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Samstag, 28. November 2015

Beschlagnahme zur Unterbringung von Flüchtlingen/Obdachlosen

Bild: pixabay
Das Verwaltungsgericht (VG) musste sich mit dieser Frage  im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auseinandersetzen, nachdem die Antragsgegnerin sein Grundstück, ein ehemaliges Kinder- und Jugendheim) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für Flüchtlinge beschlagnahmte. Der Antragsteller legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und beantragte, nachdem die Behörde seinem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht entsprach, erfolgreich vor dem VG Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gem. § 89 Abs. 5 VwGO.


Das VG stellte zunächst fest, dass der Verwaltungsakt an einem Verfahrensfehler leiden würde. So war die nach Gesetz notwendige vorherige Anhörung des Antragstellers unterblieben. Zwar wurde von der Antragsgegnerin eingewandt, man habe zuvor mit dem Antragsteller über eine Anmietung verhandelt, der dieser nicht zustimmte. Die Verhandlungen aber, so das VG, würden nicht die notwendige Anhörung vor Erlass eines beschwerenden Verwaltungsaktes  ersetzen können. Von der Anhörung könne nur bei Gefahr in Verzug abgesehen werden. Dies würde voraussetzen, dass eine Zeitversäumung durch die Anhörung die Gefahr bestünde, dass die zu treffende Reglung zu spät käme. Dies sei hier nicht ersichtlich, wie sich auch daraus ergibt, dass die Antragsgegnerin auch Zeit hatte, zunächst mit dem Antragsteller über die Anmietung zu verhandeln.

Aber auch materiellrechtlich hatte das VG Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme.

Eine drohende unfreiwillige Obdachlosigkeit sei zu bejahen und damit läge eine Gefahr iSv. §§ 11, 2 Nr. 1 a NdsSOG vor. Den Flüchtlinge, die in den kommenden Monaten in Lüneburg erwartet würden, drohe aufgrund der Ausschöpfung der Kapazitäten in den vorhandenen und kurzfristig zu organisierenden Flüchtlingsunterkünften Obdachlosigkeit. Gleichwohl aber lägen die besonderen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 NdsSOG eines sogenannten polizeilichen Notstandes nicht vor.

Die Antragsgenerin habe nicht dargelegt und es wäre auch nicht ersichtlich, dass die Antrasgegnerin die Gefahr nicht selbst oder durch Beauftragte abwehren könne, § 3 Abs. 1 Nr. 3 NdsSOG. Bei der Beschlagnahme von Grundstücken oder Wohnungen und dem damit verbundenen Eingriff in Eigentumsrechte würden ebsonders hohe Anforderungen bestehen (Nds. OVG vom 14.12.2009 – 11 ME 316/09 -). Es müsste daher dargelegt werden, dass der Verwaltungsbehörde im fraglichen Zeitpunkt keine gemeinschaftlichen Unterkünfte zur Verfügung stünden und sie solche auch nicht bei Dritten rechtzeitig beschaffen könne. Im Rahmen des polizeilichen Notstandes sei die Beschlagnahme von Privateigentum zur Unterbringung von Obdachlosen nur als eine vorrübergehende und kurzfristige Maßnahme möglich, wobei von einer Höchstdauer von bis zu sechs Monaten auszugehen wäre. Die Behörde müsse also zunächst alle Bemühungen zur Beschaffung von Unterkünften unternehmen; dabei müsse sie auch auf Beherbergungsbetriebe zurückgreifen, auch wenn dies gegenüber einer beschlagnahme und Zahlung einer Nutzungsentschädigung kostenintensiver ist (Saarl. OVG, Beschluss vom 14.04.2014 – i B 213/14 -). Es muss sich bei der Unterkunft auch nicht um eine solche handeln, die eine wohnungsmäßige Voll- und Dauerversorgung darstellt; ausreichend ist, dass eine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, die vorrübergehenden Schutz vor den Unbilden des Wetters bildet und Raum für notwendige Lebensbedürfnisse belässt (Saarl. OVG aaO.).

Vorliegend wurde dazu, so das VG, nichts vorgetragen. Insbesondere wäre auch nicht vorgetragen worden, eine Unterbringung in der Lüneburger Jugendherberge mit 148 Betten nicht möglich wäre. Auch könnten Hotels und Ferienwohnungen angemietet werden, auch wenn dies mit höheren Kosten verbunden ist. Selbst die Unterbringung in Turnhallen sei grundsätzlich vorrangig gegenüber einer Beschlagnahme (wobei die dortige Unterbringung von der Behörde nicht geprüft wurde).

Die Entscheidung ist rechtskräftig. Mit Beschluss vom 01.12.2015 hat das OVG Lüneburg - 11 ME 230/15 - die Beschwerde der Hansastadt Lüneburg zurückgewiesen.


VG Lüneburg, Beschluss vom 09.10.2015 – 5 B 98/15 -