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Mittwoch, 16. Dezember 2020

Räumungsvollstreckung und COVID-19 im Licht von § 765a ZPO

 

Der Gläubiger betrieb aus einem vollstreckunbaren Zuschlagsbeschluss die Zwangsräumung des ehemals im Eigentum des Schuldners stehenden Grundstücks. Der Antrag des Schuldners auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen vom Schuldner eingelegte Beschwerde des Schuldners blieb ohne Erfolg.

Das Landgericht wies in seiner Entscheidung über die Beschwerde darauf hin, dass nach § 765a ZPO eine Zwangsvollstreckung vom Vollstreckungsgericht ganz oder teilweise eingestellt werden müsste, wenn sie unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände für den Schuldner eine Härte darstellen würde, die nicht mehr mit den guten Sitten vereinbar wäre. Zu berücksichtigen sie, dass § 765a ZPO eine Ausnahmevorschrift sei und daher nur Anwendung finden könne, wenn nach Abwägung der Interessen die Vollstreckung durch den Gläubiger zu einem tragbaren Ergebnis führe (BGH, Beschluss vom 24.11.2005 - V ZB 99/05 -). Auf Gläubigerseite sei bei der Abwägung das grundrechtlich geschützte Vollstreckungsinteresse zu berücksichtigen, da dem Staat auch die Pflicht obliege, titulierte Ansprüche notfalls im Weger der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Eine sittenwidrige Härte wäre die Vollstreckung dann, wen sie den Schuldner schädige, ohne dem Gläubiger Nutzen zu bringen. Ebenso sei die Vollstreckung unzulässig, wenn sie das Leben oder die Gesundheit des Schuldners (so bei Suizidgefahr) oder eines seiner Angehörigen unmittelbar gefährde.

Diese Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nahm das Landgericht hier nicht an. Dabei würden die mit einer Vollstreckung regelmäßig einhergehenden Belastungen des Schuldners nach der zugrundeliegenden Wertung nicht das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers aufwiegen können.

Der Schuldner wies auf durch COVID-19 bedingte Kotaktbeschränkungen hin. Dies würden (zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses) derzeit nicht bestehen, doch würden diese auch die Vollstreckung nicht hindern können. Es sei nämlich zwischen dem Gerichtsvollzieher und dem Gläubiger kein physischer Kontakt bei der Räumung notwendig. Letztlich läge dies am Verhalten des Schuldners.

Ebenso sei bei der Zwangsräumung ein unmittelbarer Kontakt des Schuldners mit dem Gläubiger erforderlich, da der Gläubiger nicht anwesend sein müsse. Im Übrigen würde der Gerichtsvollzieher entscheiden, inwieweit und mit welchen Maßnahmen eine Vollstreckung durchführbar sei. Auch stehe es dem Schuldner fei. Jederzeit freiwillig vor Eintreffen des Gerichtsvollziehgers auszuziehen, wobei sich der Schuldner auch eines Umzugsunternehmens bedienen könne. Ebenso könne auch eine Ersatzwohnung mittels elektronischer Kommunikationsmittel kontaktlos erfolgen.

Soweit die Gefahr einer Beeinträchtigung des Grundrechts auf Leben du körperliche Unversehrtheit behauptet wurde, müsse der Eintritt dieser Gefahr anhand objektiv feststellbarer Umstände mit hinreichend er Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. So sei ein nicht substantiiertes ärztliches Attest aussagelos. Den entsprechenden AnfordeRungen sei der Vortrag des Schuldners nicht gerecht geworden.

Die Erhöhung eines Infektionsrisikos mit Corona könne durch geeignete Maßnahmen auf ein Minimum reduziert werden und läge insbesondere im Einflussbereich des Schuldners.

Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen eines grippalen Infekts ließe sich keine Ursächlichkeit der Erkrankung durch die Räumung entnehmen, würde diese Erkrankung aber auch der Räumung nicht entgegenstehen. Sollte mit der Bescheinigung angedeutet werden, dass sich der Schuldner mit dem Corona-Virus infiziert habe, wäre dies fernliegend, da sei dem 01.04.2020 (vor Erstellung der Bescheinigung) der gesonderte Diagnoseschlüssel U07.1 ! und U07.2 ! gelten würden und auf der Bescheinigung der Schlüssel für eine „akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet“ stünde, ohne dass dies durch den Schuldner spezifiziert worden wäre.

Den Erwägungen des Schuldners würde das überwiegende Vollstreckungsinteresse des Gläubigers entgegenstehen.

LG Verden, Beschluss vom 08.05.2020 - 6 T 33/20 -

Mittwoch, 22. Januar 2020

Zuschlagsbeschluss und Suizidgefahr bei der Schuldnerin


Immer wieder müssen sich die Gerichte mit der Frage der Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen Suizidgefahr bei den jeweiligen Schuldnern  im Zusammenhang mit Räumungs- und Zwangsversteigerungsmaßnahmen auseinandersetzen. Vorliegend betrieben die Gläubiger die Zwangsversteigerung einer Immobilie der Schuldnerin und erhielt am 24.08.2017 der Ersteher den Zuschlag. Die Schuldnerin legte gegen den Zuschlagsbeschluss unter Verweis auf eine Suizidgefahr bei ihr Beschwerde ein. Nach Gutachteneinholung vertrat das Landgericht (LG) als Beschwerdegericht die Auffassung, der Suizideinwand habe nicht das für eine Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens  notwendige Gewicht; die Schuldnerin habe während des Beschwerdeverfahrens therapeutische Hilfe erhalten, weshalb sie Interventions- und Hilfemöglichkeiten selbst formulieren könne und ein Suizid eher unwahrscheinlich sei. Es bestünde für den Fall der Bestätigung des Zuschlagsbeschlusses (Anm: Auf Grund desselben kann der Ersteher die zwangsweise Räumung betreiben) keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Suizid.

Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH den Beschluss auf und verwies das Verfahren an das Beschwerdegericht zurück.

Richtig habe zwar das LG erkannt, dass einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss nach § 100 Abs. 3 iVm. 83 Nr. 6 ZVG stattzugeben sei, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrages des Schuldners nach § 765a ZPO der Zuschlag wegen einer bereits mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners (oder eines nahen Angehörigen) nicht erteilt werden dürfe oder wenn die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners während des Beschwerdeverfahrens zu Tage trete. Zwar sei  deshalb die Zwangsversteigerung nicht ohne Weiteres einzustellen bzw. aufzuheben. Im Hinblick auf die Wahrung der ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen des Gläubigers als auch des Erstehers sei zu prüfen, ob der Gefährdung von Leben und Gesundheit des Schuldners auch anders als durch Einstellung oder Aufhebung der Zwangsersteigerung wirksam begegnet werden könne.

Dies setze aber voraus, dass das Gericht die Geeignetheit der in Betracht gezogenen Maßnahmen sorgfältig prüfe und deren Vornahme sicherstelle. Daran fehle es vorliegend jedenfalls in Bezug auf die Sicherstellung der geeigneten Maßnahmen.

Auch wenn das LG nur von einer „geringen Suizidgefahr“ ausgehen würde, nehme es aber weder ein Vorspiegeln derselben durch die Schuldnerin an noch sähe diese als so vage an, dass von einer Verwirklichung ernsthaft nicht ausgegangen werden könne. Es weise vielmehr darauf hin, dass einer erneuten Aktualisierung der Suizidgefahr durch ein bestehendes „Setting“ aus Anbindung an den Therapeuten und medikamentöser Behandlung begegnet werden könne. Damit sei eine ernsthafte Gefahr der Selbsttötung nicht ausgeschlossen, weshalb das LG ungeachtet der schutzwürdigen Interessen der Gläubiger an einer Fortsetzung des Verfahrens dafür hätte Sorge tragen müssen, dass sich die mit der Fortsetzung des Verfahrens verbundene Lebens- und Gesundheitsgefahr nicht realisiere. Durch das bestehende „Setting“ sei das LG davon nicht entbunden, da offen sei, b dies im Ernstfall funktioniert hätte. So sei auch ein Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Gerichte verfassungsrechtlich nur tragfähig, wenn das Vollstreckungsgericht dafür Sorge trage, dass diese Stellen rechtzeitig tätig werden.  Daher dürfe das Vollstreckungsgericht die Einstellung des Verfahrens nur ablehnen, wenn im Hinblick auf ambulante Maßnahmen zur Bewältigung der Suizidgefahr auch diese Maßnahmen sichergestellt würden.

Dieser Anforderung habe das LG nicht genügt. Weder habe es sichergestellt noch dafür Sorge getragen, dass die therapeutische und medikamentöse Behandlung der Schuldnerin im Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung über den Zuschlag gesichert sei. Es habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass das „Setting“ bei einer akuten Krisensituation besteht und wirksam wird. Dies hätte hier einer freiwilligen Mitwirkung der Schuldnerin bedurft, ohne dass berücksichtigt worden sei, dass bei einer Zuspitzung, wie sie vom LG nicht ausgeschlossen worden sei, ein Suizidgefährdeter nicht mehr in der Lage sei, sich selbst Hilfe zu organisieren. Von daher hätte das LG für diesen Fall die vom LG für geeignet gehaltenen ambulanten Maßnahmen zur Begegnung der konkreten Suizidgefahr auch für den Fall, dass die Schuldnerin die Konfliktsituation nicht mehr selbst beherrschen kann, sicherstellen müssen.

Vor diesem Hintergrund wurde der Beschluss des LG aufgehoben. Das LG habe nun neue Feststellungen zur aktuellen Situation der Schuldnerin zu treffen und dürfe unveränderter Sachlage die Einstellung des Verfahrens nur ablehnen, wenn es sicherstelle, dass das „Setting“ aus ambulanter und medikamentöser Behandlung besteht und funktioniert.

BGH, Beschluss vom 19.09.2019 - V ZB 16/19 -

Freitag, 16. September 2016

Zwangsversteigerung: Zuschlagsverkündungstermin und Antrag auf Vertagung

Vorliegend hatte der Schuldner den Antrag auf Aufschiebung des Verkündungstermins für den Zuschlagsbeschluss mit der Begründung gestellt, er habe bzw. wolle beim Prozessgericht einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO (einstweilige Anordnung auf vorläufige Einstellung der Zwansgvollstreckung) stellen. Dies genügt nach Auffassung des BGH nicht.


Der BGH weist darauf hin, dass in der Regel der Beschluss über den Zuschlag  im Versteigerungstermin erfolgen soll, da alle beteiligten einen Anspruch auf rasche Klärung der Rechtslage haben. Dies gilt insbesondere auch für die Bietenden, die bis zur Verkündung an ihre Gebote gebunden bleiben.  So sei es auch ermessensfehlerhaft, wenn von einer sofortigen Verkündung abgesehen werde, da der betreibende Gläubiger dies beantragt, um mit dem Meistbietenden noch einen möglichen Zuschlag auf die gebotene Summe zu vereinbaren (mit der Möglichkeit, vor dem Zuschlag das aktuelle Verfahren durch Rücknahme zu beenden und so einen Zuschlag zu verhindern). Angemessen wäre eine Vertagung, wenn damit einer möglichen Verschleuderung des durch Ermöglichung einer Vollstreckungsschutzklage gem. § 765a ZPO entgegengewirkt wird.

Wenn aber der Schuldner einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO erst kurz vor oder im Termin ankündigt, rechtfertigt dies nicht die Vertagung der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses. Es liegt in diesem Fall kein notwendiger zwingender Grund vor, weshalb das Ermessen des Rechtspflegers bei seiner Entscheidung gebunden ist und er abzulehnen hat.


BGH, Beschluss vom 12.05.2016 – V ZB 141/15 -