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Samstag, 9. Oktober 2021

Fehlende Parteifähigkeit einer britischen Limited mit tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland

Die Antragstellerin (AS), die nach ihrer Darstellung Kosmetikprodukte als Onlinehändlerin vertrieb, war eine in der britischen Rechtsform einer Limited betriebene Gesellschaft, wollte im Rahmen einer einstweiligen Verfügung eine kartellrechtliche Untersagung gegen einen Konkurrenten erwirken. Der Antrag wurde vom Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung wurde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen. In beiden Instanzen wurde von der fehlenden Parteifähigkeit der AS ausgegangen.

Um klagen zu können, bedarf es der Parteifähigkeit nach § 50 Abs. 1 ZPO, die Land- und Oberlandesgericht der Klägerin absprachen. Die Parteifähigkeit ist gem. § 56 ZPO von Amts wegen untr freier Beweiswürdigung zu prüfen. Dabei ging das OLG davon aus, dass die AS ihre Parteifähigkeit mit dem Vollzug des Austritts des vereinigten Königsreichs aus der EU gem. Art. 50 EUV nah Ablauf der Übergangsfrist zum 31.12.2020 (Brexit), und damit vor der Antragstellung im vorliegenden Verfahren, verloren habe. Dies begründete das OLG damit, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der AS in Deutschland sei.

Grundsätzlich würde gegenüber Drittstaaten wegen dem weder im sekundär anzuwendenden Regelungen des Unionsrechts noch im deutschen Recht enthaltenen Kollisionsregeln für Gesellschaften und juristische Personen die Sitztheorie Anwendung finden. Unter Sitz sei der tatsächliche Verwaltungssitz zu verstehen. Dieser sei an dem Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt würden (BGH, Urteil vom 21.03.1986 - V ZR 10/85 -). Die AS habe nicht belegt, dass ihr tatsächlicher Veraltungssitz in Großbritannien – und nicht, wie von der Antragsgegnerin behauptet – in Berlin sei. Es sei von der AS eine abstrakte steuerrechtliche Aussage ohne konkreten Bezug zu der AS vorgelegt worden, nach der britische Unternehmen ohne Sitz, Geschäftsleitung oder Zweigniederlassung in Deutschland sich nach § 13b Abs.  7 UstG registrieren lassen müssten, weshalb sich zu einem Sitz in Großbritannien daraus nichts ergäbe. Auch eine weiter von ihr vorgelegte Unterlage sage nichts zu einem tatsächlichen Verwaltungssitz in Großbritannien aus; sie enthalte nur eine Bestätigung einer britischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die nicht weiter geprüfte Umsätze der AS enthalte. Beide vorgelegten Unterlagen würden zudem als Anschrift der AS zudem die Anschrift der  Wirtschaftsprüfungsgesellschaft enthalten, was nach lebensnaher Betrachtung die Vermutung zulasse, dass dort eine Umsetzung von Leitungsentscheidungen nicht stattfinde. Auch eine weitere Unterlage enthalte lediglich Angaben zu Buchhaltung und Steuerangelegenheiten, bei denen es sich lediglich um sekundäre Verwaltungstätigkeiten handeln würde. Ein verweis auf das Impressum der Webseite der AS ergäbe auch nichts zugunsten der AS, da dort auch nicht für eine Umsetzung der Leitungsentscheidungen in Großbritannien ersichtlich sei, vielmehr sogar eine Postfachadresse in Berlin angegeben worden sei.

Sei damit deutsches recht anzuwenden, sei der numerus clausus der Gesellschaftsformen zu beachten. Das deutsche Recht kenne die Gesellschaftsform der britischen Limited nicht, weshalb diese in Deutschland nicht rechtsfähig sei. Allerdings ei sie nach der sogenannten milden Form der Sitztheorie nicht als rechtliches Nullum zu behandeln, sondern je nach tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder – wie hier – bei nur einer Gesellschafterin als einzelkaufmännisches Unternehmen (BGH, Urteil vom 27.10.2008 - II ZR 158/06 -), was die volle persönliche Haftung zur Folge habe.

Auch das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vom 24.12.2020 ändere daran nichts. Dieses regele den Zugang britischer Unternehmen zum Binnenmarkt. Es gewähre keine Rechtsposition, die der Niederlassungsfreiheit in der Ausprägung der EuGH-Rechtsprechung zur freien Wahl von Sitz und anwendbaren Gesellschaftsrecht gleichkomme. In einem Vorlageaufhebungsbeschluss vom 16.02.2021 - II ZB 25/17 – habe der BGH klar  ausgeführt, dass die Niederlassungsfreiheit (nach der eine Gesellschaft aus einem EU-Land in einem anderen EU-Land ihren Verwaltungssitz haben könne) voraussetze, dass der Staat, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet worden sei, zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit Mitgliedsstaat der EU sei.

OLG München, Urteil vom 05.08.2021 – 29 U 2411/21 Kart -

Freitag, 7. Juli 2017

Umfang der Schiedsgerichtsvereinbarung in einer (Personen-) Gesellschaft

Die Antragsgegnerinnen waren Kommanditistinnen einer in Form einer GmbH & Co. KG geführten Reederei, die mit den Stimmen der Antragstellerinnen durch Einzug ihrer Anteile aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Gegen diesen Beschluss leiteten die Antragsgegnerinnen das im Gesellschaftsvertrag und dem Schiedsgerichtsvertrag vorgesehene Schiedsgerichtsverfahren ein. Die Antragsstellerinnen rügten die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach dessen Bildung und haben, nachdem dieses sich durch Zwischenentscheid für zuständig befand, beantragt, das Schiedsgericht für unzuständig zu erklären. Das OLG hatte diesen Antrag zurückgewiesen; die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde wurde vom BGH positiv verbeschieden.

Der BGH hält fest, dass die Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag 1968 und der Schiedsgerichtsvertrag unmittelbar aufeinander bezogen und miteinander verknüpft wären. Schon der Wortlaut des Schiedsgerichtsvertrage verdeutliche allerdings, dass er nicht auf eine spätere Neufassung des Gesellschaftsvertrages und daraus resultierender Streitigkeiten anwendbar sei. Wenn 1969 die Gesellschafter eine Kopplung des Schiedsgerichtsvertrages nicht an den konkreten Gesellschaftsvertrag hätten haben wollen, hätten sie von einer direkten Bezugnahme, wie sie hier geschehen ist, Abstand nehmen müssen. Das ist nicht geschehen und der neue Gesellschaftsvertrag von 2013 enthält keine Schiedsklausel.

Der Beschluss des OLG würde sich auch nicht deshalb als im Ergebnis richtig darstellen, da es an einem wirksamen Beschluss über die Neufassung des Gesellschaftsvertrages in 2013 ermangele. Dabei könne dahinstehen, ob die Neufassung wirksam war oder nicht. Denn die weitergehende Ansicht des OLG, Beschlussmängelstreitigkeiten seien bei einer Personengesellschaft ohne weiteres schiedsfähig, sei verfehlt.

Der BGH habe für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) bestimmte Mindestanforderungen gestellt, wenn die Schiedsfähigkeit auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen soll. Dazu gehöre, dass neben den Organen der Gesellschaft jeder Gesellschafter über Einleitung und Verlauf des Verfahrens informiert werden muss und die Möglichkeit erhalten muss, dem Verfahren auch als Nebenintervenient beizutreten. Sämtliche Gesellschafter müssten an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, wenn dies nicht durch eine neutrale Stelle erfolgt. Und es müsse gewährleistet werden, dass alle einen Beschlussgegenstand betreffenden Anträge bei einem Schiedsgericht abgehandelt würden. Die zu Kapitalgesellschaften (GmbH) ergangene Rechtsprechung würde auch aus den grundlegend zu berücksichtigenden § 138 BGB und Rechtsstaatsprinzip bei Personengesellschaften greifen.

Da vorliegend der Schiedsgerichtsvertrag von 1969 keine entsprechenden Regelungen zum Schutz der Kommanditisten vorsähe, würde der Streitfall von daher schon nicht von der Schiedsklausel erfasst werden.


BGH, Beschluss vom 06.04.2017 - I ZB 23/16 -