies wurde von diesem vorher bereits schriftlich abgestritten).

Das OLG hat die Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss zurückgewiesen. Es verwies darauf, dass es nicht darauf ankommen könne, ob der Zeuge etwas zur Sache beitragen kann und auch nicht darauf, ob sich die Parteien – eventuell auch unter dem Eindruck des Nichterscheinens des Zeugens – vergleichsweise einigen. Das OLG verweist hier auf den divergierenden Meinungsstand in der Rechtsprechung und schließt sich der Auffassung des OLG Frankfurt und des BFH an. Danach verbleibt es bei dem verschuldet den Termin nicht wahrnehmenden zeugen bei dem verhängten Ordnungsgeld, auch wenn das Verfahren später endet, ohne dass eine Vernehmung des Zeugen erforderlich wurde. § 380 Abs. 1 ZPO sähe keine Ermessensausübung vor und es könne nicht von dem Zufall abhängig, sein, ob nun der Zeuge (noch) benötigt würde oder nicht.


OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2016 – 8 W 15/16 -