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Donnerstag, 20. April 2023

Zurückstellen des Akteneinsichtsgesuchs des Nebenintervenienten

Die Bedeutung der Nebenintervention wird häufig verkannt. Für den Nebenintervenienten besteht die Möglichkeit, wenn auch abhängig vom Vortrag der Partei, der er in dem Rechtsstreit beitritt, Einfluss auf das gerichtliche Verfahren zu nehmen, auch Rechtsmittel einzulegen. Der Kreis derer, die einem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten dürfen, ist allerdings limitiert. Dies verdeutlicht auch der Beschluss des OLG Frankfurt, mit dem der Antrag des dem Rechtsstreit durch Nebenintervention Beitretenden auf Akteneinsicht zurückgestellt wurde.

Grundsätzlich hat derjenige, der dem Rechtsstreit im Rahmen einer Nebenintervention beitritt (§  66 ZPO) wie auch die Parteien selbst ein Recht auf Einsicht in die Gerichtsakte, § 67 iVm.  § 299  ZPO). Dieses Recht steht ihm auch zu, wenn noch keine Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention erfolgte, § 71 Abs. 2 iVm. § 299 Abs. 1 ZPO. Dies wird auch vom OLG in seinem Beschluss festgehalten. Offen ließ das OLG die Frage, ob dies auch für vor dem erklärten Beitritt mitgeteilte geheimhaltungsbedürfte Informationen gelte. Denn vorliegend sei erst mit der Entscheidung über die Zulässigkeit des Beitritts über das Akteneinsichtsgesuch zu entscheiden und dieses zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen der Nebenintervention offensichtlich nicht vorlägen.

Vom OLG wird zutreffend ausgeführt, dass für die zulässige Nebenintervention ein rechtliches Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei Voraussetzung sei, § 66 ZPO. Dieses rechtliche Interesse erfordere, dass die Entscheidung oder deren Vollstreckung mittelbar oder unmittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten rechtlich einzuwirken vermag (BGH, Beschluss vom 18.11.2015 - VII ZB 57/12 -). Erfasst würden durch § 66 ZPO insbesondere Fälle der Rechtskrafterstreckung auf den Nebenintervenienten, der Vollstreckbarkeit und Tatbestandswirkung bezüglich des Nebenintervenienten, der Vorgreiflichkeit (z.B. bei einem Verfahren zwischen Kaufvertragsparteien bei Beitritt des evtl. sekundär haftenden beurkundenden Notars), der akzessorischen Haftung, der Prozessstandschaft des materiell Berechtigten, des befürchteten Regresses beim Nebenintervenienten oder von Regressansprüchen des Nebenintervenienten.

Nicht gedeckt sind durch § 66 ZPO ist damit ein rein tatsächliches oder wirtschaftliches Interesse. Dazu, so das OLG, gehöre der bloße Wunsch des Nebenintervenienten, der Rechtsstreit möge zugunsten einer Partei entschieden werden, und die Erwartung, das Gericht würde im Falle einer günstigen Entscheidung an seinem Standpunkt auch in einem künftigen eigenen Rechtsstreit festhalten.  Dies gelte auch dann, wenn in beiden Fällen dieselben Ermittlungen angestellt werden müssten oder über die gleiche Rechtsfrage zu entscheiden wäre.

Im vorliegenden Verfahren sei von der Nebenintervenientin, die in keiner Rechtsbeziehung zum Kläger und in einer rechtlich vom vorliegenden Rechtsstreit unabhängigen Beziehung zur Beklagten stünde, geltend gemacht worden, selbst ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen die Beklagte zu betreiben, und das vorliegende Verfahren sei „faktisch präjudiziell“. Damit würde die Nebenintervenientin nur auf ein nicht ausreichendes tatsächliches Interesse abstellen.

Nicht ersichtlich ist aus den Beschlussgründen, ob eine der Parteien des Rechtsstreits den Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellte, § 71 Abs. 1 ZPO. Ohne einen solchen Antrag würde sich die Prüfung des Gerichts auf die Prüfung der Prozesshandlungsvoraussetzungen (Partei-, Prozessfähigkeit, gesetzliche Vertretung, Postulationsfähigkeit und Vollmacht) zu beschränken haben. Das rechtliche Interesse wie auch eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Beitritts sind nur auf Rüge zu prüfen (Althammer in Zöller, ZPO, 34. Aufl. § 66 Rn. 14; Bünnigmann in Anders/Gehle, ZPO 81. Auf. § 71 Rn. 4).

Beachtlich ist an der vorliegenden Entscheidung des OLG, dass dieses das in § 71 Abs. 3 ZPO normierte Recht des Nebenintervenienten einschränkt, d.h. das Akteneinsichtsgesuch bis zur (rechstkräftigen) Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention zurückstellt. dass die Nebenintervenientin bis zum rechtskräftigen Ausspruch der Unwirksamkeit der Nebenintervention im Hauptverfahren zuzuziehen ist, mithin auch die Rechte des Nebenintervenienten (und damit das Recht auf Akteneinsicht) nach § 299 Ab. 1 ZPO hat, da mit Parteien iSv. § 299 Abs. 1 ZPO die Prozessbeteiligten gemeint sind, zu denen auch der Nebenintervenient gemeint ist, was so ersichtlich auch vom OLG verstanden wird.  Gleichwohl ist der Entscheidung zuzustimmen. Das OLG verweist darauf, dass bei Fehlen der Voraussetzungen für eine Nebenintervention sich diese und das Akteneinsichtsgesuch darin erschöpfen würden, die Voraussetzungen des § 299 Abs. 2 ZPO für Akteneinsichtsgesuche durch Dritte zu unterlaufen und/oder statt eines Gesuchs über den Gerichtsvorstand mit abweichenden Rechtsschutzmöglichkeiten zum umgehen. Diesem beugt das OLG durch das Zurückstellen des Antrages vor, da danach das Gesuch dann positiv zu entscheiden wäre, wenn über die Zulässigkeit der Nebenintervention entscheiden wird.  Fraglich ist dies allerdings für den Fall, dass die Entscheidung über die Nebenintervention auch in der Endentscheidung ergehen kann, und - bei Feststellung der Zulässigkeit - die Nebenintervenientin an der Ausübung ihres Rechts nach Art. 103 GG (rechtliches Gehör) gehindert worden wäre. Zwar bezieht sich hier das OLG darauf, dass nach der derzeitigen Begründung der Nebenintervention nach § 66 ZPO nicht von einer zulässigen Nebenintervention auszugehen sei, doch würde dies nicht einen weiteren, die Voraussetzungen evtl. belegenen Vortrag der Nebenintervenientin ausschließen. Grundsätzlich ist das Zurückstellen bis zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung über die Nebenintervention sicherlich richtig, da die Gerichtsakte nur parteiöffentlich ist, nicht allgemein zugänglich ist (wie sich auch aus § 299 ZPO erschließt). Allerdings dürfte dann die Entscheidung über die Zulassung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zusammen oder zeitgleich mit der Endentscheidung im Verfahren ergehen.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.11.2022 - 11 U 78/22 (Kart.)

Dienstag, 29. November 2022

Erfüllungseinwand in Zwangsmittelverfahren und Erhebung Vollstreckungsabwehrklage ?

Die Beklagten hatten ein rechtskräftiges Urteil auf Auskunftserteilung durch Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses erwirkt. Sie stellten am 05.03.2018 einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln zur Vollstreckung der Auskunftsverpflichtung (§ 888 ZPO), in dem der Kläger ein notarielles Nachlassverzeichnis vorlegte. Der Kläger ging davon aus, dass er damit den titulierten Anspruch erfüllt habe; die Beklagten sahen das Nachlassverzeichnis als lückenhaft an. Das zuständige Landgericht hatte zum Zeitpunkt der Entscheidung über die sodann vom Kläger erhobene Vollstreckungsabwehrklage noch nicht entschieden.  Die Beklagten erklärten in diesem neuen Verfahren, dass in älteren anhängigen Verfahren auf Zwangsmittel nach § 888 ZPO, dass sie für den Fall, dass dieser Antrag rechtskräftig mit der Begründung zurückgewiesen würde, dass der Auskunftsanspruch erfüllt sei, sie sich verpflichten würden, diese Entscheidung anzuerkennen. Das Landgericht wies die Vollstreckungsabwehrklage ab. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Im rahmen der vom OLG zugelassenen Revision wurde das klageabweisende Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.

Entgegen der Ansicht des OLG bejahte der BGH ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

Ein Rechtsschutzbedürfnis würde fehlen, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos sei. Für die Vollstreckungsabwehrklage würde solange ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, solange der Gläubiger den Titel in seinen Händen halte, selbst dann, wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus dem Titel verzichte und/oder Einigkeit bestünde, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht mehr in Betracht kommen. Dies basiere darauf, dass der Schuldner alleine durch Vorlage einer öffentlichen oder vom Gläubiger ausgestellten privaten Urkunde, aus der sich die Erfüllung der Forderung ergäbe, die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen nicht erreichen könne (§§ 775 Nr. 4, 776 ZPO) und ein Verzicht keine weitergehende Wirkung als die Erfüllung habe.  Dies entspräche der Norm des § 767 ZPO, die einem Vollstreckungstitel seine Vollstreckungsfähigkeit schlechthin nehmen würde. Die Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO würde grds. nicht davon abhängen, ob eine Vollstreckung drohe.

Damit bestünde hier das Rechtsschutzbedürfnis. Fehlerhaft habe das OLG darauf abgestellt, ob eine Zwangsvollstreckung gegen den Kläger drohe oder eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme bevorstehe, da es darauf nicht ankäme. Zudem nähme das OLG unzutreffend an, es drohe keine Vollstreckungsmaßnahme, da die beklagten doch das Verfahren nach § 888 ZPO eingeleitet hätten.

Weiterhin negierte der BGH ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage nach § 767 ZPO vor dem Hintergrund, dass der Kläger den Erfüllungseinwand auch im Verfahren nach § 888 ZPO geltend machen könne und geltend gemacht habe. Es handele sich nicht um gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeiten.

In beiden Verfahren (§§ 887, 888 ZPO und § 767 ZPO) sei der Schuldner mit dem Einwand der Erfüllung zu hören. Ein anhängiges Zwangsmittelverfahren wie hier sperre gleichwohl nicht die Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage.

Dabei sei schon bedeutsam, dass die Entscheidung im Zwangsmittelverfahren, ob die Titelforderung erfüllt ist, nicht in Rechtskraft erwachse. Streitgegenstand sei hier nur die Festsetzung des Zwangsmittels. Die Feststellung der Erfüllung sei Teil der Entscheidung, würde aber nicht tituliert. Der Beschluss stünde zwar einem neuen Zwangsmittelantrag mit gleicher Begründung entgegen, könne aber aus Gründen der materiellen Rechtskraft nicht der Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage entgegenstehen.

Weiterhin seien auch praktische Gründe zu beachten. Das Zwangsmittelverfahren würde nur auf Antrag des Gläubigers eingeleitet und dieser könne den Antrag auch jederzeit zurücknehmen.  Schon deshalb sei es für den Schuldner, der in diesem Verfahren den Erfüllungseinwand erhebt, nicht gesichert, dass das Gericht darüber auch entscheidet. Neben der Zurücknahme des Antrages durch den Gläubiger kämen auch Zurückweisungen durch das Gericht wegen Fehlens allgemeiner Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen in Betracht; dies würden einer neuen Antragstellung durch den Gläubiger nicht entgegenstehen. Hingegen könne der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage aktiv das Ziel verfolgen, laufende oder zukünftige Zwangsvollstreckungen den Boden entziehen, da ein dieser Klage rechtkräftig stattgegebenes Urteil die Vollstreckbarkeit des Titels beseitige.

Die Erklärung der Beklagten sei rechtlich belanglos. Der erklärte Verzicht auf die rechte aus dem Titel ließe das Rechtsschutzbedürfnis nach § 676 ZPO nicht entfallen, solange der Gläubiger den Titel noch habe. Zudem hätten hier die beklagten nicht einmal verzichtet, sondern dem Kläger nur einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch eingeräumt, zudem unter einer aufschiebenden Bedingung.

BGH, Beschluss vom 29.09.2022 - I ZR 180/21 -

Samstag, 9. Juli 2022

Ungewissheit der Erbfolge bei Anfechtung der Ausschlagung / Antrag auf Nachlasspflegschaft durch Sozialkasse

Die Beteiligten X und Y sind die einzigen möglichen Erben des Verstorbenen gewesen. Sie haben die Erbschaft zunächst ausgeschlagen. Das Nachlassgericht ordnete zur Sicherung des Nachlasses eine Nachlasspflegschaft an. Dann stellte sich heraus, dass ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass (Bankguthaben) vorhanden ist, was vom Nachlassgericht X und Y am 10.08.2020 mitgeteilt wurde.  Am 28.09.2929 ging elektronisch über das besondere Anwaltspostfach (beA) über eine von X und Y beauftragte Rechtsanwältin eine notarielle Urkunde ein, mit der X und Y die Erbausschlagung anfechten; das Original der Urkunde ging beim Nachlassgericht am 01.10.2020 ein. Das Nachlassgericht hob die Nachlasspflegschaft auf, was auch den bekannten Nachlassgläubigern, u.a. einer Sozialkasse, mitgeteilt wurde.  Die Sozialkasse beantragte nunmehr eine Nachlasspflegschaft mit der Begründung, sie habe einen ersatzfähigen Sozialhilfeaufwand, der nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGB XII gegen die Erben geltend gemacht werden soll. Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück. Dagegen legte die Sozialkasse Beschwerde ein. Nach Nichtabhilfe durch das Nachlassgericht entschied das OLG über diese und gab ihr statt.

Es sei nach § 1961 BGB vom Nachlassgericht in den Fällen des § 1969 Abs. 1 BGB ein Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richte, von dem Berechtigten beantragt würde.

Voraussetzung sei eine Ungewissheit hinsichtlich des Erben. Nur wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit feststehen würde, wer Erbe ist, käme sie nicht in Betracht. Eine solche Wahrscheinlichkeit, dass X und Y Erben wären, gäbe es allerdings nicht. Das Original der Anfechtung der Erbausschlagung hätte binnen sechs Wochen nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes eingehen müssen (§§ 1954 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 2. Alt., 1955 Abs. 1 2. Alt., 129 Abs. 1 S. 1 BGB) was hier nicht der Fall gewesen sei. Nach Mitteilung von X und Y hätten sie die Mitteilung des Nachlassgerichtes über Guthaben am 18.08.2020 erhalten. Sie seien bei der Ausschlagung davon ausgegangen, der Erblasser verfüge über kein Bankkonto. Die Ausschlagungsfrist begann danach am 19.08.2020 und endete am 29.09.2020. Das Original der Urkunde sei verspätet eingegangen. Die Überlassung über beA sei nicht ausreichend, da das Original der notariellen Urkunde vorzulegen sei. Offen bleiben könne, ob es sich bei dem Irrtum von X und Y um einen Inhaltsirrtum oder um einen unbeachtlichen Motivirrtum handele, der die Anfechtung ausschließen würde.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft seien gegeben. Die Sozialkasse sei Gläubigerin, da sie Sozialleistungen erbracht habe und diesbezüglich einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Erben nach § 102 Abs. 1 S. 1 SGB XII habe, bei dem es sich um eine Nachlassverbindlichkeit iSv. §§ 1967 Abs. 2 2. Alt. BGB, 102 Abs. 2 SGB XII handele. Der Antrag auf Anordnung der Nachlasspflegschaft seit zur Geltendmachung des Anspruchs erfolgt. Vor Erlass eines Leistungsbescheides sei aber der Vertreter der unbekannten Erben anzuhören. Damit bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag, da entgegen dem Wortlaut des § 1961 BGB nicht lediglich die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass beabsichtigt sein müsse, sondern es auch ausreichend sei, dass der Antragsteller den Anspruch notfalls gerichtlich durchsetzen wolle, falls er nicht außergerichtlich durchzusetzen ist. Dieses Rechtsschutzinteresse trete an die Stelle des Sicherungsbedürfnisses iSv. § 1960 Abs. 1 BGB (so auch OLG München, Beschluss vom 18.12.2013 - 31 Wx 490/13 -).

Da zudem nur dem Gläubiger einer titulierten Forderung das Recht zustünde, einen  Erbschein zu beantragen, könne hier die Sozialkasse auch nicht auf diesen Antrag und damit auf ein erbscheinverfahren verwiesen werden.

OLG Bamberg, Beschluss vom 21.03.2022 - 2 W 35/21 -

Donnerstag, 24. März 2022

Das selbstständiges Beweisverfahren (§ 485 Abs. 2 ZPO) und die beschränkte Zulässigkeit nach Verkehrsunfall

Ist ein streitiges Verfahre noch nicht anhängig, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO die Durchführung eine selbständigen Beweisverfahren beantragt werden. Dieses dient (auch) dazu, einen beweis für ein mögliches späteres Hauptsacheverfahren zu sichern. Es wird häufig in Bausachen genutzt, da sich die Streitverfahren lange hinziehen und die die Sicherung eines Beweises im Hinblick z.B. auf einen Mangel der Bausache erforderlich ist vor dem Hintergrund, dass er beseitigt werden soll und das Bauwerk nutzen zu können. Mit der Beseitigung des Mangels könnte gegebenenfalls der Bauherr nicht mehr den Nachwies führen, dass ein vom Bauunternehmer zu vertretender Mangel vorliegt. Häufig besteht in solchen Fällen auch Übereinstimmung zwischen den Parteien auf Durchführung des Verfahrens, da - wird der behauptete Mangel nicht beseitigt - durch die Prozessdauer ein weitergehender Schaden des Bauherrn entstehen könnte, für den möglicherweise der Bauunternehmer aufzukommen hat.

Das selbständige Beweisverfahren bewirkt lediglich einen Beweisbeschluss zu dem vorgegebenen Beweisthema, die Einholung des Gutachtens und evtl. Ergänzung desselben oder auch Anhörung des bestellten Sachverständigen. Eine Entscheidung in der Sache ergeht in diesem Verfahren nicht.

Vorliegend musste sich das OLG mit einem Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nach einem Verkehrsunfall auseinandersetzen, der vom Landgericht als unzulässig zurückgewiesen worden war.

Soweit anstelle eines privaten Sachverständigengutachtens über den Schadensumfang ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO angestrengt wird, wird dies in der Regel für zulässig angesehen. Nur vereinzelt wird die Auffassung vertreten, anstelle des selbständigen Beweisverfahrens könne der Antragsteller auch ein Privatgutachten einholen.

Vorliegend wollte der Antragsteller mittels der beantragten Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens die Verantwortlichkeit der Beteiligten an den Schäden geklärt wissen. Das Landgericht, und ihm folgen das OLG, haben aber die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 485 Abs. 2 ZPO negiert.

§ 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO sieht vor, dass ein selbständiger Beweisantrag zur Feststellung der Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels zulässig ist. Damit, so das OLG, könnten grundsätzlich auch Verkehrsunfälle Gegenstand eines solchen Verfahrens sein. Allerdings würde dies nicht gelten, wenn von vornherein zu erwarten sei, dass das Unfallgeschehen selbst und damit auch die Verantwortlichkeit für die dabei entstandenen Schäden nur durch die Vernehmung von Zeugen und Anhörung der Parteien hinreichend geklärt werden könne. Wenn, wie hier, objektive Anknüpfungstatsachen (so Spuren auf der Fahrbahn) fehlen würden, die auf den Kollisionsort schließen ließen, und der Streit darum gehen würde, welcher Beteiligte seine Fahrspur verlassen habe, würde dies dem selbständigen Beweisverfahren entgegenstehen. Es würden Anknüpfungstatsachen für das Sachverständigengutachten fehlen, die erst durch die Vernehmung von Zeugen und Anhörung der Parteien geschaffen werden könnten. In einem selbständigen Beweisverfahren könnten aber Zeugen und Parteien nach § 485 Abs. 2 ZPO nicht angehört werden; § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO sieht lediglich die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen vor. Damit käme es (nach Angabe des OLG schon angesichts der Einlassung der Antragsgegner in dem Verfahren) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einer (jedenfalls ergänzenden) Begutachtung in dem Hauptsacheverfahren (also dem Verfahren nach Klageerhebung) gem. § 412 ZPO mit Partei- und Zeugenbefragung, weshalb das selbständige Beweisverfahren weder zu einer Verfahrensbeschleunigung noch zu einer Kostenreduzierung führen würde. Da auch vom Antragsteller keine sonstigen Gründe für die isolierte Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens benannt worden seien und solche auch nicht ersichtlich seien, sei der Antrag unzulässig und zurückzuweisen.

Instruktiv ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.04.2008 - I-1 U 212/07-), in dem der Kläger mit der Reparatur bis zum Abschluss eines selbständigen Beweisverfahrens zuwartete und von daher streitiger Nutzungsausfall bzw. Mietwagenkosten anfielen. Das OLG sah das Zuwarten in der besonderen Konstellation als zulässig an (also kein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungsverpflichtung), da der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass für die Unfallrekonstruktion eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge beschädigten Fahrzeuge erforderlich sei, er dies aber mittels Privatgutachten - da er keinen Zugriff auf das gegnerische Fahrzeug nehmen kann - nicht habe ohne das Beweisverfahren bewerkstelligen können.

OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2022 - 9 W 5/22 -

Montag, 14. März 2022

Betreuung: Eigene Erstbeschwerde des Betreuers grds. Voraussetzung für Rechtsbeschwerde

Gegen eine Entscheidung des Landgerichts, mit der eine Beschwerde der Mutter (Betroffene) ihres die Rechtsbeschwerde führenden Sohnes betroffen war, legte der Sohn das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde im eignen Namen ein.  Die Rechtsbeschwerde wurde vom BGH als unzulässig verworfen.

Der Sohn der Betroffenen sei durch die Entscheidung nicht beschwert. Die Beschwerde vom 22.07.2017  gegen die angefochtene Entscheidung wurde von dem Sohn der Betroffenen durch eine von ihm beauftragten Rechtsanwältin unter Verweis auf eine vom 22.10.2016 datierende Vollmacht ausdrücklich im Namen der Betroffenen (Mutter) eingelegt. Der Sohn war Vorsorgebevollmächtigter seiner Mutter und hätte damit nach § 303 FamFG die Beschwerde auch im eigenen Namen einlegen können, davon aber keinen Gebrauch gemacht, sondern nach § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG (zulässig als Vorsorgebevollmächtigter) die Beschwerde im Namen seiner Mutter als Betroffener eingelegt. Damit sei die Mutter selbst Beschwerdeführerin des Erstbeschwerdeverfahrens und somit auch nur sie selbst als Rechtmittelführerin von der Zurückweisung des Rechtsmittels formell beschwert.

Der Sohn als Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsbeschwerde sei durch die Entscheidung im Rahmen der Erstbeschwerde nicht selbst in seinen Rechten betroffen und damit in direkter oder entsprechender Anwendung der im Betreuungsrecht geltenden Sonderregelung in § 303 Abs. 2 FamFG rechtsbeschwerdeberechtigt. Anders wäre dies nur dann, wenn durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts (Landgericht) die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert worden wäre, was hier mit der Zurückweisung der (Erst-) Beschwerde der für die Mutter eingelegten Beschwerde nicht erfolgt sei. Fehle es aber an einer inhaltlichen Abänderung, durch die der Sohn als Rechtsbeschwerdeführer beschwert worden sein könnte, sei sein nunmehr im eigenen Namen eingelegtes Rechtsmittel unzulässig.

Dies wurde bereits in dem in der Entscheidung des BGH benannten Beschluss  vom 14.10.2020 - XII ZB 91/20 – ausgeführt, in dem auch darauf hingewiesen wurde, dass davon abweichend dann der Betreuer bzw. der Vorsorgebevollmächtigte selbst die Rechtsbeschwerde ohne eigene Beteiligung am Beschwerdeverfahren einlegen könne, wenn mit der Beschwerdeentscheidung erstmals in seinen Aufgabenbereich eingegriffen würde.

BGH, Beschluss vom 15.12.2021 - XII ZB 383/21 -

Dienstag, 9. Juni 2020

Zur Beschwerdefähigkeit der (vorläufigen) Streitwertfestsetzung

Bildunterschrift hinzufügen

Die Antragstellerin bezifferte den Gegenstandswert des von ihr eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens mit € 28.713,00 (wobei sei bereits einen Abschlag von 2/3 im Hinblick auf die Verfahrensart vorgenommen haben will). Das Landgericht setzte den Gegenstandswert auf vorläufig € 5.000,00 fest und wies die Antragstellerin sodann auf Bedenken zur sachlichen Zuständigkeit (bis € 5.000,00 ist das Amtsgericht sachlich zuständig, § 23 Nr. 1 ZPO) hin. Gegen die Streitwertfestsetzung legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein.

Unzulässig, so die Ansicht des OLG, dem nach nicht erfolgter Abhilfe durch das Landgericht der Vorgang zur Entscheidung vorgelegt wurde.  

Grundsätzlich ist eine Beschwerdegegen eine lediglich vorläufige Streitwertfestsetzung nur zulässig, wenn diese die Zahlungen weiterer Kosten für die Tätigkeit des Gerichts bedinge, §§ 63 Abs. 1 S. 2m 67 Abs. 1 S. 1 GKG. Hier aber würde für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht einmal eine Vorschussverpflichtung bestehen. Auch Anwälte könnte aus eigenem Recht gegen die vorläufige Wertfestsetzung kein Rechtsmittel einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.

Auch wenn die vorläufige Streitwertfestsetzung (wie hier) der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit diene, sei ein Rechtsmittel unzulässig. Dies folge bereits aus § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO, wonach der Beschluss zur Zuständigkeit unanfechtbar sei und mittels einer entsprechenden Beschwerde § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO letztlich umgangen würde. Die in § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO benannte Bindungswirkung für das danach dann zuständige Ger9icht könne allenfalls bei Willkür entfallen.

Auch die in § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG vorgesehene Änderungsmöglichkeit für das Rechtmittelgericht für den Fall, dass der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist, begründe nicht die Zulässigkeit, da diese Regelung ansonsten eine unzulässige Umgehung der Rechtsmittelbeschränkung des § 68 Abs. 1 S. 1 GKG darstellen würde.

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 02.06.2020 - 1 W 16/20 -

Montag, 15. Mai 2017

Unzulässiges Rechtsmittel des Streithelfers nach Rücknahme des Rechtsmittels durch die unterstütze Partei

Streithilfe bedeutet, dass ein Dritter dem Rechtsreit anderer Beteiligter auf Seiten von einem von ihm beitritt, sei es, da er dies von sich aus vornimmt oder ihm von einer der Parteien des Rechtsstreits der Streit verkündet wird. So hat z.B. regelmäßig der (private) Haftpflichtversicherer in einem Rechtstreit seines Versicherungsnehmers ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, da die Entscheidung Grundlage des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer ist. Ein Interesse an einer Streitverkündung durch eine Partei kann dann bestehen, wenn z.B. der Streitverkündete gesamtschuldnerisch mit der streitverkündenden Partei haften könnte und damit die Feststellung zum Haftungsgrund und zur Haftungshöhe auch mit Bindungswirkung zur Vermeidung divergierender Entscheidungen in einem Verfahren gegen den Gesamtschuldner diesem gegenüber festgestellt werden.

Vorliegend hatten sowohl die Streithelferin als auch die von ihr unterstützte Hauptpartei gegen eine vorangegangene Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt. Danach kam es zu einem umfassenden außergerichtlichen Vergleich zwischen den Parteien des Rechtstreits (der Streithelfer ist nicht Partei), in dessen Folge die Beklagte, auf deren Seite die Streithelferin beigetreten war, das Rechtsmittel zurücknahm.

Der BGH wies daraufhin die selbständige Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin der Beklagten als unzulässig zurück und verwies zur Begründung auf § 67 Halbs. 2 ZPO. Nach § 67 ZPO ist es dem Nebenintervenienten/Streithelfer zwar unbenommen eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen (mithin auch die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde) vorzunehmen; eingeschränkt wird dies allerdings durch § 67 Halbs. 2 ZPO dadurch, dass dies nicht in Widerspruch zu Erklärungen und Handlungen der unterstützten Partei steht.

Durch die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde durch die Beklagte als unterstützte Partei stand damit ersichtlich in Ansehung des zwischen den Parteien des Rechtsstreits umfassend abgeschlossenen Vergleich die (nicht zurückgenommene) Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin im Widerspruch zur Handlung der unterstützten Partei. Erkennbar wollte die unterstützte Partei keine Entscheidung mehr über ihr Rechtsmittel und den Prozess (auf Grund des außergerichtlichen Vergleichs) beenden.

Anmerkung zur rechtlichen Konsequenz des Verhaltens der unterstützten Partei:

Nicht auseinandersetzten musste sich der BGH hier mit den möglichen Konsequenzen der Verhaltensweise der unterstützten Partei. Da offenbar die Streithelferin an dem Vergleich der Parteien des Rechtsstreits nicht beteiligt wurde,  soll dies doch beleuchtet werden:

Vorliegend handelte es sich um eine einfache Nebenintervention (Streithilfe), d.h. der Nebenintervenient war nicht Streitgenosse der Hauptpartei. Die tragenden Gründe eines Urteils wirken für und gegen den Nebenintervenienten, § 68 ZPO. Kommt es nicht zu einem rechtskräftigen Urteil, da sich die Parteien vergleichen, greift die Bindungswirkung des § 68 ZPO bereits deshalb nicht, da es an bindenden Feststellungen des Gerichts durch ein (bestandkräftiges) Urteil ermangelt. Wird ein Vergleich zwischen den Parteien in 2. Instanz geschlossen, gilt dies auch, da mit dem Vergleich dem Urteil seine Bestandkraft genommen wurde. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits vor Abschluss des Vergleichs ein bestandskräftiges Grundurteil ergangen ist, der Vergleich nur in der Folge geschlossen wurde (z.B. sich die Parteien zur Höhe verglichen); in diesem Fall entfalten die tragenden Gründe zum Grund des Anspruchs Bindungswirkung auch zwischen dem Nebenintervenienten und der unterstützten Partei.

Durch die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde seitens der unterstützten Partei und der dadurch bedingten Unzulässigkeit der eigenen Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin kann nur bedingt eine Bindungswirkung er damit rechtskräftigen Entscheidung der Vorinstanz eintreten. Denn die Streithelferin ist nur dann mit Einwendungen zur mangelhaften Prozessführung  der Hauptpartei nach § 68 ZPO ausgeschlossen, als sie nicht durch Vortrag oder Anträge bzw. Prozesshandlungen Einfluss nehmen konnte. Hier war der Streithelferin eine weitere Einflussnahme auf das vorangegangene Urteil durch die durch Handlung der unterstützten Partei unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen. Das führt dazu, dass in einem möglichen Folgeverfahren zwischen der unterstützten Partei und der Streithelferin die Streithelferin immer noch die Angriffe gegen die bestandskräftige Entscheidung vorbringen kann, die sie auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hätte vorbringen können, weshalb im Falle deren Erheblichkeit dies zur gewollten Abänderung oder Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Entscheidung geführt hätte und auch insoweit in dem jetzt neuen Verfahren zu berücksichtigen wäre. Vor diesem Hintergrund sollte die unterstützte Hauptpartei stets versuchen, bei einem gewollten Vergleich den Nebenintervenienten mit einzubeziehen; ist dieser nicht bereit, wäre von ihr das Risiko abzuschätzen, welches sich aus der Nichteinbeziehung durch die (eventuell teilweise) fehlende Bindungswirkung eines Urteils ergibt.


BGH, Beschluss vom 11.04.2017 - VI ZR 636/15 -

Sonntag, 25. September 2016

Streitverkündung durch Versicherungsnehmer aufgrund Gesamtschuld hemmt die Verjährung

Die Versicherungsnehmerin (VN) der jetzigen Klägerin wurde vom Bauherrn im vorangegangenen Verfahren wegen Baumängeln verklagt. In diesem Verfahren verkündete die VN dem jetzigen Beklagten den Streit, der auf Seiten der VN dem Rechtsstreit beitrat. Nach dem Urteil, mit dem die VN zur Zahlung von € 79.054,86 zuzüglich Zinsen verurteilt wurde, zahlte die Klägerin den Betrag abzüglich des Selbstbehalts der VN an den Bauherrn an den Bauherrn und verlangte 40% davon vom Beklagten erstattet. Das Landgericht hat die VN und den Beklagten als Gesamtschuldner angesehen, allerdings eine vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung als begründet angesehen. Nach „ 195 betrage die Verjährungsfrist drei Jahre, beginnend nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der ausgleichspflichtige Anspruch entstand und die VN Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erhielt. Damit, so das Landgericht, begann die Verjährung am 01.01.2008 und sei am 31.12.2010 abgelaufen. Die Klageerhebung der Klägerin in 2013 habe die Verjährungsfrist nicht mehr nach § 204 BGB hemmen können. Die Streitverkündung der VN habe nach Auffassung des Landgerichts nicht zur Hemmung geführt, da die Streitverkündung unzulässig gewesen sei. Die Unzulässigkeit ergebe sich daraus, dass schon im Zeitpunkt der Streitverkündung eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten mit der VN in Betracht kam und von daher auch der Bauherr beide hätte verklagen können. Damit hätte die VN den Beklagten selbst klageweise auf Freistellung in Anspruch nehmen müssen. Dem schloss sich das OLG an und hat die Berufung mit Beschluss nach § 522 ZPO zurückgewiesen.

Der BGH folgte der Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht.

Er wies darauf hin, dass nach § 72 Abs. 1 ZPO eine Streitverkündung u.a., dann zulässig sei, wenn die Partei im Zeitpunkt der Streitverkündung aus in diesem Augenblick naheliegenden Gründen für den Fall eines für sie ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch gegen einen Dritten erheben zu können glaubt. Entscheidend dabei sie, dass die Streitverkündung verhindern soll, dass verschiedene Beurteilungen desselben Tatbestandes durch unterschiedliche Gerichte erfolgen, weshalb auch §§ 74, 68 ZPO diesem Risiko entgegenwirkt. Von daher sei zu unterscheiden:

Unzulässig ist eine Streitverkündung durch den Kläger des Vorprozesses (dies wäre hier der Bauherr) gegenüber dem jetzigen Beklagten, wenn (und da) von vornherein nach Lage der Dinge der jetzige Beklagte und die VN als Gesamtschuldner ihm gegenüber haften und von daher die Klage hätte auf den jetzigen Beklagten erweitert werden können. In einem solchen Fall könnte es auch für den Streitverkünder nicht mehr darauf ankommen, ob der Prozess für ihn ungünstig ausgeht.

Anders aber sei es in dem Fall (wie hier), wenn der Beklagte des Vorprozesses (hier die VN) gegen einen Dritten (Streitverkündungsempfänger, hier der Beklagte des aktuellen Prozesses) aus im Zeitpunkt der Streitverkündung naheliegenden Gründen aus einem Gesamtschuldverhältnis  einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch  erheben zu können glaube. Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldner sind, so der BGH, Ansprüche auf Schadloshaltung iSv. § 72 Abs. 1 ZPO. Ein Beklagter wie hier die VN der Klägerin , der einen Gesamtschuldnerausgleich gegen einen Dritten erheben zu können glaubt, ist dem Risiko ausgesetzt, vor dem die mit der Streitverkündung verbundene Bindungswirkung nach §§ 74, 68 ZPO bewahren soll.


BGH, Urteil vom 07.05.2015 – VII ZR 104/14 -