Posts mit dem Label kostenentscheidung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label kostenentscheidung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 18. November 2021

Trägt der Gläubiger Kosten seines Insolvenzantrages bei nachfolgender Erfüllung durch Schuldner ?

Nachdem der Schuldner Sozialversicherungs- beiträge für bei ihm Beschäftigte nicht an die Gläubigerin (eine gesetzliche Krankenversicherung) für einen Zeitraum November 2018 bis Juni 2019 abgeführt hatte, beantragte die Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Danach erfolgte durch den Schuldner die Zahlung und die Gläubigerin erklärte die Hauptsache für erledigt. Unter Bezugnahme auf §§ 4 InsO, 91a ZPO hatte das Insolvenzgericht nunmehr der Gläubigerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Landgericht wies die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde zurück. Auf die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde stellte der BGH die Erledigung des Eröffnungsantrages fest und erlegte dem Schuldner die Kosten des Verfahrens auf.

Der BGH verwies darauf, dass die Insolvenzordnung in § 4 InsO auf die entsprechende Anwendbarkeit der Regelungen der ZPO verweise, soweit es an einer Regelung in der InsO ermangelt, und dass eine Hauptsacheerledigung in der InsO nicht geregelt sei anerkannt sei, dass für die § 91a ZPO entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung fänden (BGH, Beschluss vom 25.09.2008 - IX ZB 131/07 -).

Vorliegend läge eine einseitige Erledigungserklärung vor (da sich der Schuldner der gläubigerseits erklärten Erledigung nicht angeschlossen hatte, wobei auch kein Hinweis auf die Folgen der fehlenden Erklärung nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO erfolgte, weshalb ein Schweigen keine Zustimmung zur Erledigungserklärung der Gläubigerin bedeutet).

Mit der einseitigen Erledigungserklärung würden keine Ermittlungen mehr zu einem möglichen Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren erfolgen. Für die Kostenentscheidung sei auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung abzustellen. Gleichwohl bleibe aber der Eröffnungsantrag bei einseitiger Erledigungserklärung anhängig und es müsse über diesen entscheiden werden. Der Prüfungsumfang beziehe sich nun auf die Klärung der Frage, ob der Antrag zulässig und begründet war und sich durch ein nachträgliches Ereignis erledigte. Würde vom Insolvenzgericht die Erledigung festgestellt, könne der Schuldner den Beschluss mit sofortiger Beschwerde anfechten (§§ 6, 34 Abs. 2 InsO), bei Abweisung des Antrages ergäbe sich ein Beschwerderecht aus §§ 6, 34 Abs. 1 InsO.

Vorliegend sei das Beschwerdegericht zutreffend von einer Zulässigkeit und Begründetheit des Insolvenzeröffnungsantrages der Gläubigerin ausgegangen. Allerdings läge entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts ein erledigendes Ereignis vor; die anderweitige Auffassung des Vorgerichts beruhe auf einem falschen Verständnis zu § 14 Abs. 1 S. 2 InsO. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 InsO sei für den antragstellenden Gläubiger die Möglichkeit eröffnet, auch bei nachträglicher Erfüllung des Anspruchs den Eröffnungsantrag aufrecht zu erhalten. Dazu bestünde aber keine Pflicht (BGH, Beschluss vom 24.09.2020 - IX ZB 71/19 -).

Der Umstand, dass grundsätzlich nach den zivilprozessualen Grundsätzen zu § 91a ZPO kein erledigendes Ereignis vorliege, wenn der Antrag weiterhin zulässig und begründet ist, unterläge hier im Insolvenzrecht einer Modifizierung. Daher könnten bei der einseitigen Erledigungserklärung nicht dem Gläubiger die Kosten mit der Begründung auferlegt werden nach § 14 Abs. 1 S. 2 InsO sei der Antrag weiterhin zulässig.

Der BGH sah sich in der Lage, da nicht davon auszugehen sei, dass bei einer Zurückverweisung weitere Feststellungen, insbesondere zu einem Druckantrag, zu erwarten wären. Anmerkung: Zum Druckantrag hatte der BGH in seinem Beschluss vom 24.09.2020 – IX ZB 71/19 – Stellung genommen. Ein solcher liegt vor, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, um den Schuldner zu veranlassen,  unter dem Druck des Antrages zur Zahlung vorzunehmen. In diesem Fall wären nach der Motivlage bei der Erledigung durch Zahlung die Kosten dem Gläubiger aufzuerlegen. Allerdings müssten hier, neben der Antragsrücknahme, weitere Umstände vorliegen, die die Annahme der Druckantragstellung rechtfertigen könnten (BGH, Beschluss vom 24.09.2020 - IX ZB 71/19 -).

BGH, Beschluss vom 23.09.2021 – IX ZB 66/20 -

Sonntag, 18. November 2018

Kostenentscheidung bei beidseitiger Erledigungserklärung und Eintritt der Erledigung vor Rechtshängigkeit


Der Kläger hatte außergerichtlich bei der beklagten Deckungsschutz für eine Klage gegen einen Unfallversicherer begehrt. Nachdem dies nicht erfolgte, erhob er, nach Versagung mit Schreiben vom 01.10.2014, mit Klageschrift vom 08.12.2016  gegen die Beklagte Feststellungsklage auf Rechtsschutz für die 1. Instanz zu gewähren habe. Mit Schreiben vom 19.12.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie gewähre den Rechtsschutz. Die Klage wurde der Beklagten am 03.02.2017 zugestellt. Beide Parteien hatten sodann den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Beschluss gem. § 91a Abs. 1 ZPO erlegte das Landgericht der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf. Die dagegen von der Beklagten erhobene sofortige Beschwerde wurde zurückgewiesen.

Das OLG verwies darauf, dass bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung die Kostenentscheidung gem. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO nach billigen Ermessen erfolge. Entscheidend für eine Entscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO sei nur, dass die Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklären. Es käme nicht darauf an, ob und wann das erledigende Ereignis eingetreten sei; dies sei nur bei der einseitigen Erledigungserklärung (der Klägerseite) zu prüfen.

 Nur um Hinblick auf den Feststellungsantrag im Schriftsatz vom 08.12.2016 sei mit der Zustellung der Klage Rechtshängigkeit eingetreten und insoweit ein Prozessrechtsverhältnis entstanden. Damit sei im Rahmen der nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO vorzunehmenden Billigkeitsentscheidung auch nur zu prüfen, ob und inwieweit der geltend gemachte Anspruch bestand, bzw. inwieweit Ermessensausübungen in Bezug auf den Feststellungsantrag zugunsten der einen oder anderen Seite sprächen. Soweit zwischen den Parteien auch andere Fragen streitig gewesen wären, würden diese weder für den Streitgegenstand noch den Streitwert relevant sein. Von daher käme es auch nicht darauf an, ob der Kläger über den Feststellungsantrag hinausgehenden Deckungsschutz verlangen könne. Auch sei eine der Beklagten nicht zugestellte Klageerweiterung (die Zustellung unterblieb mangels Zahlung des Kostenvorschusses) nicht Gegenstand des Prozessrechtsverhältnisses geworden und von daher nicht zu beachten (Anm.: In Ansehung der Entscheidung des OLG Oldenburg vom 13.07.2018 - 3 W 52/18 -, wonach auch die Anhängigkeit bereits streitwerterhöhend wirkt, könnte diese Einschätzung jedenfalls als fraglich angesehen werden).

Auch wenn bei § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO in der Regel die Frage im Vordergrund stünde, wie der Rechtsstreit ohne Erledigung ausgegangen wäre, schließe dies nicht die Berücksichtigung materiell-rechtlicher Gesichtspunkte aus. Wenn feststünde, dass - unabhängig von prozessualen Fragen - eine Kostenerstattungspflicht nach materiellem Recht aus Schadensersatzgesichtspunkten bestünde, erscheine es billig, diese materielle Rechtslage der Kostenentscheidung zugrunde zu legen.  

Diese Schadensersatzpflicht ergäbe sich hier aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte sei zur Gewährung von Rechtsschutz verpflichtet gewesen und hatte auch zuletzt im Prozess keine Einwendungen dagegen erhoben. Damit war das Ablehnungsschreiben vom 01.10.2014 rechtlich fehlerhaft gewesen und stelle sich als eine Verletzung von Vertragspflichten dar. Dies sei ursächlich für die Prozesskosten für die die Klage vom 08.12.2016 gewesen. Damit seien die Prozesskosten Gegenstand eines materiellen Schadensersatzanspruchs, der für die Entscheidung gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO ausschlaggebend sei.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.12.2017 - 9 W 36/17 -

Freitag, 27. Mai 2016

Prozessrecht: Die unterlassene Entscheidung über die Kosten der Streithilfe und der zulässige Rechtsbehelf

Skulptur: Gerechtigkeit
Immer dann, wenn in einem Urteil festgestellte Tatsachen auch gegenüber einem Dritten gelten sollen, ist eine Streitverkündung angezeigt. Ebenso kann ein Dritter, wie z.B. der private Haftpflichtversicherer, sich selbst an einem Verfahren als Streithelfer beteiligen.  Obwohl das Rechtsinstitut der Streithilfe alt ist, tun sich sowohl Anwälte als auch Gerichte häufig schwer mit ihm.  Einer der häufigsten Fehler bei Gericht ist darin zu finden, dass im Rahmen der Kostenentscheidung in einem Urteil oder Beschluss (z.B. nach § 91a ZPO) kein Wort zu den Kosten der Nebenintervention und mithin zu den Kosten des Streithelfers gesagt wird.

Hier war der BGH selbst betroffen. In einem Beschluss nach § 522 ZPO, mit dem er über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden hatte, vergaß er die Streithelferin, die dem Rechtsstreit Auf  Seiten des obsiegenden Beklagten beigetreten war. Einer gesonderten Entscheidung zu den Kosten der Streithilfe bedarf es im Tenor gem. § 101 Abs. 1 ZPO (was häufig von Gerichten verkannt wird).  Der Beschluss wurde dem anwaltlichen Bevollmächtigten der Streithelferin am 27.01.2016 zugestellt; noch am gleichen Tag beantragt der anwaltliche Bevollmächtigte, den Beschluss gemäß § 321 ZPO zu ergänzen oder, soweit möglich, nach § 319 ZPO dahin zu berichtigen, dass die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen habe.

Der BGH negierte in seinem darauf ergangenen Beschluss die Möglichkeit der Berichtigung nach § 319 ZPO. Eine Berichtigung auch bei einer versehentlich unterlassenen Entscheidung über die Kosten der Streithilfe käme nur dann in Betracht, wenn eine versehentliche Abweichung von dem vom Gericht gewollten vorläge und zudem dies auch offenkundig sei BGH, Beschluss vom 16.03.2013 – II ZR 185/10 -).  Offenkundigkeit verlange, dass sich dies für einen Dritten aus der Entscheidung selbst ergäbe oder zumindest bei dem Erlass oder der Verkündung der Entscheidung deutlich nach außen zum Tragen käme. Diese Voraussetzungen negierte hier der BGH für den vorliegenden Fall. Zwar habe er der Klägerin die Kosten der Streithilfe nach § 101 Abs. 1 ZPO auferlegen wollen; das versehentliche Vergessen wäre aber nicht offenbar geworden, da weder der Beschluss selbst einen Hinweis in den Gründen enthalte, auch nicht jede Entscheidung über Kosten fehle und auch nach außen sonst nichts erkennbar dokumentiert worden wäre. Alleine der Umstand der Benennung der Streithelferin Im Rubrum der Entscheidung genügt nicht (BGH, Beschluss vom 16.04.2013 – II ZR 297/11 -).

Allerdings wurde auch förmlich ein Antrag auf Ergänzung des Beschlusses im Kostenausspruch gestellt. Dieser Antrag ging innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist ein. § 321 Abs. 1 ZPO, wonach ein Urteil auf Antrag zu ergänzen ist,  ist auf Beschlüsse entsprechend anwendbar (BGH, Beschluss vom 26.08.2013 – IX ZR 26/13 -).  Diesem Antrag war stattzugeben.

Anmerkung: Als Vertreter eines Streithelfers hat man stets die Kostenentscheidung des Gerichts genau zu lesen. Fehlt eine Entscheidung über die Kosten der Streithilfe, ist  - wenn sie der Gegenseite aufzuerlegen wäre, was regelmäßig der Fall ist, wird dem Rechtsstreit auf Seiten der obsiegenden Partei beigetreten -  innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO (2 Wochen) schriftsätzlich (bei Anwaltsprozessen zwingend durch einen zugelassenen Anwalt) die Ergänzung zu beantragen. Wir die Frist versäumt, fehlt es an einer Kostengrundentscheidung zugunsten des Streithelfers, vermöge dessen er seine Kosten gegen die unterlegene Partei festsetzen lassen und so bei dieser beitreiben könnte. Er bliebe auf seinen Kosten „sitzen“. Es wäre ein Anwaltsversäumnis, was auch zum Verlust des eigenen Gebührenanspruchs gegen den Mandanten führen kann.  Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen des BGH zu § 319 ZPO bedeutsam, da der Berichtigungsantrag nicht an eine Frist gebunden wäre.


BGH, Beschluss vom 01.03.2016 – VIII ZR 287/15 -