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Samstag, 12. November 2022

Angebot einer Umbuchung ohne Hinweis auf Stornierungsmöglichkeit der Reise

Die Beklagte war Reiseveranstalterin, bei der online Pauschalreisen gebucht werden konnten. Im Zeitraum vom 28.05. bis 08.07.2020 befand sich auf ihrer Internetseite unter einem mit „Aktuelle Corona-Informationen finden Sie hier“ versehener Link, in dem auf die derzeit schwierige Erreichbarkeit der Beklagten verwiesen wurde und Gäste mit einer Abreise bis 30.06.2020 in der Reihenfolge der Abreise unaufgefordert kontaktiert würden, ferner, dass man sich freuen würde, wenn die Reise um ein Jahr verschoben würde. Es wurde gebeten, von Anfragen abzusehen, „bis das Schreiben bei Ihnen ist“. Der Kläger, der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer, erhob eine Unterlassungsklage, da er die Ansicht vertrat, die Kunden würden dadurch davon abgehalten, ihre Reise gegen Rückerstattung des Reisepreises zu stornieren. Die Klage und die gegen das klageabweisende Urteil eingelegte Berufung blieben erfolglos.

Ein Unterlassungsanspruch würde sich nicht aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 UWG iVm. § 651h Abs. 3 BGB ergeben. Dabei ließ es das OLG auf sich beruhen, ob § 651h Abs. 3 UWG eine Marktverhaltensregelung sei (was wohl der Fall sei, da sie dem Schutz der Kunden als Verbraucher diene). Jedenfalls läge ein Verstoß gegen § 651h Abs. 3 UWG nicht vor.

§ 651h Abs. 1 S. 3 BGB regele eine Entschädigungspflicht, die der Kunde dem Veranstalter im Falle seines Rücktritts vom Reisevertrag zahlen müsse. Des gelte dann nicht, wenn nach § 651h Abs. 3 BGB am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbaren außergewöhnliche Umstände auftreten würden, die die Durchführung der Pauschalreise oder der Beförderung von Personen erheblich beeinträchtigen. Das sei bei Umständen der Fall, die die Partei, die sich darauf beruft, auch bei allen zumutbaren Vorkehrungen nicht beeinflussen könne. Der benannte Hinweise sei an Kunden gerichtet worden, deren Reise wegen der Coronakrise nicht hätte durchgeführt werden können. Ein Rücktritt des Veranstalters läge offenbar aber nicht vor, weshalb § 651h BGB nicht zur Anwendung käme. Allerdings habe für die Reisenden die Möglichkeit zum Rücktritt bestanden, wobei unterstellt werden könne, dass die Corona-Pandemie in der fraglichen Zeit ein unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstand war, der die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigt habe, weshalb keine Entschädigung zu zahlen wäre und der Reisepreis zurückverlangt werden konnte.  

Der Kläger habe aber nicht dargelegt, dass die Beklagte unter Verstoß gegen § 651h Abs. 3 BGB gleichwohl eine Entschädigung verlangt habe oder sich in Ansehung eines solchen Anspruchs geweigert habe, den Reisepreis zu erstatten. Es käme im Rahmen des § 651 Abs. 3 BGB nicht darauf an, ob die Beklagte durch ihre Verlautbarung verschleiert habe, dass eine Möglichkeit zum kostenlosen Rücktritt bestand. Eine Aufklärungspflicht des Reiseveranstalters über die entschädigungslose Rücktrittsmöglichkeit ließe sich § 651h Abs. 3 BGB nicht entnehmen und dass ein entschädigungsloser Rücktritt nicht akzeptiert würde ließe sich der Verlautbarung nicht entnehmen. Damit könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit ihrer Verlautbarung ein Rücktrittsrecht vereitelt oder gezielt erschwert hätte.

Ebenso wenig könne sich der Kläger für das Unterlassungsbegehren auf §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 UWG berufen. Die Hinweise in der Verlautbarung würden keine Irreführung über Rechte der Verbraucher im Hinblick auf die coronabedingt nicht durchgeführten Reisen bewirken. Die Angaben seien nicht blickfangmäßig herausgestellt und müssten im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Vielmehr habe sich die Beklagte zunächst dafür bedankt, dass viele der Kunden ihre Wunschreise auf das nächste Jahr verschoben hätten und man wisse es zu schätzen, dass viele auch ihre Solidaritätsbekundung durch die hohe Anzahl von Annahmen des Reisegutscheins zum Ausdruck gebracht hätten. Nach dem maßgeblichen Verkehrsverständnis deute dies darauf hin, dass die Umbuchung optional und freiwillig sei. Auch der Hinweis eine Kontaktierung der Gäste in der Reihenfolge ihrer Abreise mit der Bitte um Verschiebung der Reise um ein Jahr und der weiteren Bitte, von Rückfragen bis zum Zugang des Schreibens zu warten, könne der situationsadäqaut aufmerksame Durchschnittsverbraucher nicht dahingehend verstehen, dass kein Rücktrittsrecht und keine kostenlose Stornierung möglich sei.

Soweit die Beklagte auf die auf der Internetseite benannten Themen „Wo finde ich detaillierte Informationen zum Corona-Virus“ und „Wie schütze ich mich richtig“ verweist, würde auch nicht ableiten, dass die Beklagte auf diesen Seiten umfassend und abschließend den Verbraucher über seien Rechte informieren wolle. E fänden sich dort nur Links zum Robert-Koch-Institut und dem Auswärtigen Amt zur gesundheitlichen Lage in Deutschland und im Reiseland. Der Verbraucher erwarte hier nicht Aufklärung über mögliche reisevertragliche Ansprüche.

Auch habe die Beklagte keine Informationen (so zum Rücktrittsrecht“ vorenthalten, die iSv. §§ 3, 5a Abs. 2 Nr. 2m 8 Abs. 1 UWG wesentlich wären. Zu Zeitpunkt der Publizierung bestand nach § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG a.F. zwar eine Verpflichtung, über das Bestehen eines gesetzlichen Rechts zum Rücktritt oder Widerruf aufzuklären; diese hätten sich aber nur auf Angebote zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses (hier Reisevertrag) bezogen. Die vorliegend angegriffenen Passagen beträfen aber den Bereich der Abwicklung.  

Im Falle von Leistungsstörungen würde nach § 5a UWG keine grundsätzliche Verpflichtung bestehen, den anderen Vertragsteil umfassend über seine Rechte (hier kostenloses Rücktrittsrecht) aufzuklären. Auch aus Art. 240 § 6 Abs. 1 EGBGB ließe sich eine Informationspflicht zu Gutscheinen nicht herleiten, da diese Norm erst nach Einstellung des online-Angebots in Kraft getreten sei.

Ein Anspruch ließe sich auch nicht aus §§ 3, 4a, 8 Abs. 1 UWG herleiten. § 4a Abs. 1 S. 1 UWG verbiete aggressive geschäftliche Handlungen, die geeignet wären, den Verbraucher zu einer Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Derartiges liege nicht vor. Die Formulierungen würden keinen Druck auf den Verbraucher ausüben und er würde nicht von naheliegenden Überlegungen abgehalten, ob er überhaupt eine Umbuchung will oder einfach  storniert. Aus Sicht des Verbrauchers habe die Beklagte lediglich eine Bitte geäußert. Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit sei nicht gegeben.

OLG Frankfurt, Urteil vom 15.09.2022 - 6 U 191/21 -

Freitag, 22. April 2022

Anwaltshaftung abhängig von Umfang/Gegenstand des Mandats (hier bei Verkehrsunfall)

Der Kläger hatte die beklagten Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung seiner Interessen anlässlich eines Verkehrsunfalls mit einem vom ihm geführten Motorrad mit einem Pkw, der bei der X-Versicherung versichert war, beauftragt. Bei dem Verkehrsunfall zog sich der Kläger schwere Verletzungen zu. Bei der gegnerischen Kfz-Versicherung, der X-Versicherung, unterhielt er selbst eine Unfallversicherung. Bei dieser hatte er selbst im Rahmen seiner Unfallversicherung den Schaden gemeldet du wurde von ihr (mehrfach) darauf hingewiesen, dass Leistungen aus der Unfallversicherung ausgeschlossen seien, wenn keine ärztliche Feststellung seiner Invalidität innerhalb bestimmter Frist erfolge. Diese Schreiben sandte der Kläger den Beklagten, ohne dass sie tätig wurden. Später lehnte die Unfallversicherung eine Leistung wegen Fristversäumung ab.

Der Kläger ist der Annahme, die Beklagten seien ihm wegen fehlerhafter Beratung bei der Abwicklung des Unfallschadens schadensersatzpflichtig.  Sie Klage wurde vom Landgericht abgewiesen, die Berufung wurde zurückgewiesen.

Der Anspruch hatte deshalb keinen Erfolg, da nicht feststehen würde, dass sich das Mandat der Beklagten auch auf Ansprüche des Klägers gegen die X-Versicherung als Unfallversicherer des Klägers bezog. Weder läge ein ausdrücklicher Auftrag noch ein schlüssiger Auftrag vor. Dem Kläger träfe die Darlegungs- und Beweislast.

Die Vollmachtsurkunde, die der Kläger den Beklagten unterzeichnet habe, ergäbe nichts für ein entsprechendes Mandat. Zwar sei danach die Vollmacht „wegen Verkehrsunfall“ erteilt worden. Der Wortlaut als solcher würde zwar dafür sprechen dass auch die Vertretung gegenüber dem Unfallversicherer dazu gehöre. Würde man aber den Wortlaut derart weit auslegen, dass alles, was irgendwie mit dem Verkehrsunfall im Zusammenhang stünde, von dem Mandat umfasst wäre, würde der Mandatsgegenstand kaum eingrenzbar sein und eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen erfassen (so z.B. mögliche Auseinandersetzungen mit dem Krankenversicherer, mit der Werkstatt, einem eigenen Vollkaskoversicherer. Im Vordergrund würde bei solchen Mandaten aber die Auseinandersetzung mit dem Unfallgegner stehen; weitergehende Mandate würden auch jeweils Rechtsanwaltsgebühren anfallen lassen, die nicht vom Unfallgegner oder dem eigenen Kfz-Versicherer zu tragen seien. Zudem bedürfe es (zumindest zunächst) nicht eines anwaltlichen Vertreters, wenn der Versicherungsnehmer bei seinem Unfallversicherer Ansprüche geltend macht, weshalb im Falle eines tatsächliche Mandats auch anzunehmen wäre, dass ein gesonderter Auftrag erteilt wird.

Auch wenn im Hinblick auf die Unfallversicherung ein Mandatsverhältnis nicht begründet wurde, käme nach Ansicht des OLG gleichwohl noch eine Verletzung von Hinweis- und Warnpflichten in Betracht. Denn selbst bei einem eingeschränkten Auftrag wie hier vom OLG angenommen bestünde eine Nebenpflicht, den Auftraggeber auf mögliche Fristversäumnisse hinzuweisen (die nicht den eigentlichen Beratungsauftrag betreffen), so auf die Versäumung einer Ausschlussfrist bei einer Unfallversicherung. Der Anwalt habe auch grundsätzlich von einer Belehrungsbedürftigkeit des Mandanten auszugehen. Dies gelte aber dann nicht, wenn dem Mandanten die Risiken bereits deutlich gemacht wurden. Den den Beklagten überlassenen Schreiben des Unfallversicherers hätten diese entnehmen können, dass der Kläger den Unfall diesem gemeldet hatte und zudem vom Unfallversicherer über die Ausschlussfrist belehrt worden sei. Die Beklagten hätten keinen Grund gehabt anzunehmen, der Kläger habe dies nicht verstanden oder vor Fristablauf wieder vergessen.

Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 10.02.2022 - 11 U 73/21 -

Freitag, 30. August 2019

Darlegungs- und Beweislast zur Wohnfläche bei einer Mieterhöhung und die (vergebliche) Hoffnung auf eine vom Gericht veranlasste gutachterliche Prüfung


Die Klägerin begehrte Mieterhöhung für ein von ihr 2010 vermietete Wohnung. Im Mietvertrag war keine Mietfläche benannt, lediglich der Mietzins mit € 8,63/qm und insgesamt mit netto € 798,62/Monat benannt; die Wohnungsgröße wurde von der Klägerin mit 92,54qm benannt. Amts- und Landgericht wiesen die Klage ab. Auf die zugelassene Revision wurde das Urteil des Landgerichts aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen. Die Beklagte behauptete nunmehr eine Wohnfläche von 80,674qm. Auf Nachfrage wurde klägerseits mitgeteilt, keinen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Größe der Wohnung stellen zu wollen. Die Berufung wurde neuerlich unter Zulassung der Revision zurückgewiesen. Die Revision wurde diesmal ebenfalls zurückgewiesen.

Die Beweislast für die in Ansatz zu bringende Wohnungsgröße läge bei der Klägerin als Vermieterin, die eine Mieterhöhung begehre. Den Beweis einer für den Erfolg der Klage maßgeblichen Wohnungsgröße von 92,54 qm habe die Klägerin allerdings nicht erbracht. Die Beklagte habe unter Vorlage von Messergebnissen der einzelnen Räume und einer sich hieraus ergebenden Wohnfläche von 80,674qm die klägerseits behauptete Größe der Wohnung substantiiert bestritten, weshalb es nunmehr Sache der Klägerin gewesen wäre, einen Beweis für die von ihr behauptete Größe der Wohnung anzutreten. Auf die Nachfrage des Berufungsgerichts an die anwaltlich vertretene Klägerin, ob sie ein Sachverständigengutachten zur Größe der Wohnung wolle, sei dies ausdrücklich verneint worden und auch kein anderes Beweismittel angeboten worden.

Der Vortrag der Beklagten in der widereröffneten Berufungsverhandlung nach Rückverweisung zur Wohnfläche sei nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO berücksichtigungsfähig, wobei allerdings selbst bei fehlerhafter Berücksichtigung neuen Tatsachenvortrags durch das Berufungsgericht dies im Rahmen einer Revision nicht erfolgreich eingewandt werden könne (BGH, Urteile vom 02.03.2005 - VIII ZR 174/04- und vom 06.12.2007 - III ZR 146/07 -).

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das Gericht habe auch gem. § 144 ZPO ohne Antrag des Beweispflichtigen ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Wohnungsgröße einholen können. Das Landgericht habe aber nach Auffassung des BGH hier nicht gegen § 144 ZPO verstoßen. Die Anordnung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens stünde im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und damit könne vom BGH auch nur zur Ausübung des Ermessens geprüft werden. Zu beachten sei, dass die dem Gericht nach § 144 ZPO eröffnete Möglichkeit die Parteien nicht von deren Darlegungs- und Beweislast befreie.  Daher sei der Tatrichter, dem die erforderliche Sachkunde fehle und der davon Abstand nehmen wolle, von Amts wegen gemäß § 144 ZPO sachverständige Hilfe in Anspruch zu nehmen, grundsätzlich gehalten, die beweisbelastete Partei nach § 403 ZPO auf die Notwendigkeit eines Beweisantrags hinzuweisen (BGH, Urteil vom 24.06.2015 - IV ZR 181/14 -; vgl. aber auch BGH, Beschluss vom 12.03.2019 – VI ZR 278/18 -). Dies sei der im Zivilprozess geltenden Parteiherrschaft geschuldet.  Damit habe es zunächst der Klägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten oblegen zu klären, ob und welche Beweismittel angeboten werden, was insbesondere für ein mit höheren Kosten verbundenes Sachverständigengutachten gelte. Es sei daher nicht ermessenfehlerhaft, wenn nach einem Hinweis und einem offen ausgesprochenen entgegenstehenden Willen der beweisbelasteten Partei  der Tatrichter von einer Einholung des Gutachtens von Amts wegen absähe. Das Absehen sei damit begründet worden, dass die Klägerin der Auffassung sei, die Beklagte sei mit ihrem Vortrag zur Größe der Wohnung im Berufungsrechtszug nach der Zurückverweisung an das Landgericht ausgeschlossen, da der klägerische Vortrag im Rahmen der Klage erstinstanzlich nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelte; damit habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass nach ihrer (im Ergebnis fehlerhaften) Auffassung eine Beweiserhebung entbehrlich sei. Bei dieser Konstellation habe auch nicht vom Gericht die anwaltlich vertretene Klägerin fragen müssen, ob diese bei einem entsprechenden Beweisbeschluss den Kostenvorschuss (§ 17 Abs. 3 GKG) zahlen würde.

Ebenso habe das Landgericht nach der Zurückverweisung nicht nach § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass das durch die Zurückverweisung wiedereröffnete Berufungsverfahren durch das vorangegangene Urteil des BGH in keiner Weise vorgezeichnet sei und es keine Bindung des Berufungsgerichts gäbe, dass jetzt nur noch um die (im vorangegangenen Revisionsverfahren zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung führenden) sonstigen Voraussetzungen (also nicht die Größe der Wohnung) gehen würde. Es sei gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, dass nach einer Zurückverweisung jedenfalls in den Grenzen des § 531 Abs. 2 ZPO neue Angriffs- und Verteidigungsmittel möglich seien. Dies unabhängig davon, dass hier auch die Klägerin unmissverständlich vom Berufungsgericht darauf hingewiesen worden sei, dass es gedenkt das neue Vorbringen der Beklagten zur Wohnungsgröße zu berücksichtigen und damit zu erkennen gegeben habe, dass es nicht gedenke, nur über die sonstigen Voraussetzungen des Erhöhungsbegehrens zu entscheiden.

BGH, Urteil vom 27.02.2019 - VIII ZR 255/17 -

Freitag, 21. Juni 2019

Beweismaß: Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität nach §§ 286 und 287 ZPO bei Körperschäden aus demselben Schadensereignis


Der Kläger begehrte aus Anlass eines Verkehrsunfalls materiellen und immateriellen von den Beklagten. Vom Kläger wurde geltend gemacht, dass er bei dem Verkehrsunfall sich sowohl eine HWS-Distorsion wie auch eine Verletzung des linken Knies sowie eine Außenmeniskusläsion und eine Kreuzbandläsion zugezogen habe.

Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt) hatte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einen Primärschaden in Form der HWS-Distorsion angenommen, die übrigen Verletzungsfolgen aber nicht. Dabei stützte sich das OLG darauf, dass es sich nach der Beweisaufnahme keine Überzeugung iSv. § 286 ZPO habe bilden können, dass die weiteren Verletzungen kausal auf dem Unfall beruhen. Der Kläger vertrat im Revisionsverfahren die Ansicht, es hätte hier das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO zugrunde gelegt werden müssen. Dem folgte der BGH nicht.

Es sei, so der BGH, bei der Kausalitätsprüfung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität zu unterscheiden. Die haftungsbegründende Kausalität beträfe den Ursachenzusammenhang zwischen Verletzungshandlung und Rechtsgutsverletzung (also dem ersten Verletzungserfolg, sogen. Primärverletzung). Hier gelte das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, welches die volle Überzeugung des Gerichts erfordere. Die haftungsausfüllende Kausalität beträfe den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutsverletzung und hieraus resultierenden weiteren Verletzungen des Geschädigten (sogen. Sekundärverletzungen). Nur für diese Sekundärverletzungen greife das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO, wonach zur Überzeugungsbildung eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genüge (an der [missverständlichen] Formulierung im Beschluss vom 14.10.2008 - VI ZR 7/08 - würde ausdrücklich nicht mehr festgehalten).  

So sei auch in den Entscheidungen vom 11.01.1972 - VI ZR 46/71 - und vom 30.01.1973 - VI ZR 14/72 - entschieden worden. In dem Senatsurteil vom 11.01.1972 sei es um ein mit Gesundheitsschäden geborenes Kind gegangen, welches die Primärverletzung einer Schädigung der Leibesfrucht durch den Unfall der Mutter nach § 286 ZPO nachgewiesen habe, weshalb es bei der Frage, ob die Hirnschädigung Folgeschaden der Verletzung der Leibesfrucht war,  nach § 287 ZPO zu prüfen gewesen sei. Im Fall des Urteils vom 30.01.1973, bei dem der durch einen von ihm verursachten Verkehrsunfall schwer verletzt auf der Fahrbahn liegende Geschädigte von einem Bus überrollt wurde und zusätzlich schwer verletzt wurde, hätten sich die zusätzlichen Auswirkungen der durch das Überrollen entstandenen Verletzungen, zumindest im Hinblick auf eine Mitursächlichkeit für den Tod des Geschädigten, nach § 287 ZPO beurteilt.

Der (hilfsweise) Angriff des Klägers gegen die Entscheidung des OLG, mit denen eine verfahrensfehlerhafte Anwendung des § 287 ZPO für die Knieverletzung geltend gemacht wurde, sei nicht begründet. Das OLG habe sich nach der entscheidenden und nicht gegen Denksätze und Erfahrungssätze verstoßenden Begründung des Urteils auf der Grundlage des Gutachtens keine Überzeugung dahingehend bilden können, dass die im Röntgenbefund und MRT-Befund festgestellte krankhafte Veränderung des (vorarthroskopierten) Kniegelenks, bei dem nach Angaben des Sachverständigen bereits erhebliche degenerative Vorschäden vorgelegen haben, auf eine unfallbedingte Verletzung zurückzuführen sei.

Die Anschlussrevision der Beklagten hatte Erfolg und führte insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens an das OLG. Das OLG ging von einer leichtgradigen HWS-Distorsion als Primärverletzung aus. Zwar sei die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters, doch sei im Revisionsverfahren zu prüfe, ob dieser sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt habe. Dies nahm der BGH vorliegend nicht an. Die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts fände weder im Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen noch in sonstigen Feststellungen eine Grundlage. Der Sachverständige habe lediglich ausgeführt, ein HWS-Beschleunigungstrauma sei „möglich“, soweit überhaupt in einem noch einzuholenden unfallanalytischen Gutachten eine Relevanz des Unfallereignisses angenommen würde. Damit aber hätte hier das OLG zur Überzeugungsbildung iSv. § 286 ZPO nicht auf die Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens verzichten dürfen, da diese für die abschließende medizinische Begutachtung erforderliche war.  Das Ergebnis, ob die HWS-Distorsion kausal auf dem Unfall beruhe, wäre damit offen geblieben. Auch die Feststellung, es habe sich um einen „vergleichsweise heftigen Seitenaufprall“ gehandelt, habe das technische Gutachten nicht entbehrlich gemacht. Das Gericht dürfe auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn es eigene Sachkunde besitze, worüber die Parteien zuvor in Kenntnis zu setzen seien. Auch habe sich das OLG nicht allein auf die Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte stützen dürfen, da diese als Indizien lediglich einen eingeschränkten Beweiswert hätten und grundsätzlich nicht eine beantragte Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens durch das Gericht ersetzen könnten. Der behandelnde Arzt handele nicht als Gutachter, sondern als Therapeut, für den die Notwendigkeit einer Therapie im Mittelpunkt stünde, während die Benennung der Diagnose als solche für ihn zunächst von untergeordneter Bedeutung sei. Insoweit habe auch der gerichtliche bestellte medizinische Sachverständige zu den Befunden und Diagnosen ausgeführt, dass diese zwar prinzipiell für eine leichtgradige HWS-Beschleunigungsverletzung sprächen, dafür aber nicht charakteristisch seien. Auch die Verordnung von Schmerzmitteln sei kein Beleg, da nicht festgestellt worden sei, ob diese wegen einer HWS-Distorsion oder wegen Schmerzen im Knie verabreicht worden wären.

BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 113/17 -

Freitag, 29. März 2019

Kündigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Feststellungsanspruch auf Auflösung und Gewinnbeteiligung


Der Kläger hatte die als „B… G… H… Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer“ firmierende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) am 29.12.2011 gekündigt. Seine Klage auf Feststellung der Auflösung der Gesellschaft und der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen wurde vom Berufungsgericht als unzulässig abgewiesen.  Auf seine vom BGH zugelassene Revision hob der BGH das Urteil auf und verwies den Rechtstreit insoweit an das Berufungsgericht zurück.

Der BGH verwies darauf, dass der Antrag des Klägers auf Feststellung der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen ein Rechtsverhältnis der Parteien iSv. § 256 Abs. 1 ZPO betreffen würde. Dem Kläger sei schon deshalb ein schutzwürdiges Interesse zuzubilligen, da die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs mangels Auseinandersetzung der Gesellschaft und Erstellung einer Schlussabrechnung (§ 734 BGB) nicht vorlägen (BGH, Urteil vom 07.04.2008 - II ZR 181/04 -). Auch die Erwägung des Landgerichts, das Feststellungsbegehren sei deckungsgleich mit einem weiteren, später rechtshängig gewordenen Rechtsstreit vor dem Landgericht, mit dem der Kläger im Wege der Stufenklage gegen die Beklagten die Gewinnermittlung und Liquiditätsschlussrechnung zum 29.12.2011 fordert, sei fehlerhaft.

Ebenfalls fehle dem Kläger entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht das Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO für die von ihm begehrte Feststellung der Auflösung der Gesellschaft. Auch hier habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Gesellschaft infolge seiner Kündigung vom 29.12.2011 mit sofortiger Wirkung aufgelöst sei. Das rechtliche Interesse an einer Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sei immer gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit drohe und das Urteil geeignet wäre, diese Gefahr zu beseitigen (so BGH, Urteile vom 25.07.2017 - II ZR 235/15 - und vom 25.10.2004 - II ZR 413/02  -). Die Beklagten hätten das Recht des Klägers durch Bestreiten des Abschlusses eines Gesellschaftsvertrages in Abrede gestellt, weshalb das Recht des Klägers, eine Liquidationsbilanz zu fordern nicht zweifelsfrei feststehen würde. Mit der vom Kläger begehrten Feststellung wäre geklärt, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst worden sei. Auch wenn die die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unstreitig gestellt, dass die Gesellschaft mittlerweile beendet sei,  nicht aber sei von den Beklagten unstreitig gestellt worden, dass die Gesellschaft aufgelöst worden sei, vielmehr behauptet, eine Gesellschaft zwischen den Parteien läge nicht vor, weshalb ihre Auflösung nicht in Betracht käme, hilfsweise einen Ausschluss des Klägers behauptet und nur weiter hilfsweise die Auflösung der Gesellschaft aufgrund der Kündigung des Klägers unstreitig gestellt.

Im weiteren Verfahren sei zu beachten, dass dem Antrag auf Feststellung der Gewinnbeteiligung mit einer Quote von 1/3  nicht per se § 308 Abs. 1 ZPO entgegenstünde. Sollte das Berufungsgericht eine Gewinnbeteiligung des Klägers zu dem benannten Bruchteil nicht feststellen können und sich wegen § 308 Abs. 1 ZPO (Bindung an die Anträge) an einer anderen Feststellung zu anderen einem Bruchteil gehindert sehen, habe es auf eine sachgemäße Antragstellung hinzuwirken. Es entspräche ersichtlich dem Interesse des Klägers, seine ihm am Gewinn der Gesellschaft zustehende Beteiligung feststellen zu lassen.

BGH, Urteil vom 22.01.2019 - II ZR 59/18 -

Freitag, 27. Oktober 2017

Kfz-Reparaturauftrag: Zur Hinweispflicht der Kfz-Werkstatt

Nachdem der Kläger im März 2014 an seinem erstmals im August 2007 zugelassenen Fahrzeug mit einem noch vorhandenen Wiederbechaffungswert von € 4.000,00 bei einer Laufleistung von 212.475km atypische Motorengeräusche feststellte, wandte er sich an die Beklagte und gab zu erkennen, dass er nur an einer wirtschaftlich sinnvollen Reparatur interessiert sei. Die Beklagte gab nach einer Untersuchung des PKW einen Defekt der Einspritzdüse an; weitergehende Untersuchungen (so am Pleuellager) erfolgten nicht, da (beim Pleuellager) die Ölwanne und die Pleuelhalbschalen zu erheblichen Kosten hätten ausgebaut werden müssen. Die Reparaturkosten des Pleuellagers hätte den wirtschaftlichen Wert des Fahrzeugs überstiegen.

Die Beklagte wies den Kläger auf den notwendigen Austausch der Einspritzdüsen hin, teilte aber dem Kläger nicht mit, dass bei dem atypischen Motorgeräusch weitere Schadensursachen vorliegen könnten, deren Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen würden. Der Kläger erteilte den Auftrag zum Austausch der Einspritzdüsen, wofür die Beklagte € 1.668,39 berechnete, die vom Kläger gezahlt wurden. Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass das atypische Motorengeräusch nicht auf die Einspritzdüsen zurückzuführen war. In einem vom Kläger angestrengten selbständigen Beweisverfahren stellte der Sachverständige einen Pleuellagerschaden schon zum Zeitpunkt der Auftragserteilung des Klägers an die Beklagte fest. Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten Schadensersatz in Form der Rückzahlung der Reparaturkosten nebst Zinsen. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der Schadensersatzanspruch stünde dem Kläger nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Bevor der Kläger den Auftrag zum Austausch der Einspritzdüsen erteilt habe, habe zwischen den Parteien ein Schuldverhältnis iSv. § 311 Abs. 2Nr. 2 BGB bestanden. Dieses entstehe durch die Anbahnung eines Vertrages, , bei welcher der eine Teil im Hinblick auf die etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut. Der Kläger habe Interesse an einer wirtschaftlich sinnvollen Reparatur gehabt und dies auch gegenüber der Beklagten zu erkennen gegeben. Demgemäß habe auch die Beklagte zunächst nicht repariert, sondern das Fahrzeug untersucht.

Die Pflichten aus diesem Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wie sie in § 241 Abs. 2 BGB geregelt sind, seien von der Beklagten verletzt worden. Danach bestand hier die Pflicht, dem Kläger nur eine wirtschaftlich sinnvolle Reparatur vorzuschlagen. Da die Beklagte den Kläger nicht darauf hingewiesen habe, dass neben einem Defekt der Einspritzdüsen weitere Ursachen, so insbesondere auch ein Defekt des Pleuellagers in Betracht käme, deren Beseitigung Kosten über dem Wiederbeschaffungswert verursachen könnten, wurde diese Pflicht verletzt.

Zwar müsse nicht notwendig bei Vertragsverhandlungen über alle Einzelheiten und Umstände aufgeklärt werden. Jeder sei für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und müsse sich notwendige Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko besorgen. Dies würde aber dann nicht geltend, wenn der andere Teil (auch ohne Nachfrage) nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten dürfe,  die für seine Willensbildung offensichtlich bedeutsam seien. Das aber habe hier der Kläger gegenüber der Beklagten deutlich zum Ausdruck gebracht.

Auch könne die Beklagte nicht mit ihrem Argument duchdringen, der Kläger habe gewusst, dass weitere Defekte vorliegen könnten, da er im selbständigen Beweisverfahren vorgetragen habe, der Austausch der Einspritzdüsen sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger sei nachvollziehbar nicht damit einverstanden gewesen, € 1.668,39 für eine Reparatur zu zahlen, die nicht dazu führe, dass die atypischen Motorengeräusche beseitigt würden. Es läge von daher nahe, zunächst davon auszugehen, dass der Austausch nicht erforderlich war. Aus dieser falschen Einschätzung ließe sich nicht der Schluss ziehen, der Kläger habe keinen Hinweis erwartet, dass mit dem Austausch möglicherweise die atypischen Motorengeräusche nicht beseitigt würden.


BGH, Urteil vom 14.09.2017 - VII ZR 307/16 -

Donnerstag, 27. April 2017

Hinweispflicht des Bauunternehmers auf Abweichungen zwischen mündlicher Vorgabe und überlassener Bauzeichnung

Die Beklagte war mit Kelleraushubarbeiten betraut worden. Sie erhielt dazu eine Bauzeichnung. Vor Ort erfolgte eine Einweisung des Mitarbeiters der Beklagten durch den Ehemann der Bauherrin (Klägerin) und den von der Klägerin beauftragten Bauleiter, bei der der der Ehemann der Klägerin und der Bauleiter dem Mitarbeiter der Beklagten den sogen. Nullpunkt vorgaben. Die Arbeiten wurden demgemäß von der Beklagten durchgeführt. Nachdem durch einen Dritten der aus Fertigteilen bestehende Keller eingebaut war, forderte die Baubehörde den Rückbau, da dieser zu hoch lag und damit nicht der Planung entsprach. Der Nullpunkt, der auf der Bauzeichnung korrekt abgegeben war, wurde bei der Einweisung der Beklagten fehlerhaft vorgegeben.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz für den Rückbau und notwendigen ordnungsgemäßen Aushub der Baugrube. Klage und Berufung wurden zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin erfolgte eine Aufhebung und Rückverweisung an das OLG.

Nach Überzeugung des BGH habe das OLG den Vortrag der Klägerin übergangen, wonach die Beklagte sie hätte darauf hinweisen müssen, dass der mündliche angegebene Nullpunkt nicht mit dem zuvor überlassenen Plan übereinstimme. Aus der Bauzeichnung ergäbe sich, dass die Kelleroberkante mit der umliegenden Geländefläche abschließen sollte und ein Gefälle nicht vorhanden ist. Daraus habe die Klägerin gefolgert, dass eine Abweichung zwischen der mündlichen Vorgabe und der Bauzeichnung zum Nullpunkt vorgelegen hätte, und dieser Widerspruch von der Beklagten hätte aufgeklärt werden müssen. Mit diesem Vortrag hätte sich das OLG auseinandersetzen müssen, was nicht erfolgte. Da für das Revisionsverfahren davon ausgegangen werden müsse, dass die Bauzeichnung vor Auftragsdurchführung überlassen wurde, wurde das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

Anmerkung: Das OLG wird im weiteren Verfahren wohl auch ein mögliches Mitverschulden der Klägerin prüfen müssen. Sollte ihr (oder ihrem Ehemann) bei der Benennung des Nullpunktes ersichtlich gewesen sein oder fahrlässig nicht erkannt worden sein, dass der Nullpunkt von der Planung abweicht, läge jedenfalls ein zu Lastend er Klägerin zu berücksichtigendes Mitverschulden vor. Der Fehler des Bauleiters dürfte eine gesamtschuldnerische Haftung zwischen dem Bauunternehmer und dem Bauleiter begründen, § 426 BGB.


BGH, Beschluss vom 18.01.2017 – VII ZR 181/16 -

Montag, 13. Februar 2017

Werkvertrag: Bedenkenhinweis und fehlende Mängelhaftung

Die Konstellation des Rechtsstreits, der dem OLG zur Entscheidung im Berufungsverfahren zur Grunde lag, ist nicht alltäglich; in der rechtlichen Bewertung allerdings zutreffend  und beachtlich.

Das klagende Werkunternehmen nimmt den beklagten Architekten auf Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB in Anspruch. Zugrunde liegt dem ein der Klägerin von der Auftraggeberin erteilter Auftrag zur Erbringung von Bodenbelagsarbeiten im Zusammenhang mit der Sanierung eines Schulgebäudes. Sie habe gegenüber der Auftraggeberin Bedenken wegen der vorhanden alten Spachtelmasse angemeldet; da die Auftraggeberin nicht reagierte, habe sie die Bearbeitung ohne Beseitigung der alten Spachtelmasse vorgenommen: Es hätten sich Blasen und Beulen gezeigt. Im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens habe sich die Mangelhaftigkeit der Arbeiten im Hinblick auf die unterlassene Beseitigung der Spachtelmasse gezeigt.

Mit ihrer Klage begehrt das klagende Werkunternehmen vom beklagten Architekten Ausgleichung ihrer Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Beweisverfahren und den Kosten der Mangelbeseitigung. Das Landgericht wies die Klage ab; die Berufung wurde vom OLG mit Beschluss nach § 522 BGB zurückgewiesen.

Zunächst prüfte das OLG die Frage, ob hier ein Mangel vorliegt, der dem klagenden Werkunternehmen angelastet werden könnte. Dies verneint es. Zwar würde ein Unternehmer auch für Mängel haften, die im Verantwortungsbereich eines Vorunternehmers oder des Auftraggebers liegen würden. Das würde aber gem. § 4 Abs. 3 VOB/B nicht gelten, wenn Bedenken gegen die Art der Ausführung schriftlich geltend gemacht wurden. Kommt der Unternehmer dieser Verpflichtung nach, ist er von einer Sach- und Rechtsmängelhaftung befreit. Da das klagende Werkunternehmen mit Schreiben vom 29.07.2011 Bedenken angemeldet hatte und auch anmerkte, keine Gewährleistung für die Ordnungsgemäßheit ihrer Arbeiten in Ansehung des vorgefundenen Zustandes zu übernehmen, scheide vorliegend eine Mängelhaftung des klagenden Werkunternehmers gegenüber dem Auftraggeber aus.

Damit aber könne das Werkunternehmen auch keinen Gesamtschuldnerausgleich gegenüber dem Architekten geltend machen. Denn dies würde voraussetzen, dass sowohl das klagende Werkunternehmen als auch der Architekt wegen des Mangels dem Auftraggeber gegenüber haften würde, was mangels Haftung des Werkunternehmens nicht der Fall sei.  

Ob und inwieweit das klagende Werkunternehmen hier nun bei dem Auftraggeber Ausgleich finden kann, ließ das OLG ausdrücklich offen.  

Fazit: Bevor ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet wird und/oder Mängelbeseitigungsarbeiten ergriffen werden, sollte genau die eigene Verantwortlichkeit geprüft werden und geprüft werden, wer gegebenenfalls aus dem Rechtsgedanken der gesamtschuldnerischen  Haftung oder aus einem anderen Rechtsgrund, sollte ein Gesamtschuldverhältnis  nicht bestehen, in Anspruch genommen werden kann. Hat sich, wie hier, der Werkunternehmer korrekt verhalten, läuft er gegebenenfalls Gefahr, auf den Kosten der (von ihm nicht geschuldeten) Mängelbeseitigung und auf den Kosten des (unnötigen) Beweisverfahrens „sitzen zu bleiben“.


OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.11.2016 – 10 U 71/16 -

Freitag, 17. Juni 2016

Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht durch Werkunternehmer begründet selbst keinen Mangel

Streitig war u.a., ob sich die Verletzung der Prüf- und Hinweispflicht des Werkunternehmers salbst als Mangel darstelle. Dies verneint der BGH ausdrücklich und verweist darauf, dass im Gegenteil die Erfüllung dieser Pflicht den Unternehmer von einer Mängelhaftung befreien könne.

Das Berufungsgericht hatte demgegenüber angenommen, der beklagte Werkunternehmer habe die Pflicht gehabt einen Hinweis zu geben, welches Reinigungsmittel bei den von ihm verlegten Fliesen zu verwenden sei. Vor diesem Hintergrund hat es offen gelassen, ob die Fugen ordnungsgemäß hergestellt wurden. Dies war verfehlt. Die (zudem verschuldensunabhängige) Mängelhaftung wird durch einen Sach- oder Rechtsmangel des vom Unternehmer hergestellten Werkes begründet. Die Verletzung einer Prüf- oder Hinweispflicht gehörte nicht zum Tatbestand, der eine Mängelhaftung begründen könne. Es ginge nur darum festzustellen, ob der Unternehmer so wie beabsichtigt oder mit der vorgefundenen Situation kein mängelfreies Werk herstellen kann; nur in und für diesen Fall kommt der Hinweispflicht eine eigenständige Bedeutung zu, ohne dass allerdings das Unterlassen selbst ein Mangel ist.

BGH, Urteil vom 25.02.2016 – VII ZR 210/13 -

Sonntag, 16. August 2015

Der Steuerberater muss nicht über zivilrechtliche Regressmöglichkeiten informieren

Steuerberater werden, aus welchen Gründen auch immer, häufig von Mandanten gewechselt. Neue Steuerberater müssen dabei teilweise in „Altfällen“ tätig werden, d.h. solchen, die sein Vorgänger bereits bearbeitet bzw. begonnen hatte. Dabei kann es ohne weiteres vorkommen, dass er Mängel in der Bearbeitung durch seinen Vorgänger feststellt, auch solche, die nicht mehr änderbar sind. So geschehen in einem Fall, der letztlich auch vom BGH zu entscheiden war.


Der (neue) Steuerberater hatte die Vertretung des Mandanten in einem Einspruchsverfahren gegen einen Steuerbescheid übernommen. Der Einspruch wurde letztlich zurückgenommen. Nunmehr machte der Mandant gegen den neuen Steuerberater Schadensersatz in Höhe von € 223,328,50 mit der Begründung geltend, dieser habe ihn nicht innerhalb der Verjährungsfrist auf einen möglichen Regress gegen seinen früheren Steuerberater hingewiesen.

Die Klage wurde abgewiesen; die Revision des Mandanten blieb erfolglos.

Der BGH stellt darauf ab, dass das Mandat auf das Steuerverwaltungs- und finanzgerichtliche Verfahren gerichtet ist und ein Steuerberater, anders als ein Rechtsanwalt, grundsätzlich auch bei umfassender Mandatierung nicht zu Hinweisen auf zivilrechtliche Regressmöglichkeiten verpflichtet ist. Während der Anwalt zur umfassenden Vertretung in allen Richtungen verpflichtet sei, sei der Steuerberater nur verpflichtet, die steuerlichen Interessen des Mandanten umfassend wahrzunehmen. Die Entscheidung des Mandanten, einen Steuerberater und nicht einen Rechtsanwalt zu beauftragen beruhe darauf, dass er sich gerade die besonderen steuerlichen Fachkenntnisse des Steuerberaters zu nutze machen will. Auf eine umfassende zivilrechtliche Beratung könne er daher nicht vertrauen.


BGH, Urteil vom 07.05.2015 – IX ZR 186/14 -