Posts mit dem Label fristen werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label fristen werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 29. Mai 2022

Bestellung eines Notanwalts beim BGH, § 78b Abs. 1 ZPO – Frist und Voraussetzungen

Beim BGH sind aktuell 47 Rechtsanwälte zugelassen. Mit der Begründung, innerhalb der Rechtsmittelrist keinen (beim BGH zugelassenen) Anwalt gefunden zu haben, der bereit gewesen wäre, ihre Interessen beim BGH im Rechtsmittelverfahren zu vertreten, beantragte die Beklagte die Beiordnung eines Notanwalts. Der zur Entscheidung über den Antrag berufene Senat wies den Antrag zurück.

Grundlage für die Beiordnung eines Notanwalts ist § 78b Abs. 1 ZPO. Danach kann unter den Voraussetzungen, dass

1. eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwingend vorgesehen ist

2. die antragstellende Partei einen zur Wahrnehmung seiner Rechte bereiten Rechtsanwalt nicht findet

3. die Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint

und der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht gestellt wird. Dieses Rechtsinstitut der Beiordnung eines Notanwalts ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips: Wenn schon der Gesetzgeber den Zugang zu den Gerichten abhängig macht von einer anwaltlichen Vertretung, muss er auch dafür Sorge tragen, dass eine solche erfolgen kann. Lehnen trotz Bemühungen des Rechtssuchenden die Rechtsanwälte die Vertretung ab (sei es aus Zeitgründen, sei es, da sie die Erfolgschancen des potentiellen Mandanten negativ beurteilen), muss es gleichwohl dem rechtssuchenden möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen. Dabei ist sicherlich auch zu beachten, dass im Hinblick auf den für die Gebühren entscheidenden Streitwert häufig die Gebühren in keiner vernünftigen Relation zum Aufwand stehen und deshalb – wenn auch mit fadenscheinigen Vorwänden – in einigen Fällen die Übernahme abgelehnt wird (was letztlich standesrechtlich unzulässig wäre und wohl deshalb auch nie offen bekundet würde).

Die Anforderungen für die Bestellung eines Notanwalts durch das angerufene Gericht sind allerdings hoch. So wurde der hier zurückgewiesene Antrag deshalb zurückgewiesen, da die Beklagte am Tag des Ablaufs der Frist pauschal lediglich angegeben habe, dass sie „trotz intensiven Suchens“ keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden habe. Dies hielt der BGH für unzureichend, da nicht angegeben worden sei, bei welchem Rechtsanwalt vergeblich angefragt worden sei. Es sei zum Einen erforderlich, dass zumutbare Anstrengungen zur Vertretung innerhalb er Rechtsmittelfrist unternommen worden seien (BGH, Beschluss vom 24.06.2014 -VI ZR 226/13 -) und in Verfahren vor dem BGH müsse die Partei darlegen und nachweisen, dass sich sie an mindestens sechs bei dem BGH zugelassene Anwälte erfolglos gewandt habe. Dies sei nicht erfolgt.

Nun muss man sich natürlich auch fragen, wie eine Naturalpartei, die evtl. ohne anwaltliche Hilfe aus der Vorinstanz einen Rechtsanwalt sucht, dies wissen sollte, ergibt es sich doch so nicht zwingend aus dem Gesetzwortlaut. Der BGH wirft hier der Beklagten allerdings vor, dass sie nicht angegeben habe, bei welchen Anwälten sie nachgefragt haben will und dies auch nicht nachgewiesen habe.

Erst in einem nachgeschobenen Schreiben vom 07.01.2022 (wobei unklar bleibt, ob dies auf einen entsprechenden Hinweis des Senats des BGH erfolgte) habe sie zwar sieben Namen von beim BGH zugelassenen Rechtsanwälten benannt, ohne allerdings Nachweise über Anfragen und Absagen vorzulegen. Angemerkt wird zudem, dass das Schreiben nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht worden sei, worauf es allerdings nicht ankäme, da es in der Sache mangels dezidierter Angaben (Nachweise) den Antrag auch nicht rechtfertigen würde.

Die mir sehr knapper Begründung versehen Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass es für den juristischen Laien selbst in einem Bereich schwierig ist, in dem er sich (wie bei dem Antrag auf Bestellung eines Notanwalts gem. § 78b Abs. 1 ZPO selbst vertreten darf. Es wird erwartet, dass er sich mit den einschlägigen, auch von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen an entsprechende Anträge vertraut macht und diese beachtet. Ob dies (noch) mit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist, müsste durch das Bundesverfassungsgericht geklärt werden.

BGH, Beschluss vom 09.02.2022 - V ZA 2/22 -

Montag, 19. April 2021

Die nachträglich vereinbarte Zwischenfrist und das daraus abgeleitete Kündigungsrecht des Bauvertrages

Nach Abschluss eines VOB-Bauvertrages koordinierte der Auftraggeber (Beklagter) im Rahmen einer Baubesprechung die Arbeiten der verschiedenen Gewerke und legte u.a. fest, dass die Klägerin bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Dachrandsicherung fertigzustellen und ein Gerüst aufzustellen habe. Dies war erforderlich, damit ein Drittunternehmer notwendige Arbeiten vornehmen konnte. Die Klägerin wurde allerdings nicht fristgerecht fertig. Der Beklagte setzte ihr eine Nachfrist und drohte für den Fall der Nichteinhaltung die Kündigung an; nach fruchtlosen Ablauf der gesetzten Frist kündigte er.

§ 5 Abs. 1 S. 2 VOB/B bestimmt, dass in einem Bauzeitenplan enthaltene Fristen nur dann als Vertragsfristen gelten, wenn dies im Vertrag ausdrücklich vereinbart wird. Im Übrigen handelt es sich um Kontrollfristen und dienen letztlich der Prüfung, ob der Auftragnehmer seiner Baustellenförderungspflicht nach § 5 Abs. 3 VOB/B nachkommt. Das Überschreiten der Frist würde nicht einen Verzug begründen. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, ob die im Rahmen einer Baubesprechung getroffene Terminabsprache auch als unverbindlich anzusehen ist oder bei Fristüberschreitung einen Verzug begründen konnte. Vom OLG wurde darauf verwiesen, dass es nicht erforderlich sei, dass die Frist als Vertragsfrist bezeichnet wird, wenn sich aus den Umständen eine entsprechende Auslegung klar ergibt. Ergibt sich dies, kommen die Rechtsfolgen des § 5 Abs. 4 VOB/B in Betracht, u.a. bei Verzug mit der Vollendung und Ablauf einer Nachfrist die Vertragskündigung. Zwar würde diese Regelung nicht auf eine Einzelfrist wirken, doch käme (auch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie den VOB/B) eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. Das führe dazu, dass die Parteien hier die Einzelfrist in Ansehung der unabdingbaren Vorarbeit für ein Drittgewerk einen Schadensersatzanspruch wegen Verzugs mit dieser Einzelfrist als Vertragsfrist und ein Kündigungsrecht vorgesehen hätten.

Das OLG sieht es aber auch als möglich an, ohne eine ergänzende Vertragsauslegung das Kündigungsrecht zu bejahen. So könne nach § 648a BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn dem Auftraggeber die Fortsetzung des Vertrages unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen bis zur Fertigstellung des Werkes nicht zugemutet werden könne. Das sei zu bejahen, wenn eine Vertragspflichtverletzung von erheblicher Bedeutung vorliege, was entsprechend auch für Einzelfristen gelte. Da der Arbeitsfortschritt auf der Baustelle von der Einhaltung der vereinbarten Zwischenfrist abhänge, sei dem Beklagten nach Ablauf der Frist und der gesetzten Nachfrist ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zumutbar gewesen.

Auch wäre eine Kündigung nach § 5 Abs. 4 VOB/B (ohne o.g. Vertragsauslegung) möglich, wenn die Ausführungsfrist als solche infolge der Verzögerung (des Verzuges) offenbar nicht eingehalten werden könne. Das Fehlen der Dachrandsicherung und des Gerüsts stelle sich als Fehlen von Verpflichtungen nach § 5 Abs. 3 VOB/B dar (wie Geräte, Gerüste, Bauteile). § 5 Abs. 4 VOB/B fordere hier von dem Auftragnehmer, auf verlangen Abhilfe zu leisten. Es bedürfe also in diesem Fall zuerst des Verlangens und danach der schuldhaften Verletzung der Abhilfepflicht. Erst wenn dies geschehen sei, könne der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung mit Kündigungsandrohung setzen. Dies sei im konkreten Fall entsprechend erfolgt.

Die Kündigung war damit wegen Verzugs und Ablaufs der Nachfristsetzung zulässig gewesen.

Mit der Entscheidung verdeutlichte das OLG die vertragliche Bedeutung von Vereinbarungen im Rahmen von Baubesprechungen, bei denen sich die Beteiligten über die Bedeutung und Tragweite im Klaren sein sollten.

OLG Stuttgart, Urteil vom 01.12.2020 - 10 U 124/20 -

Sonntag, 24. Februar 2019

Prozessrecht: Das „nicht mit Gründen versehene Urteil“ bei Fristüberschreitung


Das Landgericht hatte der Klage der Versicherungsnehmer gegen die beklagte Gebäudeversicherung überwiegend stattgegeben. Im Rahmen der Berufung der Versicherung bestimmte das OLG Termin zur Verkündung einer Entscheidung (nach vorangegangener Verlegung desselben) auf den 20.04.2017. Es verkündete an diesem Tag ein Urteil (ohne Gründe), demzufolge unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Klage insgesamt abgewiesen wurde. Gegen dieses Urteil legten die Kläger am 13.10.2017 Nichtzulassungsbeschwerde, hilfsweise Revision zum BGH ein. Das mit Gründen versehene Urteil des OLG gelangte gemäß Vermerk erst am 07.12.2017 zur Geschäftsstelle des OLG und wurde den Parteien am 11. bzw. 12.12.2017 zugestellt.

Die Revision führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und Zurückverweisung des Rechtstreits an das OLG. Das Urteil sei mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, da es iSv. § 547 Nr. 6 ZPO entgegen § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht mit Gründen versehen worden sei.

Der BGH verwies darauf, dass der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 6 ZPO („wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist“) vorläge, wenn ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil nicht binnen 5 Monaten nach seiner Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sei (grundlegend BGH, Beschluss vom 27.04.2993 - GmS-OGB 1/92 -). Entscheidend hierfür sei die Erkenntnis, dass das richterliche Erinnerungsvermögen abnimmt und nach Ablauf von mehr als 5 Monaten nicht mehr gewährleistet sei, dass der Eindruck von der mündlichen Verhandlung und das Beratene noch zuverlässigen Niederschlag in den wesentlich später abgefassten Gründen finde. Zudem sei es auch der unterlegenen Partei nicht zumutbar, nach einer Verkündung länger als 5 Monate zu warten, um über eine etwaige mündliche Urteilsbegründung hinaus die detaillierten Gründe ihres Unterliegens zu erfahren.

Anmerkung: Das Rechtsmittel der Revision (und damit auch einer Nichtzulassungsbeschwerde) ist binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils einzulegen. Fehlt es an der Zustellung, läuft die absolute Revisionsfrist 5 Monate nach Verkündung des Urteils, § 548 ZPO. Es ist in der Regel angezeigt, rechtzeitig vor Ablauf der Frist der 5 Monate durch Erhebung einer Richterdienstaufsichtsbeschwerde den oder die erkennenden Richter deutlich auf das (drohende) Versäumnis hinzuweisen, um bei einem möglicherweise fristwahrenden Rechtsmittel im Falle dessen Unzulässigkeit (ggf. auch Unbegründetheit) Schadensersatzansprüche nach § 839 BGB geltend machen zu können.

BGH, Urteil vom 23.01.2019 - IV ZR 311/17 -

Freitag, 27. Mai 2016

Prozessrecht: Die unterlassene Entscheidung über die Kosten der Streithilfe und der zulässige Rechtsbehelf

Skulptur: Gerechtigkeit
Immer dann, wenn in einem Urteil festgestellte Tatsachen auch gegenüber einem Dritten gelten sollen, ist eine Streitverkündung angezeigt. Ebenso kann ein Dritter, wie z.B. der private Haftpflichtversicherer, sich selbst an einem Verfahren als Streithelfer beteiligen.  Obwohl das Rechtsinstitut der Streithilfe alt ist, tun sich sowohl Anwälte als auch Gerichte häufig schwer mit ihm.  Einer der häufigsten Fehler bei Gericht ist darin zu finden, dass im Rahmen der Kostenentscheidung in einem Urteil oder Beschluss (z.B. nach § 91a ZPO) kein Wort zu den Kosten der Nebenintervention und mithin zu den Kosten des Streithelfers gesagt wird.

Hier war der BGH selbst betroffen. In einem Beschluss nach § 522 ZPO, mit dem er über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden hatte, vergaß er die Streithelferin, die dem Rechtsstreit Auf  Seiten des obsiegenden Beklagten beigetreten war. Einer gesonderten Entscheidung zu den Kosten der Streithilfe bedarf es im Tenor gem. § 101 Abs. 1 ZPO (was häufig von Gerichten verkannt wird).  Der Beschluss wurde dem anwaltlichen Bevollmächtigten der Streithelferin am 27.01.2016 zugestellt; noch am gleichen Tag beantragt der anwaltliche Bevollmächtigte, den Beschluss gemäß § 321 ZPO zu ergänzen oder, soweit möglich, nach § 319 ZPO dahin zu berichtigen, dass die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen habe.

Der BGH negierte in seinem darauf ergangenen Beschluss die Möglichkeit der Berichtigung nach § 319 ZPO. Eine Berichtigung auch bei einer versehentlich unterlassenen Entscheidung über die Kosten der Streithilfe käme nur dann in Betracht, wenn eine versehentliche Abweichung von dem vom Gericht gewollten vorläge und zudem dies auch offenkundig sei BGH, Beschluss vom 16.03.2013 – II ZR 185/10 -).  Offenkundigkeit verlange, dass sich dies für einen Dritten aus der Entscheidung selbst ergäbe oder zumindest bei dem Erlass oder der Verkündung der Entscheidung deutlich nach außen zum Tragen käme. Diese Voraussetzungen negierte hier der BGH für den vorliegenden Fall. Zwar habe er der Klägerin die Kosten der Streithilfe nach § 101 Abs. 1 ZPO auferlegen wollen; das versehentliche Vergessen wäre aber nicht offenbar geworden, da weder der Beschluss selbst einen Hinweis in den Gründen enthalte, auch nicht jede Entscheidung über Kosten fehle und auch nach außen sonst nichts erkennbar dokumentiert worden wäre. Alleine der Umstand der Benennung der Streithelferin Im Rubrum der Entscheidung genügt nicht (BGH, Beschluss vom 16.04.2013 – II ZR 297/11 -).

Allerdings wurde auch förmlich ein Antrag auf Ergänzung des Beschlusses im Kostenausspruch gestellt. Dieser Antrag ging innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist ein. § 321 Abs. 1 ZPO, wonach ein Urteil auf Antrag zu ergänzen ist,  ist auf Beschlüsse entsprechend anwendbar (BGH, Beschluss vom 26.08.2013 – IX ZR 26/13 -).  Diesem Antrag war stattzugeben.

Anmerkung: Als Vertreter eines Streithelfers hat man stets die Kostenentscheidung des Gerichts genau zu lesen. Fehlt eine Entscheidung über die Kosten der Streithilfe, ist  - wenn sie der Gegenseite aufzuerlegen wäre, was regelmäßig der Fall ist, wird dem Rechtsstreit auf Seiten der obsiegenden Partei beigetreten -  innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO (2 Wochen) schriftsätzlich (bei Anwaltsprozessen zwingend durch einen zugelassenen Anwalt) die Ergänzung zu beantragen. Wir die Frist versäumt, fehlt es an einer Kostengrundentscheidung zugunsten des Streithelfers, vermöge dessen er seine Kosten gegen die unterlegene Partei festsetzen lassen und so bei dieser beitreiben könnte. Er bliebe auf seinen Kosten „sitzen“. Es wäre ein Anwaltsversäumnis, was auch zum Verlust des eigenen Gebührenanspruchs gegen den Mandanten führen kann.  Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen des BGH zu § 319 ZPO bedeutsam, da der Berichtigungsantrag nicht an eine Frist gebunden wäre.


BGH, Beschluss vom 01.03.2016 – VIII ZR 287/15 -

Freitag, 14. August 2015

Vertragsabschluss: Die Bedeutung eines Angebots und die Fristen

Gegenständlich war der Abschluss einer Zusatzvereinbarung zu einem Mietvertrag.


Die Vermietergesellschaft hatte dem Mieter eine „Zusatzvereinbarung“, nicht unterzeichnet, zugesandt. Ob darin bereits ein rechtsgültiges Angebot liegt, welches vom Mieter nur noch anzunehmen ist, ist nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, Da auf Vermieterseite die vorgesehene Vereinbarung nicht unterzeichnet war, könne es, so das LG Berlin, nur als Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes durch den Mieter (invitatio ad offerendum) angesehen werden. Dies schloss das Landgericht zudem aus dem Umstand, dass im Anschreiben ausdrücklich auf die fehlende Unterschrift des Geschäftsführers der Vermietgesellschaft (Beklagte) verwiesen wurde und angemerkt wurde, erst mit dessen Unterschrift käme die Vereinbarung zustande.

Die Mieterin (Klägerin) unterzeichnete die ihr zugesandte „Zusatzvereinbarung“ und sandte sie zurück. Die Vermietgesellschaft sandte einige Monate später dann das von ihr rechtsverbindlich unterschriebene Exemplar an die Mieterin zurück. Damit aber wurde die Zusatzvereinbarung nicht wirksam. Das Landgericht verweist auf § 146 BGB: Ein Angebot erlischt, wenn es dem Antragenden (hier Mieterin) gegenüber abgelehnt oder nicht rechtzeitig nach §§ 147ff BGB angenommen wird. Hier jedenfalls fehlte es an einer rechtzeitigen Annahme durch die Beklagte. Ein Angebot ist nach § 147 BGB (bei Annahme gegenüber einem Abwesenden) innerhalb der Frist anzunehmen, wie der Antragende nach den regelmäßigen Umständen mit einem Eingang rechnen kann. Das Angebot vom November wurde allerdings erst eingehend im Februar des Folgejahres angenommen. Die Zeitspanne von zwei Monaten überschreitet die zu erwartende Frist für die Annahme eines Angebotes auf Abänderung eines Mietvertrages, so das Landgericht.


Anmerkung: In der verspäteten Annahme kann ein neues Angebot (jetzt von der Vermieterseite) gesehen werden. Dieses hätte die Mieterin, was wohl nicht erfolgte, dann auch unverzüglich (§ 147 BGB) annehmen können, was wohl nicht erfolgte.  

LG Berlin, Urteil vom 28.04.2015 - 67 S 470/14 -

Freitag, 31. Oktober 2014

Geldwäschegesetz: Das Zurückhalten von Auszahlungen gem. § 11 Abs. 1a GwG

§ 11 Abs. 1a GwG sieht vor, dass eine Bank eine Auszahlung oder Überweisung bei Verdacht auf Geldwäsche „frühestens“ durchgeführt werden darf, wenn entweder die Staatsanwaltschaft zustimmt oder „der zweite Tag nach dem Abgangstag der Meldung“ verstrichen ist, ohne dass die Durchführung von der Staatsanwaltschaft untersagt wurde. Besagt dies, dass  - meldet sich die Staatsanwaltschaft nicht -  die Bank die Auszahlung/Überweisung nach Gutdünken zurückhalten kann ? Haftet die Bank dem Kunden für einen Schaden, der daraus resultiert, dass die Zahlungen nicht weisungsgemäß durchgeführt wurden, wenn sich der Geldwäscheverdacht nicht bestätigt und die Bank den Zeitraum von zwei Tagen überschreitet ?

Im konkreten Fall hatte die Deutsche Bank Geldwäscheverdacht angenommen und von daher eine Verdachtsanzeige am 23.01.2014 gem. § 11 GwG erstattet. Ihr war bekannt gewesen, dass die Staatsanwaltschaft bereits gegen den Kunden ebenfalls wegen Geldwäsche ermittelte. Eine Mitteilung an den Kunden unterließ die Deutsche Bank (zutreffend, § 12 GwG). Am 11.02.2014 erteilte der Kunde einen Überweisungsauftrag für eine SWIFT-Überweisung von seinem US-Dollar-Konto nach Amsterdam (für einen Schiffstransport); diesen als auch nachfolgende Überweisungs- bzw. Auszahlungsaufträge des Kunden führte die Deutsche Bank (mit verschiedenen „Ausreden“) nicht durch. Schließlich erhob der Kunde unter dem 20.02.2014 Klage gegen die Deutsche Bank auf Auszahlung von insgesamt ca. € 32.000,00, wobei zwischenzeitlich teilweise bereits Zahlungen (wie z.B. der SWIFT-Auftrag) durchgeführt waren. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wurde lediglich materiell noch um Kosten gestritten, einschließlich der Verfahrenskosten. Das Landgericht Frankfurt (2-05 O 87/14 -) hat die Klage kostenpflichtig abgewiesen, da es sich auf den Standpunkt stellte, die Deutsche Bank wäre zum Zurückhalten des Geldes berechtigt gewesen. Dabei hat es sich im wesentlichen auf „Auslegungshinweise“ zu § 11 GwG des Bundesministeriums für Finanzen vom 31.01.2014 bezogen (also nicht auf Gesetzesmaterialien, sondern auf eine reine nachträgliche ministerielle Auslegung der Gesetzesbestimmung), die es immerhin auf drei Seiten der zehnseitigen Entscheidung im Wortlaut zitierte.

Die Entscheidung des Landgerichts verkennt die Bedeutung und Tragweite der Regelung in § 11 Abs. 1a GwG und setzt sich damit auch nicht auseinander. Es geht nicht auf die in der Norm enthaltene Frist von zwei Tagen ein. Darauf hätte es aber eines Eingehens auch vor dem Hintergrund bedurft, dass nach dem eigenen Vortrag der Deutschen Bank die Verdachtsanzeige am 23.01.2014 erfolgte, die nicht durchgeführten Aufträge ab dem 11.02.2014 datierten, also eine Zeit von 2,5 Wochen nach der Verdachtsanzeige.

Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1a GwG kann man auch  davon ausgehen, dass eine Verdachtsanzeige in jedem Einzelfall eines entsprechenden Zahlungseingangs auf dem Konto oder einer Zahlungsanweisung von dem Konto erfolgt. Dafür könnte die Formulierung sprechen, „Eine angetragene Transaktion darf frühestens durchgeführt werden… wenn der zweite Werktag nach dem Abgangstag der Meldung verstrichen ist“. In diesem Fall würde die Sperre der beabsichtigten Transaktion vom Konto zumindest jeweils zwei Tage ab der Verdachtsanzeige betragen. Hier aber hatte die Deutsch
e Bank nach eigenen Angaben lediglich einmal, nämlich am 23.01.2014 die Meldung getätigt. Der 23.01.2014 war ein Donnerstag, weshalb der zweite Werktag der 27.01.2014 war ( § 193 BGB).  Durfte von daher die Deutsche Bank eine Transaktion noch am 11.02.2014 und danach unter (nachträglicher) Berufung auf § 11 GwG unterlassen, nachdem die Staatsanwaltschaft innerhalb dieser Zeit nicht tätig wurde ?

Das Landgericht Frankfurt hat sich in seiner Entscheidung damit nicht auseinandergesetzt sondern lediglich festgestellt, dass Verdachtsmomente im Sinne des Geldwäschegsetzes angenommen werden durften. Alleine das Vorliegen dieser Verdachtsmomente rechtfertigt aber sicherlich nicht ein dauerndes Einfrieren von Kontenguthaben. Es bedarf hier einer weiteren Überlegung, welcher Zeitraum als zulässig angesehen werden kann. Ansonsten könnten sich Banken, wollen Sie z.B. größere Geldbeträge noch einige Zeit bei sich „parken“, schlicht auf das Geldwäschegesetz berufen und (leichthandbare) Kriterien finden, die diesen Verdacht begründen. Gibt dann nicht die Staatsanwaltschaft unverzüglich frei, könnten sie letztlich auf Dauer die Auszahlung verweigern, bis schließlich der Kunde (eventuell qua gerichtlicher Entscheidung) den Negativbeweis führt.

Sinn und Zweck des Gesetzes ist die Verhinderung der Nutzung von Konten zur Terrorismusfinanzierung und Lagerung oder Weitergabe von Geldern aus schweren Straftaten. Nicht beabsichtigt ist die allgemeine Erschwernis der Nutzung von Konten und des wirtschaftlichen Verkehrs im Überweisungswesen. Damit sind die Grundsätze der Strafverfolgung und Maßnahmen zur prophylaktischen Abwehr von Straftaten mit dem Recht des Bürgers auf freie wirtschaftliche Betätigung abzuwägen.  

Das Gesetz nennt eine Mindestsperrzeit von zwei Werktagen nach Absenden der Verdachtsmeldung. Es enthält keine Angaben darüber, nach welchen Kriterien hier eventuell eine weitergehende Sperre geboten sein kann / muss. Damit aber verstößt die Norm gegen das Bestimmtheitsgebot. Es wäre erforderlich, dass das Gesetz selbst Kriterien benennt, die eine eventuelle Verlängerung der Frist rechtfertigen; dies kann nicht im (nicht prüfbaren) Ermessen der Bank liegen, da eine solche Handhabung auch zur Willkür führen kann (die der Bankkunde im Zweifel nicht nachweisen kann). Ermangelt es aber an der Bestimmtheit der Norm, ist diese verfassungswidrig (BVerfGE 126, 170, 208f).
Aber auch unabhängig von der verfassungsrechtlichen Regelung hätte hier das Landgericht die Überschreitung der Frist schon im Hinblick auf die konkreten Umstände zu Lasten der Deutschen Bank berücksichtigen müssen. Zwar wurde von der Deutschen Bank eingewandt, dass teilweise Beträge von über € 600.000,00 eingingen, dass über ein Konto ein Dritter (auch) verfügen konnte pp.; allerdings ergibt sich nirgends, dass der Inhaber eines Kontos die Bank (nachweislich) über den Sinn von Konten und über Geldtransfers und deren Ursprung und Zweck aufklären muss. Vor diesem Hintergrund hätte mithin die Deutsche Bank auch zu berücksichtigen gehabt, dass zwar schon wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen ihren Kunden ermittelt wurde, aber die Ermittlungsbehörden keine Maßnahmen in Bezug auf Konten des Kunden ergriffen hatten (obwohl sie jederzeitige Einsicht aus der gesetzlichen Regelungen hatten). Ferner hatte sich auch die Staatsanwaltschaft nicht (innerhalb von zwei Werktagen, gar über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen) geäußert respektive Maßnahmen ergriffen.

Unter solchen Umständen ist die Nichtdurchführung von Überweisungen / Auszahlungen als reine Willkür anzusehen und nicht mehr über § 11 Abs. 1a GwG gedeckt. Nach der eigenen positiven Kenntnis der Bank, dass bereits wegen Geldwäsche gegen den Kunden ermittelt wird, ohne dass allerdings Maßnahmen im Hinblick auf dessen Konten ergriffen werden, der weiteren Kenntnis, dass auch nach der erfolgten Verdachtsanzeige keine Maßnahmen erfolgten, bestand keine nachvollziehbare Überlegung, hier noch weiter zuzuwarten. Die Abwägung zwischen Verhinderung möglicher strafrechtlich relevanter Geldwäsche und freier wirtschaftlicher Betätigung des Kunden musste daher jedenfalls zu Gunsten des Kunden ausfallen.

Der Rechtsfall verdeutlicht, dass der Gesetzgeber unbeholfen, letztlich sogar für einen freien Wirtschaftsverkehr schädlich agiert. Hier wurde die Klage (wenn auch aus fehlerhaften, da die Rechtsfragen nicht berücksichtigenden Gründen) abgewiesen mit der Folge, dass der Kunde die Kosten des Verfahrens zu tragen hatte. Zwar wurden die Auszahlungen vorgenommen; alleine wegen des Verhaltens der Deutschen Bank war er allerdings veranlasst, Klage zu erheben.


Die Frist für eine mögliche Berufung ist noch nicht abgelaufen. Es bleibt abzuwarten, ob Berufung eingelegt wird, bei der es materiell nur noch um die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Kunden (die die Berufung ermöglichen würden) und die Kosten des Rechtsstreits gehen würde. Es bleibt zu hoffen, das er Berufung einlegt und auch das OLG Frankfurt eine Revision zulässt, damit diese Fragen, die für den Kunden einer Bank von auch existenzieller Bedeutung sein können, geklärt werden.