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Sonntag, 17. September 2023

Rückschnitt vom Nachbargrundstück überhängender Äste

Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit Anpflanzungen an einer Grundstücksgrenze zu einem Streit zwischen den Nachbarn, sei es, dass bei Anpflanzungen der in den Nachbarrechtsgesetzen der Länder vorgesehene Grenzabstand nicht eingehalten ist (vgl. z.B. §§ 38 ff NachbG HE), sei es, dass ein Überhang auf das benachbarte Grundstück vorliegt. Den Überhang kann der davon betroffene Nachbar gem. § 1004 BGB entgegentreten - wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. § 1004 BGB lautet:

 (1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Ferner gibt § 910 BGB dem durch den Überhang beeinträchtigten Nachbarn auch ein Selbsthilferecht an die Hand:

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

Vorliegend verlangte der Kläger vom Beklagten den Rückschnitt von Ästen und Zweigen diverser Bäume, da diese auf sein Grundstück ragten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Unter Abänderung dieses Urteils gab das Landgericht der Berufung allerdings statt und wies die Klage ab. Kernpunkt war, ob hier durch den Überhang das Eigentum des Klägers in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wurde, § 1004 Abs. 1 S.1 BGB (das Selbsthilferecht des § 910 Abs. 1 BGB verlangt gem. Abs. 2, dass durch die Zweige die Benutzung des Grundstücks beeinträchtigt wird). In beiden Fällen ist mithin die Beeinträchtigung des Grundstücks durch die überragenden Äste/Zweige erforderlich.

Das Landgericht ging auf der Grundlage eines eingeholten Sachverständigengutachtens davon aus, dass ein Überhang bestand. Allerdings negierte es einen Anspruch des Klägers nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB iVm. § 910 Abs. 1 S. 2 BGB im Hinblick auf § 910 Abs. 2 BGB, da die Benutzung des klägerischen Grundstücks durch den Überhang nicht als beeinträchtigt anzusehen sei.  

Nicht das subjektive Empfinden des Grundstückseigentümers sei für die Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, entscheidend, vielmehr müsse der Überhang objektiv beeinträchtigend sein. Für das Nichtvorliegen der Beeinträchtigung sei allerdings der Nachbar darlegungs- und beweisbelastet, auf dessen Grundstück der Baum stehen würde, hier mithin der Beklagte (BGH, Urteil vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 -). Dieser habe den von ihm zu erbringenden Nachweis erbracht.

Nach Auffassung der Berufungskammer des Landgerichts fehle es an einer relevanten Beeinträchtigung, wenn die Störung im Vergleich zu den Wirkungen des Rückschnitts außer Verhältnis stehen und deshalb unzumutbar sei. Dies sei z.B. dann der Fall, wenn die verlangte Maßnahme die Gefahr des Absterbens des Baues oder zu einer erhöhten Risikolage führe. Das Verlangen würde dann auf eine verbotene Beseitigung des Baumes hinauslaufen (im Anschluss an OLG Köln, Urteil vom 12.07.2011 - 4 U 18/10 -).  Da die Bäume (unstreitig) mindestens acht Jahre alt seien und der Kläger die Beseitigung nach § 47 Abs. 1 NachbG NRW daher nicht mehr verlangen könne, sei hier der in Rede stehende Anspruch des Klägers ausgeschlossen, da er auf die Beseitigung der Bäume hinauslaufe. Der Sachverständige sei in seinem Gutachten zu dem Schluss gelangt, dass bei dem klägerseits begehrten Rückschnitt kaum ein Baum überleben würde.

Das Landgericht bezog sich zur Stützung seiner Argumentation lediglich auf ein Urteil des OLG Köln vom 12.07.2011 - 4 U 18/10 -. Dort wurde ebenfalls festgehalten, dass eine Unzumutbarkeit bestünde, wenn in Folge des Rückschnitts es zu einem Absterben des Baumes oder einer erhöhten Risikolage käme.

Allerdings geht das Landgericht nicht auf das Urteil des BGH vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 - ein, demzufolge das Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 BGB nicht deshalb ausgeschlossen sei,  da durch die Beseitigung des Überhangs das Absterben des Baumes oder der Verlust seiner Standfestigkeit drohe, es sei denn, naturschutzrechtliche Beschränkungen stünden dem entgegen (was im vorliegenden Fall nicht benannt wurde). Das Selbsthilferecht würde uneingeschränkt bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, also wenn die Wurzeln oder Zweige die Benutzung des Grundstücks beeinträchtigen. Wörtlich führte der BGH aus: „Eine Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung, mit der der Ausschluss des Selbsthilferechts teilweise begründet wird (…), ist gesetzlich nicht vorgesehen und widerspräche den Vorstellungen des Gesetzgebers.“ Weiter verwies der BGH darauf, dass eine Einschränkung des Selbsthilferechts nach § 910 BGB auch nicht deshalb in Betracht käme, da eine landesrechtliche Ausschlussfrist zur Beseitigung des Baumes abgelaufen und mit dem Selbsthilferecht umgangen werden könne. Die nachbarrechtlichen Vorschriften der Länder würden kein Selbsthilferecht des beeinträchtigten Nachbarn in Bezug auf überhängende Äste/Zweige oder eingedrungene Wurzeln regeln und könnten dies mangels Gesetzgebungskompetenz die Regelung des § 910 BGB daher auch nicht einschränken.

Während der Anspruch des beeinträchtigten Eigentümers nach § 1004 BGB jedenfalls der Regelverjährung des § 195 BGB unterfällt (wobei es bei einem Überhang darauf ankommt, wann welcher Teil des überhängenden Astes gewachsen ist), unterliegt das Selbsthilferecht nach § 910 BGB keiner Verjährung (BGH, Urteil vom 22.02.2019 - V ZR 136/18 -).

Allerdings betrifft das Urteil des BGH vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 - lediglich das Selbsthilferecht nach § 910 BGB. Der Ansatz des Landgerichts in der hier besprochenen Entscheidung ist auch unter Beachtung des Urteils des BGH zutreffend, da sich der BGH zur Begründung der fehlenden Verhältnismäßigkeits- und Zumutbarkeitsprüfung lediglich auf das unabhängig von den Nachbarrechten der Länder geltende Selbsthilferecht des § 910 BGB bezog, bei dem er keine Verjährungsproblematik sah. Dies lässt sich auch aus den Gründen des Urteils des BGH nicht auf den Anspruch aus § 1004 BGB übertragen. Für den Kläger in dem hier besprochenen Verfahren vor dem Landgericht bedeutet dies, dass er zwar von seinem Nachbarn keinen Rückschnitt beanspruchen kann, aber sehr wohl diesen nach § 910 BGB trotz der Gefährdung der Bäume selbst durchführen könnte.

LG Köln, Urteil vom 02.03.2023 - 6 S 27/20 -

Mittwoch, 28. Juli 2021

Nachbarrecht: Beseitigung von überhängenden Ästen auch bei Gefahr für Baum (§ 910 BGB)

Die Äste, von denen Nadeln und Zapfen abfallen, ragten von der 40-jährigen Schwarzkiefer seit 20 Jahren auf das Nachbargrundstück der Kläger. Nachdem diese die Äste nicht zurückschnitten, haben die Beklagten dann überhängende Äste selbst abgeschnitten. Die Kläger begehrten gerichtlich eine Unterlassung von Rückschnitt von Ästen oberhalb von 5m. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Landgericht (LG), welches die Revision zuließ, wies die Berufung zurück. Die Revision führte Zur Aufhebung der Vorentscheidungen und Zurückverweisung an das Landgericht.

Fehlerhaft habe das LG bereits eine Duldungspflicht der Kläger iSv. § 1004 Abs. 2 BGB negiert, da es die Regelung des § 910 BGB für eine Beeinträchtigung durch den Nadel- und Zapfenabfall für nicht anwendbar gehalten habe. Allerdings stelle § 910 BGB eine spezialgesetzliche und abschließende Regelung für die Beseitigung von Überhang dar, die unmittelbare und mittelbare Beeinträchtigungen erfasse (BGH, Urteil vom 14.06.2019 – V ZR 102/18 -).

Das Selbsthilferecht wäre nur ausgeschlossen, wenn es an einer Beeinträchtigung ermangeln würde. Ob eine solche vorliegt sei objektiv festzustellen. Damit sei eine Beeinträchtigung bei einem in 5m Höhe 40cm hierüberragenden Ast zu verneinen (BGH, Urteil vom 14.11.2003 – V ZR 102/03 -). Die darlegungs- und Beweislast, dass von dem Baum keine Beeinträchtigung ausgehen, trage derjenige, auf dessen Grundstück der Baum stünde (BGH aaO.).

Eine Unzumutbarkeit könne nicht mit der Begründung geltend gemacht werden, bei Beseitigung des Überhangs drohe das Absterben des Baumes oder der Verlust seiner Standfestigkeit. Das Selbsthilferecht bestünde ohne Einschränkungen, wenn seine tatsächlichen Voraussetzungen vorlägen. Eingeschränkt würde es nach § 910 Abs. 2 BGB nur insoweit, als das Selbsthilferecht entfällt, wenn die Wurzeln oder Zweige das Nachbargrundstück nicht beeinträchtigen. Verhältnis- und Zumutbarkeitsprüfungen seien nach dem gesetzgeberischen Willen ausgeschlossen. 

Das Recht aus § 910 BGB würde nicht durch nachbarschaftsrechtliche Landesregelungen ausgeschlossen, nach denen Ausschlussfristen bestehen (so § 32 NachbG Bln) und bei Nichteinhaltung von Mindestabständen (wie hier nach § 27 NachbG Bln) eine Klage auf Beseitigung nach fünf Jahren ausschließen würden. Nach Art. 124 EGBGB könnten die Regelungen nicht dem Nachbarn (hier beklagten) Rechte nehmen, die das BGB biete. Mithin könne das Landesrecht § 910 BGB nicht einschränken. Das selbsthilferecht des § 910 Abs. 1 S. 2 BGB begründe ein Recht und keinen Anspruch und unterliege daher nicht der Verjährung. Es sei auch nicht verwirkt, wenn kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, der Beklagte würde sein Recht nicht mehr geltend machen. Auch aus dem Gedanken des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergäben sich keine Einschränkungen; eine daraus abgeleitete Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme habe zur Voraussetzung, dass ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheine (BGH, Urteil vom 20.09.2019 – V ZR 218/18 -), was dann nicht der Fall sei, wenn der Grundstückseigentümer einen auf seinem Grundstück stehenden Baum nicht – wie geboten – regelmäßig beschneide oder beschneiden ließe mit der Folge, dass dessen Äste auf das Nachbargrundstück hinüberwachsen. 

Nur aus naturschutzrechtlichen Gründen könnte käme daher hier eine Beschränkung des Selbsthilferechts in Betracht, was das LG nicht geprüft habe. Von daher sei der Rechtstreit an das LG zurückzuverweisen.

BGH, Urteil vom 11.06.2021 - V ZR 234/19 -

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Nachbarrecht: Schwenkkran über Nachbars Grundstück

 

Der (Verfügungs-) Beklagte wollte Bauarbeiten auf seinem Grundstück durchführen, bei denen auch ein Baukran eingesetzt werden sollte, der über das Grundstück der (Verfügungs-) Klägerin schenkt. Die Verfügungsklägerin widersprach dem unter Hinweis darauf, dass sie keine näheren Angaben vom Beklagten erhalten habe. Gleichwohl stellte die Beklagte einen Baukran mit einem Schwenkbereich von 40m auf, der über das Anwesen der Klägerin schwenkte. Die Klägerin beantragte eine einstweilige Verfügung, mit der sie das Überschwenken verhindern wollte. Das Landgericht wies den Antrag ab. Die Berufung der Klägerin war erfolgreich.

Nach Darlegung des OLG hätte der Beklagte das in Art. 46b Abs. 3 BayAGBGB (Hammerschlags- und Leiterrecht) vorgesehene Verfahren einhalten müssen, was nicht der Fall gewesen sei. Schon vor diesem Hintergrund stelle sich die Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin durch das Überschwenken als verbotene Eigenmacht nach §§ 858, 862 GB dar und sei im Rahmen der einstweiligen Verfügung zu untersagen, unabhängig davon, ob ein materiell-rechtlicher Duldungsanspruch bestünde.

Das Überschwenken falle in den Bereich des Art. 46b Abs. 1 BayAGBGB. Danach müsse ein Nachbar unter den dort benannten Voraussetzungen dulden, dass sein Grundstück von dem Nachbareigentümer und von diesem beauftragten Personen zwecks Errichtung, Veränderung, Instandhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage betreten wird, dort Gerüste und Geräte aufgestellt werden oder auf dieses übergegriffen wird, über das Grundstück Baustoffe gebracht werden oder auch dort niedergelegt werden. Bei dem Überschwenken des Baukrans würde es sich in diesem Sinne um ein „Übergreifen von Geräten“ handeln. Das Überschwenken des Kranauslegers stelle eine in Art. 46b Abs. 1 BayAGBGB dar; wie sich auch aus § 905 S. 1 BGB ergebe, wonach sich das Recht des Eigentümers auch auf dem Raum über der Oberfläche erstrecke.

Damit hätte der Beklagte die Absicht einen Monat vorher anzeigen müssen, und zwar unter Darlegung der Art und Dauer der Arbeiten, Art. 46 Abs.3 BayAGBGB. Auch wenn dies erfolgt sei, hätten sie nicht entsprechend verfahren dürfen, da die Anzeige zwar Voraussetzung für die Ausübung des Rechts, nicht aber Bedingung des Duldungsanspruchs sei. Wenn sich der Verpflichtete nicht erklärt,  dürfe das Grundstück entsprechend der Ankündigung genutzt werden. Verweigere er aber die Nutzung seines Grundstücks, bedürfe eines Duldungstitels. Selbsthilfe sei  - außer im Falle des Notstandes, § 905 BGB - nicht statthaft.

OLG München, Urteil vom 15.10.2020 - 8 U 5531/20 -

Montag, 16. Dezember 2019

Überbau durch Fassadendämmung versus Veränderungen am Nachbargebäude


Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender, in versetzter Bauweise errichteter Reihenhäuser in Hessen. Der Kläger ließ an seinem Reihenhaus eine Fassadendämmung anbringen. Ein Teil der Wand des klägerischen Reihenhauses einschließlich eines schmalen Streifens im Dachbereich blieb allerdings infolge der versetzten Bauweise ungedämmt. Die Außendämmung nebst Putz würde hier  die Grenze des Grundstücks des Beklagten um 11cm überschreiten. Zur Anbringung müssten ein Holzunterstand nebst Verkleidung, die Entlüftung des Außentanks und der Küchenabluft und ein Stromkabel verlegt und der Dachbereich des Hauses des Beklagten geöffnet werden. Der Klage auf Durchführung der erforderlichen Arbeiten durch den Kläger (auf seine Kosten) wurde vom Amtsgericht stattgegeben; die hiergegen vom Beklagten erhobene Berufung zum Landgericht (LG) war erfolgreich und führte zur Abweisung der Klage. Die vom LG zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der Anspruch des Klägers sei, so der BGH, zutreffend auf der Grundlage des § 10a Abs. 1 NachbG HE verneint worden. Die Norm lautet:

„Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks haben Bauteile, die auf ihr Grundstück übergreifen, zu dulden, wenn
1. es sich bei den übergreifenden Bauteilen um eine Wärmedämmung handelt, die über die Bauteilanforderungen der Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), geändert durch Verordnung vom 29. April 2009 (BGBl. I S. 954), in der jeweils geltenden Fassung für bestehende Gebäude nicht hinausgeht,
2. eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann und
3. die übergreifenden Bauteile
a) an einer vorhandenen einseitigen Grenzwand auf dem Nachbargrundstück angebracht werden,
b) die Benutzung des betroffenen Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen und
c) öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widersprechen.
Die Duldungspflicht nach Satz 1 erstreckt sich auch auf die mit der Wärmedämmung zusammenhängenden notwendigen Änderungen von Bauteilen.“

Danach erstreckt sich die Duldungspflicht auch auf die mit der Wärmedämmung zusammenhängenden notwendigen Änderungen von Bauteilen.

Unzutreffend sei das LG ohne Überprüfung davon ausgegangen, es habe sich hier um eine Grenzwand (vgl. § 8 Abs. 1 NachbG HE)  gehandelt. Das sei aber unschädlich. Läge nur eine Nachbarwand vor, an die die Reihenhäuser in beiden Richtungen angebaut worden seien, fehle es an dem Vorliegen einer Grenzwand, weshalb sich die Duldungspflicht nicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 NachbG HE ergeben könne. Aber auch bei Annahme einer Grenzwand käme eine Duldungspflicht nicht in Betracht, da er durch die Norm nicht zur Hinnahme von baulichen Veränderungen an dem auf seinem Grundstück stehenden Gebäude verpflichtet sei. Dabei könne dahinstehen, ob eine „einseitige“ Grenzwand auch dann besteht, wenn wie hier die Häuser in versetzter Bauweise errichtet worden seien. Selbst wenn die versetzte Bauweise von § 10 Abs. 1 Nr. 3a NachbG HE erfasst worden sein sollte, hätte der Beklagte nur den Überbau durch Bauteile zu dulden, die durch das Anbringen der Wärmedämmung an der Grenzwand auf sein Grundstück hinüberragen; er müsse also notwendige Veränderungen an seinem Gebäude infolge der Wärmedämmung nicht dulden. Dies folge aus S. 1 der Norm. Auch S. 2 erstrecke sich nur auf die Duldungspflicht auf die mir der Wärmedämmung zusammenhängenden erforderlichen Änderung von Bauteilen der (einseitigen) Grenzwand, an der die Wärmedämmung angebracht werden soll. Darunter würden z.B. die Erweiterung des Dachs einer Giebelwand, die Verlängerung der Fensterbänke oder die Verlegung von Fallrohren um die Dämmstoffstärke zählen (Hess. Landtag, Drucks. 18/855 S. 6). S. 2 würde also nur die Duldungspflicht von S. 1 insoweit erweitern, die durch Veränderungen an Bauteilen der Grenzwand erforderlich würden.

Die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 10a Abs. 1 NachbG HE hebe hervor, dass ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Nachbarn auf ein Mindestmaß beschränkt und die Nutzung seines Grundstücks nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigt werden soll. Auch ginge der Gesetzgeber davon aus, dass keine geringfüge Beeinträchtigung bei einer grenzübergreifenden Wärmedämmung dann vorliege, wenn der Nachbar zulässig bis zur gemeinsamen Grundstücksgrenze bauen darf. Auch in diesem Fall sei ein mit der Aufbringung der Wärmedämmung verbundener Überbau nicht oder allenfalls bis zur Realisierung einer zulässigen Grenzbebauung zu dulden. Folgerichtig sei es daher, bereits vorhandene Gebäudeteile vor Eingriffen in deren Substanz zu schützen.

Selbst sollte es sich bei der streitgegenständlichen Wand um eine gemeinsame Grenzeinrichtung handeln, wäre der Anspruch des Klägers nicht begründet. Bei dieser würde sich nach § 921 BGB - mangels abweichender Regelungen in §§ 921, 922 S. 1 bis 3 BGB – die Rechtslage gem. § 924 S. 4 BGB nach den Vorschriften über die Gemeinschaft bestimmen. Nach § 745 Abs. 2 BGB würde sich mangels einer Verwaltung und Nutzung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss nach dem Interesse aller Teilhaber an einer billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung und Benutzung orientieren. Die Anbringung der Wärmedämmung auf einer gemeinsamen Grenzeinrichtung stelle eine Verwaltungsmaßnahme in diesem Sinne dar. Der Teilhaber einer gemeinsamen Giebelwand (Nachbarwand) könne nach § 745 Abs. 2 BGB aber nicht die Duldung des anderen Teilhabers zur Duldung  baulicher Eingriffe in nicht der gemeinsamen Verwaltung unterliegende Gebäudeteile verlangen, wie es hier z.B. in Bezug auf die Abzüge für die Öltankanlage und die Küche der Fall sei.

BGH, Urteil vom  14.06.2019 - V ZR 144/18 -

Mittwoch, 10. Juli 2019

Behinderung des natürlichen Abflusses von Niederschlagwasser auf das Nachbargrundstück


Der Kläger verlangte von der beklagten Gemeinde, dass diese einen Rückstau von von der Gemeindestraße abfließendes Wasser auf seinem Grundstück verhindert. Nach seiner Behauptung seien die Böden oberhalb seines Grundstücks (Felder) bei stärkeren Regen nicht mehr in der Lage, anfallendes Wasser aufzunehmen, welches dann über sein Grundstück und die Gemeindestraße auf tiefer gelegene Felder abfließe. Er habe schon zur Vorsicht das Fußbodenniveau seines Bungalows 15cm über den Scheitelpunkt des Straßenniveaus anlegen lassen. Doch nach einem Sommerhochwasser 2011 habe die Gemeinde bei der Beseitigung der  Schäden an der Straße deren Gradiente  um 14,5cm erhöht und damit faktisch einen Damm errichtet, der den Abfluss von Niederschlagwasser auf die benachbarten Felder (unterhalb der Straße) verhindere, was bei Extremregen wie 2011 dann zu einer Überflutung seines Grundstücks führen würde.

Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG), letzteres durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO, wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Beschlusses des OLG und Zurückverweisung an dieses.

Die Rechtsbeziehung der Parteien beurteile sich nach §§ 903ff, 1004 BGB iVm. § 37 Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Der bisherige Sach- und Streitstand ließe nach dem im Revisionsverfahren mangels Prüfung durch LG und OLG zugrunde zu legenden Vortrag des Klägers den geltend gemachten vorbeugenden (verschuldensunabhängigen) Abwehranspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht verneinen. Ein Eigentümer könne such grundsätzlich gegen Einwirkungen auf sein Grundstück (auch durch wild abfließendes Niederschlagwasser), die von einem Nachbargrundstück ausgehen, grundsätzlich mit dem auf Unterlassung gerichteten Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zur Wehr setzen, wobei mit dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch auch künftige Störungen abgewehrt werden könnten, wenn die erstmalige Beeinträchtigung ernsthaft drohe. Lasse sich die drohende Beeinträchtigung nicht anders verhindern, könne er auch der Betroffene auch ein aktives Eingreifen in Form „geeigneter Maßnahmen“, wie hier beantragt, verlangen. Soweit das OLG die Annahme vertreten habe, der Unterlieger sei in Ermangelung landesrechtlicher Vorschriften berechtigt, Niederschlagwasser abzuwehren, während spiegelbildlich der Oberlieger dies für den Fall der dadurch bedingten Beeinträchtigung seines Grundstücks hinzunehmen habe, auch wenn dort das Niederschlagwasser nicht primär angefallen sei, beruhe dies auf einer Verkennung von § 37 Abs. 1 S. 1 WHG. Danach dürfe wild abfließendes Wasser auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks behindert werden. Die Beklagte sei als Störerin iSv. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen, weil sie bei der Planung und Ausführung der Sanierung der Straße § 37 Abs. 1 S. 1 WHG nicht beachtet habe. Hier hätte die Beklagte die anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und der Wasserwirtschaft zu beachten gehabt. Dazu würden auch die Vorschriften des Wasser- und Nachbarrechts über Veränderungen des Ablaufs wild abfließenden Wassers gehören (BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 397/13 -; BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - III ZR 269/05 -). Niederschlagwasser gehöre zum wild ablaufenden, nicht in einem Bett fließenden Oberflächenwasser (s. § 37 Abs. 4 WHG), solange es nicht (wie hier nicht vorliegend) gem. § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WHG aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließen würde und damit dem Regime der Abwasserbeseitigung nach §§ 54ff WHG unterfalle. Eine künstliche Veränderung des natürlichen Ablaufs wild abfließenden Wassers zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks sei verboten. Auszugehen sei vom natürlichen Geländegefälle, wobei vorliegend der Zustand vor der Sanierung der Straße entscheidend sei. Entscheidend sei der natürliche Abflusszustand im Zeitpunkt der Geltendmachung des Abwehranspruchs durch den Nachbarn. Deshalb sei auch dann ein natürlicher Ablauf gegeben, wenn der natürliche Ursprungszustand in der Vergangenheit durch künstliche Eingriffe verändert worden sei oder über einen längeren Zeitraum widerspruchslos hingenommen worden sei. Entscheidend sei, ob der vorhandene Zustand in seiner Gesamtheit rechtmäßig bestünde und damit zugleich das natürliche Gefälle mitbestimme.

Der Nachteil iSv. § 37 Abs. 1 S. 1 WHG sei objektiv grundstücksbezogen festzustellen. Die Nutzbarkeit des betroffenen Grundstücks müsse gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt sein, wobei dies von einigem Gewicht und spürbar sein müsse und das Grundstück erheblich beeinträchtigen müsse. Nur drohende Nachteile würden allerdings nicht ausreichen; sie müssten tatsächlich eintreten oder zumindest mit Sicherheit zu erwarten sein, wobei ausreichend sei, wenn sich die Wasserzufuhr nur bei stärkeren Regen nachteilig auswirke. Lediglich dann, wenn eine Beeinträchtigung des betroffenen Grundstücks nur bei ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen (Katastrophenregen) zu erwarten sei, sei ein Nachteil zu verneinen, da sich in einem solchen Fall weniger die durch Rückstau geschaffene latente Gefahr verwirkliche,  sondern die in einem Katastrophenregen zum Ausdruck kommende höhere Gewalt. Höhere Gewalt aber können den Anspruch nicht begründen. Es würde aber ebenfalls insoweit eine Rolle spielen, ob ein (drohendes) Schadensereignis nicht gleichwohl mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln abgewendet werden könne (BGH, Urteil vom 19.01.2006 - III ZR 121/05 -).

§ 907 BGB sei wegen der spezielleren Regelung in § 37 WHG nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 12-11-1999 – V ZR 229/98 – zu § 21 HessNachbG). Die wassernachbarrechtlichen Vorschriften würden insoweit sondergesetzlich und abschließend bestimmen, was als unzulässige Einwirkung iSv. § 907 BGB anzusehen sei.

BGH, Urteil vom 09.05.2019 - III ZR 388/17 -

Samstag, 18. Mai 2019

Nachbarschaftsrecht: Verlangen auf Zurückschneiden von überwachsenden Ästen und Verjährung sowie Verkehrssicherungspflichtiger am Grenzbaum


In Baden-Württemberg lagen drei Grundstück derart nebeneinander, dass sie seinen gemeinsamen Grenzpunkt hatten, in dessen Nähe ein  Fichte stand, deren Stamm sich teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des dritten Nachbarn befand. Äste dieser Fichte ragten von dem Baumteil, der auf dem Grundstück des Beklagten stand, auf das Grundstück der Klägerin, die von dem Beklagten deren Beseitigung forderte. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Auch die vom Landgericht als Berufungsgericht zugelassene Revision wurde zurückgewiesen.

1. Nicht zu beanstanden sie die Annahme der Zulässigkeit der Klage, obwohl die Äste von einem Baum stammen würden, der sich teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des dritten Nachbarn befände. Dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB stünde dies nicht entgegen, da es sich bei dem Beklagten und dem dritten Nachbarn nicht um notwendige Streitgenossen nach § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO handele. Eine notwendige Streitgenossenschaft erfordere, wenn aus materiell-rechtlichen Gründen nur gemeinsam geklagt werden könne oder gegen diese nur gemeinsam geklagt werden könne. Dieses Erfordernis ergäbe sich aus gemeinschaftlichen Verfügungsbefugnis gem. §§ 747 S. 2, 1008 BGB. Ein solcher Fall läge nicht, da der Beklagte und der dritte Nachbar nicht gemeinschaftlich verpflichtet seien, sondern jeder für sich. Auch aus dem Umstand, dass es sich um einen Grenzbaum iSv. § 923 BGB handele ergäbe sich nichts anderes, obwohl dieser zu jeweils zu dem Teil, zu dem er auf einem Grundstück stünde, in dessen Eigentum stünde (vertikal geteiltes Eigentum). Die Verkehrssicherungspflicht obliege erstrecke sich auf den Teil des Baumes, der auf seinem Grundstück stünde.  Von daher könne die Klägerin hier den Beklagten alleine in Anspruch nehmen, da die Beeinträchtigung von seinem Baumteil ausginge.

2. § 1004 Abs. 1 BGB setze für die Beseitigung von herüberragenden Ästen allerdings voraus, dass dadurch die Nutzung des Nachbargrundstücks beeinträchtigt würde. Läge dies nicht vor, sei das Herüberragen zu dulden. Offen bliebe, ob dies auch für ganz erhebliche Beeinträchtigungen gelte, worauf es vorliegend nach Auffassung des BGH nicht ankäme, wie es auch nicht darauf ankäme und offen bleiben könne, ob die Störungen im Vergleich zur Wirkung des Rückschnitts außer Verhältnis stehen dürften (dazu OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.01.2007 - 8 U 77/06 - und OLG Köln, Urteil vom 12.07.2011 - 4 U 18/10 -).

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch sei verjährt, §§ 195, 199 BGB (anders als der Anspruch nach § 1004 BGB unterliege das Selbsthilferecht des § 910 BGB nicht der Verjährung).

§ 902 BGB (danach unterliegen eingetragene Ansprüche nicht der Verjährung) finde auf Beseitigungsansprüche keine Anwendung. Die Norm umfasse nur die Verwirklichung des Anspruchs, nicht aber die Abwehr von Störungen.

Auch soweit nach der Rechtsprechung des Senats eine Verjährung von Unterlassungsansprüchen nicht in Betracht käme, wenn eine einheitliche Dauerhandlung vorläge, die den rechtswidrigen Zustand fortlaufend aufrechterhalte und deshalb den Lauf einer Verjährungsfrist nicht in Gang setze, könne hier darauf deshalb nicht abgestellt werden, da der Anspruch auf Beseitigung nach § 1004 BGB mit dem hinüberwachsen beginne; nehme dies der Nachbar (in Kenntnis des Hinüberwachsens) länger als drei Jahre hin, könne er die Beseitigung im Interesse des Rechtsfriedens nicht mehr verlangen. Diese Frist von drei Jahren war bei Erhebung der Klage bereits abgelaufen.

Anderes lasse sich auch nicht aus § 23 Abs. 1 NRG BW („Beseitigungsansprüche nach diesem Gesetz verjähren in fünf Jahren. Sind Gehölze im Sinne des § 16 Absatz 1 Nummer 4 oder 5 betroffen, so beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Bei Pflanzungen beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit dem 1. Juli nach der Pflanzung. Bei an Ort und Stelle gezogenen Gehölzen beginnt sie am 1. Juli des zweiten Entwicklungsjahres. Bei späterer Veränderung der artgemäßen Ausdehnung des Gehölzes beginnt die Verjährung von neuem; dasselbe gilt im Falle des § 16 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe c, wenn die Umtriebszeit von zehn Jahren überschritten wird.“) oder aus § 26 Abs. 3 NRG BW („Der Anspruch auf das Zurückschneiden der Hecken, auf Beseitigung herüberragender Zweige und eingedrungener Wurzeln sowie auf Verkürzung zu hoch gewachsener Gehölze ist der Verjährung nicht unterworfen.“) ableiten. Dies schon deshalb, da der Landesgesetzgeber nach Art. 124 EGBGB zugunsten des Nachbarn weitergehenden Beschränkungen unterwerfen könne, doch nicht abweichend vom BGB die Verjährungsfristen zu § 1004 BGB (Bundesrecht) regeln könne. Die verfassungskonforme Auslegung des § 26 NRG BW ergebe daher, dass diese Regeln sich nicht auf einen Abwehranspruch nach § 1004 BGB bezögen, da sie sonst nichtig wären.

Die Klägerin könne aber auch ihren Anspruch nur aus § 1004 BGB herleiten, nicht aus dem NRG BW. Zwar gewähre § 12 Abs. 2 und Abs. 3 NRG BW Ansprüche auf Rückschnitt für Hecken und sonstige Gehölze im Hinblick auf die Einhaltung eines Grenzabstandes, unabhängig davon, ob darin bereits eine Eigentumsbeeinträchtigung iSv. § 1004 BGB zu sehen sei. Für bestimmte Bäume sei zwar auch ein Zurückschneiden überhängender Äste geregelt (§ 23 Abs. 1 und 2 NRG BW), doch handele es sich hier nicht um einen darunter fallenden Baum, weshalb auf sich beruhen kann, ob diese Regelung nach Art. 122, 111 bzw. 183 EGBGB zulässig vom Landegesetzgeber aufgenommen werden durfte).

BGH, Urteil vom 22.02.2019 - V ZR 136/18 -

Dienstag, 20. März 2018

Nachbarrecht: Der Anspruch auf Rückschnitt von Grenzbepflanzung

Die Beklagten strebten mit ihrer Berufung gegen das amtsgerichtliche Teilanerkenntnis- und Endurteil eine Abänderung insbesondere insoweit an, als sie verpflichtet wurden, eine Hecke sowie die Glanzmispel dauerhaft, auch während der Wachstumsperiode, auf die zulässige Höhe zu beschränken.  Diesbezüglich war die Berufung erfolgreich.

Die Heckenhöhe bestimmt sich nach §§ 12, 22 NRG BW nach dem jeweiligen Grenzabstand der Pflanze und wurde hier vom Landgericht in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht mit 1,80n angenommen. Durch eine von den Beklagten vorgenommene Kürzung der Hecke nach dem erstinstanzlichen Urteil auf 1,80m sei aber keine Erfüllung eingetreten, da der Kürzungsanspruch der Kläger fortbestünde, da die Pflanzen fortlaufend weiter wachsen würden.

Allerdings würde der Kürzungsanspruch nur außerhalb der Vegetationsperiode (01.03. – 30.09.) bestehen, § 12 Abs. 3 s. Halbs. NRG BW. Auch wenn nach § 39 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 2. Halbs. BNatSchG sogen. Schonschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen naturschutzrechtlich zulässig seien, ergäbe sich daraus nach dem  Wortlaut des § 12 Abs. 3 s. Halbs. NRG BW  keine Verpflichtung des Eigentümers. § 12 Abs. 3 2. Halbs. NTG BW statuiere eine zeitliche Ausnahme von der Kürzungsverpflichtung und sei an die zeitliche Regelung des § 39 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BNatSchG angepasst, enthalte aber die Ausnahmevorschrift für Schonschnitte gerade nicht.

Ein Anspruch auf einen vorsorglichen Rückschnitt würde es nicht geben, mit dem sichergestellt würde, dass die Hecke die zulässige Höhe während der Wachstumsperiode nicht überschreitet. Die Verpflichtung zum laufenden Rückschnitt bei Überschreitung des Grenzwertes wurde gerade für die Vegetationsperiode in § 12 NRG BW ausgesetzt. Auch das OLG Frankfurt (Urteil vom 07.11.1996 - 15 U 173/05 -) habe bereits festgehalten, dass der Eigentümer nicht verpflichtet sei dafür zu sorgen, dass niemals die Höchstgrenze überschritten würde, sondern berechtigt sei das Ende der Vegetationsperiode abzuwarten, um erst dann den Rückschnitt vorzunehmen. Soweit in der Literatur teilweise eine andere Auffassung vertreten würde, sei dies nicht überzeugend. Zum einen sei der vorsorgliche Rückschnitt für den Eigentümer mit der besonderen Schwierigkeit der fehlenden Vorhersehbarkeit des künftigen Pflanzenwuchses verbunden, zum anderen wäre ein entsprechender Titel nicht vollstreckbar, da die Überschreitung in der Vegetationsperiode stattfinde und in dieser auch im Wege der Vollstreckung der Rückschnitt ausgeschlossen sei.

LG Freiburg, Urteil vom 07.12.2017 - 3 S 171/16 -

Mittwoch, 23. August 2017

Grenzbepflanzungen: Zur Verjährung eines Rückschnittanspruchs und zu den Grundlagen für die Messung der maßgeblichen Pflanzenhöhe

Die Parteien sind Nachbarn. Der Beklagte hatte auf seinem etwa 1,00 – 1,25m niedriger liegenden Grundstück (Geländestufe mit Mauer) in einer Distanz von 0,5 bis 2,0m zur Mauer eine Thujenhecke gepflanzt, die eine Höhe von 6m hatte. Der Kläger verlangte von dem Beklagten den Rückschnitt auf 2m, gemessen ab dem oberen Ende der Mauer zwischen den Grundstücken der Parteien.

Die Revision des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil wurde zurückgewiesen.

Der Anspruch sie nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB begründet. Danach kann ein Nachbar verlangen, dass keine Pflanzen in einer Entfernung von bis zu 2m von der Grenze nicht höher als 2m werden. Da die Thujenhecke nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (OLG Nürnberg) im Abstand von 2,0m mit einer Wuchshöhe von 6m steht, lägen die Voraussetzungen nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB unzweifelhaft vor. Der Umstand, dass der (historische) Gesetzgeber in Art. 47 BayAGBGB lediglich von einer Beseitigung oder einer Zurückversetzung derselben spräche, schließe den Anspruch auf Rückschnitt als Minus zu den Regelungen im Gesetz nichts aus.

Verjährung sei auch nicht eingetreten. Die Verjährung beginne gem. Art. 52 Abs. 1 S. 3 BayAGBGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht oder Eigentümer von den den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können. Die Verjährungsfrist betrage dann fünf Jahre (die gegebenenfalls von einem Sachverständigen festzustellen sei). Im Grenzbereich entstehe der Anspruch, wenn die Pflanzen über die Höhe von 2m hinauswachsen würden. Das Berufungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass hier die Frist mit dem letzten Rückschnitt auf zwei Meter, gemessen von der ca. 1m hohen Geländestufe, entstand und damit eine absolute Höhe von über 3m überschritten habe. Dies sei im Laufe des Jahres 2009 gewesen.

Grundsätzlich sei zwar die zulässige Höhe der Pflanze von der Stelle des Austritts aus dem Boden an zu messen. Dies könne aber nicht für eine Bepflanzung an der Grenze auf einem tiefer belegen Grundstück gelten.  Entgegen anderweitiger Literaturmeinung und Rechtsprechung sei darauf abzustellen, dass es dem Gesetzgeber darum gehen würde, dass auch der Nachbar sein Grundstück ohne Beeinträchtigung nutzen könne, wie sie bei Bepflanzungen durch Entzug von Wasser, Licht und Luft entstehen könnten. Dabei habe er auf die Wuchshöhe abgestellt und angenommen, dass die Pflanzen bereits mit ihren Austritt aus dem Boden das Nachbargrundstück beeinträchtigen könnten. Dieser Gedankengang könne aber dann nicht zutreffen, wenn – wie hier – das bepflanzte Grundstück niedriger läge, da die Gefahr eine danach gegebenen Beeinträchtigung erst mit Erreichen des Geländeniveaus des höher gelegenen Grundstücks entstehen könne. Würde man auch in einem solchen Fall auf die Austrittsstelle am Boden abstellen, würde die gesetzgeberische Interessensabwägung verfälscht. Damit entspräche es dem Sinn und Zweck der gesetzgeberischen Regelung, in Fällen einer Höhendifferenz von Grundstücken diese hinzuzurechnen, befinden sich die Pflanzen auf dem niedriger gelegenen Grundstück. Diese Erwägungen würden auch durch eine anderweitige Regelung des bayerischen Gesetzgebers gedeckt, insoweit nach Art. 50 Abs. 1 S. 1 BayAGBGB Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB nicht auf Pflanzen hinter einer Mauer oder sonstigen dichten Einfriedung Anwendung fände.

Anmerkung: Die Entscheidung ist zwar aus sich heraus überzeugend. Wie aber wäre bei der entsprechenden Überlegung der Rechtsstreit zu behandeln, wenn die Anpflanzung sich auf dem höher gelegenen Grundstück befindet ? Nach dem Sinngehalt dieser Entscheidung des BGH könnte man meinen, dass dann die Höhendifferenz bei der Messung der Pflanze zu berücksichtigen ist und dazu führt, dass eine Pflanze im vorliegenden Fall bei Annahme einer Höhendifferenz von 1,0m nur 1m wachsen dürfte. Dieser Überlegung dürfte aber wohl das Verbot der extensiven Gesetzesauslegung entgegenstehen. 


BGH, Urteil vom 02.06.2017 - V ZR 230/16 -

Mittwoch, 1. Juni 2016

Nachbarrecht: Beschädigung einer Grenzwand durch Abriss des angebauten Gebäudes

Derjenige, der eine Grenzwand hat, darf diese auch dann mangels anderweitiger Abreden abreißen, wenn sein Nachbar an diese Grenzwand angebaut hat, wobei für den Eigentümer der Grenzwand eine nach dem Abriss erforderliche Außenisolierung des Nachbargebäudes nicht erfolgen muss. Da die Grenzwand nicht die Grenze überschreitet (also keine Grenzanlage iSv. § § 921f BGB ist, ist der Eigentümer seinem Nachbarn gegenüber nicht verpflichtet, die Funktionsfähigkeit der Grenzwand zu erhalten. Insoweit wird auf die Entscheidungen des BGH z.B. vom 18.05.2001  - V ZR 119/00 -  und 18.02.2011  - V ZR 137/10 – verwiesen. Was aber ist, wenn durch den Abriss des Anbaus Schäden an der Grenzwand entstehen ?

Der BGH verweist hier zunächst auf seine Rechtsprechung zu dem umgekehrten Fall (s.o.). Er führt aus, entscheidend sei, dass jeder Grundstückeigentümer für seine Wand verantwortlich ist, wenn zwei parallel verlaufende Grenzwände existieren. Der Vorteil, der sich daraus ergäbe, dass eine Außenwand so lange keines oder keines vollständigen Witterungsschutzes bedarf, wie der Schutz von der Grenzwand des Nachbargrundstückes geboten wird, würde durch das BGB nicht geschützt (so bereits BGH vom 16.04.2010 – V ZR 171/09 -).  Im vorliegenden Rechtsstreit allerdings kam es durch den Abriss des Anbaus des Beklagten an die Grenzwand des Klägers zu einem Schaden der Grenzwand in Form von Putz- und Mauerschäden sowie Feuchtigkeitsschäden im Keller.

Die Putz- und Mauerschäden wurden durch den Abriss verursacht. Auch wenn der Beklagte dafür ein Abrissunternehmen beauftragte, ist er verantwortlich; dies zwar nicht wegen eines Fehlverhaltens des beauftragten Unternehmers, sondern da diese Schäden eine unvermeidliche Folge des Abrisses waren. Zwar durfte der Beklagte den Abriss des Anbaus vornehmen, dabei aber nicht das Eigentum des Klägers beschädigen. Der Kläger könne somit verlangen, dass die Wand als funktionsfähige Außenwand wiederhergestellt wird.

Im Hinblick auf den Feuchtigkeitsschaden leitet der BGH einen Anspruch aus der analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB her. Der Beklagte hatte nach dem Abriss eine dicke Betonbodenplatte belassen, auf der sich Wasser ansammelte welches in die Grenzwand einsickerte. Zwar würde der Anspruch des Klägers entfallen, wenn er dies nach § 1004 BGB hätte abwehren können (vorbeugender Unterlassungsanspruch); doch habe der Kläger die Wasserzufuhr weder vorhersehen noch rechtzeitig abwehren können. 

BGH, Urteil vom 18.12.2015 – V ZR 55/15 -

Mittwoch, 16. März 2016

Nachbarschaftsrecht: Laubbefall durch herüberhängende Äste

Nur selten wird man in der glücklichen Lage sein, sich seinen Nachbarn aussuchen zu können. Und so gehören Nachbarstreitigkeiten zu den gerichtlichen Verfahren, die immer wieder anzutreffen sind, und bei denen letztlich nicht „die Sache“ selbst ursächlich ist, sondern  der Streit zwischen den Nachbarn. Fälle, in denen ein Richter selten eine Chance hat, eine gütliche Einigung zu bewirken (die regelmäßig auch vorher schon vor dem Schiedsmann ausblieb).


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Zu einen der Gründe für häufige nachbarschaftliche Auseinandersetzungen gehört der Bewuchs im Nachbargarten. So musste sich das OLG Brandenburg mit der Frage auseinandersetzen, ob Äste. Die mehrere Meter herüberragen, geduldet werden müssen. Neben den Regelungen des BGB sind die einschlägigen Nachbarschaftsgesetze der Länder zu berücksichtigen.

Klar wird vom OLG Brandenburg ausgeführt, dass der beeinträchtigte Nachbar vorliegend einen Anspruch auf Beseitigung des Überhangs nach §§ 1004 Abs. 1, 910 BGB habe, wenn sich ein Duldungsanspruch nicht ergibt. Insbesondere müsse er hier auch die von dem Überhang ausgehende Beeinträchtigung nicht nach § 910 Abs. 2 BGB dulden. Zwar wäre eine Beschattung vorliegend kein Grund, auch nicht ein gelegentliches Herabfallen von Eicheln; allerdings würde sich das Herabfallen des Laubs und der Kiefernadeln der Bäume als nicht unerhebliche Beeinträchtigung darstellen, da nach einem Sachverständigen 3 Kubikmeter im Jahr anfallen sollen.

Auch wenn die Frist für die Geltendmachung des Grenzabstandes nach dem Nachbarschaftsgesetz abgelaufen ist, hindere dies nicht die Ansprüche aus §§ 1004, 910 BGB. Allerdings käme ein Rückschnitt nicht in Betracht, wenn dieser genehmigungsfrei ist oder eine Genehmigung erteilt wird; wird eine erforderliche Genehmigung nicht erteilt, würde dem Kläger ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zustehen (dessen Höhe in dieser Entscheidung nicht gegenständlich war).


OLG Brandenburg, Urteil vom 17.08.2015 – 5 U 109/13 -

Sonntag, 6. Dezember 2015

Nachbarrecht: Beschattung durch Bäume begründet keinen Beseitigungsanspruch

Der Kläger, Eigentümer eines Reihenhausgrundstücks, wandte sich mit seiner Klage gegen die Stadt mit dem Ziel, dass ca. 25m hohe Eschen in der angrenzenden städtischen Grünanlage, die dort mit einem Abstand von 9 – 10,3m zur Grundstücksgrenze stehen, gefällt werden. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen.

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Die durch die Verschattung bewirkte Einwirkung auf das klägerische Grundstück stelle keine einen Abwehranspruch nach § 1004 BGB begründende Einwirkung iSd. § 906 BGB dar. Der Entzug von Luft oder Licht stelle sich nach der Rechtsprechung nicht als eine negative Einwirkung iSd. § 906 BGB dar. Der BGH erklärt ausdrücklich, dass er keine Veranlassung zu einer Aufweichung dieser bisher einhelligen Rechtsprechung zu § 906 BGB sehe. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in den meisten Bundesländern Regelungen in Nachbargesetzen über Abstände enthalten sind, weshalb kein Bedürfnis für eine Ausdehnung des § 906 BGB bestünde.

Auch ein Beseitigungsanspruch aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis sei zutreffend von den Vorinstanzen abgelehnt worden. Dieses Rechtsinstitut stelle eine Ausnahmeregelung dar. Voraussetzung wäre, dass der Kläger durch die hohen Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt wäre. Dies sei konkret nicht feststellbar, selbst wenn der gesamte Gartenbereich des Klägers berücksichtigt würde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der nach dem Nachbargesetz (hier: § 41 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a NachbG NRW) vorgesehene Grenzabstand 4m betrage und hier um mehr als das doppelte überschritten wurde.


BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 229/14 -

Donnerstag, 12. Juni 2014

Nachbarrecht: Schlammlawinen

Bild: churli46/pixelio.de
Starke Niederschläge, die sich häufen, führen auch immer wieder zu Problemen zwischen Nachbarn, die in Hanglange ihre Grundstücke haben. Insbesondere dann, wenn oberhalb der Bebauung auf einem abschüssigen Gelände Landwirtschaft (Ackerbau, Weinberge pp.) betrieben wird, kommt es zu Schlammlawinen, die dann zu Verwüstungen auf dem darunterliegenden bebauten Grundstück führen. Aber nicht immer führt dies zu einer Haftung des Grundstückeigentümers des Grundstücks, von dem der Schlamm abfloss. Ein Ausgleichsanspruch könnte sich aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ergeben. Der durch das Naturereignis hervorgerufene Schaden kann ihm aber nur dann zugerechnet werden, wenn er dies durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder durch pflichtwidriges Verhalten herbeigeführt hat. Der BGH hat dies unter Bezugnahme auf seine Entscheidung in BGHZ 90, 255, 266 in seinem Urteil vom 17.10.2013 – V ZR 15/13 – bekräftigt. Er führte aus, dass der „Oberlieger“ nicht grundsätzlich verpflichtet ist, für einen ausreichenden Schutz des tiefer liegenden Grundstücks verpflichtet zu sein.  

BGH, Urteil vom 17.10.2013 - V ZR 15/13 -

Sonntag, 6. April 2014

Schadensersatzansprüche und Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen - der nachbarrechtliche Anspruch

Das Amtsgericht Bensheim hat mit Urteil vom 15.11.2013 hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Der Baum sei noch ersichtlich schadhaft gewesen und der Umstand der Hanglage und des hauptsächlichen Astbewuchses talabwärts würden sich nicht als Gefahrenmoment darstellen, wie auch das Alter des Baumes, einer Eiche von ca, 100 Jahren, nicht gefahrrelevant sei, da das Alter für die Baumgattung noch als jung anzusehen sei. Auch negierte das Amtsgericht einen Anspruch aus dem nachbarrechtlichen Abwehranspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, da sich die Nutzung des Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hielt und damit dem Eigentümer keine Verantwortlichkeit trifft.

AG Bensheim, Urteil vom 15.11.2013 - 6 C 374/12 (15)